Landgericht Arnsberg:
Urteil vom 30. Juni 2011
Aktenzeichen: 8 O 17/11

(LG Arnsberg: Urteil v. 30.06.2011, Az.: 8 O 17/11)

Zur Irreführung über den Betriebssitz eines Krankenfahrdienstes bei einem Eintrag im Telefonbuch ("Das Örtliche") der Nachbargemeinde.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 400,00 € abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Berufung wird zugelassen.

Streitwert: 208,75 €.

Tatbestand

Der Kläger verfolgt mit der Klage einen Anspruch auf Erstattung von Aufwendungen für eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung. Die Beklagte hat ihren Betriebssitz in N. und bietet Krankenfahrdienste an.

Die Beklagte warb in dem Telefonbuch "Das Örtliche" für B., Ausgabe 2010/2011 unter dem Buchstaben K, unter der Rubrik "Krankenfahrdienste" für "Krankenfahrdienst E., I. 0, liegend, Tragstuhl" unter Angabe der Telefonnummer "(0000) 0000000". Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage A 1 (Blatt 15 d. A.) Bezug genommen. Eine Straße mit dem Namen "I." gibt es in B. nicht. Die Vorwahl von B. lautet: 00000(1). Einzelne Ortsteile haben eigene Vorwahlen, z. B. 00000(2) für O. u. a., bzw. 00000(3) für P.

Mit Schreiben vom 12.10.2010 (Abmahnung mit Entwurf einer Unterlassungserklärung) beanstandete der Kläger die Werbung der Beklagten in dem Telefonbuch "Das Örtliche" für B.. Am 09.11.2010 gab die Beklagte ohne Anerkennung einer Rechtspflicht eine modifizierte Unterlassungserklärung ab (Blatt 19 d. A.). Der Kläger erklärte die Annahme dieser Unterlassungserklärung und forderte zugleich die Zahlung von Aufwendungsersatz in Höhe von 208,65 € (Schreiben vom 15.11.2010, Blatt 25 d. A.).

Der Kläger ist der Auffassung, die Werbung der Beklagten sei unlauter und irreführend, da sich der Betriebssitz der Beklagten in N. befinde, und aufgrund der Werbung die angesprochenen Interessenten davon ausgehen müssten, dass die Beklagte auch Mietwagen in B. bereit hält.

Der Kläger behauptet, durch die wettbewerbsrechtliche Abmahnung seien durchschnittliche Kosten in Höhe von 279,00 € netto entstanden. Bei insgesamt 7.070 Abmahnungen im Jahr 2009 und einem Aufteilungsmaßstab von 60:40 für den unternehmerischen Bereich ergäbe sich für 2009 ein durchschnittlicher Kostenaufwand von 279,00 € für jede Abmahnung. Davon werde aber lediglich ein Betrag von 195,00 € zuzüglich 7 % Umsatzsteuer weiterverfolgt.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 208,75 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.12.2010 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält es für abwegig, dass Verbraucher aufgrund des Eintrages im Telefonbuch "Das Örtliche" für den Bezirk B. annehmen, dass sich trotz Angabe der Straße des Betriebssitzes und der Telefonnummer in N. auch ein Betriebssitz der Beklagten in B. befindet und dort Fahrzeuge für Krankenfahrdienste bereit gehalten werden.

Sie bestreitet die Berechnungsgrundlagen für die vom Kläger ermittelten Abmahnkosten.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und deren Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten aus §§ 3, 5 Abs. 1 und Abs. 3, 8 Abs. 3 Nr. 2, 12 Abs. 1 S. 2 UWG, da der beanstandete Telefonbucheintrag wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden war und die Abmahnung daher nicht berechtigt war.

Entgegen dem Vortrag der Beklagten bestehen zwar keine Bedenken gegen die Abmahn- und Klagebefugnis des Klägers, die sich aus § 3 Abs. 1 Nr. 2 UKlaG und § 8 Abs. 3 UWG ergibt.

Der streitgegenständliche Eintrag in dem Telefonbuch "Das Örtliche" für B. 2010/2011 stellt auch Werbung dar. Denn unter Werbung ist jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs zu verstehen, mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen zu fördern (Bornkamm in Köhler/Bornkamm, 29. Auflage, § 5 Randnummer 2.12). Dazu gehört nach Auffassung der Kammer der Eintrag im Telefonbuch, wie hier im "Das Örtliche", um zur Förderung des Gewerbes eine Kontaktherstellung zwischen dem Kunden und dem Anbieter zu ermöglichen (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 29.03.2007, 4 U 11/07).

Der Telefonbucheintrag ist nach Auffassung der Kammer jedoch nicht irreführend, da er bei den angesprochenen Verkehrskreisen keinen unrichtigen Eindruck vermittelt. Grundsätzlich genügt es zwar, wenn die Werbung zur Irreführung und Beeinflussung geeignet ist, während es auf die tatsächliche Irreführung nicht ankommt. Gleichwohl ist der Telefonbucheintrag nicht geeignet, den Mitgliedern der beteiligten Verkehrskreise den Eindruck zu erwecken, als halte die Beklagte in B. Mietwagen bereit und führe dort Fahrten auf Bestellung auch von einem Betriebssitz in B. durch.

Nach § 49 Abs. 4 PBefG dürfen Beförderungsaufträge mit Mietwagen nur ausgeführt werden, die am Betriebssitz oder in der Wohnung des Unternehmers eingegangen sind. Nach Ausführung des Beförderungsauftrages hat der Mietwagen grundsätzlich unverzüglich zum Betriebssitz zurückzukehren. Zugleich muss eine Verwechslung mit dem Taxenverkehr ausgeschlossen sein.

Die Beklagte hat ihren Betriebssitz in N. Durch die Werbung in dem Telefonbuch wird aber nicht der Eindruck erweckt, es bestehe zugleich ein Betriebssitz in B. Denn in der Anzeige ist mit der Angabe (0000) der deutliche Hinweis darauf enthalten, dass bei Anwahl dieser Nummer ein Betriebssitz in N. telefonisch erreicht wird. Die Vorwahlnummer für B. lautet dagegen 00000(1) und unterscheidet sich sowohl durch die Anzahl der Ziffern als auch durch die zusätzliche Ziffer X. Eine Verwechslung scheint daher ausgeschlossen. Zudem ist gerichtsbekannt, dass in dem Telefonbuch "Das Örtliche" regelmäßig nur die Anschlussnummer ohne Vorwahlnummer angegeben wird, es sei denn der Anschlussinhaber wohnt in einem Ortsteil von B. mit einer gesonderten Vorwahl. Das führt nach Auffassung der Kammer grundsätzlich eher dazu, dass der Anrufer bei Angabe einer besonderen Vorwahl davon ausgeht, dass sich der Anschlussinhaber nicht in B. befindet. Sofern es sich um andere Vorwahlbezirke innerhalb des Stadtgebietes B. handelt, so ist gleichwohl deutlich zu erkennen, ob diese innerhalb der Stadt B. liegen, weil die Vorwahl in jedem Falle mit den Ziffern 0000_ beginnt. Daraus schließt die Kammer, dass die Angabe (0000) für jeden Nutzer des Telefonbuchs den deutlichen Hinweis enthält, dass es sich um eine Vorwahlnummer außerhalb von B. handelt. Dagegen ist die Angabe "I. 0" nicht annähernd so deutlich. Zwar gibt es die Straße "I." nicht in B. Gleichwohl ist nicht davon auszugehen, dass jeder Nutzer des Telefonbuchs von dieser Straßenangabe darauf schließt, dass der Sitz des Anbieters außerhalb von B. liegt.

Neben dem deutlichen Hinweis durch die Vorwahl ist aber ergänzend zu berücksichtigen, dass der Telefonbucheintrag der Beklagten unter dem Buchstaben K unter einer besonderen Rubrik nämlich der Rubrik "Krankenfahrdienste" aufgeführt ist. Der verständigen Nutzer des Telefonbuchs "Das Örtliche" ist bekannt, dass in solchen besonderen Rubriken auch Werbung von Anbietern aufgenommen wird, deren Betriebssitz außerhalb von B. liegt.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Entscheidung des LG Verde vom 16.02.2004 (Az.: 9 O 49/03) auf den vorliegenden Sachverhalt nicht ohne weiteres übertragbar. In der zitierten Entscheidung ging es um ein Taxi-Unternehmen, das nach Einschätzung der Kammer andere Verkehrskreise anspricht als ein Krankenfahrdienst. Insoweit hat die Beklagte vorgetragen, dass sie keinerlei Akutfälle durchführt, sondern nur solche Krankentransporte, die im Vorfeld abgestimmt worden sind.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Entscheidung über die Zulassung der Berufung beruht auf § 511 Abs. 4 ZPO. Der Rechtssache kommt grundsätzliche Bedeutung zu.






LG Arnsberg:
Urteil v. 30.06.2011
Az: 8 O 17/11


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