Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 31. August 2010
Aktenzeichen: 11 U 7/10

(OLG Frankfurt am Main: Urteil v. 31.08.2010, Az.: 11 U 7/10)

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 6. Zivilkammer desLandgerichts Frankfurt am Main vom 25.11.2009 wirdzurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinanderaufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger hat in der Vorinstanz im Wege der negativenFeststellungsklage beantragt, festzustellen, dass der Beklagten einurheberrechtlicher Unterlassungsanspruch bezüglich desstreitbefangenen Titels nicht zusteht. Die Beklagte hatwiderklagend Unterlassung, Aufwendungsersatz und Schadensersatzwegen Verletzung von Nutzungsrechten durch den Kläger verlangt.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht haben dieParteien die Klage übereinstimmend für erledigt erklärt.

Das Landgericht hat durch das angefochtene Urteil vom25.11.2009, auf das wegen des Sach- und Streitstands, derfestgestellten Tatsachen und der Begründung im Einzelnen verwiesenwird (Bl. 69 € 74 d. A.), der Widerklage stattgegeben.

Darüber hinaus ist festzustellen, dass der Kläger mitSchriftsatz vom 28.10.2009, dort Seite 3 Mitte, ausdrücklichklargestellt hat, dass sich seine Unterlassungserklärung vom26.5.2009 nicht nur auf den konkret festgestellten Verstoßbezüglich der Musikaufnahme X beschränke, sondern auch auf allegeschützten Musikaufnahmen beziehe, an denen die Beklagte dieRechte innehat.

Gegen das am 27.11.2009 zugestellte Urteil hat der Kläger am28.12.2009 Berufung eingelegt und diese mit am 29.1.2010eingegangenem Schriftsatz begründet.

Mit der Berufung wiederholt und vertieft der Kläger seinerstinstanzliches Vorbringen. Er meint, das Landgericht hätte beieiner interessengerechten Auslegung der Unterlassungsvereinbarungvom 26.5.2009 zu dem Ergebnis kommen müssen, dass sich dieUnterlassungsverpflichtung auch auf die streitgegenständlicheMusikaufnahme beziehe. Die Unterlassungserklärung habe hier nur denSinn haben können, sich gegenüber der Beklagten bezüglich derMusikwerke, an denen sie die Rechte innehat, zu verpflichten. Wieihm erst jetzt bekannt geworden sei, schließe die Beklagte mitihren Bevollmächtigten einen Beratungsvertrag ab, im Rahmen dessennach Aufwand abgerechnet werde.

Auf dieser Basis würden sodann die Abmahnungen vorgenommenwerden. In einigen ausgesuchten Fällen entscheide sich die Beklagtezur gerichtlichen Geltendmachung der Abmahnkosten und beauftragedabei ihre Bevollmächtigten, eine 1,3-Geschäftsgebühr aus einemStreitwert von € 10.000,-- einzuklagen. In diesem Zusammenhangverweist der Kläger auf das Urteil des Amtsgerichts Frankfurt amMain vom 29.1.2010 € Az. 31 C 1078/09-78 (vorgelegt alsAnlage BK 1, Bl. 133 € 140 d. A.). Im Übrigen teile sich derpro Abmahnung verlangte Pauschalbetrag von € 450,-- so auf,dass die Beklagte hiervon 20 %, also € 90,-- pro€erwischten€ Verletzer erhalte, der diesen Betragtatsächlich zahle. Vor diesem Hintergrund stelle sich dieRechtsverfolgung der Beklagten jedenfalls als unzulässigeRechtsausübung dar.

Der Kläger beantragt,

in Abänderung des angefochtenen Urteils des LandgerichtsFrankfurt vom 25.11.2009 die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Sie behauptet, dieErklärung vom 26.5.2009 nicht angenommen zu haben. Diese sei nichthinreichend bestimmt. Die Klarstellung mit Schriftsatz vom28.10.2009 sei nicht Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor demLandgericht gewesen. Dass die Aktenzeichen von Abmahnung undAbrechnung divergierten, hänge damit zusammen, dass ihrProzessbevollmächtigter für die Korrespondenz mit Gegnern andereAktenzeichen verwende als für die Abrechnung mit ihr. Sie habe mitdiesem vereinbart, für die außergerichtliche Tätigkeit im Falle desKlägers gemäß §§ 2, 13 RVG/Ziffer 2300 KV einen Betrag von €651,80 zzgl. Mehrwertsteuer zu zahlen. Der Betrag sei von einem fürsie unterhaltenen Fremdgeldkonto einbehalten, also mit ihremAuszahlungsanspruch verrechnet worden.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat derProzessbevollmächtigte des Klägers erklärt, dass sich dieUnterlassungs- und Verpflichtungserklärung des Klägers vom26.5.2009 (Anlage K 2) über den dort aufgeführten Titel hinaus aufalle anderen geschützten Werke, an denen der BeklagtenNutzungsrechte zustehen, einschließlich des im vorliegendenRechtsstreits streitbefangenen Titels bezieht und sich auch aufalle erst zukünftig entstehenden Nutzungsrechte erstreckt. DesWeiteren hat er erklärt, dass das Bestimmungsrecht hinsichtlich derAngemessenheit der Vertragsstrafe in jedem Einzelfall der Beklagtenzustehen soll. Im Hinblick auf diese vorgenommenen Präzisierungenhat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten die Unterlassungs- undVerpflichtungserklärung vom 26.5.2009 ohne Zugeständnishinsichtlich der Bestimmtheit angenommen und denUnterlassungsanspruch für erledigt erklärt.

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat sich derErledigungserklärung unter Verwahrung gegen die Kostenlastangeschlossen.

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerechteingelegt und begründet worden.

Sie hat € soweit die Parteien den Unterlassungsanspruchnicht übereinstimmend für erledigt erklärt haben - in der Sachekeinen Erfolg.

Der Beklagten steht der widerklagend geltend gemachte Anspruchauf Erstattung der Abmahnkosten gemäß § 97 a Abs. 1 Satz 2 UrhGzu.

Die Abmahnung der Beklagten war berechtigt, weil dieWiederholungsgefahr bezüglich des hier streitgegenständlichenTitels durch die Unterlassungserklärung vom 26.5.2009 im Zeitpunktder Abmahnung nicht entfallen war. Eine Unterlassungserklärung mussso klar und eindeutig bestimmt sein, dass ernsthafteAuslegungszweifel, aber auch Zweifel an ihrer Verbindlichkeit undDurchsetzbarkeit nicht aufkommen können [BGH WRP 1996, 284 (285)€ Wegfall der Wiederholungsgefahr II]. Sie muss sich auf diekonkrete Verletzungsform beziehen und diese unzweideutigkonkretisieren, soweit es um die hier allein interessierendeFunktion der Beseitigung der Wiederholungsgefahr geht [Teplitzky,Wettbewerbliche Ansprüche und Verfahren, 9. Aufl., Rn. 16].

Diesen Anforderungen wurde die Abänderung durch den Kläger nichtgerecht. Denn für die Beklagte wurde nicht hinreichend deutlich,was sie im Falle der Annahme der Erklärung verlangen könnte. DieErklärung lässt unklar, ob sie sich lediglich auf andere geschützteWerke der Künstlergruppe X erstreckt oder auf alle Werke, an denender Beklagten Nutzungsrechte zustehen. Ferner lässt die Erklärungnicht erkennen, welche Qualifikation die €anderen geschütztenWerke€ aufweisen müssen, um deren öffentlichesZugänglichmachen als vertragswidrig einordnen zu können.

Allerdings genügt der erste (abtrennbare) Teil derUnterlassungserklärung, der sich auf die konkrete Tonaufnahme Xbezieht, dem Bestimmtheitserfordernis. Hierdurch ist dieWiederholungsgefahr für die streitgegenständlicheVerletzungshandlung aber nicht beseitigt worden. Zwar erstrecktsich eine die konkrete Verletzungsform wiedergebendeUnterwerfungserklärung im Allgemeinen nicht allein auf genauidentische Verletzungsformen, sondern auf alle im Kerngleichartigen Handlungen [vgl. BGH GRUR 1996, 290 (291) €Wegfall der Wiederholungsgefahr I]. Dies ist ein Verhalten, das€ ohne identisch zu sein € von der Verletzungshandlungnur unbedeutend abweicht. Entscheidend ist, dass sich dasCharakteristische der Verletzungshandlung wiederfindet[Köhler/Bornkamm, UWG, 28. Aufl., Rn. 1,37]. Die Verletzung vonRechten an der Tonaufnahme €Y€ ist aber nichtkerngleich mit der Verletzung von Rechten an der Tonaufnahme€ X € ... €, zumal diese vorliegend in zweiverschiedenen Chartcontainern enthalten und widerrechtlich zumDownload angeboten worden waren. Hat ein Beklagter ein bestimmtesSchutzrecht des Klägers verletzt, begründet dies allerdings nichtohne Weiteres die Vermutung, dass er auch andere dem Klägerzustehende oder von ihm berechtigt wahrgenommene Schutzrechteverletzen wird€ [vgl. BGH, Urt. vom 23.2.2006 € I ZR272/02 € Markenparfumverkäufe, Rn. 40, zitiert nach juris].Soweit der Bundesgerichtshof dort die Ansicht vertreten hat, dieLebenserfahrung spreche für die Annahme einer Begehungsgefahr auchhinsichtlich der anderen im dortigen Klageantrag genannten Marken,sind diese Überlegungen zur Auslegung einer Unterlassungserklärungnicht heranzuziehen, da diese aus Sicht des Erklärungsempfängerseinen eindeutigen Inhalt haben muss.

Nach allem war die Beklagte zum Zeitpunkt der Abmahnung durchdie vorangegangene strafbewehrte Unterlassungserklärung nichthinreichend abgesichert. Die Abmahnung war daher begründet und derBeklagten steht ein verschuldensunabhängiger Anspruch aufAufwendungsersatz aus § 97 a Abs. 1 Satz 2 UrhG zu.

Damit stand dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten eineGeschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG für die vorgerichtlicheVertretung zu, deren Erstattung sie von dem Kläger verlangenkann.

Maßstab für die Höhe des Aufwendungsersatzes ist dieErforderlichkeit, vergleichbar der Notwendigkeit der Kosten derRechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.Ob Aufwendungen erforderlich sind, bestimmt sich nach denVerhältnissen des jeweiligen Gläubigers. Hat der Gläubiger mitseinem Anwalt eine Vereinbarung getroffen, der zufolge derRechtsanwalt eine niedrigere als die gesetzliche Vergütung erhält,kann die Abrechnung der Abmahnkosten gegenüber dem Schuldner nurauf dieser Grundlage erfolgen [Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 12 UWGRn. 1.96a]. Vorliegend stützt die Beklagte die geltend gemachtenAbmahnkosten auf eine Vereinbarung mit ihremProzessbevollmächtigten, für die außergerichtliche Tätigkeit imFalle des Klägers gemäß §§ 2, 13 RVG/Ziff. 2300 VV einen Betrag von€ 651,80 zuzüglich Mehrwertsteuer zu zahlen. Dies entsprichteiner 1,3 Gebühr aus einem Streitwert von € 10.000,-- nebstAuslagenpauschale. Entsprechend haben die Prozessbevollmächtigtender Beklagten ihr unter dem 1.10.2009 eine Rechnung gestellt undden Rechnungsbetrag von einem für die Beklagte unterhaltenenFremdgeldkonto einbehalten, d. h. mit dem Auszahlungsanspruch derBeklagten verrechnet, wie sich aus den vorgelegten Anlagen B 7 undB 8 ergibt. Damit ist die Behauptung des Klägers widerlegt, wonachdie Beklagte € 90,-- pro €erwischten€ Verletzererhalte.

Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus der von dem Kläger inBezug genommenen Entscheidung des Amtsgerichts Frankfurt vom29.1.2010 € 31 C 1078/09 € 78, wonach die hiesigeBeklagte mit den von ihr beauftragten Anwälten einenBeratungsvertrag getroffen hat, im Rahmen dessen nach Aufwandabgerechnet wird. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagtegleichfalls in dem dortigen Verfahren (als Klägerin) von derSozietät der hiesigen Prozessbevollmächtigten vertreten wurde, sindnicht greifbar. Solches ergibt sich auch nicht aus dem Rubrum desUrteils, das bis auf den Namen der Klägerin geschwärzt ist. DasUrteil erlaubt daher keinerlei Rückschlüsse auf die mit derBeklagten bestehende Gebührenvereinbarung.

Der Geschäftswert der Abmahnung richtet sich nach der Höhe desfür die Gerichtskosten geltenden Wertes (§ 23 Abs. 1 3 RVG, § 12Abs. 1 GKG, § 3 ZPO).

Der von der Beklagten zugrunde gelegte Streitwert von €10.000,-- erscheint dem Senat angemessen, nachdem vorliegend zumZeitpunkt der Abmahnung aus Sicht der Beklagten eine Haftung desKlägers als Täter nicht auszuschließen war. Insoweit ist das fürdie Streitwertbemessung maßgebende Interesse des Verletzten an derAbwehr zukünftiger Rechtsverletzungen bei einem selbsthandelndenTäter aber höher anzusetzen als bei einem €Störer€ imRechtssinne. Gleichermaßen ist der Angriffsfaktor hier vongrundsätzlich anderer Qualität als bei einer reinen Störerhaftung,wie sie in der Entscheidung des LG Hamburg vom 9.8.2007 € Az.308 O 273/07 € angenommen wurde.

Ebenso wenig zu beanstanden ist die angesetzte 1,3Geschäftsgebühr. Besonders in einem rechtlichen Spezialgebiet wiedem Urheberrecht erscheint die Mittelgebühr angemessen. DieGeschäftsgebühr für die beauftragten Rechtsanwälte beträgt dahernach VV 2300 € 631,80. Hinzu kommt die Auslagenpauschale nachVV 7001, 7002 in Höhe von € 20,--. Damit sind der Beklagtenvorgerichtliche Abmahnkosten in Höhe von € 651,80 nettoentstanden, deren Zahlung sie von dem Kläger verlangen kann.

Soweit in dem Abmahnschreiben vom 9.7.2009 Abmahnkosten in Höhevon lediglich € 480,-- verlangt wurden, galt dies ersichtlichunter dem Vorbehalt der Abgabe der Unterlassungserklärung, nichtaber für den Fall der nunmehr erfolgten gerichtlichenGeltendmachung durch die Prozessbevollmächtigten der Beklagten.

Des Weiteren steht der Beklagten der mit der Widerklageverfolgte Betrag von € 150,-- als angemessene Lizenzgebührnach Bereicherungsrecht zu, §§ 812, 818 Abs. 2 BGB.

Der Kläger ist als Verletzer i.S. des § 97 Abs. 1 UrhGanzusehen. Die Beklagte hat in ihrer Widerklagebegründungausdrücklich behauptet, dass der Kläger selbst den Titel zugänglichgemacht habe. Soweit der Kläger demgegenüber pauschal vorträgt, dieabgemahnten Vorgänge nicht veranlasst zu haben, ist diesesBestreiten nicht hinreichend bestimmt und damit unbeachtlich, da essich um Tatsachen handelt, die Gegenstand eigener Handlungen undWahrnehmungen des Klägers waren, zumindest wäre dem Kläger dieWahrnehmung möglich gewesen.

Wird ein urheberrechtlich geschütztes Werk ohne Zustimmung desBerechtigten der Öffentlichkeit von einer IP-Adresse aus zugänglichgemacht, die zum fraglichen Zeitpunkt einer bestimmten Personzugeteilt war, so spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dassdiese Person für die Rechtsverletzung verantwortlich ist. Darausergibt sich eine sekundäre Beweislast des in Anspruch genommenenAnschlussinhabers, der geltend macht, nicht er, sondern eine anderePerson habe die Rechtsverletzung begangen [BGH Urt. v. 12.5.2010€ I ZR 121/08 € Sommer unseres Lebens € Rn. 12;s. auch OLG Frankfurt GRUR-RR 2008, 73f (74); OLG Köln Urt. v.23.12.2009 € 6 U 101/09 € Rn. 8, jeweils zitiert nachjuris]. Dieser sekundären Darlegungslast ist der Kläger in keinerWeise nachgekommen. Vortrag dazu, wer außer ihm als Täter inBetracht kommen und den Anschluss benutzt haben könnte, hat ernicht gebracht. Vielmehr hat er sich zu etwaigen Personen, denen erseinen Computer und damit den Zugang zum Internet zur Verfügunggestellt hat, vollständig ausgeschwiegen. Angesichts diesesinsgesamt unzureichenden Vortrags ist daher von seinerVerantwortlichkeit als Täter für die beanstandete Rechtsverletzungauszugehen.

Die Beklagte kann daher nach den Grundsätzen der Lizenzanalogieeine Vergütung beanspruchen, die vernünftige Parteien bei Abschlusseines fiktiven Lizenzvertrags in Kenntnis der wahren Rechtslage undder Umstände des konkreten Einzelfalls als angemessene Lizenzgebührvereinbart hätten [BGH GRUR 1990, 1008]. Dass für denstreitgegenständlichen Titel eine Lizenzgebühr in Höhe von €150,-- hätte verlangt werden können, wird von dem Kläger nicht inAbrede gestellt.

Der Zinsanspruch rechtfertigt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 a, 92 Abs. 2 ZPO.

Aus Sicht des Senats entspricht es billigem Ermessen, die Kostendes Rechtsstreits erster und zweiter Instanz gegeneinanderaufzuheben.

Der Beklagten stand zum Zeitpunkt der Erhebung der Widerklagefür die hier in Rede stehende Urheberrechtsverletzung zunächst einUnterlassungsanspruch aus §§ 19 a, 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG zu.

Die vom Kläger durch den Urheberrechtsverstoß begründetetatsächliche Wiederholungsgefahr ist allerdings im Laufe deserstinstanzlichen Verfahrens aufgrund der vor Schluss dermündlichen Verhandlung vor dem Landgericht herbeigeführtenPräzisierung seiner wegen eines früheren Verstoßes abgegebenenUnterlassungs- und Verpflichtungserklärung vom 26.5.2009entfallen.

Die Auslegung einer Vertragsstrafenverpflichtungserklärungrichtet sich nach den allgemein für die Auslegung vonWillenserklärungen gültigen Regeln; eine unmittelbare Heranziehungder restriktiven Grundsätze, wie sie für die Auslegung eines ingleicher Weise formulierten Unterlassungstitels im Hinblick aufdessen Vollstreckbarkeit entwickelt worden sind, kommt nicht inBetracht, weil einer Unterwerfungserklärung der Charakter einesvollsteckbaren Titels fehlt [BGH NJW-RR 1991, 1318 (1319) €Preisvergleichsliste]. Dabei können zur Auslegung einerUnterwerfungserklärung auch ohne Weiteres spätere schriftsätzlicheÄußerungen herangezogen werden, die der Schuldner zur Klarstellungseiner Erklärung im Rechtsstreit abgibt [BGH GRUR 1998, 483 (485)€ Der M.-Markt packt aus; Teplitzky, a.a.O., Kap. 8 Rn. 14;Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 8 UWG Rn. 1.123; Fromm/Nordemann, UrhG,10. Aufl., § 97 Rn. 34 ].

Mit am 29.10.2009 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz vom28.10.2009, dort Seite 3 Mitte, hatte der Kläger den Inhalt seinerUnterlassungserklärung ausdrücklich dahingehend klargestellt, dassdiese sich sowohl auf die Musikaufnahme X als auch auf die weiterengeschützten Musikaufnahmen bezieht, an denen die Beklagte dieRechte innehat. Dieser Schriftsatz ist dem Beklagtenvertreterausweislich des Protokolls in der Sitzung vom 4.11.2009 vor demLandgericht übergeben worden, welcher aufgrund seinerProzessvollmacht zur Empfangnahme von Erklärungen ermächtigt war[vgl. Vollkommer in Zöller, ZPO, 28. Aufl., § 81 Rn. 2a]. Er warauch Gegenstand der angefochtenen Entscheidung, wie sich aus demTatbestand des Urteils ergibt, welcher auf die gewechseltenSchriftsätze ausdrücklich Bezug nimmt. Damit waren aber durch dieim Prozess abgegebene Erklärung des Klägers Auslegungszweifelhinsichtlich des von ihm handschriftlich hinzugefügter Zusatzes€andere geschützte Werke€ in der Unterlassungserklärungvom 26.5.2009 ausgeräumt, da seine Klarstellung den eindeutigenSchluss darauf zulässt, wie die Erklärung von Anfang an gemeintwar, nämlich bezogen auf alle Musikaufnahmen, an denen die BeklagteRechte hat.

Die diesbezügliche Erklärung lässt auch keine ernsthaftenZweifel an der jeweiligen Aktivlegitimation der Beklagtenaufkommen, weil diese sich als ausschließliche Nutzungsberechtigteauf die Vermutungstatbestände des § 10 Abs. 2 UrhG berufen kann. Dader Beklagten an dem hier in Rede stehenden Titel unstreitig dieausschließlichen Nutzungsrechte für die Verwertung in Tauschbörsenzustehen, ist dieser im Hinblick auf die nachträgliche Klarstellungvon der Unterlassungserklärung vom 26.5.2009 erfasst. Dass dieUnterlassungserklärung ohne Angabe eines Höchstbetrages derVertragsstrafe erfolgte, ist rechtlich ohne Relevanz. Im Übrigenist diese dahin auszulegen, dass der Kläger der Beklagten das Rechtzur Bestimmung der angemessenen Vertragsstrafenhöhe einräumenwollte. Insoweit gelten die Überlegungen, wie sie der klägerseitszur Akte gereichten Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurtam Main vom 25.03.2009 zu Az. 6 W 43/09 zugrunde lagen, welche sichder Senat zu eigen macht.

Mithin war die Wiederholungsgefahr in Wegfall geraten, so dassder Beklagten jedenfalls ab Zugang des Schriftsatzes vom 29.10.2009auch kein Unterlassungsanspruch für die streitgegenständlichenVerletzungshandlung zustand und die Widerklage bereits in dermündlichen Verhandlung vor dem Landgericht hätte für erledigterklärt werden müssen. Allerdings wurde dem Prozessbevollmächtigtender Beklagten der maßgebliche Schriftsatz erst in der mündlichenVerhandlung vor dem Landgericht übergeben, ohne dass dies mit einementsprechenden Hinweis des Gerichts im Hinblick auf etwaigeAuswirkungen der darin nachträglich erfolgten Klarstellung derUnterlassungserklärung durch den Kläger auf die Antragsstellungbezüglich der Widerklage verbunden war. Vor diesem Hintergrundwaren aus Sicht des Senats die Kosten des Rechtsstreits nachbilligem Ermessen gegeneinander aufzuheben.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihreRechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen nach §543 ZPO nicht gegeben sind. Der Senat hat nur anerkannteRechtsgrundsätze auf den Einzelfall angewendet.






OLG Frankfurt am Main:
Urteil v. 31.08.2010
Az: 11 U 7/10


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