Oberlandesgericht Düsseldorf:
Beschluss vom 27. Oktober 2003
Aktenzeichen: VII-Verg 23/03

(OLG Düsseldorf: Beschluss v. 27.10.2003, Az.: VII-Verg 23/03)

Tenor

I. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss der Vergabekammer bei der Bezirksregierung Münster vom 28. März 2003 (VK 1/01 - 8/01 Vs) wird zurückge-wiesen.

II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Beschwerde-verfahrens und die dort entstandenen notwendigen Aufwendun-gen der Antragstellerinnen zu tragen.

III. Für die Antragstellerinnen war die Hinzuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten auch im Beschwerdeverfahren notwendig.

IV. Der Beschwerdewert wird auf bis 600 EUR festgesetzt.

Gründe

(Hier Freitext: Tatbestand, Gründe etc.)

Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.

A. Durch Beschluss vom 6. Dezember 2001 hat die Vergabekammer der Antragsgegnerin ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000 DM für den Fall angedroht, dass sie näher bezeichnete Verkehrsdienstleistungen ohne ein Vergabeverfahren nach dem 4. Teil des GWB vergibt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat der Senat mit Beschluss vom 9. Oktober 2002 (Verg 44/01) zurückgewiesen.

Mit Beschluss vom 15. Januar 2003 hat die Vergabekammer sodann das angedrohte Zwangsgeld gegen die Antragsgegnerin festgesetzt und dessen Beitreibung eingeleitet. Der Beschluss ist seit dem 3. Februar 2003 bestandskräftig.

In dem vorliegenden Verfahren hat die Antragsgegnerin unter Vorlage der Kopie einer EU-Bekanntmachung über die Vergabe von Verkehrsdienstleistungen beantragt, die vorgenannten Vergabekammerbeschlüsse vom 6. Dezember 2001 und 15. Januar 2003 aufzuheben und das gegen sie geführte Vollstreckungsverfahren einzustellen. Die Vergabekammer hat mit dem angefochtenen Beschluss sämtliche Anträge zurückgewiesen. Sie hat außerdem der Antragsgegnerin gemäß § 128 Abs. 4 Satz 2 GWB die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerinnen auferlegt sowie unter Hinweis auf § 80 Abs. 2 VwVfG NW ausgesprochen, dass für die Antragstellerinnen die Hinzuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten notwendig gewesen sei.

Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer Beschwerde. Sie macht im wesentlichen geltend: Sowohl die Androhung als auch die Festsetzung des Zwangsgeldes habe von Amts wegen erfolgen können; eines darauf gerichteten Antrags der Antragstellerinnen habe es - wie die Vergabekammer im Begründungsteil des angefochtenen Beschlusses selbst ausgeführt habe - nicht bedurft. Vor diesem Hintergrund seien die Antragstellerinnen nicht "Verfahrensbeteiligte" im Sinne von §§ 128, 109 GWB. Zu jenen gehörten nämlich nur der Antragsteller und der Antragsgegner des betreffenden Verfahrens sowie der Beigeladene. Ebensowenig sei zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Antragstellerinnen die Hinzuziehung eines anwaltlichen Vertreters "notwendig" gewesen.

Hilfsweise wendet sich die Antragsgegnerin gegen die Überlegungen der Vergabekammer zur Höhe des Verfahrenswertes.

B. Die Beschwerde bleibt erfolglos.

1. Die Vergabekammer hat mit Recht der Antragsgegnerin (auch) die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerinnen auferlegt und festgestellt, dass für jene die Hinzuziehung eines anwaltlichen Vertreters erforderlich war. Der Entscheidungsausspruch findet seine Grundlage in § 128 Abs. 4 Satz 2 und 3 GWB i.V.m. § 80 Abs. 2 VwVfG NW.

a) § 128 GWB regelt die Kostentragungspflicht im Verfahren vor der Vergabekammer. Die Vorschrift kommt nicht nur im eigentlichen Vergabenachprüfungsverfahren nach den §§ 104 ff. GWB zur Anwendung, sondern gilt gleichermaßen auch im Verfahren, das die Vergabekammer gemäß § 114 Abs. 3 Satz 2 GWB zur Vollstreckung der im Nachprüfungsverfahren ergangenen Entscheidungen durchführt. Das folgt schon aus dem weit gefassten Wortlaut der Vorschrift, die in Absatz 1 im Zusammenhang mit den Kosten der Vergabekammer ganz allgemein von den "Amtshandlungen der Vergabekammern" spricht, die in Absatz 3 Satz 1 der "im Verfahren" unterlegenen Partei die Kosten der Vergabekammer aufbürdet und die schließlich in Absatz 4 Satz 2 anordnet, dass der "im Verfahren" Unterlegene dem Antragsgegner zur Kostenerstattung verpflichtet ist. Dementsprechend hat auch der Senat in dem zwischen den Parteien geführten Beschwerdeverfahren, das die Überprüfung der Zwangsgeldandrohung der Vergabekammer vom 6. Dezember 2001 zum Gegenstand hatte, für seine eigene Kostenentscheidung § 128 Abs. 3 und 4 GWB analog herangezogen (Beschl. v. 9.10.2002 - Verg 44/01 Umdruck Seite 14).

b) Gemäß § 128 Abs. 4 Satz 2 GWB hat ein Beteiligter, soweit er im Verfahren vor der Vergabekammer unterliegt, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Auslagen des Antragsgegners zu tragen. Im Streitfall hat folglich die Antragsgegnerin die außergerichtlichen Aufwendungen, die den Antragstellerinnen im Verfahren vor der Vergabekammer entstanden sind, zu erstatten. Denn sie ist mit ihrem Antrag, die Vergabekammerbeschlüsse vom 6. Dezember 2001 und 15. Januar 2003 aufzuheben und das gegen sie geführte Vollstreckungsverfahren endgültig einzustellen, erfolglos geblieben.

Ob - wie die Beschwerde meint - das Vollstreckungsverfahren richtigerweise hätte eingestellt werden müssen, weil die Antragstellerinnen zwischenzeitlich jedes Interesse an dem zwangsweise durchzusetzenden Vergabeverfahren verloren haben und ein schutzwürdiges Interesse an der Vollstreckung mithin nicht mehr bestanden habe, kann auf sich beruhen. Die Antragsgegnerin hat die Zurückweisung ihrer Anträge durch die Vergabekammer nicht mit der Beschwerde angegriffen. Ihr ist es deshalb auch verwehrt, diesbezügliche Einwendungen im Rahmen des § 128 Abs. 4 Satz 2 GWB zu erheben und geltend zu machen, sie sei im Verfahren zu Unrecht unterlegen.

Ebensowenig kann die Antragsgegnerin mit Erfolg darauf verweisen, dass die streitbefangenen Vollstreckungsmaßnahmen der Androhung und Festsetzung eines Zwangsgeldes nicht antragsgebunden gewesen seien, sondern auch von Amts wegen eingeleitet werden durften. Dieser Umstand ist für die Feststellung, dass die Antragstellerinnen im Verfahren vor der Vergabekammer die verfahrensrechtliche Stellung eines "Verfahrensgegners" hatten und demzufolge auch im Sinne von § 128 Abs. 4 Satz 2 GWB erstattungsberechtigt sind, ohne Bedeutung. Die Position des "Antragsgegners" hängt nicht davon ab, ob die zur Überprüfung stehenden Maßnahmen von Amts wegen oder auf Antrag eines Verfahrensbeteiligten eingeleitet worden sind. Entscheidend ist vielmehr, dass sich die Antragsgegnerin mit ihrem Begehren, die Vollstreckungsbeschlüsse vom 6. Dezember 2001 und 15. Januar 2003 aufzuheben sowie das gegen sie geführte Vollstreckungsverfahrens endgültig einzustellen, in einen direkten Interessengegensatz zu den Antragstellerinnen gestellt hat. Ziel der Antragsgegnerin war es, die Vollstreckung zur Durchsetzung des von den Antragstellerinnen erwirkten Gebots, näher bezeichnete Verkehrsdienstleistungen in einem ordentlichen Vergabeverfahren zu beschaffen, zu beenden. Verfahrensgegner dieses Anliegens waren die Antragstellerinnen.

b) § 128 Abs.4 Satz 3 GWB i.V.m. § 80 Abs. 2 VwVfG NW bestimmt, dass die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts nur dann erstattungsfähig sind, wenn dessen Hinzuziehung im Verfahren notwendig war.

Mit Recht hat die Vergabekammer diese Voraussetzung bejaht. Die Beschwerde zieht nicht in Zweifel, dass die Antragstellerinnen aufgrund der rechtlichen Schwierigkeit des Streitfalles an sich zur Hinzuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten berechtigt gewesen sind. Sie hält der Entscheidung der Vergabekammer, die die Notwendigkeit einer anwaltlichen Vertretung der Antragstellerinnen festgestellt hat, lediglich dieselben Argumente entgegen, mit denen sie schon den Kostenerstattungsanspruch der Antragstellerinnen nach § 128 Abs. 4 Satz 2 GWB in Abrede stellt. Diese Erwägungen sind im vorliegenden Zusammenhang indes ebensowenig stichhaltig wie sie den Anspruch der Antragstellerinnen auf Erstattung ihrer außergerichtlichen Aufwendungen als solchen in Zweifel ziehen.

2. Eine Entscheidung über den Verfahrenswert hat die Vergabekammer in dem angefochtenen Beschluss (noch) nicht getroffen. Zwar hat die Vergabekammer im Begründungsteil ihres Beschlusses unter Abschnitt V. ausgeführt, dass sich ihres Erachtens der Verfahrenswert auf 10.000 EUR belaufe. Am Entscheidungsausspruch nehmen diese Erwägungen indes nicht teil. Sie sind deshalb auch nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens.

Gleichwohl sei zur Vermeidung eines etwaigen künftigen Rechtsmittels zu dieser Frage angemerkt, dass der Senat die Wertbemessung der Vergabekammer teilt. Der Verfahrenswert für das Vergabekammerverfahren bemisst sich nach dem wirtschaftlichen Interesse der Antragsgegnerin, bei der Vergabe der in Rede stehenden Verkehrsdienstleistungen einem Verwaltungszwang nicht ausgesetzt zu sein. Dieses Interesse übersteigt auf der einen Seite den Betrag des angedrohten und festgesetzten Zwangsgeldes in Höhe von 1.000 DM, bleibt auf der anderen Seite aber hinter dem für das eigentliche Nachprüfungsverfahren analog § 12 a Abs. 2 GKG anzusetzenden Wert deutlich zurück. Im Streitfall begegnet die von der Vergabekammer beabsichtigte Wertfestsetzung auf 10.000 EUR keinen rechtlichen Bedenken. Dieser Betrag entspricht im übrigen der Wertfestsetzung des Senats in dem Beschwerdeverfahren zur Überprüfung der Zwangsgeldandrohung vom 6. Dezember 2001 (Beschl. v. 9.10.2002 - Verg 44/01 Umdruck Seite 2, 14).

II.

Die Kostenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung des § 128 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Satz 2 GWB.

III.

Der Beschwerdewert entspricht dem streitbefangenen Kostenbetrag. Er beläuft sich auf den (aufgerundeten) Betrag einer Geschäftsgebühr (§ 118 Abs. 1 Nr.1 BRAGO) nach einem Streitwert von 10.000 EUR nebst Auslagenpauschale nach § 26 BRAGO.

Es besteht kein Anlass, darüber hinaus eine Besprechungsgebühr nach § 118 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO in Ansatz zu bringen. Ohne Erfolg tragen die Antragstellerinnen in diesem Zusammenhang vor, sie hätten mit ihrem Verfahrensbevollmächtigten intensive Besprechungen zu dem durchgeführten Vollstreckungsverfahren geführt. Durch die geltend gemachten Besprechungen ist schon dem Grunde nach der Gebührentatbestand des § 118 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO nicht verwirkt worden. Eine neben der Geschäftsgebühr zu entrichtende Besprechungsgebühr fällt nämlich nur dann an, wenn der Rechtsanwalt in der betreffenden Angelegenheit Besprechungen mit einem anderen als seinem Auftraggeber führt (vgl. nur: Hartmann, Kostengesetze, 29. Aufl., BRAGO § 118 Rn. 32). Das ist nach dem Vorbringen der Antragstellerinnen gerade nicht der Fall.






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Beschluss v. 27.10.2003
Az: VII-Verg 23/03


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