Bundespatentgericht:
Beschluss vom 22. November 2005
Aktenzeichen: 27 W (pat) 9/05

(BPatG: Beschluss v. 22.11.2005, Az.: 27 W (pat) 9/05)

Tenor

Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 10. November 2004 aufgehoben.

Die Marke 300 93 875 ist zu löschen.

Gründe

I.

Gegen die Eintragung der Wortmarke 300 93 875 TERRA3DWEB noch beansprucht für 9: Software mit dem Schwerpunkt von 3D-Inhalten;

38: Informationsvermittlung mit dem Schwerpunkt von 3D-Inhalten im Internet und anderen Datennetzen;

42: Erstellen von Computerprogrammen mit dem Schwerpunkt von 3D-Inhaltenist Widerspruch eingelegt worden aus der Gemeinschaftsmarke 1 343 227 TERRA die eingetragen ist für folgende Waren und Dienstleistungen:

9: Wissenschaftliche, Schifffahrts-, Vermessungs-, elektrische, fotografische, Film-, optische, Wäge-, Mess-, Signal-, Kontroll-, Rettungs- und Unterrichtsapparate und -instrumente; Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und Bild; Magnetaufzeichnungsträger, Schallplatten; Verkaufsautomaten und Mechaniken für geldbetätigte Apparate; Registrierkassen, Rechenmaschinen, Datenverarbeitungsgeräte und Computer; Feuerlöschgeräte; alle vorgenannten Waren nicht in Bezug auf den medizinischen Bereich;

38: Telekommunikation in Form von Bereitstellung eines Mehrbenutzerzugangs zu einem globalen Computerdatennetz (Internet/Intranet) für die Übertragung und Verbreitung aller Arten von Informationen, Bildern oder Ton;

41: Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung; sportliche und kulturelle Aktivitäten;

42: Bewirtung und Verpflegung von Gästen; Beherbergung von Gästen; ärztliche Versorgung, Gesundheits- und Schönheitspflege; Dienstleistungen auf dem Gebiet der Tiermedizin und der Landwirtschaft; Vertretungen in Rechtsstreitigkeiten; wissenschaftliche und industrielle Forschung; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung, jedoch nicht für den medizinischen Bereich; Dienstleistungen auf dem Gebiet der Informationstechnologie, jedoch nicht in Bezug auf den medizinischen Bereich; Entwurf von Web-Seiten; Programmierung, Konfiguration und technische Installation von Datenbanken im Bereich des Internets und/oder anderer Kommunikationsnetze; Dienstleistungen von Internetanbietern und/oder Anbietern von anderen Datenbanknetzen; Dienstleistungen in Form von Bereitstellung eines Mehrbenutzerzugangs zu einem globalen Computerdatennetz oder eine anderen Datenbank für die Übertragung und Verbreitung aller Arten von Informationen, Bildern oder Ton.

Die Markenstelle hat den Widerspruch mit Beschluss vom 10. November 2004 zurückgewiesen.

Zur Begründung hat sie ausgeführt, in klanglicher Hinsicht unterschieden sich die Zeichen deutlich, denn "3DWEB" sei ein unüberhörbares Element der angegriffenen Marke. "TERRA" wirke daneben nicht prägend, so dass der Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Zeichen deutlich verschieden sei.

Es bestehe auch keine Gefahr, die Marken unter dem Gesichtspunkt von Serienmarken miteinander gedanklich in Verbindung zu bringen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie ist der Auffassung, angesichts der Identität bzw. hochgradigen Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen sowie der übereinstimmenden Bestandteile der zu vergleichenden Marken sei Verwechslungsgefahr gegeben. Prägender Bestandteil der angegriffenen Marke sei "TERRA", denn die Zusätze "3D" und "WEB" seien glatt beschreibend. Zudem sei "TERRA" der am stärksten beachtete Wortanfang.

Es bestehe auch eine mittelbare Verwechslungsgefahr.

Die Widersprechende beantragt sinngemäß, den Beschluss vom 10. November 2004 aufzuheben, ihrem Widerspruch stattzugeben unddie angegriffene Marke zu löschen.

Demgegenüber beantragt der Inhaber der angegriffenen Marke, die Beschwerde zurückzuweisen.

Er verteidigt den angegriffenen Beschluss als zutreffend und ist der Auffassung, eine Verwechslungsgefahr bestehe nicht, weil die Bestandteile "3D" und "WEB" in der angegriffenen Marke mitprägend wirkten und deswegen in der Gesamtbetrachtung nicht untergingen.

Zur Ergänzung des Parteivorbringens wird auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen Bezug genommen, wegen sonstiger Einzelheiten auf den Akteninhalt.

II.

1) Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden hat in der Sache Erfolg. § 43 Abs. 2 Satz 1 MarkenG rechtfertigt die Löschung der angegriffenen Marke, denn es besteht die Gefahr von Verwechslungen mit der Widerspruchsmarke im Sinn von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.

Nach den genannten Vorschriften ist eine Marke zu löschen, wenn wegen ihrer Ähnlichkeit mit einer angemeldeten oder eingetragenen Marke mit älterem Zeitrang und der Identität oder der Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, einschließlich der Gefahr, dass eine erhebliche Zahl der mit den Marken angesprochenen Verbraucher die Zeichen gedanklich miteinander in Verbindung bringen wird.

Die Verwechslungsgefahr nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Die dafür maßgeblichen Faktoren, Ähnlichkeit der Marken, Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen sowie Kennzeichnungskraft der älteren Marke, stehen dabei derart in einer Wechselbeziehung, dass ein höherer Grad an Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen einen geringeren Grad an Ähnlichkeit der Marken oder an Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgleichen kann und umgekehrt (vgl. EuGH GRUR Int. 1999, 734, Rn. 19, 20 - LLOYD; BGH GRUR 2005, 427, 428 - LILA-SCHOKOLA-DE).

Die Voraussetzungen einer unmittelbaren Verwechslungsgefahr sind hier gegeben, weil sich "TERRA" in der angegriffenen Marke deutlich von "3DWEB" abhebt und alleine mit der gleichlautenden Widerspruchsmarke "TERRA" zu vergleichen ist.

a) Die Dienstleistung der Widerspruchsmarke "Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung" kann das für die angegriffene Marke geschützte "Erstellen von Computerprogrammen mit dem Schwerpunkt von 3D-Inhalten" umfassen.

Ebenso kann es sich bei den "Dienstleistungen von Internetanbietern und/oder Anbietern von anderen Datenbanknetzen" der Widerspruchsmarke um "Informationsvermittlung mit dem Schwerpunkt von 3D-Inhalten im Internet und anderen Datennetzen" handeln, wofür die angegriffene Marke geschützt ist.

Insofern liegen jeweils höchste Ähnlichkeit und Identität vor, so dass es auf den allenfalls geringeren Grad an Ähnlichkeit zu den Geräten und den anderen Dienstleistungen der Widerspruchsmarke, wie die im Telekommunikationsbereich, nicht ankommt.

Die für die angegriffene Marke geschützte "Software mit dem Schwerpunkt von 3D-Inhalten", also eine Ware, ist der Dienstleistung der Widerspruchsmarke "Erstellen von Programmen" ähnlich, denn die Verbraucher rechnen die Erstellung und den Vertrieb von Software demselben Unternehmen zu, was bei einer Vielzahl größerer und kleinerer Software-Hersteller tatsächlich zutrifft (vgl. die Nachweise bei RICHTER/STOPPEL, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 13. Aufl., S. 355). Es ist allerdings ein größerer Abstand bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr zu Grunde zu legen als bei den Dienstleistungen (vgl. STRÖBE-LE/HACKER, Markengesetz, 7. Aufl., § 9 Rn. 126 m. w. Nachw.).

Auch die Geräte, etwa Datenverarbeitungsgeräte, sowie die anderen Dienstleistungen, insbesondere Telekommunikation, für die das Widerspruchszeichen geschützt ist, weisen keinen höheren Grad an Ähnlichkeit zur Software der angegriffenen Marke auf.

b) "TERRA" beschreibt potenziell den Gegenstand der Dienstleistungen und den Inhalt der Software als bezogen auf den Planeten Erde. Es hat aber wegen seines lateinischen Ursprungs dennoch eine noch durchschnittliche Kennzeichnungskraft (für mehr Kennzeichnungskraft: BPatG Beschlüsse vom 14. Juli 2004, Az: 32 W (pat) 101/03 - WEBTRIS / TETRIS sowie vom 31. Januar 2000, Az: 30 W (pat) 190/98 - TERRA / TERRATEC; für eher weniger Kennzeichnungskraft: BGH GRUR 1977, 719 - TERRANOVA / TERRAPIN).

c) Die angegriffene Marke enthält das für die Widersprechende identisch geschützte "TERRA". Die weiteren Bestandteile "3D" und "WEB" (Synonym für Internet) fassen die angesprochenen Verbraucher in Alleinstellung als beschreibend in dem Sinn auf, dass es sich um Angaben zur Darstellungsform (dreidimensional) bzw. zur Eignung für das Internet (Software) und zur Angebotsart der Dienstleistungen im Internet handelt. Dieses beschreibende Verständnis bleibt auch in "TERRA3DWEB" ungeschmälert erhalten, weil die Ziffer 3 eine deutliche Zäsur schafft. Dies gilt sowohl im Schriftbild, wo eine Ziffer zwischen Buchstaben stark auffällt, als auch bei verbaler Wiedergabe der Marke, weil die Bestandteile [terra], [dreide] und [web] dabei voneinander abgesetzt gesprochen werden. Die angegriffene Marke in ihrer Gesamtheit ergibt ebenso wenig einen Sinn, der gegen eine solche Trennung spräche, wie [terradrei] oder [terradreide]. Gleiches gilt für "3DWEB", zumal die Konsonantenfolge [dw] darin ohne Hilfsvokal [e] nach dem "D" und ohne Fuge kaum aussprechbar ist.

Es bleibt also erkennbar, dass es sich um die Zusammenziehung der jeweils für sich genommen aussagekräftigen Bestandteile "TERRA", "3D" und "WEB" handelt. Die Schreibweise in einem Wort hat nur eine geringe akustische Relevanz.

Die angegriffene Marke wird damit durch den mit der Widerspruchsmarke identischen, am Wortanfang stehenden, kennzeichnungskräftigeren und eigenständig kennzeichnenden Bestandteil "TERRA" geprägt.

Demgegenüber werden die rein beschreibenden Bestandteile "3D" sowie "WEB" vernachlässigt (vgl. ebenso BPatG Beschlüsse vom 31. Januar 2000, Az: 30 W (pat) 190/98 - TERRA / TERRATEC und vom 8. Oktober 2001, Az: 30 W (pat) 178/00 - TERRA / TERRA-X, TERRATEC).

Damit stehen sich in beiden Marken die Wörter "TERRA" in einem Umfang gegenüber, der trotz nur knapp durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und einem geringeren Grad an Ähnlichkeit zwischen Software und Dienstleistungen zu einer beachtlichen unmittelbaren Verwechslungsgefahr führt.

Es kann somit dahinstehen, ob zwischen den Marken auch eine mittelbare Verwechslungsgefahr besteht.

2) Es sind keine Gründe dafür ersichtlich, von dem Grundsatz des § 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG abzuweichen, wonach jeder Beteiligte seine Kosten selbst trägt.

Dr. Albrecht Reker Prietzel-Funk Pü






BPatG:
Beschluss v. 22.11.2005
Az: 27 W (pat) 9/05


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