Landgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 20. Dezember 2011
Aktenzeichen: 3-5 O 37/11

(LG Frankfurt am Main: Urteil v. 20.12.2011, Az.: 3-5 O 37/11)

Tenor

Die Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten vom 26.5.2011zu TOP 3 €Entlastung des Vorstandes für das Geschäftsjahr2010" mit dem Inhalt

€Den im Geschäftsjahr 2010 amtierenden Mitgliedern desVorstandes wird Entlastung erteilt.";

TOP 4 €Entlastung des Aufsichtsrates für das Geschäftsjahr2010" mit dem Inhalt

€Den im Geschäftsjahr 2010 amtierenden Mitgliedern desAufsichtsrats wird Entlastung erteilt.";

TOP 5 €Wahl des Abschlussprüfers für das Geschäftsjahr2011, Zwischenabschlüsse" mit dem Inhalt

€Der Aufsichtsrat schlägt, gestützt auf die Empfehlungdes Prüfungsausschusses vor zu beschließen:

Die K. Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Berlin, wird zumKonzernabschlussprüfer für das Geschäftsjahr 2011bestellt.

Die K. Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Berlin, wird zudembestellt zum Abschlussprüfer für die prüferische Durchsicht desverkürzten Abschlusses und des Zwischenlageberichts (§§ 37w Abs. 5,37y Nr. 2 WpHG) zum 30. Juni 2011 und der Konzernzwischenabschlüsse(§ 3401 Abs. 4 HGB), die vor der ordentlichen Hauptversammlung desJahres 2012 aufgestellt werden."

und der Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten vom 26. Mai2011 zu TOP 13 €Zustimmung zum Abschluss einesTeilgewinnabführungsvertrages gemäß § 292 Abs. 1 Nr. 2 AktG"mit dem Inhalt

€Dem noch abzuschließendenTeilgewinnabführungsvertrag, bestehend aus dem €RevenueSharing Agreement" (Vereinbarung zur Ertragsaufteilung) und€Operating Agreement" (Organisationsvereinbarung),jeweils zwischen der D. AG und der D. Financial LLC wirdzugestimmt."

werden für nichtig erklärt.

Im Übrigen wird die Klage des Klägers zu 1) abgewiesen.

Von den Gerichtskosten seiner Klage hat der Kläger zu 1) ¼selbst zu tragen.

Die übrigen Gerichtskosten dieser Klage sowie die der Kläger zu2), 3) und 4) hat die Beklagte zu tragen.

Von den außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 1) hat dieser1/4 selbst und die Beklagte 3/4 zu tragen.

Die außergerichtlichen Kosten der Kläger zu 2), 3), 4) und desStreithelfers hat die Beklagte zu tragen.

Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten hat diese 8/9selbst und der Kläger zu 1) 1/9 zu tragen.

Das Urteil ist (wegen der Kosten) jeweils gegenSicherheitsleistung in Höhe von 120 % des beizutreibenden Betragesvorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Beklagte ist eine börsennotierte deutsche Großbank. DieKläger und der Streithelfer sind Aktionäre der Beklagten.

Die Beklagte hatte in den Jahren 2008/2009 mit der DeutschenPost AG Vereinbarungen getroffen, bei denen es um den Erwerb vonAktien der Postbank AG ging. Am 7.10.2010 machte die Beklagte denAktionären der Postbank ein freiwilliges öffentlichesÜbernahmeangebot, welches am 3.12.2010 abgewickelt wurde und dieBeklage danach 51,98 % der Stimmrechte hatte. Der Erwerb derPostbankanteile war bereits Gegenstand von Erörterungen und Fragenauf den Hauptversammlungen der Beklagten in den Jahren 2009 und2010 und Gegenstand von Auskunftserzwingungsverfahren nach § 132AktG und Beschlussmängelklagen zu diesen Hauptversammlungen vor dererkennenden Kammer.

Zu ihrer Hauptversammlung vom 26.5.2011 hatte die Beklagte imelektronischen Bundesanzeiger v. 5.4.2011 geladen.

Wegen der Einzelheiten diese Ladung wird auf in Ablichtung zuden Akten gereichte Ladung (Anlage K1, Sonderband Anlagen KV 2+3)verwiesen.

Der hiesige Streithelfer zu 5) stellte auf dieserHauptversammlung der Beklagten vom 26.5.2011 den Antrag auf Abwahldes Versammlungsleiters Dr. B., der über diesen nicht abstimmenließ. Zu Beginn der Aussprache beschränkte der Versammlungsleiterdie Rede- und Fragezeit für die Aktionäre auf jeweils 8 Minuten undspäter auf 5 Minuten. Die Schließung der Rednerliste erfolgte nachvorheriger Ankündigung um 14.33 Uhr.

Im weiteren Verlauf dieser Hauptversammlung wurden u. a. denVorschlägen der Verwaltung folgend unter Tagesordnungspunkt 2 überdie Verwendung des Bilanzgewinns für das Geschäftsjahr 2010, unterTagesordnungspunkt 3 über die Entlastung des Vorstands für dasGeschäftsjahr 2010, unter Tagesordnungspunkt 5 über die Entlastungdes Aufsichtsrats für das Geschäftsjahr 2010 und unterTagesordnungspunkt 5 über die Wahl des Abschlussprüfers für dasGeschäftsjahr 2011 und für die prüferische Durchsicht desverkürzten Abschlusses und des Zwischenlageberichts (§§ 37w Abs. 5,37y Nr. 2 WpHG) zum 30. Juni 2011 und der Konzernzwischenabschlüssesowie zu TOP 13 über die Zustimmung zu einem UnternehmensvertragBeschlüsse gefasst.

Wegen der Einzelheiten der Tagesordnung und des Verlaufs derHauptversammlung wird auf das in Ablichtung zu den Akten gereichtenotarielle Protokoll des Notars H., Ur-Nr. 45/11 (Anlage K2,Sonderband Anlagen KV 2+3) Bezug genommen. Die Beklagte ließ weiterein stenographisches Protokoll der Hauptversammlung fertigen,welches auszugsweise zur Akte (Anlage B2, Sonderband Anlage BV)gereicht wurde.

Mit Beschluss vom 1.7.2011 (Bl. 178 f d. A.) hat die Kammer dieKlagen der Kläger zu 1) bis 4) gem. § 246 Abs. 3 AktG verbunden.Die Beklagte hat die Klageerhebung und Verbindung der Verfahrenunter Nennung der Aktenzeichen im elektronischen Bundesanzeiger vom22.7.2011 bekannt gemacht. Der Streithelfer zu 5) hat mitSchriftsatz, der das Datum 21.8.2011 € eingegangen beiGericht per FAX am 18.8.2011 € (Bl. 167 d. A.), seinenBeitritt zu den Klagen erklärt, die sich gegen TOP 13 richten.Diesen Beitritt zu den Klagen gegen Top 13 hat er nochmals in einemSchriftsatz vom 30.10.2011 erklärt.

Die Kläger und der Streithelfer machen geltend, dass die indieser Hauptversammlung gefassten streitgegenständlichen Beschlüssenichtig bzw. anfechtbar seien. Dies ergebe sich schon daraus, dassdie Hauptversammlung hier durch Dr. B. geleitet wurde, der nichtwirksam zum Aufsichtsrat gewählt worden sei, daher auch nicht alsVorsitzender agieren könne. Der Antrag des Streithelfers auf Abwahldes Versammlungsleiters sei zu Unrecht nicht beachtet worden.

Die Angreifbarkeit der Beschlüsse auf dieser Hauptversammlungergebe sich auch daraus, dass erst nach einer Beanstandungen einesKlägers die Lautsprecherleistung im Cateringbereich/Foyer €welches unstreitig zur Präsenszone gehört hat € in einerWeise erhöht worden sei, dass den Redebeiträgen dann ohne weiteresin diesem Bereich habe gefolgt werden können. Zuvor seien dieRedebeiträge nur ein einem geringen Abstand zu den Lautsprechernhörbar gewesen. Dem Antrag auf Widerholung der Redebeiträge bis zurErhöhung der Lautsprecherleistung sei nicht entsprochen worden.

Der Gewinnverwendungsbeschluss sei angreifbar, weil in derzugrunde liegenden Bilanz eine Konsolidierung der Postbank nichtseit 2009 erfolgt sei, obwohl hierzu eine Verpflichtung bestandenhabe. Zudem habe es die Beklagte pflichtwidrig unterlassen, denAktionären der Postbank ein Pflichtangebot zu unterbreiten.

Der Entlastungsbeschluss für den Aufsichtsrat sei anfechtbar,weil dessen Bericht nach § 171 AktG unzureichend gewesen sei. DieEntsprechenserklärung nach § 161 AktG sei unzutreffend, da dieBerichterstattung über den Umgang mit Interessenskonflikten beiAufsichtsratsmitgliedern unzureichend sei.

Es sei weiter in dieser Hauptversammlung zuInformationsrechtverletzungen gekommen, da Fragen der Kläger nichtbzw. nicht ausreichend beantwortet worden seien. Die Rede- undFragezeit sei unzulässig beschränkt worden. Wegen der weiterenEinzelheiten, insbesondere zu den als nicht oder unzureichendbeantworteten Fragen wird auf die jeweiligen Klageschriften (Bl. 34ff, 88 ff, 117 ff d. A.) und die ergänzenden Schriftsätzeverwiesen.

Der Beschluss zu Top5 5 über die Bestellung des Abschlussprüferssei anfechtbar, weil hier nur unzureichende Informationen über eineetwaige Regessforderung gegen K. (der amerikanischenSchwestergesellschaft der bestellten Prüferin) erteilt wordenseien.

Auch bei der Beschlussfassung zu TOP 13 sei es zuInformationspflichtverletzungen gekommen. Der Vertragsbericht seizunächst unzureichend. Weiter sei keine Erläuterung des Vertragesnach § 293g Abs. 2 AktG zu Beginn der Verhandlung erfolgt. Zudemseien die Angaben des Vorstandsvorsitzenden und desVorstandmitglieds K. hierzu in der Hauptversammlung unzureichendund widersprüchlich zu dem Vertragsbericht. Zudem sei nur einEntwurf zur Abstimmung gestellt worden

Die Kläger zu 1), 3) und der Streithelfer zu 5) beantragen,

festzustellen, dass der Beschluss der Hauptversammlung derBeklagten vom 26. Mai 2011 zu TOP 13 €Zustimmung zumAbschluss eines Teilgewinnabführungsvertrages gemäß § 292 Abs. 1Nr. 2 AktG" mit dem Inhalt€Dem noch abzuschließenden Teilgewinnabführungsvertrag,bestehend aus dem €Revenue Sharing Agreement"(Vereinbarung zur Ertragsaufteilung) und €OperatingAgreement" (Organisationsvereinbarung), jeweils zwischen derD. AG und der D. Financial LLC wird zugestimmt."nichtig ist;hilfsweise für nichtig zu erklären;darüber hinaus beantragen die Kläger zu 1) und 4)die Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten vom 26. Mai2011zu dem Tagesordnungspunkt 3 €Entlastung des Vorstands für dasGeschäftsjahr 2010" mit dem Inhalt€Den im Geschäftsjahr 2010 amtierendenVorstandsmitgliedern wird Entlastung erteilt";zu dem Tagesordnungspunkt 4 €Entlastung desAufsichtsrats für das Geschäftsjahr 2010" mit dem Inhalt:€Den im Geschäftsjahr 2010 amtierendenAufsichtsratsmitgliedern wird Entlastung erteilt";für nichtig zu erklären:

darüber hinaus beantragt der Kläger zu 1)

den Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten vom 26. Mai2011 zu dem Tagesordnungspunkt 2 €Verwendung desBilanzgewinns" mit dem Inhalt: €Aus dem Bilanzgewinnvon 816.378.496,20 EUR wird eine Dividende von 0,75 EUR jeStückaktie auf die dividendenberechtigten 921.399.213 Stückaktienausgeschüttet -das ist ein Betrag von insgesamt 691.049.409,75EUR.Der Restbetrag von 125.329.086,45 EUR wird als Gewinn auf neueRechnung vorgetragen."für nichtig zu erklären;darüber hinaus betragen die Kläger zu 2) und 3)festzustellen, dass der Beschluss der Hauptversammlung derBeklagten vom 26. Mai 2011 zu TOP 5 €Wahl desAbschlussprüfers für das Geschäftsjahr 2011,Zwischenabschlüsse" mit dem Inhalt€Der Aufsichtsrat schlägt, gestützt auf die Empfehlungdes Prüfungsausschusses vor zu beschließen:Die K. Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Berlin, wird zumKonzernabschlussprüfer für das Geschäftsjahr 2011 bestellt.Die K. Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Berlin, wird zudem bestelltzum Abschlussprüfer für die prüferische Durchsicht des verkürztenAbschlusses und des Zwischenlageberichts (§§ 37w Abs. 5, 37y Nr. 2WpHG) zum 30. Juni 2011 und der Konzernzwischenabschlüsse (§ 3401Abs. 4 HGB), die vor der ordentlichen Hauptversammlung des Jahres2012 aufgestellt werden."nichtig ist;hilfsweise für nichtig zu erklären.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Meinung, dass die Beschlussfassungen derstreitgegenständlichen Hauptversammlung weder nichtig nochanfechtbar seien. Ein Gesetz- oder Satzungsverstoß der zurNichtigkeit oder Anfechtbarkeit dieser in der Hauptversammlung am26.5.2011 gefassten Beschlüsse führen könnte, liege nicht vor.

Die Durchführung und Leitung der Hauptversammlung sei nicht zubeanstanden. Diese sei durch den dazu berufenen Leiter, denVorsitzenden des Aufsichtsrats Herrn Dr. B., geleitet worden. DerVersammlungsleiter habe zu Recht über den Abwahlantrag desStreithelfers nicht abstimmen lassen, da dieser keine neuenGesichtspunkte gegenüber dem zu Abstimmung gestellten Abwahlantragin der Hauptversammlung 2010 vorgebracht habe, daher missbräuchlichgewesen sei. Die verhängte Redezeitbeschränkung von 8 Minuten undspäter auf 5 sei angesichts der jeweils vorliegenden Wortmeldungensachgerecht und erforderlich gewesen und von der Satzung derBeklagten gedeckt gewesen. Zu einer rechtswidrigenUngleichbehandlung der Aktionäre sei es nicht gekommen.

Die Übertragung der Redebeiträge in den Cateringbereich/Foyersei nicht beeinträchtigt gewesen. Dessen ausreichende Beschallungsei ordnungsgemäß eingestellt und regelmäßig kontrolliert worden.Zudem seien die Ausführungen der Kläger hierzu widersprüchlich. EinAnspruch auf Widerholung der Wortbeiträge sei nicht gegeben.

Informationspflichtverletzungen habe es in dieserHauptversammlung nicht gegeben, die Fragen seien vollständigbeantwortet worden, soweit eine Rechtspflicht dazu bestanden habe.Wegen der Einzelheiten der von der Beklagten hier vorgetragenengegebenen Antworten sowie gegebenenfalls der Gründe beiVerweigerung von Antworten wird auf die Darstellung in derKlageerwiderung vom 22.8.2011 (Bl. 200 € 223 d. A.) Bezuggenommen.

Der Gewinnverwendungsbeschluss sei nicht zu beanstanden, da derzu Grunde liegende Einzelabschluss richtig sei. Eine Verpflichtungzur Konsolidierung der Postbank gem. § 290 HGB habe erst ab dem3.12.2010 bestanden. Auch eine Verpflichtung zur Abgabe einesPflichtangebots zum Erwerb der Postbankaktien habe zu keinemZeitpunkt bestanden.

Die Entsprechenserklärung der Beklagten nach § 161 AktG seinicht zu beanstanden. Im Aufsichtsratsbericht seien dieInteressenkonflikte auch vollständig und inhaltlich zutreffenddargestellt worden. Es habe keine Pflicht zur Mitteilung vonAbweichungen vom Corporate Governance Kodex gegeben, da solcheAbweichungen nicht bestanden hätten.

Auch zu der Beschlussfassung zu Top 13 habe es keineInformationspflichtverletzung gegeben. Der gemeinsameVertragsbericht enthalte alle notwendigen Informationen diegesetzlich gefordert seien. Dieser Bericht habe neben den weiterenUnterlagen auch in der Hauptversammlung in der Weise ausgelegen,dass jeder Aktionär, der Einsicht hätte nehmen wollen, dies hättetun können.

Durch den Vorstand sei dieser Vertrag auch in derHauptversammlung erläutert worden, nämlich in der Weise, dass derVorstandvorsitzende hierzu in seiner Rede deutlich gemacht habe,dass angesichts veränderter gesetzlicher Anforderungen diegesellschaftliche Organisationsstruktur der Bank in den USAangepasst werden soll womit regulatorische und geschäftlicheNachteile gegenüber Wettbewerbern vermieden werden sollen. Weiterhabe das Vorstandsmitglied K. in der Hauptversammlung zu TOP 13weitere Ausführungen gemacht. Hierdurch seien die Aktionäreentsprechend der gesetzlichen Vorgabe des § 293g AktG vollständigund umfassend informiert worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Klageerwiderung vom20.8.2010 (Bl. 209 ff d. A.) nebst ergänzender Schriftsätze Bezuggenommen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf denvorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten SchriftsätzeBezug genommen.

Gründe

Die Klagen sind mit Ausnahme der Klage des Klägers zu 1) gegen die Beschlussfassung zur Gewinnverwendung (TOP 2) begründet.

Die Klage des Klägers zu 1) gegen den Gewinnverwendungsbeschluss (TOP 2) ist hingegen unbegründet.

Die Nichtigkeit des Beschlusses zu TOP 2 € wie auch die der anderen auf der streitgegenständlichen Hauptversammlung gefassten Beschlüsse - kann zunächst nicht daraus hergeleitet werden, dass der Versammlungsleiter über den Geschäftsordnungsantrag des Streithelfers, den Versammlungsleiter abzuwählen, nicht hat abstimmen lassen.

Es trifft zwar zu, dass die Kammer im Urteil vom 11.01.2005 - 3-5 O 100/04 €(BeckRS 2005, 10225) die Beschlüsse einer Hauptversammlung für nichtig gehalten hat, weil dort über den Abwahlantrag gegen den Versammlungsleiter nicht abgestimmt wurde. Unabhängig von der Frage, ob die Kammer diese Rechtsansicht weiter für zutreffend hält, liegt vorliegend ein nicht vergleichbarer Sachverhalt vor. Der Entscheidung der Kammer lag zu Grunde, dass der Abwahlantrag in der Hauptversammlung mit einem Strafverfahren gegen den Versammlungsleiter aufgrund seiner Vorstandstätigkeit in einer anderen Gesellschaft und der Einstellung des Verfahrens gegen eine Zahlung in beträchtlicher Höhe nach § 153a StPO den Aktionären erstmals in der Hauptversammlung bekannt gemacht wurde, die d .h. die persönliche Integrität und Eignung für das Amt des Versammlungsleiters in Frage stand. Hingegen hat sich der Streithelfer vorliegend auf die gleichen € rechtlichen - Gründe gestützt (vgl. Anlage A1 als Anlage zum notariellen Protokoll der HV ; Anlage K2, Sonderband Anlagen KV 2+3), die er gerichtsbekannt € aus dem Anfechtungsverfahren zur Hauptversammlung 2010, 3-04 O 74/10 - auch schon im Vorjahr zur Begründung seines Abwahlantrages über der Versammlungsleiter vorgebracht hat und über den der Versammlungsleiter damals hatte abstimmen lassen und welcher abgelehnt wurde. Bei diesem vom Streithelfer geltend gemachten Grund handelt es sich um die Nichtigkeitserklärung der Wahl des in den Hauptversammlungen 2010 und 2011 als Versammlungsleiter fungierenden Herrn Dr. B. zum Aufsichtsrat durch das Kammerurteil vom 27.8.2009 - 3-05 O 115/08 und seine Bestätigung durch das Oberlandesgericht im Urteil vom 15.06.2010 - 5 U 144/09 € (NZG 2010, 1271). Neue tatsächliche Umstände für die Begründung der Abwahl hat der Streithelfer hier jedoch nicht vorgebracht, sondern lediglich weiter die Auffassung vertreten, dass aufgrund dieser nicht rechtskräftigen Entscheidung der Kammer und des Oberlandesgerichts Frankfurt eine Versammlungsleitung durch Herren Dr. B. nicht in Betracht komme. Abgesehen davon, dass zwischenzeitlich der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom Urt. v. 19. 7. 2011 € II ZR 124/10 - (NZG 2011, 1105) die Gründe, die von der Kammer und dem Oberlandesgericht Frankfurt als maßgeblich für die Nichtigkeit der Wahl angenommen wurden, nicht geteilt, sondern das Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main aufgehoben und zurück verwiesen hat, liegt in der Tätigkeit von Herrn Dr. B. als Aufsichtsrat und als Versammlungsleiter trotz der Entscheidung der Kammer und des Oberlandesgerichts Frankfurt keine diesen betreffende schuldhafte Pflichtverletzung vor. Wie die Kammer (zuletzt Urteil vom 17.5.2011 € 3-05 O 74/10 € m.w.Nachw.) und auch das Oberlandesgericht Frankfurt (zuletzt: OLG Frankfurt Urteil vom 05.07.2011 - 5 U 104/10 BeckRS 2011, 17968 m.w.Nachw.) schon mehrfach € und auch dem Streithelfer aus seinen Verfahrensbeteiligungen bekannt - entschieden haben, ist Herr Dr. B. bis zur Rechtskraft der Entscheidung über die Anfechtbarkeit oder Nichtigkeit seiner Wahl zum Aufsichtsrat berechtigt und sogar verpflichtet, als Aufsichtsrat zu fungieren. Die jährliche Widerholung der gleichen Gründe für die Abwahl des Versammlungsleiters stellt sich daher als Missbrauch dar, der den Versammlungsleiter berechtigt, in eigener Entscheidungskompetenz einen Antrag auf Abberufung des Versammlungsleiters ohne Aussprache und Abstimmung zurückzuweisen (vgl. OLG Bremen, Urteil vom 13.11.2009 - 2 U 57/09, BeckRS 2010, 00281; OLG München, Urteil vom 06.08.2008 - 7 U 3905/06 - BeckRS 2009, 12208).

Daraus ergibt sich auch, dass die Anfechtung bzw. Nichtigkeit der Beschlüsse nicht darauf gestützt werden kann, dass die Hauptversammlung von einer nicht dazu berufenen Person, nämlich Herrn Dr. B., geleitet worden sei und daher eine Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit der Beschlussfassungen vorliege.

Die Kammer hat hierzu im Urteil vom 17.5.2011 € 3-05 O 74/10 € ausgeführt:

€Gemäß § 19 Abs. 1 S. 1 Alt.1 der Satzung der Antragstellerin hat die Versammlungsleitung durch den Vorsitzenden des Aufsichtsrats zu erfolgen. Ein von dem Aktionär Dr. Bo. gestellter Antrag auf Abwahl des Versammlungsleiters wurde von der Hauptversammlung abgelehnt.

Zwar trifft es zu, dass mit Kammerurteil vom 27.8.2009 - 3-05 O 115/08 € festgestellt wurde, dass u. a. die Wahl des Herren Dr. B. zum Aufsichtsrat der Beklagten in der Hauptversammlung vom 29.5.2008 nichtig ist, doch folgt daraus nicht ohne weiteres, dass Herr Dr. B. nicht dazu ermächtigt war, die Hauptversammlung 2009 zu leiten. Die Kammer vertritt in ständiger Rechtsprechung (Urteile vom v. 14.6.2010 € 3-05 O 263/09, 27.10.2009 - 3-05 O 164/09 -; vom 19.6.2008 - 3-05 O 158/07; vom 25.9.2007 - 3-05 O 195/07 €) die Ansicht, dass ein Aufsichtsratsmitglied, welches sein Amt angenommen und ausgeübt hat, ungeachtet der Nichtigkeit der Bestellung jedenfalls partiell und bis zum Widerruf seiner Bestellung oder der Niederlegung des Amtes, bzw. bis zur Rechtskraft der Feststellung der Nichtigkeit seiner Wahl wie ein wirksam bestelltes Mitglied zu behandeln ist. Dies folgt daraus, dass die Gestaltungswirkung der Nichtigkeitsklage einer Wahl zum Aufsichtsrats gem. § 252 AktG zwar Drittwirkung für nicht am Verfahren Beteiligte, z. B. für die anderen Aktionäre entfaltet, dies jedoch erst mit Rechtskraft eintritt. Ein solches rechtskräftiges Urteil liegt unstreitig nicht vor. Die Beklagte hat das Urteil der Kammer 27.8.2009 € 3-05 O 115/08 € u. a. über die Wahl des Herrn Dr. B. in den Aufsichtsrat mit der Berufung angefochten. Aus der Erstreckung der Rechtskraft auf Dritte, insbesondere auf die anderen Aktionäre folgt aber auch im Umkehrschluss, dass diese einen Anspruch darauf haben, dass der von ihnen mehrheitlich durch Hauptversammlungsbeschluss Gewählte bis zur kassatorischen Rechtskraftwirkung des Urteils über die Nichtigkeit als Mitglied des Aufsichtsrats gilt. Das führt dazu, dass bei Nichtigkeit des Wahlbeschlusses die hier gewählte Person bis zur Rechtskraft des Urteils über die Nichtigkeit ein vollwertiges Mitglied des Aufsichtsrats ist. Ihr obliegen die gleichen Rechte und Pflichten, wie einem fehlerfrei bestellten Aufsichtsratsmitglied (vgl. OLG Köln WM 2007, 837; OLG Köln, Beschl. v. 23.2.2011, BeckRS 2011, 04521; Habersack in MünchKomm AktG, 3. Aufl., § 101 Rz. 69 ff). Es nimmt auch seine organschaftlichen Rechte und Pflichten wie ein ordnungsgemäß bestelltes Aufsichtsratsmitglied wahr, so dass, soweit er vom Aufsichtsrat zu dessen Vorsitzenden gewählt wurde, entsprechend der Satzung der Beklagten auch befugt ist, die Hauptversammlung zu leiten (so auch OLG Frankfurt Urt. v. 5.10.2010 € 5 U 14/10; Beschl. v. 8.6.2009 - 23 W 3/09, AG 2009, 549; Beschl. v. 23.02.2010 € 5 Sch 2/09). Die Rechtslage entspricht damit derjenigen bei fehlerhafter Bestellung zum Vorstandsmitglied. Gründe, die für den Aufsichtsrat eine abweichende Beurteilung rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. Es kommt auf die umstrittene Frage, ob der Wahlbeschluss nach Rechtskraft eines der Anfechtungsklage stattgebenden Urteils mit Wirkung ex tunc oder nur ex nunc nichtig ist, nicht an. Nimmt man Nichtigkeit ex tunc an, so finden doch die Grundsätze über das fehlerhafte Organ Anwendung. Das auf Grundlage des angegriffenen Wahlbeschlusses bestellte Aufsichtsratsmitglied ist bis zur Beendigung des Mandates einem fehlerfrei bestellten Aufsichtsratsmitglied gleichzustellen. (vgl. Habersack a.a.O. m.w.Nachw.). Daraus ergibt sich, dass das fehlerhaft bestellte Organmitglied die Pflichten eines ordnungsgemäß bestellten Organwalters trägt und im Falle einer Verletzung der entsprechenden Ge- und Verbote auch den entsprechenden Haftungsregeln unterliegt (vgl. BGHZ 41, 292, 287; BGHZ 47, 341). Um damit nicht in Widerspruch zu geraten, ergibt sich: wenn und solange das fehlerhaft bestellte Organmitglied derart pflichtgemäß handeln muss, muss es auch die hierfür notwendigen Befugnisse haben und zwar im Zweifel sämtliche Handlungs- und Entscheidungsbefugnisse, die auch einem regulär bestellten Verantwortungsträger zustehen (vgl. hierzu Schultz NZG 1999, 89, 99).€

Die Kammer sieht auch im vorliegenden Verfahren keine Veranlassung von dieser Beurteilung abzuweichen.

Eine Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit der auf dieser Hauptversammlung gefassten Beschlüsse ergibt sich auch nicht aus den vom Versammlungsleiter verhängten Redezeitbeschränkungen von anfänglich 8 Minuten, später dann auf 5 Minuten.

Hierzu hat die Kammer in dem Urteil vom 17.5.2011 € 3-05 O 74/10 € zur Hauptversammlung 2010 in der ebenfalls vergleichbare Redezeitbeschränkungen verhängt wurden, ausgeführt.

€Nach § 19 Abs. 2 der Satzung der Beklagten i.V.m. § 130 Abs. 2 Satz 2 AktG ist der Versammlungsleiter hierzu ermächtigt gewesen. Grundlage für die Auslegung der Begriff der €angemessenen Beschränkung€ ist dabei zunächst die Intention des Gesetzgebers. Zweck der Gesetzesänderung durch das UMAG war es, dem Versammlungsleiter insgesamt mehr Handlungsspielraum zu geben, den Missbrauch der Auskunftsrechte einzudämmen und die Hauptversammlung zu straffen und dortige Diskussionen auf die wesentlichen Fragen zu fokussieren. Im Vordergrund stand das Ziel einer effizienteren Hauptversammlung (RegE UMAG BT-Drs. 15/5092, S. 17; BGH, Urteil v. 8.2.2010 € II ZR 94/08 € ZIP 2010, 575;Göz/Holzborn WM 2006, 157; Seibert WM 2005, 157; ders. NZG 2007, 841; Weißhaupt, ZIP 2005, 1766).

Dies ist daran zu messen, dass in jeder Hauptversammlung zwei widerstreitende Interessen zu vereinbaren sind. Erstens das Interesse der Gesellschaft und auch ihrer Aktionäre an einer effizienten, anfechtungssicheren Hauptversammlung (Rechtssicherheit). Zweitens das Interesse der Aktionäre zu den Gegenständen der Tageordnung informiert zu werden und ihre Kontrollrechte auch im notwendigen Umfang vollständig ausüben zu können. Während Beschränkungen der Kontrollrechte durch Einschränkung von Rede- und Fragerecht das erste Ziel fördern, laufen sie dem zweiten Ziel entgegen.

Der Begriff der €angemessenen zeitlichen Beschränkung€ ist weit auszulegen, denn seit Inkrafttreten des UMAGs sind Beschränkungen der Rede- und Fragezeiten keine ultima ratio mehr, sondern normale organisatorische Ausgestaltungen der Hauptversammlung. Die Gesetzesbegründung gestattet Beschränkungen in weiten Umfang. So dürfen sich die Beschränkungen der Informationsrechte auf die Dauer der Hauptversammlung im Ganzen, auf einzelne TOP oder auf einzelne Aktionäre beziehen (RegE UMAG BT-Drs. 15/5092, S. 17). Die Gesetzesänderung dient auch dazu, die Zahl der Anfechtungsklagen allgemein und wegen einer Beschränkung der Redezeit zu reduzieren und einen Ablauf für Hauptversammlungen zu ermöglichen, der die Gefahr von Anfechtungsklagen verringert (vgl. BGH a. a. O Tz. 12; Spindler, NZG 2005, 825). Dies darf nicht konterkariert werden, indem die Anfechtungsklagen auf die Frage verlagert werden können, ob die Beschränkung grundsätzlich oder zeitlich angemessen war. Zu beachten bleibt dabei aber die Minderheitenschutzfunktion des Frage- und Rederechts. Sollten Aktionärsminderheiten durch die Beschränkung der Kontrollrechte gefährdet werden, so kann nicht mehr von einer angemessenen Beschränkung gesprochen werden. Allerdings ist im Hinblick auf börsennotierten Publikumsaktiengesellschaften zu beachten, dass das Informationsbedürfnis der Aktionär größtenteils mithilfe der Regel- und Anlasspublizität gestillt wird (Seibert, WM 2005, 157, 159 f.). Dem Versammlungsleiter obliegt es im Einzelfall, die widerstreitenden Interessen auszugleichen und eine angemessene Rede- und Fragezeit zu gewähren. Erst der Versammlungsleiter füllt den Rahmen der Ermächtigung konkret aus (RegE UMAG BT-Drs. 15/5092, S. 17), d. h. er braucht Ermessen um einen angemessenen Zeitrahmen für den konkreten Einzelfall setzen zu können. Laut Gesetzesbegründung soll der Versammlungsleiter einen weiten Handlungsspielraum erhalten und folglich auch die Einschätzungsprärogative für Beschränkungen bekommen (vgl. auch Spindler NZG 2005, 825, 826). Er ist derjenige, der am besten im Einzelfall über die Angemessenheit entscheiden kann. Unter Beachtung dieser Prämissen ist eine verhängte Rede- und Frage(zeit)beschränkung von Beginn an nicht zu beanstanden.

In Anbetracht der Tatsache, dass die Hauptversammlung mit 13 Tages-ordnungspunkten immerhin erst um 22.01 Uhr beendet war, mithin von dem Leitbild einer 4 € 6-stündigen Hauptversammlung (vgl. BGH a.a.O. Tz. 20 m. w. Nachw.) schon erheblich abgewichen wurde wird deutlich, dass eine Rede- und Fragezeitbeschränkung von Anfang an erforderlich war, um das Geschehen in der Hauptversammlung zu strukturieren. Nicht erkennbar ist ferner, dass es ermessensfehlerhaft war, die Rede- und Fragezeit später dann weiter auf 5 Minuten bzw. 3 und 2 Minuten zu beschränken (vgl. auch LG München Urt. v. 20.1.2011- 5 HKO 18800/09 € BeckRS 2011, 03164)€.

Die Anfechtung oder die Nichtigkeit der streitgegenständlichen Beschlüsse kann auch nicht darauf gestützt werden, dass nach dem Vortrag der Kläger im Cateringbereich/Foyer die Lautsprecher zunächst nicht die Redebeiträge und Fragen hinreichend laut übertragen haben sollen. Selbst wenn man den € insoweit bestrittenen -Vortrag der Kläger zu Grunde legen wollte, kann dies die Anfechtbarkeit oder Nichtigkeit der Beschlüsse hier nicht begründen. Es trifft zwar zu, dass das Landgericht München I in seinem Urteil vom 01.04.2010 - 5 HKO 12554/09 € BeckRS 2010, 12956 ausgeführt hat, dass die unterbliebene Übertragung der Hauptversammlung mittels Lautsprecher in das Foyer sich als Verletzung des Teilnahmerechts der Aktionäre darstellt, wenn dieses zum Präsensbereich gehört, mithin zur Anfechtbarkeit der auf dieser HV gefassten Beschlüsse führt, doch ist der Sachverhaltsgestaltung vorliegend eine andere. Während bei dem Fall des LG München I überhaupt keine Übertragung in das Foyer erfolgte, wird hier nur gerügt, dass die Übertragung zunächst zu leise war, so dass nur in unmittelbarer Nähe der Lautsprecher die Redebeiträge zu verstehen waren war und der Mangel kurze Zeit nachdem einer der Kläger dies am Meldetisch mitteilte, die Lautsprecher im Foyer lauter eingestellt wurden, so dass auch dort ohne weitere Mühe die Redebeiträge verfolgt werden konnten. Die Beklagte hat daher nach dem eigenen Vortrag der Kläger, sobald ihr der Mangel bekannt war, Abhilfe geschaffen. Da die Aktionäre im Cateringbereich/Foyer, wenn auch mit einer gewissen Mühe € notwendiger Aufenthalt in der Nähe der Lautsprecher - den Redebeiträge zunächst folgen konnten, wenn sie dies wollten und der Mangel kurze Zeit nachdem er der Beklagten zur Kenntnis gebracht wurde, behoben wurde und auch aufgrund des Sachvortags der Kläger nicht feststellbar ist, dass dieser Mangel schon längere Zeit vor der Entdeckung durch den Prozessbevollmächtigten der Kläger zu 2) und 3) dauerte, fehlt es bei wertender Betrachtung an der Relevanz eines etwaigen Verfahrensfehlers. Erforderlich ist eine am Zweck der verletzten Norm orientierte, wertende Betrachtung in dem Sinne, dass dem Beschluss ein Legitimationsdefizit anhaftet, das die Rechtsfolge der Anfechtbarkeit rechtfertigt (vgl. Weber/Kersjes, Hauptversammlungsbeschlüsse vor Gericht, Rz. 522 m.w.Nachw.). Eine Widerholung eines Teils der Hauptversammlung bedurfte es daher nicht.

Die Klage des Klägers zu 1) gegen die Beschlussfassung zu TOP 2 € Gewinnverwendung € ist unbegründet.

Eine Anfechtbarkeit oder Nichtigkeit dieser Beschlussfassung ist nicht gegeben. Ein Gewinnverwendungsbeschluss nach §§ 58 Abs. 3, 174 AktG ist neben den allgemeinen Anfechtungsgründen des § 243 AktG noch nach § 254 AktG anfechtbar, bzw. neben den allgemeinen Nichtigkeitsgründen nach § 241 AktG noch nach § 253 AktG nichtig.

Allgemeine Nichtigkeitsgründe nach § 241 AktG bzw. allgemeine Anfechtungsgründe nach § 243 AktG hat der Kläger zu 1) entweder nicht dargelegt, oder sie liegen - wie oben ausgeführt nicht - vor. Auch der besondere Anfechtungsgrund des § 254 AktG ist nicht gegeben, da die Beklagte unstreitig mehr als die Mindestdividende ausgeschüttet hat.

Aber auch die Nichtigkeit nach § 253 AktG ist nicht gegeben, da dies bedingt, dass die Feststellung des Jahresabschlusses, auf dem er beruht, nichtig ist.

Soweit sich der Kläger zu 1) darauf beruft, dass der Gewinnverwendungsbeschluss keinen Bestand haben könne, da es die Beklagte entgegen § 290 HGB unerlassen habe, die Postbank AG für das gesamte Geschäftsjahr 2010 zu konsolidieren, kann dies nicht zur Nichtigkeit des Gewinnwendungsbeschlusses führen. Die Kammer ist zwar weiterhin wie im Urteil vom 17.5.2011 € 3-05 O 74/10 € zur fehlenden Konsolidierungspflicht im Jahre 2009 der Ansicht, dass hier eine Konsolidierung nicht vor dem 3.12.2010 erforderlich war, da die Zuordnung einer indirekten Kontrollrechtszustellung in § 290 Abs. 3 HGB € auch in der seit 1.1.2010 anzuwendenden Fassung des BilMOG - im gleichen Sinne zu verstehen ist wie die Zuordnung in § 16 Abs. 4 AktG (vgl. Kindler in Staub, HGB, 5.Aufl. 2011, § 290 Rz. 57; Baumbach/Hopt, HGB, 34. Aufl., § 290 Rz. 13, Kozikowski/Ritter, Beck'scher Bilanz-Kommentar, 7. Aufl., § 290 Rz. 80; Busse von Colbe, MünchKomm, HGB, § 290 Rz. 48;).

Bei § 16 Abs. 4 AktG ist aber anerkannt (vgl. Schall in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. § 16 Rz.22; Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 6. Aufl. § 16 AktG Rz. 18a; Fett in Buergers/Körber, AktG, § 16 Rz. 15 jew. m.w.Nachw.), dass ein Recht auf Erwerb der Aktien nicht für eine Zurechnung genügt, wie sich aus der besonderen Regelung des § 20 Abs. 2 Nr. 1 AktG für die Mitteilungspflicht ergibt, da ansonsten diese Regelung überflüssig wäre. Diese Überlegungen teilt im Ergebnis auch das LG Köln in seinem Urteil vom 29.7.2011 € 82 O 28/11 € Beck RS 2011, 20382) zu der inhaltlich ähnlichen Zurechnungsnorm des § 30 WpÜG.

Doch kann dies für die Frage der Nichtigkeit der Beschlussfassung zu TOP 2 letztlich dahingestellt bleiben, da eine etwaige Verletzung des § 290 HGB hier nicht zur Anfechtbarkeit oder Nichtigkeit des zu TOP 2 getroffenen Gewinnverwendungsbeschlusses führt. Die Regelung des § 290 HGB betrifft die Verpflichtung der Konzernmutter zur Konsolidierung einer Tochtergesellschaft in der Konzernbilanz nach § 297 HGB (vgl. Gattung/Kessler in Heidel/Schall HGB, § 290 Rz. 2; Merkt in Baumbach/Hopt, HGB, 34. Aufl, § 290 Rz. 7). Eine Konzernbilanz stellt aber keinen nach § 253 dem Gewinnverwendungsbeschluss zugrunde liegenden Jahresabschluss dar, da diese nicht festgestellt wird (vgl. BGH AG 2008, 325; bereits Kammerurteil vom 31.5.2005 € 3-05 O 338/04 € AG 2005, 665, als erstinstanzliche Entscheidung dazu und nachfolgend OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 21.11.2006 - 5 U 115/05 € BeckRS 2007, 01532; ; Rölike in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 256 Rz. 4; Hüffer in Münchener Kommentar zum AktG, 3. Auflage 2011, § 256 Rz. 10 m.w.Nachw.). Der Konzernabschluss erfüllt in erster Linie Informationsfunktion und ist im Gegensatz zum Jahrsabschluss nicht Grundlage der Ergebnisverwendung (Rölike a.a.O.).

Selbst wenn man hier zugunsten des Klägers annehmen wollte, dass er eigentlich geltend machen will, dass der festgestellten Jahresabschluss der Beklagten nichtig sei, weil keine ordnungsgemäße Konzernrechnungslegung vorliege, stellt dies keinen Nichtigkeitsgrund des Jahresabschlusses dar (vgl. OLG Karlsruhe AG 1989, 35; Hüffer in Münchener Kommentar zum AktG, 3. Auflage 2011, § 256 Rz. 10). Sonstige Gründe die zu einer Nichtigkeit des Jahresabschlusses der Beklagten nach § 256 AktG führen könnten, insbesondere eine fehlerhafte Behandlung des Anteilsbesitzes an der Postbank AG die zu einer relevanten Über- oder Unterbewertung nach § 256 Abs. 5 AktG führen würde hat der Kläger zu 1) nicht dargetan.

Die Beschlussfassungen zu Top 3 und 4 (Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat) und Top 5 (Wahl des Abschlussprüfers) sind jedoch anfechtbar und die Klagen insoweit begründet. Dabei ist unbeachtlich, dass bei nur von den Klägern zu 1) und 4) angegriffenen Entlastungsbeschlüssen vorliegend nur eine nicht hinreichende Beantwortung einer vom Kläger zu 1) der Hauptversammlung gestellten Fragen die Verletzung der Auskunftspflicht hier begründet, da insoweit eine Streitgenossenschaft der Kläger zu 1) und 4) vorliegt, die dazu führt, dass da streitige Rechtsverhältnis nur einheitlich gegenüber den Klägern festgestellt werden kann (vgl. BGH AG 1999, 375).

Die Entlastungsbeschlüsse beruhen auf einem Verfahrensfehler, nämlich auf der Nichterteilung einer Information durch den Vorstand der Beklagten, obwohl dieser gem. § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG zur Auskunftserteilung verpflichtet war.

Die Beklagte war nach § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG zur Beantwortung der folgenden Fragen verpflichtet, weil eine Angelegenheit der Gesellschaft betroffen war und die Antwort zur sachgemäßen Beurteilung der Entlastungsentscheidungen aus der Sicht eines objektiv denkenden Aktionärs wesentliche Bedeutung hatte.

Die Kammer hat mit Beschluss vom 15.12.2011 € 3-05 O 32/11 € unter Zurückweisung des weitergehenden Auskunftsantrags des hiesigen Klägers zu 1)

aufgegeben der dortigen Antragsgegnerin und hiesigen Beklagten Auskunft auf folgende Frage zu erteilen:

€Welche weiteren Regelungen finden sich in den mit der Deutschen Post geschlossenen Verträgen, die einen Bezug auf die Abgabe eines etwaigen freiwilligen Übernahmeangebots aufweisen€€

Die Kammer hat hierzu zur Begründung ausgeführt:

€Zwar betrifft Frage den Inhalt einer Vereinbarung, die nicht im Entlastungszeitraum sondern davor geschlossen wurde, doch kann das Auskunftsrecht des Aktionärs auch auf frühere Tätigkeiten der Organmitglieder € die hier hinsichtlich des Vorstandes jedenfalls teilweise identisch sind mit den Vorstandsmitgliedern in den Jahren 2008 und 2009 - sowie auf Vorgänge außerhalb des betreffenden Geschäftsjahres erstreckt werden, wenn diese Vorgänge sich erst jetzt ausgewirkt haben oder bekannt geworden sind oder es um neue Gesichtspunkte geht, die einen zurückliegenden Vorgang in einem neuen Licht erscheinen lassen (vgl. BGH Urteil vom 18.10.2004 - II ZR 250/02 € AG 2005, 87).

Die Funktion der Entlastung besteht nach § 120 Abs. 2 AktG in der Billigung der Verwaltung der Gesellschaft durch die Mitglieder der Gesellschaftsorgane des Vorstandes und des Aufsichtsrates, enthält jedoch keinen Verzicht auf Ersatzansprüche und gilt typischerweise auch als Vertrauenskundgabe für die künftige Verwaltung. Durch die gesetzliche Vorgabe des § 120 Abs. 3 AktG über die Verbindung der Verhandlungen über die Entlastung und die Verwendung des Bilanzgewinnes sowie die Verpflichtung zur Vorlage von Jahresabschluss, Lagebericht und Bericht des Aufsichtsrates wird zugleich der Rahmen aufgezeigt, in dem die Aktionäre mit der Entscheidung über die Entlastung eine Gesamtwürdigung vornehmen sollen (OLG Frankfurt AG 1994, 39; Beschluss vom 13.10.2006 € 20 W 54/05). Dies führt grundsätzlich dazu, dass hier ein Auskunftsrecht nur besteht, wenn die Fragen auf das Geschäftsjahr gerichtet sind, für das die Entlastung erteilt werden soll (vgl. Kubis in Münchener Kommentar, AktG, 2. Aufl., § 131 Rn. 53; Decher in Großkommentar, AktG, 4. Aufl., § 131 Rn. 190; Kersting in Kölner Kommentar, AktG, 3. Aufl., § 131 Rn. 206).

Doch kann im Einzelfall auch eine Auskunft in Bezug auf Vorgänge erforderlich sein, die Geschehnisse vor dem Entlastungszeitraum betreffen; dies setzt aber voraus, dass diese Geschehnisse in den Entlastungszeitraum hinein fortwirken (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 17.11.2010 - 20 U 2/10 - BeckRS 2010, 28334; Kubis in Münchener Kommentar, AktG, 2. Aufl., § 131 Rn. 53; Kersting in Kölner Kommentar, AktG, 3. Aufl., § 131 Rn. 206 i. V. m. 150 m. w. Nachw. ). Diese Voraussetzung ist hier erfüllt, weil im Jahre 2008 die Antragsgegnerin mit der Post AG die Vereinbarung zum Erwerb von Postbankaktien getroffen hat und im Folge des Erwerbs von Postbankaktien im Entlastungszeitraum 2010 die Antragsgegnerin ein Angebot zur Erwerb weitere Postbankaktien dem Kapitalmarkt unterbreitet hat. Erst durch dieses Erwerbsangebot im Entlastungszeitraum konnte die nachgefragte Regelungen nach Vereinbarungen mit der Deutschen Post AG bei einem etwaigen freiwilligen Übernahmeangebot in den mit der Post AG geschlossen Verträgen eine Relevanz entfalten . Hier geht es nämlich darum, ob den Organmitgliedern mit Rücksicht auf etwaige vor dem Entlastungszeitraum getroffenen vertraglichen Vereinbarungen, die sich aber erst im Entlastungszeitraum auf die wirtschaftliche Gesamtlage der Gesellschaft auswirken konnte, das Vertrauensvotum zu verweigern war (vgl. BGH a. a. O.; OLG München NZG 2002. 187).€

Auch in vorliegenden Anfechtungsverfahren hält die Kammer an diesen Begründungen fest, was zur Anfechtbarkeit der Entlastungen von Vorstand und Aufsichtsrat führt. Zwar richtet sich die Frage im Wesentlichen auf das Verhalten des Vorstandes, da dieser die Vereinbarung mit der Deutschen Post AG getroffen hat, und der weitgehend personenidentisch mit dem Vorstand ist, über dessen Entlastung Beschluss im Wege der Blockentlastung und nicht der Einzelentlastung gefasst wurde, doch schlägt diese unberechtigte Informationsverweigerung auch auf die Beschlussfassung über die Entlastung der Aufsichtsratsmitglieder durch. Der Umstand, ob der Vorstand der ihm obliegenden Leitungsaufgaben bei dem Erwerb der Postbank hinreichend gerecht wird, betrifft auch den Aufsichtsrat. Im Rahmen seiner Überwachungsverpflichtung nach § 111 AktG obliegt dem Aufsichtsrat die Überwachung des Vorstandes. Im Übrigen ist der Kammer aus den Verfahren bezüglich der Hauptversammlung 2009 und 2008 bekannt, dass der Aufsichtrat in den Vorgang des Erwerbs der Postbank nachhaltig eingespannt war, so dass es hier mit dieser Frage auch darum geht, ob der Aufsichtsrat in diesem konkreten Fall seiner Überwachungsaufgabe hinreichend gerecht geworden ist und ein erheblicher Teil der Aufsichtsratsmitglieder auf die sich die Blockentlastung bezog auch schon im Jahre 2008 Mitglied des Aufsichtsrats war.

Auf die Klage der hiesigen Kläger zu 2) und 3) war ebenfalls wegen einer Informationspflichtverletzung die Beschlussfassung zu Top 5 € Wahl des Abschlussprüfers - für nichtig zu erklären.

Auf den Antrag der hiesigen Klägerin zu 3) hat die Kammer im Auskunftserzwingungsverfahren 3-05 O 33/11 mit Beschluss vom 15.12.2011 festgestellt, dass eine unberechtigte Informationsverweigerung in der Hauptversammlung vorlag und unter teilweisen Zurückweisung des Antrags der hiesigen Beklagten (und dortigen Antragsgegnerin) u. a. aufgegeben folgende Fragen zu beantworten:

€Wie lautet die Begründung, mit der das Bestehen der Ansprüche (gegen K.) verneint wurde€ Welche Argumente sprachen für und welche Argumente sprachen gegen ein Bestehen von Ansprüchen gegen die K.€€

Die Kammer hat hierzu zur Begründung ausgeführt:

€Auch die Frage zu 4) ist hinsichtlich einiger Teilfragen aus dem Gesichtspunkt einer möglichen Organhaftung sowie der zur Abstimmung stehenden (Wider)wahl des Abschlussprüfers nicht ausreichend beantwortet.

Hinsichtlich der ersten beiden Teilfragen ist die Antwort allerdings erteilt durch Angabe, dass der Präsidialausschuss in der Sitzung am 25.5.2011 nach Vorlage eines Gutachtens einer Anwaltskanzlei Regressansprüche gegen K. geprüft habe, was die Antragstellerin in der Antragschrift selbst einräumt. Aus objektiver Sicht für den verständigen Aktionär ist weiter irrelevant, wenn in weiteren Teilfragen, nach dem Abschluss der Prüfung der Ansprüche und der Frage der Anhörung von K. gefragt wird, da hier lediglich entscheidend ist, dass nach Ansicht der Organe ein Anspruch gegen K. nicht besteht.

Entscheidend ist aber für die Frage der Organhaftung, die unbeantwortet gebliebenen Frageteile was die Begründung für die Verneinung der Geltendmachung von Ansprüchen war und welche Argumente für und dagegen gesprochen haben. Denn erst bei Kenntnis dieser Erwägungen der Organe, kann der verständige Aktionär überprüfen, ob hier zu Recht die Geltendmachung Ansprüche gegen K. verneint wurden oder ob im Unterlassen der Geltendmachung dieser Ansprüche ein pflichtwidriges Unterlassen der Verwaltung liegt.€

Auch in vorliegenden Anfechtungsverfahren hält die Kammer an diesen Begründungen fest, was zur Anfechtbarkeit der Wahl des Abschlussprüfers führt, da bei Bestehen von Schadensersatzansprüchen in beträchtlicher Höhe und Nichtdurchsetzung durch die Beklagte eine Wahl dieses Prüfers und bei Nichtverfolgung derselben durch die Beklagte, dessen Unabhängigkeit nicht mehr vorliegen könnte (vgl. Hopt/Merkt, HGB, 34.Aufl. § 319 Rz. 12; Schüppen in Heidel/Schall, HGB, § 319 Rz. 10), wobei unbeachtlich ist, dass sich aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Verbindung die Schadensersatzansprüche ggf. gegen die amerikanische Schwestergesellschaft der bestellten Prüferin richten würden.

Entgegen der Auffassung der Beklagten steht der Anfechtung § 243 Abs. 3 Nr. 3 AktG hier nicht entgegen. Nach dieser Regelung kann die Anfechtung nicht auf solche Gründe gestützt werden, die ein Verfahren nach § 318 Abs 3 HGB rechtfertigen. Entgegen der Auffassung des OLG München (AG 2009, 121) schließt dies aber nicht aus, dass die Anfechtung des Bestellungsbeschlusses auf die unzureichenden Beantwortung von Fragen nach einer möglichen Befangenheit des Abschlussprüferkandidaten gestützt werden kann (vgl. Heidel in Kapitalmarktrecht und Aktienrecht, 3. Auf. § 243 Rz. 36c). Der Ausschluss des § 243 Abs 3 Nr. 3 AktG gilt nur für die Anfechtung aus Gründen, die dem Ersetzungsverfahren nach § 318 Abs 3 HGB zugänglich sind. Die Anfechtung aus anderen Gründen bleibt dagegen möglich (vgl. Englisch in Hölters AktG § 243 Rz. 80; Würthwein in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. § 243 Rz. 243). Hier liegt aber eine Verletzung der Auskunftspflicht vor, deren Verletzung nach § 318 Abs. 3 HGB keinen Grund für die Auswechslung eines Abschlussprüfers eröffnet, selbst wenn sich bei Beantwortung der Frage Hinweise auf eine Befangenheit des Abschlussprüfers ergeben könnten. Denn erst nach der Beantwortung der Frage ist es einem Aktionär möglich die Befangenheit im Verfahren nach § 318 Abs.3 HGB darzulegen.

Im Übrigen hält die Kammer auch im vorliegenden Klageverfahren die darüber hinaus geltend gemachten Auskunftsverletzungen der Kläger aus den Gründen der Entscheidungen in den Auskunftserzwingungsverfahren für nicht gegeben.

Ob die weiteren geltend gemachten Anfechtungsgründe zu Top 3, 4, und 5 wie die geltend gemachte fehlerhafte Berichterstattung des Aufsichtsrats nach § 171 AktG für die Entlastung des Aufsichtsrats sowie die Unrichtigkeit der Entsprechenserklärung nach § 161 AktG wegen unzureichender Darstellung der Interessenkonflikte des Aufsichtsrats für die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat sowie fehlender Hinweise und nicht gemachten Pflichtangebot des Prüfers muss die Kammer daher nicht mehr entscheiden.

Soweit die Kläger zu 1) und 3) und der Streithelfer sich gegen die Beschlussfassung zu TOP 13 wenden, ist die Klage begründet, weil entgegen der Vorschrift des § 293g Abs. 2 S. 1 AktG es an einer Erläuterung des hier zu Abstimmung stehenden Unternehmensvertrages vor Beginn der mündlichen Verhandlung fehlt, wobei allerdings entgegen der Auffassung der Kläger es unerheblich ist, dass hier noch nicht ein endgültiger Vertragsschluss sondern lediglich ein (finaler) Entwurf zur Abstimmung gestellt wurde (vgl. Veil in Spindler/Stilz, AktG, 2.Aufl. § 293 Rz. 16 m.w.Nachw.).

Eine Erläuterung i.S.d. § 293a Abs. 2 S. 1 AktG liegt hier zunächst nicht in der Passage der Rede des Vorstandsvorsitzenden zu Beginn der Hauptversammlung in der er diesen Vertrag anspricht.

Eine Erläuterung im Sinne dieser Bestimmung ist ein zusammenhängender mündlicher Vortrag des wesentlichen Vertragsinhalts, der Gründe und Folgen des Vertragsschlusses (rechtliche und wirtschaftliche) sowie - hier jedoch nicht einschlägig - der Ausgleichs- und Abfindungsregelung und ihrer Angemessenheit (Hüffer, AktG, 9. Aufl., § 293g Rz. 2a; Schenk in Bürgers/Körber, AktG, § 293g Rz. 3; Veil a.a.O. § 293g Rz. 5; Altmeppen in MünchKomm, AktG, 3. Auf. § 293a Rz. 6 m.w.Nachw.).

Ausweislich des von der Beklagten selbst vorgelegten stenografischen Protokolls (Anlage B2, dort S. 17, Sonderband Anlagen BV) hat der Vorstandsvorsitzende in seiner Rede zu diesem Punkt ausgeführt:

€Angesichts geänderter gesetzlicher Anforderungen wollen wir die gesellschaftsrechtliche Organisationsstruktur unserer Bank in den USA anpassen. Wir vermeiden damit regulatorische und geschäftliche Nachteile gegenüber Wettbewerben. Daher bitten wir Sie heute auch um die Zustimmung zu dieser Maßnahme.€

Daraus ergibt sich jedoch, dass weder der wesentliche Vertragsinhalt dargestellt wurde noch die Folgen des Vertragsschlusses für die Beklagte und deren Aktionäre. Es lässt sich lediglich entnehmen, dass die Gründe für den Vertragsschluss veränderte gesetzliche Anforderungen sein sollen und Nachteile damit vermieden werden sollen.

Näheres zur Änderung der Struktur, den Auswirkungen auf die Beklagte noch den ansonsten eintretenden Nachteilen ergibt sich nicht.

Für eine Erläuterung i.S.d. § 293g Abs. 2 S. 1 AktG kann sich die Beklagte auch nicht darauf berufen, dass das Vorstandsmitglied K. während der Hauptversammlung unter Verwendung eines Schaubildes ausgeführt hat:

"Unser US-Geschäft wird außer in der Filiale New York in einer Reihe von Tochtergesellschaften betrieben, die wir über eine Zwischenholdinggesellschaft - die T. Corporation, wie Sie hier sehen können - halten. Solche Zwischenholdings waren bisher von eigenständigen Kapitalanforderungen freigestellt, weil wir nur nachweisen mussten, dass die D. als Konzern, als Muttergesellschaft ausreichend kapitalisiert ist.

Diese Freistellung fällt mit dem Dodd-Frank Act demnächst weg. Damit wollen die USA sich davor schützen, dass US-ansässige Gesellschaften nicht mehr ausreichend kapitalisiert sind und sich lediglich auf die Kapitalisierung der Muttergesellschaft stützen.

Unabhängig von TOP 13 ist deshalb eine Umstrukturierung unseres US-Geschäfts erforderlich, um zu verhindern, dass wir mehrere Milliarden Dollar an Kapital in der T. Corporation vorhalten müssen. Deshalb werden wir alle von der US-Bankaufsicht erfassten Tochtergesellschaften aus der Taunus-Gruppe herausnehmen.

Ohne die in TOP 13 vorgeschlagene Transaktion würde aber diese Neuordnung dazu fuhren, dass wir zukünftig mindestens drei Steuergruppen in den USA hätten, deren Gewinne und Verluste wir für steuerliche Zwecke nicht miteinander verrechnen dürften. Dies könnte nicht nur dazu fuhren, dass wir im Vergleich zu unseren US-Wettbewerbern in Gewinnjahren mehr Steuern zahlen müssten, sondern vor dem Hintergrund der vorgeschlagenen Basel-III-Regelungen könnte sich dies in Jahren mit Verlusten in den US-Gesellschaften auch negativ auf unser regulatorisches Kapital auswirken. Wie Sie wissen, geht es hier um den Abzug von Deferred Tax Assets vom Kernkapital - 'Deffered Tax Assets', wieder ein Anglizismus; ich müsste sagen: aktive latente Steuerpositionen, das ist das richtige deutsche Wort dafür.

Im Übrigen sind alle geplanten Umstrukturierungsschritte ausführlich auf Seite 8 fortfolgende des Gemeinsamen Berichts des Vorstands der D. AG und des Board of Managers der D. Financial LLC beschrieben. Dieser Bericht liegt hier aus und ist auf unserer Internetseite bei den Hauptversammlungsdokumenten zu Tagesordnungspunkt 13 verfügbar, falls noch weitere Fragen bestehen zu den beiden Strukturen, die wir hier noch mal aufgezeigt haben, wie sie im Endeffekt aussehen. Sie sehen, wie die Banking Group in den USA in Zukunft aussehen wird, und wie die US Tax Group in Zukunft nach der Umstrukturierung aussehen wird."

Abgesehen davon, dass es auch hier an der Darstellung des wesentlichen Inhalts des Vertrages fehlt sondern lediglich Ursachen und Folgen angesprochen werden, stellt dies jedenfalls keine Erläuterung zu Beginn der Verhandlung dar, wie es von § 293a As. 2 S. 1 AktG ausdrücklich gefordert wird. Wird nämlich wie vorliegend bei der Beklagten eine Generaldebatte geführt, so liegt eine Erläuterung zu Beginn der Verhandlung nur vor, wenn der Vorstand den Unternehmensvertrag vor Beginn der Generaldebatte erläutert (vgl. Deilmann in Hölters, AktG, § 293a Rz. 8; Altmeppen a.a.O. Rz. 5 m.w.Nachw. € Eröffnung der Verhandlung über den Tagesordnungspunkt). Allein dass den Aktionären nach § 293g Abs. 3 AktG ein erweitertes Auskunftsrecht bei vorgesehener Beschlussfassung zu einem Unternehmensvertrag zusteht, bedingt, dass bevor die Aktionäre im Rahmen der Generaldebatte sich dazu äußern und Fragen stellen können, ihnen durch die Erläuterung des Vorstands die entsprechenden Informationen gegeben werden. Der Hinweis der Beklagten darauf, dass die ausgelegten schriftlichen Unterlagen ausreichend gewesen sind, verfängt gegenüber de eindeutigen gesetzlichen Regelung des § 293a Abs. 2 S. 1 AktG nicht.

Wie sich aber aus dem von der Beklagten selbst vorgelegten stenographischen Protokoll dieser Hauptversammlung AnlageB2, dort s. 169 ff; Sonderband Anlagen BV) ergibt, hat Herr K. die dargestellten Äußerungen nicht zu Beginn der Generaldebatte gemacht, sondern im Rahmen der Beantwortung der Fragen des Klägers zu 1) und das zu einem Zeitpunkt, als bereits die Rednerliste geschlossen war. Für die Aktionäre bestand daher zu diesem Zeitpunkt keinerlei Möglichkeit mehr, Fragen zur den Ausführungen des Herrn K. zu stellen. Dass diese Ausführungen nicht zu Beginn der Generaldebatte, sondern nach deren Beendigung im Rahmen von Beantwortung von Aktionärsfragen € nach der vierten Fragerunde und damit nach Schluss der Rednerliste - erfolgten, ergibt sich auch aus dem notariellen Protokoll dieser Hauptversammlung (dort Bl. 32,Anlage K2, Sonderband KV 2+3) indem hierzu ausgeführt ist:

€Die Entwürfe der maßgeblichen Verträge, die in der Hauptversammlung von Herrn Dr. Ackermann in seiner Rede und vor der Abstimmung von dem Vorstandsmitglied K. eingehend mündlich erläutert worden waren, € sind diese Niederschrift mit den jeweiligen deutschen Übersetzungen als Anlagen 2a und 2b beigefügt.€

Mit der Beweiskraft des § 415 ZPO steht daher fest, dass Herr K. seine Erläuterung nicht zu Beginn der Verhandlung sondern erst vor der Abstimmung gegeben hat, mithin nicht zu dem Zeitpunkt den § 293g Abs. 2 S. 1 AktG zwingend fordert. Dass der Notar hier eine eingehende Erläuterung feststellt, ist demgegenüber unbeachtlich. Abgesehen davon, dass die nur eine subjektive Einschätzung des Notars darstellen kann, vielmehr es für die Frage des hinreichenden Umfangs der Erläuterung auf die Sicht der Aktionäre und ggf. des Gerichts in einem Beschlussmängelprozess ankommt, ist vorliegend für die Anfechtbarkeit nicht der Umfang der Erläuterung entscheidend sondern dass jedenfalls der vom Gesetzt ausdrücklich für die Erläuterung vorgesehen Zeitpunkt nicht beachtet wurde.

Die Verletzung der (auch zeitlich vorgeschriebenen) Erläuterungspflicht des § 293g Abs. 2 AktG führt aber zur Anfechtbarkeit (vgl. Altmeppen a.a.O. § 293g Rz. 23; Veil a.a.O. § 293g Rz. 14; Deilmann a.a.O. § 293g Rz. 19). Die Verletzung einer gesetzlichen Auskunftsverpflichtung stellt bereits dann einen zur Anfechtung berechtigenden Verstoß gegen das Teilnahme- und Mitwirkungsrecht des betreffenden Aktionärs bei der Beschlussfassung dar, wenn dem Aktionär in der Hauptversammlung Auskünfte vorenthalten werden, die aus Sicht eines objektiv urteilenden Aktionärs in der Fragesituation zur sachgerechten Beurteilung des Beschlussgegenstandes erforderlich sind (vgl. BGH NJW 2005, 828). Hier wurde aber jedenfalls die weiterführende Erläuterung nach der Möglichkeit zur Fragestellung gegeben.

Da der Streithelfer nur den Klagen der Kläger zu 1) und 3) beigetreten ist, soweit sie sich gegen die Beschlussfassung zu TOP 13 wenden, die Klage aber schon aus anderen Gründen hier begründet ist, bedarf es einer Auseinandersetzung mit der Frage, ob ein hinreichender Bericht nach § 293a AktG vorliegt sowie der von dem Streithelfer mit Schriftsatz vom 27.8.287 (Bl. 287 ff d. a) allein geltend gemachten Bekanntmachungs- oder Ladungsmängeln € die zudem erst nach der Anfechtungsfrist in den Rechtsstreit eingeführt wurden - nicht mehr.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.






LG Frankfurt am Main:
Urteil v. 20.12.2011
Az: 3-5 O 37/11


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/845b4f0d0eb7/LG-Frankfurt-am-Main_Urteil_vom_20-Dezember-2011_Az_3-5-O-37-11




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