Bundespatentgericht:
Beschluss vom 9. September 2003
Aktenzeichen: 27 W (pat) 49/03

(BPatG: Beschluss v. 09.09.2003, Az.: 27 W (pat) 49/03)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 26. November 2002 aufgehoben.

Gründe

I.

Die Bezeichnung

"BAKERY CRAFTS"

soll für die Waren

"Abtast- und Drucksysteme in der Form von Computerhardware und -software; auf CD-ROMs gespeicherte Bilder; vorgeformte essbare Kuchen- und Tortenverzierungen; essbares Unterbodenmaterial in Form einer dünnen Platte zur Verzierung von Kuchen und Torten, feine Backwaren und andere Produkte; zum menschlichen Verzehr geeignete Tinte und Lebensmittelfarben; Kuchen- und Tortenverzierungen aus Kunststoff und Keramik"

als Marke in das Register eingetragen werden.

Die Markenstelle für Klasse 9 hat die Anmeldung als nicht unterscheidungskräftige und freihaltungsbedürftige beschreibende Angabe zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die aus den Substantiven "BAKERY" und "CRAFTS" gebildete Marke bezeichne in ihrer Gesamtheit das Bäcker-Kunsthandwerk. In dieser Bedeutung stelle sie einen die beanspruchten Waren beschreibenden Bestimmungshinweis darauf dar, dass die Waren im Bäckerei-Kunsthandwerk eingesetzt werden könnten, weil sie sich von dem im Bäckereihandwerk gängigen Farben- und Formenschatz unterschieden und damit eine besondere künstlerische Gestaltung von Backwerk ermöglichten. Das gelte insbesondere auch für die Abtast- und Drucksysteme, mit denen sog. Fototorten gefertigt werden könnten. Da es sich bei "BAKERY" und "CRAFTS" um zentrale Fachbegriffe handele, die in Verbindung mit den beanspruchten Bäckereihilfsartikeln beim Warenimport und -Export benötigt würden, unterliege die angemeldete Bezeichnung dem Eintragungsverbot des § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG. Sie entbehre auch der erforderlichen Unterscheidungskraft (§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG), weil sie von den in erheblichem Umfang angesprochenen Fachverkehrskreisen in ihrer beschreibenden Bedeutung ohne weiteres erfasst werde. Insoweit könnten auch die nachgewiesenen Voreintragungen der Marke in Großbritannien und den USA keine für sie sprechende indizielle Wirkung entfalten.

Hiergegen wendet sich die Anmelderin mit der Beschwerde. Sie ist der Ansicht, die angemeldete Marke sei eintragungsfähig, weil es einiger Überlegungen und gedanklicher Schritte bedürfe, um die mehrdeutige Wortkombination "BAKERY CRAFTS" als beschreibenden Hinweis auf die Eignung der Waren für das Bäckerei(-kunst)handwerk und damit für eine besondere künstlerische Gestaltung zu verstehen. Die Markenstelle habe auch keine konkreten Feststellungen getroffen, dass die angemeldete Bezeichnung bereits als beschreibende Angabe verwendet und von den Mitbewerbern daher benötigt werde, insbesondere habe sie ihre Behauptung, die Marke bestehe aus zentralen Fachbegriffen des Bäckereiwesens, nicht belegt. Dagegen sprächen auch die für identische Waren erfolgten Voreintragungen in Großbritannien und den USA.

II.

Die Beschwerde ist begründet. Der angemeldeten Marke stehen Eintragungshindernisse nach § 8 Abs 2 Nr 1 und 2 MarkenG nicht entgegen.

Bei der angemeldeten Wortkombination "BAKERY CRAFTS" handelt es sich um eine Bezeichnung, die keine im Sinne des § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG zur Beschreibung der Beschaffenheit oder des Bestimmungszwecks der beanspruchten Waren geeignete Angabe darstellt. Das englische Wort "craft" hat als Pluraletantum "crafts" die Bedeutung von "Kunsthandwerk, Kunstgewerbe", wobei allerdings - worauf die Anmelderin zu Recht hinweist - der wesentlich gebräuchlichere Ausdruck "arts and crafts" ist. Darüber hinaus werden im Englischen kunstgewerbliche Gegenstände in normaler Pluralform mit "crafts" bezeichnet, während die weitere Bedeutung von "Fahrzeuge" hier fern liegt. In der Singularform ist das Wort "craft" im Sinne von "Handwerk, Gewerbe, Zunft, Kunstfertigkeit, Geschicklichkeit" gebräuchlich, wobei es insoweit - wie in den Wörterbüchern ausdrücklich vermerkt - keine Pluralbildung gibt (vgl DUDEN OXFORD, Großwörterbuch Englisch-Deutsch, 1999, S 174; PONS Großwörterbuch für Experten und Universität, Englisch-Deutsch, 2002, S 189 und Deutsch-Englisch, S 473; Muret-Sanders, Langenscheidts Enzyklopädisches Wörterbuch Englisch-Deutsch, 1999, S 277; Wildhagen Heraucourt, English-German, 1969, S 185).

Ausgehend hiervon bedeutet die Wortkombination "BAKERY CRAFTS" entgegen der Ansicht der Markenstelle im Englischen weder "Bäckereihandwerk bzw Bäckereigewerbe" noch "Bäckereikunstfertigkeit oder Bäckereigeschicklichkeit". Sie lässt sich allenfalls mit "Bäckereikunsthandwerk bzw Bäckereikunstgewerbe" oder eventuell mit "kunstgewerbliche Gegenstände der Bäckerei" übersetzen. In diesem Sinne ist der angemeldeten Bezeichnung aber eine gewisse Eigentümlichkeit in bezug auf die beanspruchten Waren nicht abzusprechen. Es ist schon ungewöhnlich, das Bäckerhandwerk als Kunsthandwerk oder -gewerbe zu bezeichnen, weil hierunter definitionsgemäß nur die ästhetische Gestaltung von Gebrauchsgegenständen und Ziergeräten aller Art aus den verschiedensten Materialien fällt (vgl Brockhaus Enzyklopädie, 1996, Bd 12, S 640). Dementsprechend sind auch die von einem Bäcker hergestellten Backwaren in der Regel keine kunstgewerblichen Objekte im landläufigen Sinne. Das gilt erst recht für vorgeformte essbare Kuchen/Tortenverzierungen oder Unterbodenmaterial. Mit diesen mögen zwar unter Einsatz von Lebensmittelfarben und Tinte anspruchvolle, als künstlerisch zu bezeichnende Kuchen- und Tortengebilde hergestellt werden können. Es trifft auch zu, dass auf Kuchen und Torten mit Hilfe von Abtast- und Drucksystemen bildliche Darstellungen, auch Fotos von Personen, aufgebracht werden können. Daraus folgt aber nicht, dass es sich bei Backwerk und Torten um kunsthandwerkliche Gegenstände handelt, auch wenn mitunter der Begriff des Kunsthandwerks ganz vereinzelt von Bäckern oder Konditoren im Zusammenhang mit der Darstellung ihrer Tätigkeit herangezogen werden mag (vgl die von der Markenstelle zitierte Internetseite einer Bäckerei, die mit der Frage beginnt: "Was hat diese Seite beim Kunsthandwerk zu suchen€"). Es erscheint auch relativ fernliegend, dass Kuchen und Torten mit kunstgewerblichen Gegenständen aus Keramik oder Kunststoff dekoriert werden und daher zur Beschreibung solcher Gegenstände die Bezeichnung "BAKERY CRAFTS" ernsthaft benötigt wird. Hinweise auf eine aktuelle Benutzung dieser Bezeichnung in diesem Zusammenhang durch inländische Dritte haben sich auch bei einer vom Senat durchgeführten Internet-Recherche nicht ergeben.

Diese Annahme wird unterstützt durch die Tatsache, dass die angemeldete Marke für die beanspruchten Waren in Großbritannien und den USA eingetragen worden ist, wobei die US-Eintragung einen Rechte an dem Wortbestandteil "BAKERY" ausschließenden Disclaimer enthält. Dies lässt erkennen, dass in den Ländern der Sprache des Markenworts das kennzeichnende Schwergewicht in dem Bestandteil "CRAFTS" gesehen wird. Da eine von der englischsprachigen Bedeutung abweichende Verwendung der Bezeichnung "BAKERY CRAFTS" im Inland nicht festgestellt werden kann, bilden die Voreintragungen ein beachtliches Indiz für die sprachliche und begriffliche Eigentümlichkeit der angemeldeten Marke (BGH GRUR 2001, 10046, 1047 - GENESCAN; GRUR 1996, 771 - THE HOME DE-POT). Es bestehen daher keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte für ein ernsthaftes Interesse der inländischen Mitbewerber der Anmelderin, die Bezeichnung "BAKERY CRAFTS" im Import- oder Exportverkehr mit Ländern des englischen Sprachbereichs oder aber beim inländischen Vertrieb der angemeldeten Waren als Beschaffenheits- oder Bestimmungshinweis zu verwenden.

Der angemeldeten Marke kann auch nicht jegliches Mindestmaß an Unterscheidungskraft abgesprochen werden (§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG). Bei dieser Beurteilung tritt die Indizwirkung der ausländischen Voreintragungen zwar in den Hintergrund, weil die Frage, ob eine Bezeichnung als betriebliches Unterscheidungsmittel geeignet ist, allein aus der Sicht der angesprochenen inländischen Verkehrskreise zu beantworten ist, die eine fremdsprachige Wortbildung möglicherweise anders verstehen als die Abnehmer im Land der Muttersprache (vgl BGH GRUR 1989, 666 - Sleepover). Zu den Verkehrskreisen, an die sich die Waren der angemeldeten Marke wenden, gehören sowohl Fachkreise wie Bäcker, Konditoren, gastronomische Betriebe und die Lebensmittelindustrie, als auch Endverbraucher, die selbst backen und hierbei vorgefertigte essbare und nicht essbare Verzierungen, Unterböden sowie Lebensmittelfarben verwenden. Von diesen Verkehrskreisen wird ein Teil ausreichende Kenntnisse des Englischen besitzen und daher erkennen, dass die angemeldete Bezeichnung in ihrer Bedeutung von Bäkkerei-Kunstgewerbe in bezug auf die Waren ungewöhnlich ist, auch wenn sie gewisse Assoziationen in Richtung künstlerischer Fertigung von Backwerk und Torten weckt. Ein ebenfalls beachtlicher Teil des Verkehrs nimmt die Marke auf, ohne sich überhaupt weitere Gedanken über ihre mögliche Bedeutung zu machen, sei es, weil er die nicht zu den gängigsten, auch in der inländischen Werbung häufig verwendeten englischen Wörter "BAKERY" und "CRAFTS" überhaupt nicht oder jedenfalls nicht genau kennt. Aber auch der verbleibende Teil des Verkehrs, dem "crafts" von Ausdrücken wie "craftsman(ship)" oder "arts and crafts" her geläufig ist, ohne allerdings mit den unterschiedlichen Bedeutungen dieses Wortes je nach Gebrauch in der Einzahl (Singularetantum) oder in der Mehrzahl (Pluraletantum) vertraut zu sein, wird in "BAKERY CRAFTS" nicht ohne weiteres eine reine Sachangabe sehen, denn es bedarf schon einiger Überlegung, um zu der Vorstellung zu gelangen, die Waren seien zur künstlerischen Fertigung von Backwerk bestimmt. Es ist auch nicht anzunehmen, "BAKERY CRAFTS" werde (fälschlich) als Bestimmungshinweis im Sinne von "Bäckereihandwerk" verstanden, weil der Begriff "Handwerk" auch im Deutschen keine Pluralform hat. Im übrigen erwartet der Verkehr auch kaum, auf einer für Bäcker bestimmten Ware das Schlagwort "Bäkkerhandwerk" für sich allein vorzufinden.

Insgesamt ist somit auch unter Anlegung der Maßstäbe einer strengen und vollständigen Prüfung, wie sie zur Vermeidung einer ungerechtfertigten Eintragung von Marken auch bereits im Registerverfahren erforderlich ist (EuGH, Urt. v. 6. Mai 2003 - Rs. C-104/01 - Libertel Groep BV/Benelux-Merkenbureau, Rdn 59), ein Hindernis, das der Eintragung der Marke entgegen stehen könnte, nicht ersichtlich.

Frau Vors. Ri'n Dr. Schermer istwegen Urlaubs ander Unterschrifts-

leistung verhindert.

Dr. van Raden Schwarz Dr. van Raden Pü






BPatG:
Beschluss v. 09.09.2003
Az: 27 W (pat) 49/03


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