Bundespatentgericht:
Beschluss vom 18. Mai 2004
Aktenzeichen: 6 W (pat) 44/02

(BPatG: Beschluss v. 18.05.2004, Az.: 6 W (pat) 44/02)

Tenor

Der Beschluss der Patentabteilung 25 vom 18. Dezember 2001 wird aufgehoben und das Patent widerrufen.

Tatbestand

Die Patentabteilung 25 des Deutschen Patent- und Markenamts hat im Einspruchsverfahren, an dem zwei Einsprechende beteiligt waren, das am 8. August 1989 angemeldete und mit der Bezeichnung "Verfahren zur Herstellung einer zusammenhängenden Decke für Straßen und Flugplätze und zusammenhängende Decke" erteilte Patent 39 26 099 mit Beschluss vom 18. Dezember 2001 in vollem Umfang aufrechterhalten.

Der erteilte Anspruch 1 lautet:

"Verfahren zur Herstellung einer zusammenhängenden Decke für Straßen und Flugplätze auf einer Tragschicht (6, 12), bei dem auf dieser Tragschicht (6, 12) eine mit einem bituminösen Bindemittel verklebte, mit einem Vlies oder Gewebe verstärkte Zwischenschicht (5) vorgesehen ist, bei dem weiterhin in einem ersten Verfahrensschritt auf die Tragschicht (6, 12) eine Klebschicht (7) aus einem Bindmittel auf Bitumenbasis in einer von der Ebenheit der Tragschicht (6, 12) abhängigen Flächenbelegung von 500 g/m2 bis 2500 g/m2 aufgebracht wird, bei dem weiterhin auf die Klebeschicht (7) in einem zweiten Schritt ein Vlies oder Gewebe (5) eben ausgelegt, geglättet und mittels einer elastischen Walze angepreßt wird und bei dem schließlich in einem dritten Schritt eine durch heißes Mischen von Bitumen, Copolymeren und Mineralien (2) vorbereitete, poröse Walzasphaltdeckschicht (1) mit einer Dicke von 1 cm bis 4 cm maschinell aufgebracht wird, wobei diese aus 5 bis 15 Gew.-% Mineralstoff-Füller mit einer Korngröße von bis zu 0,1 mm, aus 60 bis 80 Gew.-% Splitt und 5 bis 35 Gew.-% Bindemittel besteht."

Gegen den Beschluss der Patentabteilung hat lediglich die Einsprechende II Beschwerde eingelegt.

In einer Zwischenverfügung vom 11. Mai 2004 ist den Parteien mitgeteilt worden, dass in der mündlichen Verhandlung am 18. Mai 2004 auch über die Zulässigkeit des erteilten Anspruchs 1 zu sprechen sein würde, da nach Ansicht des Berichterstatters das Merkmal, dass "auf dieser Tragschicht (6, 12) eine mit einem bituminösen Bindemittel verklebte, mit einem Vlies oder Gewebe verstärkte Zwischenschicht (5) vorgesehen ist", aus den ursprünglich eingereichten Unterlagen nicht herleitbar sei und diese unzulässige Erweiterung möglicherweise ein Aliud darstelle, das nicht beseitigbar sei, so dass das Patent aus diesem Grund widerrufen werden müsste.

In der mündlichen Verhandlung stellte der Vertreter der Einsprechenden den Antrag, das Patent zu widerrufen.

Der Vertreter des Patentinhabers hat mit Eingabe vom 20. Januar 2003 sinngemäß den Antrag gestellt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Er trägt vor, dass das fragliche Merkmal aus den ursprünglichen Unterlagen herleitbar sei. Gemäß diesen habe die Klebeschicht (7) aus Bitumen, die zum Verkleben des Vlieses auf die Tragschicht aufbracht werde, eine Flächenbelegung von 500 g/m2 bis 2500 g/m2, was einer Dicke von wenigstens 5 mm entspreche. Gemäß dem ursprünglichen Anspruch 6 werde das Vlies auf der Klebeschicht (7) ausgelegt und angepreßt, wobei es wenigstens zum Teil in das Bindemittel eingedrückt werde. Es entstehe somit eine Schicht, die im erteilten Anspruch 1 Zwischenschicht genannt werde. Diese sei vom Vlies verstärkt, weil diese auf bzw in der Schicht liege.

Darüber hinaus sei im vorliegenden Fall ein Verfahren Gegenstand des Patents, das durch entsprechende Merkmale definiert sei, die sich auf die einzelnen Verfahrensschritte beziehen. Ein Verfahren werde im Allgemeinen nicht definiert durch Merkmale des Produktes selbst (hier Straßendecke), so dass darauf bezogene Merkmale somit auch nicht den Gegenstand des Patents bestimmen würden. Das Produktmerkmal stelle daher, selbst wenn man davon ausgehe, dass es nicht dem Inhalt der Anmeldeunterlagen zu entnehmen sei, keine Erweiterung des Patentgegenstands dar. Dies könne anders betrachtet werden, wenn sich aus dem Produktmerkmal für den Fachmann ein entsprechender Verfahrensschritt implizit ergeben würde, der damit zum Gegenstand der geschützten Erfindung gehören würde. Das sei hier aber nicht der Fall, weil durch die mit eins beginnende Nummerierung der explizit erwähnten Verfahrensmerkmale deutlich werde, dass durch das Produktmerkmal offensichtlich kein weiterer Verfahrensschritt definiert werden soll.

Des weiteren sei das Produktmerkmal lediglich eine Umschreibung des Ergebnisses, das sich bei der Anwendung der Verfahrensmerkmale nach Schritt 1 und 2 ergäbe, nämlich eine mit einem bituminösen Bindemittel verklebte und mit einem Vlies oder Gewebe verstärkte Zwischenschicht.

Außerdem sei das fragliche Merkmal nur Teil der Zweckangabe "zur Herstellung einer ... Decke auf einer Tragschicht, bei dem .... vorgesehen ist" und könne dementsprechend nicht zum Gegenstand des Patents gehören.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Gründe

Die Beschwerde der Einsprechenden II ist zulässig und hat auch Erfolg, denn der erteilte Anspruch 1 ist im Hinblick auf die ursprünglich eingereichten Unterlagen unzulässig erweitert, so dass das Patent keinen Bestand haben konnte.

a) Die Frage der unzulässigen Erweiterung ist von der Einsprechenden im Einspruchsverfahren nicht aufgegriffen worden, und offenbar aus diesem Grund enthält der Beschluss der Patentabteilung im einzelnen hierzu auch keine Ausführungen. Gleichwohl hält sich der Senat für verpflichtet, im Einspruchsverfahren bei der Überprüfung des Beschlusses der Patentabteilung auch die Frage der Zulässigkeit in die Prüfung mit einzubeziehen. Aufgrund des für das Einspruchsverfahren geltenden Untersuchungsgrundsatzes kann die Patentabteilung nämlich ein Patent nur aufrechterhalten, wenn sie zuvor dessen Patentansprüche für zulässig erachtet hat. Zur Überprüfung des Beschlusses der Patentabteilung im Einspruchsbeschwerdeverfahren gehört daher notwendigerweise auch die Überprüfung der Zulässigkeit der Patentansprüche (vgl auch Kommentar von Busse, 6. Auflage, PatG § 79, Rdn 29).

b) Das Merkmal im erteilten Anspruch 1,

"bei dem auf dieser Tragschicht (6, 12) eine mit einem bituminösen Bindemittel verklebte, mit einem Vlies oder Gewebe verstärkte Zwischenschicht (5) vorgesehen ist"

läßt sich aus den ursprünglich eingereichten Unterlagen nicht herleiten. Der Begriff "Zwischenschicht" kommt in den ursprünglichen Unterlagen nicht vor. Diesen ist lediglich ein Verfahren zu entnehmen, wonach auf das Vlies anschließend die poröse Walzasphaltdecke maschinell aufgebracht wird.

Dem Vertreter des Patentinhabers kann nicht darin gefolgt werden, dass durch das Aufbringen der Klebeschicht (7) und das Auslegen und Glätten des Vlieses oder Gewebes auf diese Klebeschicht eine Schicht entstehe, die im erteilten Anspruch 1 "Zwischenschicht" genannt werde. Diese Auslegung des Begriffs "Zwischenschicht" steht im Widerspruch zum Anspruch 1, wonach bei dem beanspruchten Verfahren auf der Tragschicht eine mit einem bituminösen Bindemittel verklebte, mit einem Vlies oder Gewebe verstärkte Zwischenschicht (5) vorgesehen sein soll. Durch die Angabe in Spalte 2, Zeilen 59 bis 61 der Patentschrift, wonach auf die Tragschicht (6) "eine .... Klebeschicht (7) zur Verklebung der mit einem Vlies oder Gewebe verstärkten Zwischenschicht (5) aufgebracht wurde", ist in der Patentschrift darüber hinaus noch deutlicher klargestellt, dass die Klebeschicht (7) nicht Teil der Zwischenschicht (5) ist. Diese Klarstellung wird in Spalte 3, Zeilen 16 bis 18 wiederholt. Die beiden genannten Textpassagen sind den ursprünglichen Unterlagen ebenfalls nicht zu entnehmen. So heißt es beispielsweise in der entsprechenden Textstelle auf Seite 4, Absatz 3 von unten der ursprünglichen Unterlagen, dass auf die Tragschicht ....."eine Klebeschicht (7) aus Bitumen, zur Verklebung des Vlies (5), aufgebracht wurde". In der Patentschrift ist somit die Beschreibung dem unzulässig erweiterten Anspruch 1 in unzulässiger Weise angepaßt worden. Neben der genannten Erweiterung in der Beschreibung ist auch stets der Begriff "Vlies (5)" durch den Begriff "Zwischenschicht (5)" ersetzt worden.

Auch die Überlegung des Vertreters des Patentinhabers, dass es sich bei dem fraglichen Merkmal um ein "Produktmerkmal" handle, das nicht zum Gegenstand der geschützten Erfindung gehören würde, vermag der Senat nicht zu folgen. Wie auch immer die Zwischenschicht aussieht und wie auch immer das Vlies die Zwischenschicht verstärkt, das Vlies ist Teil der Zwischenschicht und damit dem Verfahrensschritt

"bei dem weiterhin auf die Klebeschicht (7) in einem zweiten Schritt ein Vlies oder Gewebe (5) eben ausgelegt, geglättet und mittels einer elastischen Walze angepreßt wird"

zuzuordnen.

Auch die Überlegung des Vertreters des Patentinhabers, dass durch die mit eins beginnende Nummerierung der explizit erwähnten Verfahrensmerkmale deutlich werde, "dass durch das Produktmerkmal offensichtlich kein weiterer Verfahrensschritt definiert werden soll", führt zu keinem anderen Ergebnis. In den ursprünglichen Unterlagen war im Anspruch 6 angegeben, dass "anschließend" an das Auslegen des Vlieses die poröse Walzasphaltdeckschicht maschinell aufgebracht wird. Im erteilten Anspruch 1 findet sich das Wort "anschließend" nicht mehr. Es ist vielmehr ersetzt worden durch das Wort "schließlich", dh im Kontext des Anspruchs 1, dass der dritte Verfahrensschritt erst beginnt, wenn der zweite Verfahrensschritt, mit dem die mit dem Vlies verstärkte Zwischenschicht (5) hergestellt ist, erfolgen soll.

Der erteilte Anspruch 1 kann somit keinen Bestand haben.

c) Bei dieser Sachlage braucht nicht weiter darauf eingegangen zu werden, dass die unzulässige Erweiterung im vorliegenden Fall ein Aliud darstellt, das weder durch eine Streichung oder sonstige Änderung des Anspruchs oder durch Aufnahme eines Hinweises in der Patentschrift hätte beseitigt werden können.

Riegler Sperling Fink Schneider Cl






BPatG:
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Az: 6 W (pat) 44/02


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