Landgericht Düsseldorf:
Urteil vom 14. Mai 2008
Aktenzeichen: 34 O (Kart) 142/06

(LG Düsseldorf: Urteil v. 14.05.2008, Az.: 34 O (Kart) 142/06)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Landgericht Düsseldorf hat am 14. Mai 2008 in dem Fall mit dem Aktenzeichen 34 O (Kart) 142/06 folgendes Urteil gefällt: Die Beklagte wird verurteilt, bestimmte Handlungen im Wettbewerb zu unterlassen. Konkret darf sie keine Vereinbarung mit der Versandapotheke aaaaa treffen oder umsetzen, die eine Zuweisung oder Empfehlung der Patienten an diese Apotheke vorsieht. Weiterhin darf die Beklagte keine Vereinbarung mit einer Apotheke abschließen oder umsetzen, die den Abgabepreis des Medikaments immer am Preis des günstigsten Anbieters orientieren lässt. Außerdem muss die Beklagte der Klägerin eine Geldsumme von 189,00 Euro sowie Zinsen zahlen. Die Klage wird im Übrigen abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 15.000,00 Euro.

Der Sachverhalt: Die Parteien streiten über die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit eines Kooperationsmodells zwischen einer Versandapotheke und Ärzten. Die Klägerin, ein Verein zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, hat die Beklagte aufgrund eines Verstoßes gegen die Berufsordnung der Ärztekammer xxxxxxx auf Unterlassung verklagt. Die Beklagte ist ein Netz von 53 Arztpraxen im Raum bbbbb. Sie hat mit der Versandapotheke aaaaa einen Vertrag abgeschlossen, der bezweckt, die Zuweisung an diese Versandapotheke zu erreichen. Dabei erhielten die teilnehmenden Arztpraxen Freiumschläge der Versandapotheke und die Patienten wurden aktiv auf die Möglichkeit zur Bestellung von Arzneimitteln über diese Versandapotheke hingewiesen. Die Klägerin behauptet, die Patienten würden dazu angehalten, den Umschlag in der Arztpraxis zurückzulassen und dieser würde dann an die Versandapotheke weitergeleitet. Die Klägerin forderte die Beklagte zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf, welche die Beklagte jedoch ablehnte. Das Landgericht Düsseldorf hat die Klage für zulässig erklärt. Die Klägerin ist klagebefugt, da sie ein eigenes Recht auf Unterlassung geltend machen kann. Das Gericht hat auch die Verstöße gegen die Berufsordnung der Ärztekammer als gegeben angesehen, wodurch der Unterlassungsanspruch begründet wurde. Die Existenz der Vereinbarung begründet grundsätzlich eine Vermutung für eine Wiederholungsgefahr. Da die Beklagte keine Unterlassungsverpflichtungserklärung abgegeben hat, wurde die Klage hinsichtlich des Hauptantrags auch in der Sache als begründet angesehen. Die Klägerin kann außerdem Ersatz der Abmahnkosten verlangen.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

LG Düsseldorf: Urteil v. 14.05.2008, Az: 34 O (Kart) 142/06


Tenor

Die Beklagte wird verurteilt,

1. es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes, und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000,00 Euro, Ordnungshaft insgesamt höchstens 2 Jahre) zu unterlassen,

im Wettbewerb handelnd,

a) mit einer Versandapotheke, insbesondere der Versandapotheke aaaaaa ein Konzept zu vereinbaren und/oder umzusetzen, das die Zuweisung oder Empfehlung der Patienten an eine bestimmte Apotheke vorsieht, insbesondere wenn dies wie folgt geschieht:

Die teilnehmenden Arztpraxen erhalten unterschiedlich kodierte Freiumschläge der aaaaaa Versandapotheke. Den Patienten wird aktiv die Möglichkeit des Bezuges der verschriebenen Medikamente über den Versand der aaaaaa Versandapotheke angeboten. Wenn der Patient einverstanden ist, wird das Rezept in den Freiumschlag gesteckt und den Patienten ausgehändigt. Die Eingänge der kodierten Freiumschläge werden von der Apotheke aaaaaa erfasst. Für jeden Freiumschlag eines Neukunden erhält das dazugehörige Praxisteam einen Punkt im Wert von 1,00 EUR. Punkte können in Bargeld oder Gutscheine der Apotheke aa aaaa umgewandelt werden;

und/oder

a) ein Vereinbarung mit einer Apotheke zu schließen, die vorsieht, dass sich der Abgabepreis des Medikaments stets am Preis des günstigen Anbieters orientieren muss und/oder diese Vereinbarung umzusetzen;

1. an die Klägerin 189,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.03.2006 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 15.000,00 € vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit eines Kooperationsmodells zwischen einer Versandapotheke und Ärzten.

Die Klägerin ist ein Verein zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs. Unter ihren Mitgliedern befindet sich u.a. die Apothekerkammer xxxxxxx.

Bei der Beklagten handelt es sich um ein Netz von 53 der 374 Arztpraxen im Raum bbbbb.

Die Beklagte schloss mit der Versandapotheke aaaaa mit Sitz in ccccc einen auf den Landkreise bbbbbb beschränkten Vertrag, mit dem bezweckt wurde, die Zuweisung zu der Versandapotheke aaaaaa zu erreichen. Dabei erhielten laut Modell die teilnehmenden Arztpraxen der Beklagten Freiumschläge der Versandapotheke, welche so kodiert waren, dass sie den einzelnen Arztpraxen zugeordnet werden konnten. Diese wurden in den Arztpraxen so ausgelegt, dass sie für Patienten frei verfügbar waren, und Patienten wurden auch aktiv auf die Möglichkeit zur Bestellung von Arzneimitteln über die Versandapotheke aaaaa hingewiesen. Eine Bestellung erfolgte durch den Versand des Rezepts im Freiumschlag mit Einwilligung des Patienten. Das Kooperationsmodell beruhte auf verschiedenen wirtschaftlichen Anreizen für die Beteiligten.

Die Patienten erhielten einen Einkaufsgutschein in Höhe von 5,00 EUR pro Bestellung. Ferner sollten Versandkosten ab einem Schwellenbetrag von 35,00 EUR entfallen.

Für die beteiligten Ärzte sollte sich ein Vorteil daraus ergeben, dass sich die Versandapotheke aaaaaa verpflichtete, Verschreibungen im Falle eines preisgünstigeren Präparats mit dem gleichen Wirkstoff durch das preisgünstigere Medikament einzulösen, es sei denn der Arzt bestünde auf der Abgabe des verordneten Präparats. Dadurch wurde gewährleistet, dass sich der Abgabepreis der Medikamente am Preis des günstigsten Anbieters orientierte. Ferner sollten Daten über die Preise der verschriebenen Medikamente erhoben werden. Dies sollte es den Ärzten ermöglichen, das ihnen von den gesetzlichen Krankenkassen bewilligte Arzneimittelbudget nicht zu überschreiten und Regresszahlungen zu vermeiden.

Pro Neukunden sollte ferner den Praxisteams der jeweiligen Arztpraxen der Beklagten im Wege eines Punktesystems ein Betrag von 1,00 EUR, einlösbar nach Ablauf von zwei Quartalen gutgeschrieben werden.

Eine Öffnung des zunächst auf die aaaaaa Versandapotheke beschränkten Modells gegenüber anderen Apotheken zu gleichen Bedingungen sollte laut Vereinbarung nach drei Jahren erfolgen.

Es fanden Informationsveranstaltungen zur Umsetzung des Modells statt, und die vereinbarte Zusammenarbeit wurde im März 2006 von den Arztpraxen aufgenommen. Jedoch wurde das "Prämienpunktesystem" nicht umgesetzt.

Die Klägerin forderte die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 15.02.2006 auf, bis zum 24.02.2006 wegen einer unlauteren Wettbewerbshandlung aufgrund eines Verstoßes gegen die Berufsordnung der Ärztekammer xxxxx sowie gegen das Apothekengesetz eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben, was die Beklagte aber ablehnte.

Die Klägerin behauptet, die Patienten würden dazu angehalten, den zuvor ausgehändigten Freiumschlag gleich in der Arztpraxis zu belassen, damit er von dort an die Versandapotheke weitergeleitet wird.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen

es zu unterlassen, im Wettbewerb handelnd,

mit einer Versandapotheke, insbesondere der Versandapotheke aaaaa ein Konzept zu vereinbaren und/oder umzusetzen, das die Zuweisung oder Empfehlung der Patienten an eine bestimmte Apotheke vorsieht, insbesondere wenn dies wie folgt geschieht:

Die teilnehmenden Arztpraxen erhalten unterschiedlich kodierte Freiumschläge der aaaaa Versandapotheke. Den Patienten wird aktiv die Möglichkeit des Bezuges der verschriebenen Medikamente über den Versand der aaaaa Versandapotheke angeboten. Wenn der Patient einverstanden ist, wird das Rezept in den Freiumschlag gesteckt und den Patienten ausgehändigt. Die Eingänge der kodierten Freiumschläge werden von der Apotheke aaaaaa erfasst. Für jeden Freiumschlag eines Neukunden erhält das dazugehörige Praxisteam einen Punkt im Wert von 1,00 EUR. Punkte können in Bargeld oder Gutscheine der Apotheke aaaa aaaa umgewandelt werden;

und/oder

ein Vereinbarung mit einer Apotheke zu schließen, die vorsieht, dass sich der Abgabepreis des Medikaments stets am Preis des günstigen Anbieters orientieren muss und/oder diese Vereinbarung umzusetzen;

der Beklagten anzudrohen, für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen eine der unter Ziffer 1. aufgeführten Verpflichtungen ein Ordnungsgeld, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft festzusetzen; an die Klägerin 189,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.02.2006 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, die Klage sei unzulässig, da der Rechtsweg zu den Sozialgerichten hätte beschritten werden müssen. Ferner sei die Klägerin weder klagebefugt noch aktivlegitimiert, weil sie in unzulässiger Prozessstandschaft die Interessen der Apothekerkammer wahrnehme.

Das Gericht hat den von der Klägerin beschrittenen Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten in seinem Beschluss vom 16.05.2007 für zulässig erklärt. Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen diesen Beschluss hat das Oberlandesgericht Düsseldorf mit Beschluss vom 30.8.2007 zurückgewiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig.

Insbesondere ist die Klägerin klagebefugt gemäß § 51 ZPO, weil sie ein eigenes Recht auf Unterlassung gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 geltend machen kann. Zwar sind Verbände zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger Interessen nur insoweit zur Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs befugt, als eine Zuwiderhandlung die Interessen ihrer Mitglieder berührt. Denn ihre Legitimation erhält die Anspruchsberechtigung der Verbände (auch) aus ihrer Funktion der kollektiven Wahrnehmung von Mitgliederinteressen (BGH GRUR 1995, 604, 605 - Vergoldete Visitenkarten; BGH GRUR 1997, 933, 934 - EP; OLG Düsseldorf GRUR 2003, 131). Diese Funktion kann ein Verband nur erfüllen, wenn ihm tatsächlich eine ausreichende Zahl von Mitgliedern angehört, deren Interessen von der Zuwiderhandlung berührt sind und die aus diesem Grund als Mitbewerber anspruchsberechtigt sind (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 26. Auflage 2008, § 8, Rn 3.30). Eine solche Berührung von Mitgliederinteressen ist bei der Klägerin jedoch durch die Mitgliedschaft der Apothekerkammer dddddd gegeben. Denn die Mitbewerber müssen dem Verband nicht unmittelbar angehören. Auch eine mittelbare Zugehörigkeit zum Verband, etwa durch Mitgliedschaft in verbandsangehörigen Spitzenverbänden oder Fachverbänden, kann genügen (BGH WRP 1996, 1102, 1103 - Großimporteur; BGH WRP 2005, 742, 743 - Sammelmitgliedschaft II; BGH GRUR 2006, 873 Tz 15 - Brillenwerbung). Voraussetzung ist dann aber, dass der die Mitgliedschaft vermittelnde Verband seinerseits den Zweck verfolgt, gewerbliche oder selbständige berufliche Interessen seiner Mitglieder zu fördern, und den anderen Verband zur Wahrnehmung dieser Interessen beauftragt (sog Kompetenzübertragung; BGH GRUR 1999, 1116, 1118 - Wir dürfen nicht feiern; BGH GRUR 2003, 454, 455 - Sammelmitgliedschaft I; BGH GRUR 2005, 689, 690 Tz 24 - Sammelmitgliedschaft III; BGH GRUR 2007, 610 Tz 21 - Sammelmitgliedschaft V). Die Apothekerkammer ddddd ist als Standesvertretung der nordrheinischen Apothekerinnen und Apotheker geeignet, eine mittelbare Mitgliedschaft der Apotheker im Verein der Klägerin zu begründen. Sie nimmt die Interessen ihrer rund 9.700 Mitglieder gegenüber Staat und Gesellschaft wahr. Damit übernimmt sie auch die Aufgabe, die gewerblichen Interessen ihrer Mitglieder zu vertreten. Diese stehen im Wettbewerb mit der Versandapotheke aaaaa deren Absatz durch die Maßnahmen der Beklagten gefördert wird.

Von der Mitgliedschaft der Apothekerkammer xxxxx bei der Klägerin ist vorliegend auch auszugehen, da die Apothekerkammer selbst ihre entsprechende Mitgliedschaft mit Schreiben vom 7.3.2008 schriftlich bestätigt hat, ihre Justiziarin selbst mit dem Prozessbevollmächtigter der Klägerin den ersten Termin zur mündlichen Verhandlung vom 7.3.2007 wahrgenommen hat und die Beklagte selbst davon ausgeht, dass die Apothekerkammer die Klägerin mit der Klageerhebung in dem vorliegenden Rechtsstreit beauftragt hat.

Der Klägerin ist wiederum laut ihres Namens und ihrer Satzung die Aufgabe übertragen, Wettbewerbsverstöße zu verfolgen. Damit ist sie berechtigt, aus eigenem Recht Unterlassung eines Wettbewerbsverstoßes gerichtlich geltend zu machen.

Die Klage ist auch - hinsichtlich des Hauptantrages vollständig - begründet. Aus den Ausführungen zur Klagebefugnis ergibt sich die Aktivlegitimation der Klägerin. Der Klägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch auch in der Sache gemäß §§ 8 Abs. 1, 3, 4 Nr. 11 UWG wegen Verstoßes gegen § 34 Abs. 5 Berufsordnung der nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte (BO Nordrhein) zu.

Nach § 34 Abs. 5 der BO Nordrhein für Ärzte ist es Ärzten nicht gestattet, ihre Patienten ohne hinreichenden Grund an bestimmte Apotheken, Geschäfte oder Anbieter von gesundheitlichen Leistungen zu verweisen. Diese Norm dient dem Patientenschutz durch Wahrung der ärztlichen Unabhängigkeit gegenüber Dritten (§ 30 Abs. 1 BO Nordrhein). Es handelt sich um wertbezogene Normen, gegen die zu verstoßen zugleich eine Zuwiderhandlung gegen §§ 3 und 4 UWG bedeutet (vgl. BGH GRUR 1978, 255 f.) Dabei wird der Wettbewerbsbezug dadurch hergestellt, dass es um den Absatz von Waren bzw. Dienstleitungen Dritter geht. Wer selbst nicht Arzt und damit Normadressat des § 34 Abs. 5 BO Nordrhein ist, Ärzte aber planmäßig zu Verstößen gegen die für sie geltende Berufsordnung auffordert, um sich durch entsprechende Gesetzesverstöße der angesprochenen Vorteile gegenüber solchen Wettbewerbern zu verschaffen, die die Rechtsverbindlichkeit der betreffenden Regelung anerkennen, handelt unlauter i.S. des § 4 Nr. 11 UWG (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 26. Auflage 2008, § 4 Rn. 11.23 f.; BGH, GRUR 2001, 255 = NJW-RR 2001, 407 - Augenarztanschreiben). Mit dem Abschluss der beanstandeten Vereinbarung und der Verbreitung von Informationen zu ihrer Umsetzung stiftete die Beklagte die teilnehmenden, ihr angehörenden Ärzte dazu an, gegen die Berufsordnung zu verstoßen.

Das Vorgehen ist mit den in § 1 Abs. 1 und Abs. 2 BO Nordrhein niedergeschriebenen sowie durch §§ 3 Abs. 2 und 34 Abs. 5 konkretisierten Grundsätzen unvereinbar, nach denen bei der ärztlichen Behandlung nur die Gesundheit des einzelnen Menschen, nicht jedoch wirtschaftliche oder gewerbliche Interessen des Arztes in Betracht gezogen werden dürfen. Das Empfehlungsverbot des § 34 Abs. 5 BO Nordrhein "ohne hinreichenden Grund" wie auch das Verbot der Abgabe von Waren durch den Arzt jenseits der therapeutischen Notwendigkeit (§ 3 Abs. 2 BO Nordrhein) dient der Trennung merkantiler Gesichtspunkte vom Heilauftrag des Arztes. Der Patient soll darauf vertrauen können, dass sich der Arzt nicht von kommerziellen Interessen, sondern ausschließlich von medizinischen Notwendigkeiten leiten lässt. Es will verhindern, dass durch eine Orientierung an ökonomischen Erfolgskriterien statt an medizinischen Notwendigkeiten langfristig negative Rückwirkungen auf die medizinische Versorgung der Bevölkerung eintreten. Diese Prinzipen finden bei der Zusammenarbeit mit Dritten darin ihren Ausdruck, dass die ärztliche Unabhängigkeit gegenüber Dritten gewahrt werden muss (vgl. § 30 Abs. 1 BO Nordrhein). Diese Unabhängigkeit wird durch die beanstandete Vereinbarung jedoch - zumindest teilweise - zerstört.

Denn das durch die Vereinbarung angestrebte Modell beinhaltet zumindest konkludent die Aufforderung an den Arzt, den Patienten von den Vorteilen der Nutzung einer bestimmten Versandapotheke, nämlich aaaaa zu überzeugen. Ihm werden die "Verkaufsargumente", wie Gutscheine für Patienten direkt an die Hand gegeben. In dem vom Arzt erwarteten Verhalten liegt auch eine Verweisung im Sinne der Vorschrift des § 34 Abs. 5 BO Nordrhein, da einem Hinweis auf die Versandapotheke und Auslegen der Umschläge aufgrund des besonderen Vertrauensverhältnisses zwischen Arzt und Patient eine gesteigerte Überzeugungskraft inne wohnt, und damit nicht als bloße unverbindliche Information Dritter aufgefasst werden kann.

Zusätzlich besteht für die Ärzte durch das Substituierungsabkommen ein konkreter und für den Arzt im Vordergrund stehender wirtschaftlicher Anreiz, Patienten zur Nutzung der betreffenden Versandapotheke aufzufordern. Dass das als weiterer Anreiz für Praxismitarbeiter ausgestaltete Prämienpunktesystem nicht tatsächlich zur Anwendung gekommen ist, steht insofern einem Verstoß gegen die BO Nordrhein nicht entgegen, als die Beurteilung durch den Arzt dennoch von dem System beeinflusst wird. Auch werden die Mitarbeiter des Arztes den Weisungen ihres Vorgesetzten unabhängig von zusätzlichen finanziellen Vorteilen Folge leisten.

Mit der Umsetzung des Modells wird von dem Arzt somit ein Handeln erwartet, das entgegen den Anforderungen des § 34 Abs. 5 BO Nordrhein die Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nicht mehr gewährleistet. Der Arzt soll seinem Patienten den Einkauf bei der Versandapotheke aaaaa unabhängig davon empfehlen, ob dies im Einzelfall unter Berücksichtigung der medizinischen Belange des Patienten oder der wirtschaftlichen Interessen der Krankenkassen geboten ist. Denn für den behandelnden Arzt stehen bei der pauschalen Befürwortung des von der Beklagten vereinbarten Versandmodells die eigenen wirtschaftlichen Interessen an der Einhaltung des Budgets und der Datenerhebung im Vordergrund. Dass der Arzt es nicht bei einer neutralen Darstellung der Vor- und Nachteile eines Einkaufs bei der Versandapotheke aaaa bewenden lassen soll, ergibt sich aus dem modellimmanenten Grundsatz, dass in der Regel die Versandapotheke aaaaa empfohlen werden soll. Ferner ist vereinbart, dass die Apotheke grundsätzlich auch entgegen der durch den Arzt erfolgten Verschreibung ein kostengünstigeres Präparat liefern soll. Damit werden die Verhältnisse von Ausnahme und Regel, welche dem § 34 Abs. 5 BO Nordrhein zugrunde liegen, ins Gegenteil verkehrt. Anstatt wegen besonderer Bedürfnisse an den Einzelfall angepasst eine Empfehlung bzw. Zuweisung zu einer nach den Anforderungen des Einzelfalls ausgewählten Apotheke vorzunehmen, soll dies im Regelfall und pauschal an die Versandapotheke aaaaa geschehen. Auch die Verwendung eines Austauschpräparats geschieht nicht auf Anfrage des Patienten, oder im Einzelfall nach Absprache mit dem Arzt, sondern pauschal.

Sachlich gebotene Gründe für die pauschale Empfehlung der Versandapotheke aaaa gegenüber einer Gesamtheit von Patienten sind nicht ersichtlich. Sofern kein sachlicher Grund vorliegt, verstößt die Empfehlung einer bestimmten Apotheke grundsätzlich gegen die standesrechtlichen Bestimmungen. Zu den anerkanntermaßen sachlich gebotenen Gründen für die Empfehlung einer bestimmten Apotheke oder sonstigen Anbieters von gesundheitlichen Leistungen zählen natürlich unmittelbar auf dem Gebiet der Medizin liegende Vorteile. Aber auch die Qualität der Versorgung, die Vermeidung von Wegen bei gehbehinderten Patienten oder schlechte Erfahrungen mit anderen Leistungserbringern berechtigen den Arzt zu Verweisungen zu bestimmten Anbietern (BGH, GRUR 2001, 255 = NJW-RR 2001, 407 - Augenarztschreiben; BGH, GRUR 2000, 1080 = NJW 2000, 2745 - Verkürzter Versorgungsweg). Dass einzelne, etwa behinderte Patienten, von der Nutzung einer Versandapotheke profitieren können, rechtfertigt jedoch weder die Empfehlung einer bestimmten Versandapotheke, noch eine pauschalierte Empfehlung gegenüber allen Patienten.

Zwar kann auch die Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots gem. § 12 Abs. 1 SGB V für den Arzt einen sachlich gebotenen Grund darstellen, im Zusammenhang mit einer Verordnung eine Empfehlung auszusprechen (vgl. BGH NJW 2000, 2745 - Verkürzter Versorgungsweg). Schon im Hinblick darauf, dass auch andere Versandapotheken Medikamente zu üblicherweise günstigen Preisen anbieten, ist eine bevorzugte Empfehlung der Versandapotheke aaaa jedoch nicht gerechtfertigt. Eine Öffnung des Modells anderen Apotheken gegenüber sollte laut Vereinbarung erst nach drei Jahren geschehen, und ist daher nicht geeignet, Bedenken gegen die Vereinbarung auszuräumen.

Ein sachlich gebotener Grund kann sich auch nicht aus einem dem Patienten von der Apotheke gewährten Rabatt ergeben. Denn auch die Aushändigung des in dem Versandumschlag integrierten Gutscheins über 5 EUR durch den Arzt bzw. in der Arztpraxis ist als standeswidriges Verhalten zu werten. § 3 Abs. 2 der BO Nordrhein untersagt es den Ärzten, in Zusammenhang mit ihrer ärztlichen Tätigkeit Waren und andere Gegenstände abzugeben, soweit nicht die Abgabe des Produkts wegen seiner Besonderheit notwendiger Bestandteil der ärztlichen Therapie ist. Dieses Verbot beruht auf der traditionellen Trennung der Tätigkeit von Ärzten einerseits und Apothekern andererseits (vgl. OLG Köln WRP 2002, 405 ff.) und hat damit auch die Trennung merkantiler Gesichtspunkte vom Heilauftrag des Arztes zum Gegenstand.

Neben dem Schutz der Ärzteschaft bei deren Wettbewerb untereinander wird bezweckt, dass keine über die medizinischen Notwendigkeiten hinausgehende Einflussnahme auf den Wettbewerb unter den weiteren Leistungserbringern erfolgt (BGH NJW 2005, 3422 f.). Bei Nutzung des Umschlags sollen dem Patienten das Briefporto und ein Teil des Gesamtpreises erstattet werden. Damit stellt der Umschlag für den Patienten, der seine Medikamente bei der Versandapotheke aaaaa erwirbt, letztlich eine Geldzuwendung dar, d.h. einen Gegenstand, dessen Abgabe dem Arzt nach § 3 Abs. 2 BO Nordrhein untersagt ist.

Diese Verstöße waren innerhalb des Landkreises Viersen, also des Geltungsbereichs der Vereinbarung, auch nicht unerheblich.

Ob der Beklagten auch etwaige Verstöße gegen apothekenrechtliche Bestimmungen zuzurechnen sind, obwohl ihr keine Apotheken angehören, kann dahinstehen, da jedenfalls ein Verstoß gegen die BO Nordrhein in Bezug auf die der Beklagten angehörenden Ärzte feststeht.

Auch die für einen Unterlassungsanspruch gemäß § 8 Abs. 1 UWG erforderliche Wiederholungsgefahr wird nicht dadurch ausgeräumt, dass die Beklagte das vereinbarte Modell zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht (mehr) betreibt und aufgrund von Gesetzesänderungen in Zukunft nicht betreiben will. Denn die Existenz der Vereinbarung, wie auch ihre anfängliche Umsetzung stellen eine Verletzungshandlung dar, die grundsätzlich eine Vermutung für eine Wiederholungsgefahr begründet (s. Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 26. Auflage 2008, § 8, Rn 1.30 u. Rn 1.33). Sie zu widerlegen, obliegt dem aaaaa (BGH GRUR 1993, 579, 581 - Römer GmbH). Die Beklagte hat die Abgabe der dazu i.d.R. notwendigen bedingungslosen und unwiderruflichen Unterlassungsverpflichtungserklärung unter Übernahme einer angemessenen Vertragsstrafe für jeden Fall der Zuwiderhandlung (vgl. BGH GRUR 1984, 214, 216 - Copy-Charge; BGH GRUR 1984, 593, 595 - adidas-Sportartikel; BGH GRUR 1985, 155, 156 - Vertragsstrafe bis zu ... I) jedoch abgelehnt. Zudem verbietet es der Normzweck der BO Nordrhein, welcher gerade darin besteht eine Entkoppelung von ärztlichem Verhalten und wirtschaftlichen Interessen zu erreichen, die Wiederholungsgefahr allein an den wirtschaftlichen Interessen der Beteiligten zu messen.

Die Klägerin kann ferner aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG i.V.m. §§ 677, 683 Satz 1, 670 BGB Ersatz der Abmahnkosten verlangen. Denn es lag im Interesse der Beklagten, auf den begründeten Unterlassungsanspruch der Klägerin hingewiesen zu werden. Die Forderung ist auch der Höhe nach begründet. Ein Zinsanspruch der Klägerin ergibt sich gemäß §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 2 Nr. 1, 187, 193, 188 BGB jedoch erst ab dem 06.03.2007.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO, wobei das Unterliegen der Klägerin hinsichtlich eines geringen Teils des Zinsanspruches als unerheblich zu werten ist. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 709 S. 1 ZPO.






LG Düsseldorf:
Urteil v. 14.05.2008
Az: 34 O (Kart) 142/06


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