Landgericht Bonn:
Urteil vom 4. September 2003
Aktenzeichen: 14 O 53/03

(LG Bonn: Urteil v. 04.09.2003, Az.: 14 O 53/03)

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der

Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zur Höhe von EUR 250.000,00 ersatzweise von Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft bis zur Dauer von sechs Monaten zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken Apothekern mit der nachstehend wiedergegebenen Vereinbarung

---der Abdruck der Vereinbarung ist aus technischen Gründen

nicht möglich ---

die kostenlose Zurverfügungstellung der nachstehend wiedergegebenen Zeitschrift "Apothekenkurier" anzubieten und/oder diese zur Verfügung zu stellen:

---der Abdruck der Zeitschrift "Apothekenkurier" Nr.2/Februar 2003 ist aus technischen Gründen nicht möglich ---

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 189,00 zzgl. 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 15.04.2003 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Dieses Urteil ist gegen Sicherheitsleistung i. H. v. EUR 7.000,00 vorläufig vollstreckbar.

Sicherheitsleistungen dürfen auch durch die schriftliche, unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts bewirkt werden.

Tatbestand

Der Kläger, gerichtsbekannt als Institution im Sinne von § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG, nimmt die Beklagte, einen Arzneimittelhersteller, unter anderem der den Husten bekämpfenden Arzneien "Aspecton", auf Unterlassung - in dem Umfang wie es tenoriert ist - in Anspruch, weil sie, die Beklagte, durch die unentgeltliche Übergabe von monatlich je 500 Exemplaren der Zeitschrift "Apothekenkurier" an verschiedene Apotheker gegen § 7 HWG verstoße.

Der "Apothekenkurier" wird vom Kunstverlag H verlegt und in vielen Apotheken kostenfrei ausgelegt. Die Apotheken bezahlen bei Abnahme von 500 Stück 0,098 EUR pro Stück, entsprechend 49,00 EUR (95,84 DM) für 500 Stück, zzgl. 8,50 EUR für Versand/Verpackung sowie Mehrwertsteuer und gesonderte Kosten für einen Eindruck. Die Beklagte schließt mit Apothekern, die von ihr Medikamente beziehen, besonders mit umsatzstarken Apothekern, die Vereinbarung, wie sie im Tenor wiedergegeben ist, wonach sie ihren Kunden für den vereinbarten Zeitraum je 500 Exemplare der Zeitschrift "Apothekenkurier" kostenlos zur Verfügung stellt, also ihrerseits die vorgenannten Kosten trägt. Die Ausgaben, die sie den Apothekern zur Verfügung stellt, tragen einen Werbeumleger ("Flappe"), mit dem für die nicht verschreibungspflichtigen Arzneien "Aspecton" geworben wird.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, dabei handele es sich um unentgeltlich an Verbraucher abzugebende Zeitschriften im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 HWG, die zur Verwendung in der pharmazeutischen Praxis (§ 7 Abs. 1 Satz 2 HWG) bestimmt seien.

Die Klägerin stellt den Antrag,

- wie erkannt -.

Die Beklagte stellt den Antrag,

die Klage abzuweisen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die von ihnen gewechselten Schriftsätze und vorgelegten Urkunden verwiesen.

Gründe

Die Klage ist begründet.

Die Klägerin hat gemäß §§ 1 UWG, 7 Abs. 1 HWG den zuerkannten Unterlassungsanspruch und gemäß §§ 683, 670 BGB den Anspruch auf Ersatz der ihr entstandenen Aufwendungen aufgrund der Abmahnung vom 21.02.2003 in Höhe von EUR 189,00.

Die Beklagte hat im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbes Handlungen vorgenommen, die gegen die guten Sitten verstießen (§ 1 UWG), indem sie Apothekern Werbegaben in Form von monatlich je 500 Exemplaren des "Apothekenkurier" angeboten und gewährt hat. Diese Handlungsweise verstieß gegen § 7 Abs. 1 Satz 1, 2 HWG; die Voraussetzungen der Ausnahmen gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 5 HWG sind nicht gegeben.

Die Beklagte liefert Werbegaben (Waren oder Leistungen) an Apotheken.

Der Begriff der Werbegabe umfasst jeden zuwendungsfähigen Vorteil, so dass alle tatsächlich oder vorgeblich unentgeltlich gewährte geldwerten Vergünstigungen, die als Zugabe (akzessorisch) oder sonstige Werbegabe (abstrakt) zum Zwecke der Absatzförderung von Heilmitteln gewerblich eingesetzt werden, zu den Werbegaben im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG zählen (vgl. BGH NJW-RR 1990, 1451; OLG Stuttgart NJW RR 1997, 359, 360). Die Beklagte wendet den Apothekern, denen sie monatlich je 500 Exemplare des "Apothekenkurier" zukommen lässt, einen geldwerten Vorteil in diesem Sinne zu, da die Empfänger der Exemplare ohne die Zuwendung der Beklagten beim Verlag 49,00 EUR zzgl. Mehrwertsteuer und Versandkosten hätten zahlen müssen.

Es kann dahinstehen, ob diese Zuwendung (auch) als Werbe- und Verkaufshilfe anzusehen ist, weil im Verhältnis zu den Apothekern jedenfalls (auch) eine Zuwendung oder sonstige Werbegabe im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG gegeben ist. Werbe- und Verkaufshilfen, bei denen nicht die Werbung gegenüber dem Einzelhändler (Apotheker), sondern gegenüber dem Endverbraucher im Mittelpunkt steht, werden von Herstellern an Einzel- oder Zwischenhändler unentgeltlich abgegeben, um diesen die Werbung oder den Verkauf ihrer Produkte gegenüber Endverbrauchern oder Nächstabnehmern zu erleichtern; sie dienen vorwiegend dem eigenen Interesse des Herstellers und sind damit grundsätzlich keine Zuwendungen oder sonstige Werbegaben im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG. Etwas anderes gilt jedoch, soweit - überwiegend - eine Werbung auch gegenüber dem Einzelhändler (Apotheker) bezweckt wird, da in diesem Fall eine unsachliche Beeinflussung zu befürchten ist (vgl. BGH GRUR 1977, 257, 259; GRUR 1972, 611, 613).

Die von der Beklagten den Apothekern zur Verfügung gestellten Exemplare des "Apothekenkurier" dienen der Werbung des Apothekers gegenüber seinen Kunden. Der Kunde des Apothekers erwartet, in der von ihm besuchten Apotheke eine unentgeltliche Zeitschrift zu bekommen. In der Fernsehwerbung wird bereits für eine - andere - Apothekenzeitschrift sinngemäß damit geworben, dass "Ihr Apotheker" die Kosten trägt. Die Rückseite der Zeitschrift "Apothekenkurier" enthält einen Platz für den vom Verlag angebotenen Eindruck von Namen und Anschrift des Apothekers, unterhalb des Symbols oder des Logos für die Apotheken. Der Name der Zeitschrift, die Verwendung des Apothekenlogos und der Inhalt machen deutlich, dass der "Apothekenkurier" das Werbemittel des Apothekers gegenüber seinem Kunden ist. Mag der Werbeumleger auch für sich allein gesehen ausschließlich die Werbung der Beklagten gegenüber den Endkunden bezwecken, so ist die Zuwendung von 500 Exemplaren des "Apothekenkurier" damit dennoch nicht zu vermengen: In der Übernahme der Kosten und/oder in der kostenlosen Lieferung der 500 Exemplare des "Apothekenkurier" liegt eine Übernahme der Kosten für die Eigenwerbung der Apotheker gegenüber den Endkunden, denn die Zeitschrift dient im gleichen Umfang der Eigenwerbung des Apothekers, als wenn er sie selbst - entgeltlich - beim Verlag bezogen hätte; der Werbeumleger schafft daraus nicht eine reine Herstellerwerbung (vgl. OLG Hamburg GRUR 1979, 485, 487; Baumbach/Hefermehl, 22. Auflage, Randnote 40 zu § 1 Zugabeverordnung).

Bei diesen Zuwendungen handelt es sich nicht um Gegenstände von geringem Wert oder um geringwertige Kleinigkeiten im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HWG. Maßgebender Wert der Werbegaben ist nicht der Herstellungs- oder Beschaffungswert, den der Werbende für das Gut aufwenden muss, sondern der grundsätzlich absolut zu bestimmende objektive Verkehrswert, den die Werbegabe im Allgemeinen bei den Durchschnittskunden hat (vgl. z. B. OLG Hamburg GRUR 1992, 805, 806). Auch aus der Sicht eines Apothekers ist die monatliche Übernahme von Kosten i. H. v. EUR 49,00 zzgl. Mehrwertsteuer und Kosten für Versand und Verpackung nach Literatur und Rechtsprechung bei weitem nicht mehr als geringwertig anzusehen (vgl. OLG München, Entscheidungssammlung Heilmittelwerbegesetz, § 7 Nr. 9, Seite 48; Doepner, HWG, 2. Auflage 2000, Randnote 36). Dem folgt die Kammer.

Bei den von der Beklagten den Apothekern zur Verfügung gestellten 500 Exemplaren des "Apothekenkurier" handelt es sich nicht um Kundenzeitschriften im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 HWG. Zwar wäre die Handlungsweise der Beklagten ohne Weiteres unter den Wortlaut der vorgenannten Vorschrift zu subsumieren. Die in § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 HWG enthaltene Ausnahme war jedoch bis zur Aufhebung der Zugabeverordnung durch Gesetz zur Aufhebung der Zugabeverordnung und zur Anpassung weiterer Rechtsvorschriften vom 23.07.2001 in § 1 Abs. 2 lit. e) ZugabeVO enthalten. Sie ist durch Artikel 2 des vorgenannten Gesetzes vom 23.07.2001 in § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG übernommen worden. Dies wurde begründet: "Allgemein übliche und unter gesundheitspolitischen wie werberechtlichen Gesichtspunkten unbedenkliche Absatzinstrumente sollen nach wie vor zulässig bleiben, soweit dies sinnvoll und erforderlich ist. Auch bestimmte Kundenzeitschriften sollen weiterhin nach Nummer 5 abgegeben werden können" (BT-Drucksache 14/6469, Seite 9). Zweck der Ausnahmeregelung in § 1 Abs. 2 e) Zugabeverordnung war, solchen Bevölkerungsgruppen, denen die Preise für Illustrierte zu hoch waren, einen guten Lesestoff in Form der Kundenzeitschriften zu ermöglichen. Daraus folgt, dass die Abgabe von Kundenzeitschriften lediglich im Verhältnis zum Endverbraucher zulässig sein sollte (vgl. Baumbach/Hefermehl, a.a.O., Randnote 92 zu § 1 Zugabeverordnung). Der Einzelhändler, hier: der Apotheker, ist kein Endverbraucher in diesem Sinne. Auf ihn trifft bei Abnahme von 500 Exemplaren - und das über einen längeren Zeitraum - nicht die Intention des Gesetzgebers zu, dass dem Verbraucher eine Kundenzeitschrift, das ist eine Zeitschrift, deren Herstellungskosten geringwertig sind, als unbedenkliches Absatzinstrument, auch unter gesundheitspolitischen und werberechtlichen Gesichtspunkten, zugänglich bleiben soll. Die Übergabe eines einzigen Exemplares einer Kundenzeitschrift kann nicht mit der über einen unbestimmten Zeitraum erfolgenden Lieferung von 500 Exemplaren und den sich daraus ergebenden ersparten Aufwendungen verglichen werden. Die letztgenannte Zuwendung widerspräche gerade dem Zweck des § 7 Abs. 1 HWG, durch eine weitgehende Eindämmung der Wertreklame im Arzneimittelbereich der abstrakten Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung zu begegnen. Es kann deshalb dahinstehen, ob die Voraussetzung des § 7 Abs. 1 Satz 2 HWG erfüllt sind, dass die an die Apotheker zugewendeten Kundenzeitschriften zur Verwendung in der pharmazeutischen Praxis bestimmt seien müssen (vgl. hierzu Bülow/Ring, HWG, 2. Auflage 2001, Randnote 52 zu § 7).

Der Verstoss gegen § 7 Abs. 1 HWG ist sittenwidrig gemäß § 1 UWG. Das Zugabeverbot gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG bezweckt die Vermeidung der unsachlichen Beeinflussung durch Werbung mit Geschenken im Bereich der Arzneimittel (BGH WRP 2003, 886, 887). Damit dient die Vorschrift im besonderen Maße dem Allgemeingut der Volksgesundheit, so dass ein Verstoß gegen diese Vorschrift die Sittenwidrigkeit der Wettbewerbshandlung nach § 1 UWG zur Folge hat (OLG Stuttgart NJW-RR 1997, 359, 362).

Unabhängig von einem Verstoss gegen § 7 Abs. 1 HWG stünde dem Kläger auch dann ein Unterlassungsanspruch zu, wenn die Ausnahmeregelungen von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 5 HWG zuträfen: während § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG die unsachliche Beeinflussung gerade durch Werbegaben untersagt, ist § 1 UWG aufgrund der Umsetzung des Artikel 9 Abs. 1 der Richtlinie 92/28/EWG des Rates vom 21.03.1992 über die Werbung für Humanarzneimittel (ABl. Nr. L 113/13) nicht auf die Verkaufsförderung durch Werbegaben beschränkt, sondern bezieht sich auf finanzielle oder materielle Vorteile aller Art: es ist verboten, den zur Verschreibung oder Abgabe von Arzneimitteln berechtigten Personen im Rahmen der Verkaufsförderung eine Prämie, finanzielle oder materielle Vorteile zu gewähren, anzubieten oder zu versprechen, es sei denn, sie sind von geringem Wert und für die medizinische oder pharmazeutische Praxis ohne Belang (vgl. BGH a.a.O. Seite 888). Das Angebot der Beklagten war geeignet, die Partner der getroffenen Vereinbarung unsachlich zu beeinflussen. Eine monatliche Aufwandsersparnis von EUR 57,50 auf unbestimmte Zeit (EUR 690,00 p. a.) kann die Apotheker veranlassen, die von der Beklagten beworbenen Arzneimittel nur wegen des damit verbundenen sachfremden Vorteils bevorzugt zu erwerben oder zu veräußern.

Die beanstandete Werbemaßnahme ist geeignet, den Wettbewerb auf dem einschlägigen Markt wesentlich zu beeinträchtigen. Verstöße gegen Vorschriften, die den Schutz der Volksgesundheit bewirken, enthalten eine wesentliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs. Auch die Nachahmungsgefahr auf dem hart umkämpften Markt lässt den Rückschluss auf eine wesentliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs zu.

Den Ersatz der Abmahnkosten nebst Zinsen schuldet die Beklagte aus Geschäftsführung ohne Auftrag, §§ 683, 670 BGB, nachdem ihr Wettbewerbsverstoß oben festgestellt worden ist (vgl. BGH GRUR 2000, 337, 338). Diese Kosten sind sodann gemäß § 291 BGB zu verzinsen.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 709 Satz 1 ZPO.

Streitwert: EUR 15.189,00






LG Bonn:
Urteil v. 04.09.2003
Az: 14 O 53/03


Link zum Urteil:
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