Bundespatentgericht:
Beschluss vom 27. Oktober 2009
Aktenzeichen: 21 W (pat) 29/08

(BPatG: Beschluss v. 27.10.2009, Az.: 21 W (pat) 29/08)

Tenor

1.

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H 01 S des Deutschen Patentund Markenamts vom 5. Februar 2008 aufgehoben. Die Anmeldung wird zur Fortsetzung des Prüfungsverfahrens auf der Basis der in der mündlichen Verhandlung vom 27. Oktober 2009 überreichten Ansprüche 1 bis 8 an das Deutsche Patentund Markenamt zurückverwiesen.

2.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

3.

Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

Gründe

I Die Patentanmeldung wurde am 18. November 2004 unter der Bezeichnung "Laserleistungssteuerung ohne Rückkopplung bei optischer Navigation" beim Deutschen Patentund Markenamt eingereicht. Die Offenlegung erfolgte am 8. September 2005.

Im Prüfungsverfahren sind folgende Druckschriften in Betracht gezogen worden:

D1 US 2004/0022285A1 D2 DE 195 19 124 A1 D3 EP 1 096 778 A2 D4 DE 103 49 609 A1.

In der Beschreibungseinleitung werden noch folgende Druckschriften genannt:

D5 US 4 884 280 D6 US 5 953 355.

Die Prüfungsstelle für Klasse H 01 S hat mit Beschluss vom 5. Februar 2008 die Anmeldung im Wesentlichen mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 vom 26. November 2007 gegenüber der Entgegenhaltung D1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.

Sie verfolgt ihre Patentanmeldung in erster Linie weiter auf der Grundlage von neuen, in der mündlichen Verhandlung vom 27. Oktober 2009 überreichten Patentansprüchen 1 bis 8.

Der danach geltende Patentanspruch 1 lautet (mit Merkmalsgliederung):

M1 Optische Navigationsvorrichtung, die folgende Merkmale umfasst: M2 einen optischen Maussensor, M3 der eine Treiberschaltung (26) umfasst, die einen Stromausgang aufweist, der zwischen zwei Stromeinstellungen moduliert wird;

M4 und einen Laser (22), der den Stromausgang empfängt, der einen Leistungsausgang aufweist, der Augensicherheitspegel erfüllt;

M5 einen Speicher, in welchem zwei Darstellungen von Kalibrierungseinstellungen gespeichert sind; M6 wobei eine erste der beiden Stromeinstellungen zumindest ein minimales Treibersignal liefert;

M7 und eine zweite der beiden Stromeinstellungen ein Treibersignal unter der Spitzenleistungsgrenze der Augensicherheitspegelstandards liefert.

Die Anmelderin stellt den Antrag, den Beschluss der Prüfungsstelle für die Klasse H 01 S des Deutschen Patentund Markenamts vom 5. Februar 2008 aufzuheben und das Patent DE 10 2004 055 678 zu erteilen mit den in der mündlichen Verhandlung vom 27. Oktober 2009 überreichten Patentansprüchen 1 bis 8, hilfsweise mit den Ansprüchen 1 bis 6 gemäß 1. Hilfsantrag überreicht ebenfalls in der mündlichen Verhandlung vom 27. Oktober 2009, jeweils mit einer anzupassenden Beschreibung und den Figuren gemäß Offenlegungsschrift.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II Die Beschwerde ist zulässig und hat nach Vorlage neuer Patentansprüche auch insoweit Erfolg, als sie zur Aufhebung des Beschlusses und zur Zurückverweisung an das Patentamt, § 79 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 PatG, führt. Die Beschwerde führt auch zur Zurückzahlung der Beschwerdegebühr, § 80 Abs. 3 PatG.

1. Patentfähigkeit Patentanspruch 1 ist zulässig. Patentanspruch 1 umfasst die Merkmale der ursprünglichen Patentansprüche 9 und 13, die Merkmale in Merkmalsgruppe M5 gehen auf die ursprüngliche Beschreibung Absatz [0037] zurück (siehe Offenlegungsschrift).

Die Erfindung betrifft eine optische Navigationsvorrichtung, d. h. einen optischen Maussensor mit einem Laser und ein optisches Navigationsverfahren, bei denen gewisse Augensicherheitsstandards eingehalten werden müssen.

Gemäß der Beschreibung Absatz [0006] ist es Aufgabe der Erfindung, eine optische Navigationsvorrichtung und ein optisches Navigationsverfahren mit verbesserten Charakteristika zu schaffen.

Gegenüber dem bisher in Betracht gezogenen Stand der Technik ist der Gegenstand des Patentanspruchs 1 neu und beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit, da er sich für den Fachmann, einen Dipl.-Physiker mit entsprechender Berufserfahrung bei der Entwicklung von optischen Navigationssystemen aus diesem Stand der Technik nicht in naheliegender Weise ergibt.

Aus der nächstkommenden Druckschrift D3 ist eine optische Navigationsvorrichtung mit einem optischen Maussensor bekannt (siehe Fig. 1), die über eine Treiberschaltung 14 (exposure controller) eine LED 3 ansteuert. Gemäß den Fig. 2 bis 6 sind zur Erreichung eines bestimmten Beleuchtungsgrades (siehe Absatz [0012] und [0013]) verschiedene Treibersignale bekannt. Die Treiberpulse können in der Amplitude, der Pulsdauer und der Frequenz variiert werden (siehe auch Ansprüche 1, 2 und 4). Gemäß den Fig. 5 und 6 sind auch Signalpegel bekannt, die zwangsläufig Stromeinstellungen entsprechen, nämlich eine erste Stromeinstellung mit Pegel Null und eine zweite Stromeinstellung mit einem bestimmten Pegel, der für den Fachmann aufgrund der Sicherheitsanforderungen selbstverständlich unter einem Augensicherheitsstandard liegen muss. Da dem Fachmann allgemein bekannt ist, dass Maussensoren neben LED«s auch mit einem Laser betrieben werden können, sind somit die Merkmale der Merkmalsgruppen M1 bis M4 und M6 für den Fachmann in naheliegender Weise aus der Druckschrift D3 bekannt. Die beanspruchte Ansteuerung des Lasers entspricht nach Auffassung des Senats einer dem Fachmann allgemein zur Ansteuerung von technischen Systemen und insbesondere auch Lasern bekannten Modulationsart, nämlich der Pulsweitenmodulation, was letztlich auch im Zurückweisungsbeschluss der Prüfungsstelle sinngemäß zutreffend zum Ausdruck kommt.

Zur Kalibrierung der Einstellungen gemäß Merkmalsgruppe M5, unter der gemäß Absatz [0036] und Fig. 7 der Anmeldung (Offenlegungsschrift) wohl die Einstellung einer bestimmten Laserleistung verstanden wird und die Abspeicherung dieser Einstellungen in zwei verschiedenen Darstellungen, ergeben sich aus der Druckschrift D3 keine Hinweise. Auch die weiteren Druckschriften, die weiter ab liegen, offenbaren dazu keine Hinweise.

Somit ist aus den im Verfahren befindlichen Druckschriften zumindest keines der Merkmale der Merkmalsgruppe M5 des Anspruchs 1 bekannt, wonach Kalibrierungseinstellungen von optischen Maussensoren in zwei Darstellungen gespeichert sind.

Aus dem bisher in Betracht gezogenen Stand der Technik ergeben sich somit für den Fachmann keine Hinweise auf eine entsprechende Ausgestaltung einer optischen Navigationsvorrichtung, wie sie im geltenden Patentanspruch 1 beansprucht ist.

Somit lässt sich mit dem bisher in Betracht gezogenen Stand der Technik eine Zurückweisung der Anmeldung nicht begründen.

2. Zurückverweisung Das Verfahren ist jedoch noch nicht zur Entscheidung reif und die Anmeldung mit dem geltenden Anspruch 1 zur weiteren Prüfung an das Patentamt zurückzuverweisen. § 79 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 PatG bestimmt, dass das Patentgericht die angefochtene Entscheidung aufheben kann, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Gründe, die der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegen, nicht mehr bestehen und eine neue Sachprüfung erforderlich ist. Danach kann die Anmeldung an das Patentamt zurückverwiesen werden, wenn die Patentfähigkeit noch nicht oder nicht ausreichend Gegenstand der Prüfung war (vgl. Busse PatG, 6. Aufl. § 79 Rdn. 64 und 65; Schulte PatG, 8. Aufl. § 79 Rdn. 25 bis 27 -jeweils mit weiteren Hinweisen). Dies ist vorliegend der Fall, da die in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat in den nunmehr geltenden Patentanspruch 1 aufgenommenen zusätzlichen Merkmale aus der Beschreibung ersichtlich im bisherigen Prüfungsverfahren noch keine Rolle gespielt haben und dementsprechend auch nicht recherchiert wurden. Da die Recherche insoweit lediglich als vorläufig anzusehen ist, ist nicht auszuschließen, dass bei einer somit erforderlichen Nachrecherche bezüglich der Merkmale im Anspruch 1 noch entscheidungserheblicher Stand der Technik ermittelt wird.

Angesichts der Notwendigkeit einer weiteren Prüfung auf Patentfähigkeit hat der Senat von einer Überarbeitung und Überprüfung der übrigen Unterlagen, insbesondere auch der Unteransprüche, abgesehen.

3. Rückzahlung der Beschwerdegebühr Die Billigkeit der antragsgemäßen Zurückzahlung der Beschwerdegebühr ergibt sich vorliegend daraus, dass die Prüfungsstelle die beantragte Anhörung abgelehnt hat, ohne dass die von ihr dafür genannten, oder auch andere Gründe dies rechtfertigen könnten.

Eine einmalige Anhörung ist grundsätzlich in jedem Verfahren sachdienlich (Schulte, PatG, 8. Aufl., § 46 Rdnr. 8 sowie aktuell BPatG, Beschl. v. 28. April 2009 -21 W (pat) 41/05 m. w. Nachw.).

Darüber hinaus wurde vorliegend vom Anmelder nach dem Erstbescheid ein neuer Anspruch 1 vorgelegt, der zusätzlich Merkmale des ursprünglichen Anspruchs 8 umfasste, zu dem die Prüfungsstelle lediglich pauschal festgestellt hatte, dass die Merkmale der Patentansprüche 6 bis 8 nicht geeignet seien, die Erfindungshöhe des Anmeldungsgegenstandes zu begründen, ohne dass jedoch Tatsachen (z. B. in Form eines konkreten Standes der Technik oder eines Hinweises auf das einschlägige Fachwissen) genannt worden waren, die diese Auffassung hätten begründen können.

Im vorliegenden Fall leidet das Prüfungsverfahren somit an einem gravierenden Verfahrensfehler, der auch ursächlich für die Beschwerdeeinlegung war. Denn bei fehlerfreier Sachbehandlung wäre die Beschwerde nicht zwangsläufig erforderlich geworden.

Dr. Winterfeldt Baumgärtner Dr. Morawek Dr. Müller Pü






BPatG:
Beschluss v. 27.10.2009
Az: 21 W (pat) 29/08


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