Landgericht Düsseldorf:
Urteil vom 7. Oktober 2008
Aktenzeichen: 4b O 90/07

(LG Düsseldorf: Urteil v. 07.10.2008, Az.: 4b O 90/07)

Tenor

I. Die Beklagte wird verurteilt,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,-- €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, zu unter-lassen,

a) optische Datenträger mit Bilddaten eines Verfahrens zur Übertra-gung einer Reihe von Bildern einer Vollbewegungs-Videoszene

in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen,

wenn das Codierverfahren folgende Schritte aufweist:

o Jedes Bild wird mittels eines Codierungsalgorithmus in ein Bilddatenblock umgewandelt, der soviel digitale Information aufweist, dass jedes Bildelement des Bildes rekonstruiert werden kann,

o die Bilder der Reihe einer hierarchischen Codierung ausge-setzt werden,

o wobei die ursprüngliche Reihe von Bildern als eine Anzahl verschachtelter Teilreihen mit einer in der Größe zunehmen-den Rangordnung betrachtet wird,

o und wobei zum Codieren eines Bildes einer Teilreihe Bilder aus Teilreihen niedrigerer Rangordnung berücksichtigt wer-den,

o jedem Bilddatenblock ein Paketanfangsblock zugefügt wird, der die Rangordnung der Unterreihen angibt, denen das entsprechende Bild zugeordnet ist;

b) optische Datenträger in der Bundesrepublik Deutschland anzu-bieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,

auf denen eine Reihe von Bildern einer Vollbewegungsszene in Form einer Reihe von Bilddatenblöcken gespeichert ist, die nach dem unter I.1.a) beschriebenen Codierverfahren erhalten worden sind;

2.a) optische Datenträger mit Audio- und/oder Videosignalen als Er-zeugnisse eines Verfahrens zur Übertragung von Audio- und/oder Videosignalen

in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen,

wobei aufeinander folgende Signalteile mittels eines Codie-rungsalgorithmus in Codierungsblöcke codiert werden, wobei dieses Verfahren den nachfolgenden Verfahrensschritt umfasst:

○ Das Übertragen eines Steuersignals, das indikativ ist für den Zeitpunkt, wo ein Codeblock decodiert werden soll, wobei das Steuersignal durch einen Parameter gebildet wird, der sich an einer vorbestimmten Stelle eines Code-blocks befindet, wobei dieser Parameter die Größe der Verzögerung angibt, um die der Codeblock decodiert wer-den muss, nachdem er empfangen worden ist

und/oder

b) optische Datenträger, auf denen codierte Audio- und/oder Videosignale gespeichert sind,

in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen,

wobei aufeinander folgende Signalteile mittels eines Codie-rungsalgorithmus in Codeblöcke codiert werden, wobei das Sig-nal ein Steuersignal aufweist, das indikativ ist für den Zeitpunkt, wo ein Codeblock decodiert werden muss, wobei das Steuersig-nal durch ein Parameter gebildet wird, der sich an einer vorbe-stimmten Stelle eines Codeblocks befindet, wobei dieser Para-meter die Größe der Verzögerung angibt, um die der Codeblock decodiert werden muss, nachdem er empfangen wurde;

III.3. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie (die Beklagte) die vorstehend zu I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 30.06.1995 und die zu I.2. bezeichneten Handlungen seit dem 03.10.1997 begangen hat, und zwar unter Angabe

a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer unter Vorlage der Liefer- und Rechnungsunterlagen in Kopie,

bb)b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefer-mengen,

-zeiten und -preisen einschließlich der Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer unter Vorlage der Liefer- und Rechnungsunterlagen in Kopie,

cc)c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebots-mengen,

-zeiten und -preisen einschließlich der Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

dd)d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbe-trägern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

ee)e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei

oder Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, ihr ge-genüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten Wirt-schaftsprüfer mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland mitzu-teilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermäch-tigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzutei-len, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Rechnung enthalten ist.

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die unter Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 30.06.1995 und die zu Ziffer I.2. bezeichneten Handlungen seit dem 03.10.1997 entstanden ist und noch entstehen wird.

VI. III. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 6 % und die Beklag-te zu 94 %.

VII. V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin jedoch nur gegen Sicherheitsleistung von 4.000.000,-- € und für die Beklagten gegen Sicherheitsleistung von 2.500,-- €.

VIII. VI. Der Streitwert wird auf 4.000.000,-- € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des unter Inanspruchnahme einer niederländjapanischenr Unionsprioritäten vom 22.02.199014.10.1989 am 181.102.19910 angemeldeten europäischen Patents 0 443 676713 340 B 1 (im Folgenden: Klagepatent I), dessen Erteilung am 03.05.199522.08.2001 veröffentlicht worden ist. Als Vertragsstaat ist unter anderem die Bundesrepublik Deutschland benannt. Das Klagepatent I steht in Kraft.

Das in englischer Verfahrenssprache abgefasste Klagepatent I trägt die Bezeichnung "Verfahren und Anordnung zum Codieren/Decodieren eines VideosignalsÜbertragungssystem für digitalisierte Fernsehbilder". Die Patentanspruüche 1 und 3, der die im Rechtsstreit allein interessiertinteressieren, lautet lauten in deutscher Übersetzung wie folgt:

"1. Verfahren zum Übertragen einer Reihe von Bildern einer Vollbewegungs-Videoszene, wobei mittels eines Codierungsalgorithmus jedes Bild in ein Bilddatenblock umgewandelt wird, der soviel digitale Information aufweist, dass jedes Bildelement des Bildes rekonstruiert werden kann, dadurch gekennzeichnet, dass die Bilder der Reihe einer hierarchischen Codierung ausgesetzt werden, wobei die ursprüngliche Reihe von Bildern als eine Anzahl verschachtelter Teilreihen betrachtet wird mit einer in der Größe zunehmenden Rangordnung und wobei zum Codieren eines Bildes einer Teilreihe Bilder aus Teilreihen niedrigerer Rangordnung berücksichtigt [und wobei zum Codieren eines Bildes einer Teilreihe Bilder aus Teilreihen niedrigerer Rangordnung berücksichtigt] werden, und dass zu jedem Bilddatenblock ein Paketanfangsblock zugefügt wird, der die Rangordnung der Unterreihen angibt, denen das entsprechende Bild zugeordnet ist.

3. Optisch auslesbare Platte, auf der eine Reihe von Bildern einer Vollbewegungsszene in Form einer Reihe von Bilddatenblöcken gespeichert ist, die nach dem Verfahren nach Anspruch 1 erhalten worden sind."

"Codierverfahren zum Codieren eines digitalen Videosignals, welches mehrere Bilder umfasst, welches folgende Schritte aufweist:

Umordnen der mehreren Bilder;

Codieren der mehreren umgeordneten Bilder als intrarahmencodierte Bilder oder als interrahmencodierte Bilder, um entsprechend codierte Daten zu erzeugen; und

Anhängen einer Zeitinformation an einen Bilddatenkopf der codierten Daten, die eine Eingangsordnung der mehreren Bilder identifiziert,

wobei die Rahmen in Rahmengruppen unterteilt sind, wobei jede Gruppe zumindest einen intrarahmencodierten Rahmen umfasst, wobei die Rahmen gemäß ihrem entsprechenden Codierverfahren umgeordnet sind, so dass der oder der erste intrarahmencodierte Rahmen einer nachfolgenden Gruppe den interrahmencodierten Rahmen der laufenden Gruppe nach dem Umordnen vorhergeht."

Die nachfolgende Abbildung (Figur 5 10 der Klagepatentschrift I) verdeutlicht den Gegenstand der Erfindung anhand eines bevorzugten Ausführungsbeispiels, wobei die Zeile (D) die Bilderfolge vor und die Zeile (E) die Bilderfolge nach der Umordnung wiedergibt.

Die Klägerin ist zudem eingetragene und allein verfügungsberechtigte Inhaberin des europäischen Patents 0 460 751 B1 (Klagepatent II). Das Klagepatent II, dessen Verfahrenssprache ebenfalls Englisch ist, betrifft ein Verfahren zum Übertragen von Bild- und/oder Tonsignalen. Es wurde am 03. Juni 1991 unter Inanspruchnahme einer britischen Priorität vom 05. Juni 1990 angemeldet. Die Erteilung des Klagepatents II wurde am 03. September 1997 veröffentlicht. Es steht in der Bundesrepublik Deutschland in Kraft.

Die im vorliegenden Verfahren als verletzt geltend gemachten Patentansprüche 1, 11 und 12 lauten in der veröffentlichten deutschen Übersetzung (DE 691 27 504 T2, Anlage B2-K2) wie folgt:

"1. Verfahren zur Übertragung von Audio- und/oder Video-Signalen, wobei aufeinanderfolgende Signalteile mittels eines Codierungsalgorithmus in Codeblöcke codiert werden, wobei dieses Verfahren die nachfolgenden Verfahrensschritte umfasst: Das Übertragen eines Steuersignals, das indikativ ist für den Zeitpunkt, wo ein Codeblock decodiert werden soll, dadurch gekennzeichnet, dass das Steuersignal durch einen Parameter gebildet wird, der sich an eine vorbestimmten Stelle eines Codeblocks befindet, wobei dieser Parameter die Größe der Verzögerung angibt, um die der Codeblock decodiert werden muss, nachdem er empfangen worden ist.

11. Codiertes Audio- und/oder Video-Signal, wobei aufeinanderfolgende Signalteile mittels eines Codierungsalgorithmus in Codeblöcke codiert werden, wobei das Signal ein Steuersignal aufweist, das indikativ ist für den Zeitpunkt, wo ein Codeblock decodiert werden muss, dadurch gekennzeichnet, dass das Steuersignal durch einen Parameter gebildet wird, der sich an einer vorbestimmten Stelle eines Codeblocks befindet, wobei dieser Parameter die Größe der Verzögerung angibt, um die der Codeblock decodiert werden muss, nachdem er empfangen worden ist.

12. Speichermedium, auf dem ein Signal nach Anspruch 11 gespeichert ist."

Die Beklagte, ein Unternehmen mit Sitz in Griechenland, stellt her und vertreibt DVDs. Sie hat am 30. März 2007 500 von ihr hergestellte DVDs mit dem Titel "Erdbebenmessung in Deutschland" (Anl. KA 2) an die Lieferadresse Gottesweg 41, 50969 Köln geliefert. Anlass für diese Lieferung war eine von der Klägerin initiierte Bestellung einer Frau Manuela Peric, die diese unter der Bezeichnung "exmedial manuela peric" am 27. Februar 2007 aufgab. Als Firmenanschrift wurde Seilerstraße 10 in 60313 Frankfurt angegeben. Die Lieferung erfolgte auftragsgemäß an die angegebene Lageradresse der "ExMedial Manuela Peric" (vgl. Anl. B 7) und wurde mit auf den 29.03.2007 datiertem Schreiben, welches einen Gesamtbetrag von 705,00 € (einschließlich Transportkosten) ausweist, in Rechnung gestellt.

Die Klägerin behauptet, dass die von der Beklagten hergestellten DVDs die Klagepatente wortsinngemäß verwirklichen. Die Belieferung europäischer und mithin auch deutscher DVD-Kunden gehöre zu dem Standardgeschäft der Beklagten.

Da die Codierverfahren der Klagepatente zum MPEG 2-Standard gehörten und für die Einhaltung dieses Standards essentiell seien, sei - so meint die Klägerin - nach der Lebenserfahrung davon auszugehen, dass bei der Erstellung der DVDs durch die Beklagte vielfach auch die patentgemäßen Verfahren angewandt worden seien. Die rekursive Struktur des MPEG 2-Standards erfordere, dass bereits bei der Codierung von P- und B-Bildern das Referenzbild decodiert werde, um anhand von dessen Bilddaten eine Berechnung des (P- oder B-)Differenzbildes vorzunehmen.

Aus dem Gesichtspunkt der Patentverletzung nimmt die Klägerin die Beklagten - nachdem sie den zunächst ebenfalls begehrten Vernichtungsanspruch zurückgenommen hat - vorliegend auf Unterlassung, Rechnungslegung und Schadenersatz in Anspruch.

Die Klägerin beantragt,

sinngemäß wie erkannt zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte rügt die internationale und örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Düsseldorf.

Sie behauptet, die Klägerin habe die Lieferung der streitgegenständlichen DVDs nach Köln allein zu dem Zweck provoziert, sich den Gerichtsstand des Landgerichts Düsseldorf zu erschleichen. Sie, die Beklagte, unterhalte keine geschäftlichen Beziehungen nach Deutschland. Bei der Lieferung an Frau Peric habe es sich um die einzige Lieferung nach Deutschland in dem Zeitraum seit Juni 1995 gehandelt. Es seien in dieser Zeit auch keine Bestellungen akzeptiert worden. Die Bestellung der Frau Peric sei von der Klägerin initiiert worden, die sich einer "Scheinperson" bedient habe. Es sei der Beklagten trotz intensiver Recherche nicht gelungen, die Firma ExMedial zu ermitteln. Diese sei weder unter der Geschäftsanschrift in Frankfurt noch unter der in Köln angegebenen Lageranschrift bekannt gewesen. Auch sei eine Kontaktaufnahme zu Frau Peric nicht mehr möglich gewesen. Nur aufgrund der mit 500 Stück als gering zu bezeichnenden Stückzahl hätten interne Kontrollmechanismen bei der Beklagten umgangen werden können. Die Sachbearbeiterin bei der Beklagten hätte bei einem größeren Bestellvolumen Rücksprache mit ihrem Vorgesetzten gehalten und sich danach erkundigt, ob eine Lieferung nach Deutschland überhaupt ausgeführt werden dürfe.

Die Beklagte ist der Ansicht, die Klägerin habe die patentverletzende Handlung in Nordrhein-Westfalen deshalb provoziert, weil sie das Klageschutzrecht bereits in der Vergangenheit erfolgreich vor dem angerufenen Gericht durchgesetzt habe. Bei dieser Wahl des Gerichts handele es sich aber um sachfremde Erwägungen, die einen Gerichtsstand nicht begründen könnten.

Die Klägerin handele schließlich rechtsmissbräuchlich, wenn sie - ohne Anhaltspunkte für einen drohende Verletzungshandlung - eine Lieferung patentverletzender DVDs nach Deutschland provoziere, um die Beklagte hereinzulegen. Aufgrund dessen sei die Klage auch unbegründet.

Zudem verletzten die von ihr hergestellten DVDs nicht die technischen Lehren der Klagepatente.

Selbst wenn - so die Ansicht der Klägerin - die Lehre der geltend gemachten Klagepatentansprüche durch die angegriffene Ausführungsform verwirklicht würde, sei das Schutzrecht erschöpft. Die Maschine zur Herstellung der DVDs sei mit Zustimmung der Klägerin von der in der Schweiz ansässigen OMP International GmbH an die Beklagte veräußert worden. Bei der Herstellung der DVDs kämen alle streitgegenständlichen Patente zum Einsatz. Da es sich um Verfahrensansprüche handele, trete mit der Veräußerung Erschöpfung ein.

Wegen der näheren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist auch begründet.

I.

Das Landgericht Düsseldorf ist für die Entscheidung des Rechtsstreits international und örtlich zuständig.

Die internationale Zuständigkeit des Landgerichts Düsseldorf ist nach Art. 5 Nr. 3 EG VO 44/2001 gegeben. Nach dieser Vorschrift kann ein Angehöriger eines Vertragsstaates (Griechenland, der Sitzstaat der Beklagten, ist ein solcher Vertragsstaat) vor den Gerichten eines anderen Vertragsstaates in Anspruch genommen werden, wenn dieser dort eine unerlaubte Handlung begangen hat, wobei es ohne Belang ist, dass die Klägerin selbst keine juristische Person mit Sitz in einem Mitgliedsstaat der EG ist. Die Zuständigkeitsverordnung gilt auch für Ausländer aus Drittstaaten, die ebenfalls einen Anspruch auf Justizgewährung haben (vgl. Zöller-Geimer, ZPO, 26. Aufl., Art. 2 EuGVVO RN 13).

Zuständigkeitsbegründend ist sowohl der Handlungs- wie auch der Erfolgsort des Schadenseintritts. Für die Begründung der internationalen Zuständigkeit genügt die Behauptung einer zuständigkeitsbegründenden Verletzungshandlung durch den Kläger. Eine solche ist mit der vorgetragenen - unstreitigen - Lieferung (patentverletzender) DVDs durch die Beklagte nach Köln gegeben.

Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Düsseldorf ist vorliegend gem. § 32 ZPO i.V.m. § 143 PatG und der VO des Landes Nordrhein-Westfalen vom 13.01.1998 (GV NW S. 106) zu bejahen, denn die Beklagte hat eine patentverletzende Handlung in Nordrhein-Westfalen begangen.

1.

Der Gerichtsstand des § 32 ZPO wird dadurch begründet, dass der Kläger schlüssig Tatsachen behauptet, aus denen sich ergibt, dass im Gerichtsbezirk eine unerlaubte Handlung begangen worden ist. Es ist unstreitig, dass die Beklagte (patentverletzende) DVDs aus ihrer Produktion nach Köln ausgeliefert hat.

2.

Sich auf diesen Gerichtsstand zu berufen, ist der Klägerin nicht wegen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens verwehrt. Es ist anerkannt, dass auch das Prozessrecht und damit auch die Gerichtsstandsregelungen unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben stehen, wie er für das materielle Recht in § 242 BGB seinen Ausdruck gefunden hat. Danach kann einer Klage, die formal gesehen alle Zuständigkeitsvoraussetzungen erfüllt, gleichwohl der gerichtliche Rechtsschutz versagt werden, weil der Kläger im konkreten Fall treuwidrig oder missbräuchlich handelt, wenn er formal gegebene Zulässigkeitsvoraussetzungen aus sachfremden Erwägungen heraus zu seinen Gunsten ausnutzt.

a)

Die Klägervertreter haben im Termin zur mündlichen Verhandlung zugestanden, dass die Bestellung der Frau Peric eine von den Klägerinnen initiierte Handlung war. Eine solche Einschaltung einer dritten Person ist für den grundsätzlich zulässigen Testkauf unabdingbar, wenn potentielle Schutzrechtsverletzer überführt werden sollen und der Schutzrechtsinhaber in den Besitz liquider Beweismittel kommen will. Würde er selber auftreten, würde dies in aller Regel dazu führen, dass er keine schutzrechtsverletzenden Gegenstände angeboten oder geliefert bekommt.

Die Aufgabe einer Bestellung - auch durch einen eigens hierfür geworbenen Strohmann - und deren Ausführung in das Gebiet Nordrhein-Westfalens zeigt im allgemeinen zunächst einmal die grundsätzliche Lieferbereitschaft (vgl. OLG München, NJW 1990, 3097, 3098) des Beklagten und ist ein grundsätzlich zulässiges Mittel im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes. Für den Erfolg des Testkaufs ist es dabei unvermeidlich, den Zweck zu verbergen und begründet alleine noch keine Unzulässigkeit (BGH, GRUR 1965, 612, 614 - Warnschild). Es ist wettbewerbsrechtlich auch grundsätzlich unbedenklich, wenn Testkäufe nicht von dem Wettbewerber selbst sondern von einem Dritten durchgeführt werden (vgl. BGH, GRUR 1999, 1017, 1019 - Kontrollnummernbeseitigung).

b)

Es ist weiterhin nicht rechtsmissbräuchlich, eine solchen Testkauf durchzuführen, um hierdurch einen Gerichtsstand in Düsseldorf zu begründen.

(aa)

Solche Testkäufe sind nur bei Vorliegen besonderer Umstände als sittenwidrig anzusehen, wenn mit ihnen lediglich die Absicht verfolgt wird, den Mitbewerber "hereinzulegen", oder wenn verwerfliche Mittel angewandt werden, um ein unzulässiges Geschäft herbeizuführen (BGH, GRUR 1992, 612 - Nicola; OLG Karlsruhe, GRUR 1994, 130, 131 - Testpatient; Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 26. Aufl. § 11, Rn 2.41). Nach der Rspr. des BGH fallen hierunter insbesondere in den Bereich der Strafbarkeit reichende oder anderweit verwerfliche Mittel, unter anderem auch die Anwendung besonderer Verführungskunst (BGH, GRUR 1992, 612, 614 - Nicola). Verwerfliche Mittel sind auch rechtswidrige Handlungen des testenden Mitbewerbers, und zwar nicht nur Straftaten, sondern auch sonstige von der Rechtsordnung verbotene Handlungen, weil grundsätzlich nicht deshalb Rechtsverletzungen hingenommen werden können, damit konkurrierende Unternehmen ihre wettbewerblichen Interessen besser verfolgen können (BGH, a.a.O.).

(bb)

Im vorliegenden Fall ist aber nicht ersichtlich, dass die Klägerin sich durch eine Beauftragung der Frau Peric in irgendeiner Art und Weise solcher verwerflicher Mittel bedient hätte oder dass Frau Peric selber solche Mittel angewandt hätte.

In diesem Zusammenhang kann es insbesondere nicht als verwerflich angesehen werden, dass die Bestellung nur ein Volumen von 500 Stück umfasste. Die Beklagte macht insoweit geltend, dass diese geringe Stückzahl es ermöglicht habe, die Kontrollmechanismen der Beklagten zu umgehen. Die Sachbearbeiterin hätte bei einem größeren Bestellvolumen zumindest eine interne Absicherung durch Rücksprache mit dem Vorgesetzten durchgeführt. Dieser Vortrag, wie auch die zur Akte gereichten Anlagen B 1 bis B 3 und B 21 bis B 23 lassen aber nicht erkennen, dass bei der Beklagten tatsächlich solche Kontrollmechanismen installiert worden seien, die eine Lieferung von DVDs nach Deutschland wirksam hätten verhindern können und sollen.

Betriebsinterne Kontrollmechanismen, die in zuverlässiger Weise eine Lieferung der streitgegenständlichen Produkte in die Bundesrepublik verhindern könnten, hat die Beklagte nicht im Einzelnen vorgetragen. Sie hat lediglich eine von John Ioannidis, dem General Manager der DVD-Produktionsanlage der Beklagten, an Mitarbeiter der Beklagten versandte Email vom 04.07.2006 vorgelegt (Anlage B23). Darin heißt es sinngemäß, dass alle Aufträge mit einem Volumen von über 400 Stück DVDs/CDs mit allen erforderlichen Informationen Herrn Ioannidis vorzulegen sind und nur nach Erteilung seiner schriftlichen Bestätigung ausgeführt werden dürfen. In allen Fällen sollen die Mitarbeiter zwingend vor der Ausführung eines Auftrags sicherstellen, dass alle Lizenzen und Gebühren in Bezug auf gewerbliche Schutzrechte und Urherberrechte geklärt sind und allein von den Kunden der Beklagten an die Rechteinhaber gezahlt werden ("(...) that all licenses and royalties in relation to intellectual and industrial property rights (copyrights, neighbouring rights, patents, trademarks etc.) shall be cleared and paid (...) by our clients" - Anlage B 23).

Aus der vorstehend wiedergegebenen Mitteilung an die Mitarbeiter der Beklagten geht nicht hervor, dass seitens der Beklagten kein Interesse an Lieferungen von DVDs in die Bundesrepublik Deutschland besteht und solche Lieferungen nicht gewollt sind. Der Sinn und Zweck der Regelung, Auftragsvolumina von über 400 DVDs/CDs dem General Manager mitzuteilen und erst nach schriftlicher Genehmigung ausführen zu dürfen, erschließt sich aus der Email nicht. Es ist durchaus möglich, dass diese Mitteilungspflicht lediglich dazu dient, die Auslastung der Anlage besser zu koordinieren oder die Bonität der Kunden überprüfen zu können. Es erscheint demgegenüber nicht der allgemeinen Lebenserfahrung zu entsprechen, dass der General Manager eines solchen Unternehmens in jedem Einzelfall prüft, ob es sich bei einer eingehenden Bestellung um eine solche für eine Lieferung nach Deutschland handelt. Naheliegend ist es vielmehr, den Mitarbeitern eine Weisung zu erteilen, Aufträge aus Deutschland zurückzuweisen.

Hinsichtlich der weiteren Weisung, Aufträge erst nach Klärung der gewerblichen Schutzrechte und Urheberrechte auszuführen, bestehen Zweifel, ob mit den genannten Immaterialgüterrechten auch die mit der technischen Herstellung von DVDs verbundenen Schutzrechte - also nicht solche Schutzrechte, die auf den Inhalt der DVD bezogen sind - gemeint sind. Aber selbst wenn dies der Fall sein sollte, geht aus der Weisung nicht hervor, dass Lieferungen in die Bundesrepublik Deutschland weder gewollt, noch beabsichtigt sind. Vielmehr zeigt diese Email eine allgemeine Lieferbereitschaft der Beklagten in das Ausland, darunter auch die Bundesrepublik Deutschland. Die Auftragserfüllung soll lediglich davon abhängig gemacht werden, dass die Schutzrechtslage geklärt ist und etwaige Lizenzzahlungen von den Kunden der Beklagten geleistet werden. Im Übrigen handelt es sich bei der Weisung des General Manager nicht um einen wirksamen Kontrollmechanismus, um Patentverletzungen im Ausland zu vermeiden, weil den Mitarbeitern nicht mitgeteilt wird, welche konkreten Rechte betroffen sein können und unter welchen Bedingungen von einer Klärung der Schutzrechtslage auszugehen ist. Darüber hinaus ist auch nichts dazu vorgetragen, ob die Weisungen im Einzelnen überwacht werden.

Zuzugestehen ist der Beklagten zwar, dass die Verwendung der deutschen Sprache allein noch keinen zwingenden Schluss auf eine Verbreitung in Deutschland zulässt, da es auch andere deutschsprachige Staaten gibt. Hierauf kommt es aber für die zur Entscheidung stehende Frage nicht an, da die Bestellung aus Deutschland kam und die Lieferung auch hierhin erfolgen sollte. Von daher wäre es fernliegend, bei der Auftragsbearbeitung seitens der Beklagten anzunehmen, die Bestellung sei nicht für eine Verwendung in Deutschland bestimmt. Schließlich ist nicht geltend gemacht, dass der Klägerin oder Frau Peric bekannt gewesen sei, dass mit einer Bestellung von "nur" 500 Stück eine Bearbeitung des Auftrages wahrscheinlicher sei. Eine solche positive Kenntnis und deren bewusste Ausnutzung zum Zwecke des "Erschleichens" der beanstandeten Lieferung wäre aber erforderlich, um der Klägerin ein rechtsmissbräuchliches Verhalten vorwerfen zu können.

(cc)

Es ist vorliegend auch nicht ersichtlich, dass der Testkauf nur dazu gedient hat, die Beklagte hereinzulegen, ohne dass Anhaltspunkte für eine bereits begangene oder drohende Patentverletzung im Bereich der Bundesrepublik Deutschland vorgelegen hätten.

Es ist unstreitig, dass die Beklagte ein auf dem betreffenden Markt bedeutendes Unternehmen in Griechenland ist, mit einer Produktion von 28 Millionen DVDs im Jahr 2007. Die Beklagte ist dem Vortrag der Klägerin nicht entgegengetreten, dass die Belieferung europäischer DVD-Kunden zu ihrem Standardgeschäft gehört. Sie hat insoweit lediglich geltend gemacht, dass der tatsächliche und strategische Schwerpunkt ihrer Unternehmensaktivitäten in Griechenland liege und als Begründung hierzu angegeben, die hohe Inlandsnachfrage würde die Produktionskapazitäten der Beklagte bereits binden. Bestritten hat die Beklagte lediglich, dass sie seit Juni 1995 Bestellungen aus Deutschland akzeptiert oder Lieferungen nach Deutschland vorgenommen habe. Die Beklagtenvertreterin hat im Termin zur mündlichen Verhandlung auch zugestanden, dass die Beklagte international tätig ist. Dies spricht bereits dafür, dass patentverletzende DVDs aus der Produktion der Beklagten auch in Deutschland Verbreitung finden, da es sich hierbei um eine flüchtige Ware handelt, deren Vertrieb von der Beklagten nicht gesteuert oder ohne weiteres nachvollzogen werden kann. Hierfür sprechen im übrigen auch die weiteren - durch den Testkauf an den Tag getretenen - Umstände, dass die Sachbearbeiterin der Beklagten offensichtlich problemlos in der Lage war, in der englischen Sprache zu korrespondieren und ihr auch die steuerlichen Verfahrensschritte für Auslandsgeschäfte durchaus geläufig waren (Anforderung der Gewerbesteuernummer und Kontrolle beim griechischen Finanzministerium in Athen). Sie hat auch zu keinem Zeitpunkt den Auftrag der Frau Peric hinterfragt. Vor diesem Hintergrund kann aber schon nicht davon gesprochen werden, dass es für die Klägerin keine Anhaltspunkte für eine patentverletzende Handlung der Beklagten in Deutschland gab. Bei der Größe eines solchen Unternehmens ist eine internationale Betätigung gerade nicht fernliegend.

(dd)

Auch das von der Klägerin initiierte Veranlassen einer Lieferung nach Köln um eine für sie vermeintlich "günstige Rechtsprechung" des Landgerichts Düsseldorf auszunutzen, führt nicht zu der Annahme einer rechtsmissbräuchlichen Vorgehensweise.

Insoweit kann der von der Beklagten zitierten Entscheidung des OLG Hamm (NJW 1987, 138) nicht gefolgt werden. Den dortigen Erwägungen steht entgegen, dass es grundsätzlich nicht als missbräuchlich anzusehen ist, wenn der Kläger das ihm bequemste oder genehmste Gericht auswählt, also beispielsweise sein Heimatgericht oder das Gericht mit der ihm am günstigsten erscheinenden Rechtsprechung. § 32 ZPO erlaubt es dem Berechtigten, eine Klage aus unerlaubter Handlung bei dem Gericht zu erheben, in dessen Bezirk die Handlung begangen wurde. Ist das patentverletzende Erzeugnis - wie meist - bundesweit angeboten oder vertrieben worden, eröffnet sich für den Patentinhaber hiermit die Möglichkeit, seine Verletzungsklage wahlweise bei jedem der für Patentstreitsachen zuständigen Gerichte anhängig zu machen. Darin besteht der besondere Vorteil dieses Wahlgerichtsstandes gegenüber anderen, die ansonsten in der Regel nur einen einzigen zusätzlichen Gerichtsort zur Verfügung stellen. Für den Patentinhaber (oder dessen Lizenznehmer) sind die Vorzüge einer erweiterten Wahlmöglichkeit, wie sie § 32 ZPO bietet, offensichtlich. Beide können gegebenenfalls an ihrem eigenen Wohn- und Firmensitz klagen und sich im Prozess durch ihre sie ständig beratenden Rechtsanwälte vertreten lassen. Unabhängig von einem inländischen Domizil steht es ihnen frei, (zumindest) dasjenige Gericht auszuwählen, das aus ihrer Sicht über eine besondere Sachkunde und Erfahrung in der Beurteilung patentrechtlicher Streitigkeiten verfügt und bei dem entsprechend spezialisierte und qualifizierte Anwälte zugelassen sind. Sie können ihre Gerichtswahl weiter danach treffen, mit welcher Verfahrensdauer voraussichtlich bis zu einer erstinstanzlichen Entscheidung zu rechnen ist. War ein bestimmtes Gericht in der Vergangenheit bereits mit dem fraglichen Schutzrecht befasst, kann es sich schließlich anbieten, auch weitere Rechtsstreitigkeiten gegen andere Verletzer vor diesem Gericht auszutragen, dessen Auffassung vom Inhalt und der Reichweite des Patents dem Schutzrechtsinhaber (oder dessen Lizenznehmer) aus dem Vorprozess bereits bekannt ist (Kühnen, GRUR 1997, 19, 20).

Es ist gerade in Rechtsstreitigkeiten des gewerblichen Rechtsschutzes weder ungewöhnlich noch anrüchig, wenn angreifende Wettbewerber im Hinblick auf den häufig eröffneten "fliegenden Gerichtsstand" das gerichtliche Forum wählen, welches ihnen im Hinblick auf die dort vorherrschende Rechtsprechung zur Erreichung ihrer Prozessziele am meisten Erfolg versprechend erscheint. Dieser Effekt ist im Hinblick auf § 14 Abs. 2 UWG Ausdruck des gesetzgeberischen Willens (OLG Hamburg OLG-Rep 2002, 369; a. M. OLG Hamm NJW 1987,138). Jede auf den Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs wegen Ausnutzung eines bestehenden "Rechtsprechungsgefälles" gestützte Beschränkung der zur Entscheidung zuständigen Gerichte, die weiter geht als die aus den jeweils anwendbaren allgemeinen Regelungen über die örtliche Zuständigkeit, bedeutet nicht nur eine Verweigerung des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG), sondern zugleich auch eine Missachtung des Gleichheitsgebots (KG WRP 1992, 34, 36; Hess in: Ullmann, jurisPK-UWG, § 14 Rdn. 19). Die Ausnutzung des "fliegenden" Gerichtsstands nach § 14 Abs. 2 UWG, § 35 ZPO ist also grundsätzlich keine unzulässige Rechtsausübung. Denn die Gerichtswahl nach § 35 ZPO kennt grundsätzlich keine Einschränkung, und zwar auch dann nicht, wenn ein Antragsteller unter Ausnutzung diesbezüglicher Möglichkeiten die Rechtsprechung verschiedener Gerichte sozusagen "testet" (vgl. KG, Beschl. vom 25.01.2008 - 5 W 371/07 Beck RS 2008 04442).

(ee)

Schließlich kann nicht außer Acht gelassen werden, dass es einer tatsächlichen Lieferung nach Köln gar nicht bedurft hätte, um die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Düsseldorf jedenfalls hinsichtlich des geltend gemachten Unterlassungstenors zu begründen. Nach der gängigen Rechtsprechung der Kammer hätte eine Lieferung an die angegebene Firmenanschrift in Frankfurt bereits ausgereicht, eine Erstbegehungsgefahr auch für Lieferungen nach Nordrhein-Westfalen anzunehmen. Auch insoweit wäre die Kammer dann zur Entscheidung berufen.

II.

1.

Das Klagepatent I betrifft ein Verfahren zur Übertragung einer Reihe von Bildern einer Vollbewegungs-Videoszene in einem Digitalformat und eine optisch auslesbare Platte, auf der die genannten Bilder gespeichert sind.

Das Klagepatent I beschreibt einen vorbekannten Stand der Technik in Form einer optisch auslesbaren Platte, auf der außer Audiosignalen auch analoge Videosignale aufgezeichnet sind. Diese Platte - als Video-Long-Play (VLP) bezeichnet - stellt eine Ergänzung zur bekannten Audio-Long-Play (ALP) dar. Gegenüber Videobändern weisen derartige Platten den Vorteil auf, dass ihre Qualität durch wiederholten Gebrauch nicht beeinträchtigt wird. Nachteilig ist demgegenüber, dass sie nicht überschreibbar sind.

Als neuer Trend wurden nach den Erläuterungen der Klagepatentschrift I - allgemein unter der Bezeichnung CD-Audio bekannte - optisch auslesbare Audio-Platten entwickelt. Infolge ihrer allgemeinen Akzeptanz und dem Wunsch nach Integration von Audio- und Videoapparatur entstanden in der Folgezeit optisch auslesbare Platten, auf denen außer digitalisierten Audiosignalen ein analoges Videosignal vorhanden war, das einer Vollbewegungsvideoszene mit einer Dauer von einigen Minuten entsprach.

Zur Verlängerung der Spieldauer der Videoszene wurde das ursprünglich analoge Videosignal digitalisiert, wobei eine Vollbewegungsvideoszene als eine endliche Reihe von Bildern betrachtet wird, von denen beispielsweise fünfzig oder sechzig je Sekunde auftreten. Ein derartiges Bild besteht beispielsweise aus 288 Bildzeilen zu je 352 Bildelementen. Mittels eines Codierungsalgorithmus wird jedes Bild in einen Bilddatenblock umgewandelt, der so viele digitale Informationen aufweist, dass jedes Bildelement des Bildes rekonstruiert werden kann, gegebenenfalls mit Hilfe der Informationen aus anderen Bilddatenblöcken. Der Codierungsalgorithmus wird dabei derart gewählt, dass aufeinanderfolgende Bilddatenblöcke eine minimale Redundanzinformation aufweisen. Da die Länge jedes Bilddatenblockes (Anzahl Bits in diesem Bilddatenblock) auf diese Weise verkürzt wird und sehr begrenzt ist, kann eine Vielzahl derartiger Bilddatenblöcke auf einer optisch auslesbaren Platte angebracht werden.

Vor dem Hintergrund, dass der Preis einer Video-Verarbeitungsschaltung eines Wiedergabegerätes exponentiell mit der Anzahl der Operationen, welche die Schaltungsanordnung je Sekunde durchführen kann, zunimmt, und die im Stand der Technik bekannten Verfahren eine hohe Anzahl von durchzuführenden Operationen verlangen, die mithin nur mittels einer "sehr kräftigen" Video-Verarbeitungsschaltung verwirklicht werden können, hat es sich das Klagepatent I zur Aufgabe gemacht, einen Beitrag zur Digitalisierung und Kompression von Bilddaten zu leisten, um insbesondere ein Wiedergabegerät zur Verfügung zu stellen, das für ein sehr breites Publikum finanziell erschwinglich ist (Seite 2, Zeilen 13-16).

Zur Lösung dieser Aufgabe sieht Anspruch 1 des Klagepatents I ein Codierverfahren und Anspruch 3 des Klagepatents I eine optisch auslesbare Platte mit der Kombination folgender Merkmale vor:

Anspruch 1

a. Verfahren zum Übertragen einer Reihe von Bildern einer Vollbewegungs-Videoszene.

b. Jedes Bild wird mittels eines Codierungsalgorithmus in ein Bilddatenblock umgewandelt, der soviel digitale Information aufweist, dass jedes Bildelement des Bildes rekonstruiert werden kann.

c. Die Bilder der Reihe werden einer hierarchischen Codierung ausgesetzt,

i. wobei die ursprüngliche Reihe von Bildern als eine Anzahl verschachtelter Teilreihen mit einer in der Größe zunehmenden Rangordnung betrachtet wird,

ii. und wobei zum Codieren eines Bildes einer Teilreihe Bilder aus Teilreihen niedrigerer Rangordnung berücksichtigt werden.

d. Jedem Bilddatenblock ein Paketanfangsblock zugefügt wird, der die Rangordnung der Unterreihen angibt, denen das entsprechende Bild zugeordnet ist.

Anspruch 3

Optisch auslesbare Platte,

auf der eine Reihe von Bildern einer Vollbewegungs-Videoszene in Form einer Reihe von Bilddatenblöcken gespeichert ist,

wobei die Bilddatenblöcke nach dem Verfahren gemäß Anspruch 1 erhalten worden sind.

Mittels des erfindungsgemäßen Verfahrens kann - wie das Klagepatent I hervorhebt - das Wiedergabegerät eine Selektion innerhalb der angebotenen Bilddatenpakete vornehmen mit der Folge, dass nur Bilddatenpakete zur Weiterverarbeitung der Video-Verarbeitungsschaltung zugeführt werden, die bestimmte Anfangsblöcke besitzen. Nur auf diese Weise selektierte Bilddatenblöcke werden in der Video-Verarbeitungsschaltung einer hierarchischen Decodierung ausgesetzt, und zwar zur Erzeugung von Signalen, die zur Wiedergabe des Bildes an einem Bildschirm geeignet sind. Dies ermöglicht eine wesentlich weniger umfangreiche Ausgestaltung der Video-Verarbeitungsschaltung, so dass der Preis für die Schaltungsanordnung und damit auch der Preis für das Wiedergabegerät äußerst günstig ist (Seite 2, Zeilen 25-30; Seite 3, Zeilen 11-17).

2.

Das Klagepatent II betrifft ein Verfahren zum Übertragen von Audio- und/oder Videosignalen über irgendein Übertragungsmedium, wobei das Übertragungsmedium insbesondere aus einer optisch auslesbaren Platte besteht. Zugleich bezieht sich das Klagepatent II auf das Übertragungsmedium, auf dem die Audio- und/oder Videosignale aufgezeichnet worden sind (Übersetzung der Klagepatentschrift II, Anlage KC 2, Seite 1, Zeilen 1-3 und 5-7; weitere Verweise ohne Zusatz betreffen die T2-Schrift nach Anlage KC 2).

Das Klagepatent II referiert zunächst die bei der Digitalisierung eines Videosignals in einem Codierungsverfahren erfolgende Umwandlung der Bildfolge in eine Reihe von Videoblöcken, die jeweils so viel an digitaler Information enthalten, dass jedes Bild ohne wesentlichen Qualitätsverlust rekonstruiert werden kann. Von den wirtschaftlichsten Codierungsverfahren werden, so die Klagepatentschrift II, aufeinander folgende Signalteile in aufeinander folgende Codeblöcke variabler Länge umgewandelt, die bei Videosignalen als Videoblöcke bezeichnet werden. Die unterschiedliche Länge ergibt sich nach dem Klagepatent II daraus, dass bestimmte Bilder einer Intraframe-Codierung ausgesetzt werden, bei der das Bild aus den Codeblöcken vollständig rekonstruiert werden kann, bestimmte Bilder hingegen einer Interframe-Codierung unterzogen werden, was bedeutet, dass diese Bilder nur mit Hilfe und unter Rückgriff auf andere Bilder zu rekonstruieren sind. Wenn das Speichermedium abgespielt wird, werden die aufeinander folgenden Videoblöcke, die wie erwähnt eine variable Länge aufweisen, zu unregelmäßigen Zeitpunkten ausgelesen. Außerdem können sich die Videoblöcke auf einem Speichermedium mit anderen Datensignalen abwechseln, beispielsweise mit lippensynchronen digitalen Audiosignalen entsprechend der Videoszene.

Da die den Videoblöcken entsprechenden Bilder von dem Wiedergabegerät mit einer konstanten Frequenz (von beispielsweise 25 Bildern pro Sekunde) abgespielt werden sollten und der Zeitpunkt, an dem ein Videoblock der optischen Platte ausgelesen wird, nur selten genau mit dem Zeitpunkt übereinstimmt, wo das entsprechende Bild der Videoszene wiedergegeben werden soll, werden die Videoblöcke in dem Abspielgerät einem Pufferspeicher zugeführt, und zwar mit einer Frequenz, die von der "Packung" der Blöcke auf dem Speichermedium vollständig vorgegeben ist. Sodann werden sie mit einer zur Wiedergabe erforderlichen Frequenz aus dem Pufferspeicher ausgelesen. Der dem nächsten wiederzugebenden Bild entsprechende Videoblock sollte immer bereits vollständig im Puffer gespeichert sein (Seite 2, Zeile 12-23). Sobald ein Bild decodiert worden ist, kann der zugehörige Block aus dem Puffer entfernt und der freiwerdende Pufferraum durch nachfolgende Videoblöcke beschrieben werden. Das Fehlen eines vollständigen Videoblocks in dem Puffer zu dem Zeitpunkt, wo das entsprechende Bild decodiert und wiedergegeben werden soll, wird auch als "Unterlauf" des Puffers bezeichnet. Die Wiedergabe der Videoszene stockt dann und ein geschmeidiger Bildlauf wird nicht erreicht. Zugleich muss vermieden werden, dass die Wiedergabe einer Videoszene zu spät nach dem Empfang des zugehörigen Videoblockes startet, weil es dann denkbar ist, dass der Puffer sich füllt und die Wiedergabe ebenfalls startet. Dies wird als "Überlauf" des Puffers bezeichnet (Seite 3, Zeile 1-18).

Als relevanten Stand der Technik beschreibt die Klagepatentschrift II ein Verfahren zur Vermeidung eines Pufferüber- und -unterlaufs, bei dem zu dem Zeitpunkt, an dem die Decodierung des gegenwärtig empfangenen Bildes starten soll, ein Steuersignal übertragen wird.

Aus diesem Stand der Technik ergeben sich nach den Angaben der Beschreibung die folgenden Merkmale aus Anspruch 1 des Klagepatents II:

Verfahren

zur Übertragung von Audio- und/oder Video-Signalen,

wobei aufeinander folgende Signalteile mittels eines Codierungsalgorithmus in Codeblöcke codiert werden,

wobei dieses Verfahren den nachfolgenden Verfah- rensschritt umfasst:

das Übertragen eines Steuersignals;

das Steuersignal ist indikativ für den Zeitpunkt, wo ein Codeblock decodiert werden soll.

Da es nach diesem Stand der Technik auf den Zeitpunkt der Übertragung des Steuersignals ankommt, muss unbedingt gewährleistet sein, dass es aus einem einzigartigen Code besteht, der niemals an einer anderen Stelle in dem codierten Signal auftreten darf (Seite 3, Zeile 22-28). Darüber hinaus beschreibt es die Klagepatentschrift II als nachteilig, dass nach diesem Verfahren eine Verzögerung von nur einem Bild zwischen der Codierung und der Decodierung jedes Bildes beibehalten werden muss, denn eine Verzögerung von mehr als einem Bild würde es erfordern, dass das Steuersignal ebenfalls angibt, welches Bild von dem Empfänger decodiert werden soll (vgl. Seite 3, Zeile 28 bis Seite 4, Zeile 2).

Davon ausgehend liegt dem Klagepatent II die Aufgabe (das technische Problem) zugrunde, ein verbessertes Verfahren zum Übertragen von Audio- und/oder Video-Signalen zu schaffen, bei dem das Auftreten von Überlauf und Unterlauf des Puffers vermieden wird, so dass die Wiedergabe von Bildern auf ungestörte Weise erfolgen kann (Seite 4, Zeile 3-6).

Zur Lösung dieser Aufgabe fügt Anspruch 1 des Klagepatents II den oben genannten Merkmalen die folgenden weiteren Merkmale hinzu:

Das Steuersignal wird durch einen Parameter gebildet, der sich an einer vorbestimmten Stelle eines Code- blocks befindet;

dieser Parameter gibt die Größe der Verzögerung an, um die der Codeblock decodiert werden muss, nach- dem er empfangen worden ist.

Abweichend von der deutschen Übersetzung, die von "Verfahrensschritten" im Plural spricht, und in Anlehnung an die für die Auslegung maßgebliche englischsprachige Anspruchsfassung (Anlage KC 1, Spalte 11 Zeile 11: "comprising the step of transmitting ...") wird auch in der hiesigen Merkmalsgliederung in Merkmal (3) der Singular benutzt. Dies deckt sich mit dem Inhalt des Anspruchs 1, der neben dem Übertragen eines Steuersignals nach Merkmal (4), das den Anforderungen der Merkmale (5) bis (7) genügt, keinen weiteren Verfahrensschritt vorsieht. Das "Bilden eines Steuersignals" gemäß Merkmal (6) stellt keinen weiteren Verfahrensschritt dar, weil mit dieser Formulierung nur angegeben werden soll, dass ein Parameter nach Merkmalen (6) und (7) das übertragene Steuersignal darstellen soll, das Steuersignal also aus einem solchen Parameter besteht. Das wird in der maßgeblichen englischsprachigen Anspruchsfassung deutlich, die das "Bilden" des Steuersignals durch einen näher gekennzeichneten Parameter umschreibt mit den Worten: "the control signal is constituted by ...".

Patentanspruch 12 schützt in Verbindung mit Patentanspruch 11 unmittelbar das Speichermedium, auf dem Signale nach Anspruch 11 gespeichert wurden, die nach Verfahrensanspruch 1 codiert worden sind. Die kombinierten Merkmale beider Ansprüche lassen sich in Form einer Merkmalsgliederung wie folgt darstellen:

Speichermedium, auf dem ein codiertes Audio- und/oder Video-Signal gespeichert ist,

wobei aufeinander folgende Signalteile mittels eines Codierungsalgorithmus in Codeblöcke codiert werden,

wobei das Signal ein Steuersignal aufweist, das indika- tiv ist für den Zeitpunkt, wo ein Codeblock decodiert werden muss,

wobei das Steuersignal durch einen Parameter gebil- det wird, der sich an einer vorbestimmten Stelle eines Codeblocks befindet,

wobei dieser Parameter die Größe der Verzögerung angibt, um die der Codeblock decodiert werden muss, nachdem er empfangen worden ist.

Durch die über den Stand der Technik hinausgehenden Merkmale sieht das Klagepatent II vor, dass das Steuersignal durch einen Parameter gebildet wird, der sich an einer vorbestimmten Stelle eines Codeblocks befindet (Merkmal (6), Anspruch 1; Merkmal (4), Ansprüche 12/11; weitere Merkmalsverweise beziehen sich nur noch auf die Merkmalsgliederung zu Anspruch 1). Dieses Steuersignal ist indikativ für den Zeitpunkt, zu dem ein Codeblock decodiert werden soll, zeigt dem Decodierer mithin an, wann die Decodierung erfolgen soll, Merkmal (5). Dies geschieht dadurch, dass der Parameter die Größe der Verzögerung angibt, um die der Codeblock nach dem Zeitpunkt seines Empfangs decodiert werden muss, Merkmal (7). Weil gemäß Merkmal (6) die Stelle des Parameters für das indikative Steuersignal, mithin seine Position im codierten Signal, vorbestimmt ist, braucht der Parameter nicht mehr einzigartig codiert zu sein, um als solcher erkannt zu werden, und kann daher einen großen Bereich verschiedener Werte annehmen (Seite 4, Zeile 10-12). Darüber hinaus ist durch die Lokalisation des Parameters an einer vorbestimmten Stelle des Codeblocks die Möglichkeit eröffnet, dass die Verzögerung nach Merkmal (7) auch mehr als eine einzelne Bildperiode betragen kann (Seite 4, Zeile 12f.). Wenn das Bild dann mit der vorgegebenen Verzögerung decodiert wird, kann es ohne die Gefahr des Pufferüber- oder -unterlaufs wiedergegeben werden, was eine ungestörte Wiedergabe gewährleistet. Durch die Übertragung des auch als Decoderverzögerungsparameter (oder Decoderverzögerung) bezeichneten Parameters wird auch die synchrone Wiedergabe zweier Signale (etwa eines Videosignals mit einem im Zeitmultiplexverfahren zugeordneten Audiosignals) ermöglicht (Seite 4, Zeile 14-21). Die Decodierverzögerung nach Merkmal (7) konkretisiert, auf welche Weise dem Decodierer mitgeteilt wird, wann er mit dem Decodieren beginnen soll, nämlich in Gestalt einer Angabe über die Größe der Verzögerung zwischen Empfang des Codeblocks und seiner Decodierung. Dieser Parameter kann nach der Klagepatentschrift II (Seite 14, Zeile 19 bis Seite 15, Zeile 5) verschiedene Formate annehmen, beispielsweise eine Zeitangabe (entsprechend Unteranspruch 5), die Anzahl von Taktperioden eines vorbestimmten Taktsignals (Unteranspruch 6), den Stand eines Zählers (Unteranspruch 7) oder den Belegungsgrad des Pufferspeichers des Decodierers (Unteranspruch 8) darstellen.

Den Begriff des Steuersignals nach Merkmal (4) versteht der Fachmann auf dem Gebiet des Klagepatents II, ein Elektroingenieur der Fachrichtung Nachrichtenübertragung mit Universitätsabschluss und mehrjähriger Erfahrung auf dem Gebiet der digitalen Datenübertragung und den dort verwendeten Codier- und Decodierverfahren, dahin, dass das Steuersignal unmittelbar steuernd auf die gesteuerte Einheit - den Decodierer - einwirken muss, ohne diesem eine eigene Entscheidungsmöglichkeit zu überlassen, für die er auf andere Parameter (d.h. andere als denjenigen, der das Steuersignal im Sinne des Klagepatents II bildet) zurückgreifen müsste. Inhalt des Steuersignals ist die Angabe, zu welchem Zeitpunkt ein Codeblock decodiert werden soll, denn für diesen soll das Steuersignal indikativ sein (Merkmal (5)). Der allgemeine Wortsinn des "Steuersignals" wird durch Merkmal (7) noch unterstrichen. Denn die "Größe der Verzögerung" bezeichnet bereits einen endgültigen Parameter auf Decoderseite und nicht lediglich eine Bezugsgröße, auf deren Grundlage der endgültige Parameter vom Decodierer zunächst noch errechnet werden muss. Im in der Klagepatentschrift II ausdrücklich gewürdigten Stand der Technik war ein Steuersignal bekannt, das zu exakt diesem Zeitpunkt übertragen wurde und somit allein durch seine Übertragung den Beginn des Decodiervorgangs am betreffenden Codeblock markierte. Um die damit verbundenen Nachteile, die erforderliche Einzigartigkeit des Steuersignals und die maximale Verzögerung von nur einem Bild, zu vermeiden, sieht Anspruch 1 des Klagepatents II gemäß Merkmal (6) vor, dass sich das Steuersignal an einer vorbestimmten Stelle befindet (und daher nicht mehr einzigartig zu sein braucht, um erkannt zu werden), und gemäß Merkmal (7), dass der das Steuersignal bildende Parameter die Größe der Verzögerung zwischen Empfang des Codeblocks und seinem Decodierbeginn angibt (so dass die Decoderverzögerung auch über ein Bild hinausreichen kann). Die Lösung dieser Aufgabe des Klagepatents II hängt aber nicht davon ab, sich auch von dem überkommenen und allgemeinen Verständnis des "Steuersignals" zu lösen, wonach dieses eine unmittelbare Steuerungswirkung entfaltet, ohne der gesteuerten Einheit noch Entscheidungsfreiheiten zu lassen. Es würde damit über den Wortsinn des "indikativen Steuersignals, das mittels der Größe der Verzögerung den Zeitpunkt angibt, zu dem ein Codeblock decodiert werden soll", hinausgehen, lediglich einen Füllstand des Codiererpuffers anzugeben und zu übertragen, aus dem der Decodierer sodann durch eigene Rechenoperationen ableiten könnte, wann er mit dem Decodieren des betreffenden Codeblocks beginnen soll. Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass dem Decodierer unter der Prämisse eines gleich großen Pufferspeichers die Berechnung des Decodierzeitpunktes in Kenntnis des codiererseitigen Pufferfüllstandes möglich sein mag. Denn dies entspräche nicht dem Wortsinn des indikativen Steuersignals nach Merkmalen (5) und (7). Dass die Puffergröße B auf Codierer- wie Decodiererseite im Zusammenhang mit dem in der Klagepatentschrift II dargestellten bevorzugten Ausführungsbeispiel gleich groß gesetzt ist, lässt für die Auslegung nicht den Schluss zu, dass auch die Lehre des Klagepatents II dies voraussetzt, denn dafür sind keine Anhaltspunkte ersichtlich.

Das Steuersignal nach Merkmalen (5) bis (7) wird in der Figur 3A der Klagepatentschrift II anhand eines bevorzugten Ausführungsbeispiels näher erläutert. Dabei bezeichnet das Klagepatent II mit "Td" die so genannte Decoderverzögerung (vgl. Seite 4, Zeile17f. und Seite 9, Zeile 27f.), die die Verzögerungszeit zwischen dem Zeitpunkt, an dem der Empfang des betreffenden Videoblocks in dem Decodierungspuffer beginnt, und dem Zeitpunkt, an dem dieser Videoblock aus dem Decodierungspuffer ausgelesen werden soll, angibt. Während auf der x-Achse der Zeitverlauf (unter Berücksichtigung einer der Bildwiedergabe entsprechenden Taktung) wiedergegeben ist, sind auf der y-Achse die ein- bzw. ausgelesenen Datenmengen hinsichtlich beider Puffer (auf Codierer- wie auf Decodiererseite) aufgetragen. Die stufenartige Kurve ne(t) gibt die in den Codierungspuffer ("e" für engl. Encoder) eingelesenen Blöcke wieder, die stufenartige Kurve nd(t) die aus dem Decodierungspuffer ("d" für Decoder) ausgelesenen Blöcke. Die Gerade nS(t) setzt den aus dem Codierungspuffer ausgelesenen Datenfluss mit dem in den Decodierungspuffer eingelesenen Datenfluss gleich und vernachlässigt dabei, wie die Beschreibung selbst erwähnt (Seite 9, Zeile 6f.), eine etwa erforderliche tatsächliche Übertragungszeit. Um sowohl einen Über- als auch einen Unterlauf des Decodierungspuffers zu vermeiden, müssen die das Einlesen in den Codierungspuffer und das Auslesen aus dem Decodierungspuffer betreffenden stufenartigen Datenübertragungskurven ne(t) und nd(t) auf die Gerade nS(t) mit ihrem gleichmäßigen, bitweisen Datenstrom bzw. Datenströmen abgestimmt werden. Für den im Rahmen der klagepatentgemäßen Lehre interessierenden Decodierungspuffer bedeutet dies, dass die Kurve nd(t) weder die Gerade nS(t) schneidet (Unterlauf) noch die Gerade n1(t) (Überlauf), die in einem (vertikalen) Abstand B von der Geraden nS(t) verläuft, wobei der Abstand B der Puffergröße auf Decodiererseite entspricht (vgl. Seite 9, Zeile 9-13). Lediglich im bevorzugten Ausführungsbeispiel ist die Puffergröße B des Decodierers gleich groß wie diejenige des Codierers (vgl. Seite 9, Zeile 1-3). Die Entladekurve des Decodiererpuffers muss daher auf der x-Achse so angeordnet werden, dass sie beide Begrenzungslinien nicht schneidet, um sowohl einen Über- als auch einen Unterlauf zu vermeiden. Dies gibt der Parameter Td vor, der ergänzt um den Parameter Te (für die Verzögerung zwischen dem Einlesen der Bildblöcke in den Codierungspuffer und dem Beginn des Auslesens aus dem Codierungspuffer) die gesamte zeitliche Verschiebung zwischen der Kurve ne(t) und der Kurve nd(t) bestimmt. In dem konkreten Beispiel nach Figur 3 der Klagepatentschrift II, bei dem die Puffer auf Codierer- wie auf Decodiererseite gleich groß und die Einlese- und Auslesegeschwindigkeit konstant und zueinander gleichförmig sind, entsprechen sich die genannten Kurven, wobei die Kurve nd(t) lediglich die Kurve ne(t) um das Zeitintervall T = Te + Td verschoben darstellt. Dabei schreibt das Klagepatent II nicht vor, wie der Verzögerungsparameter Td zu berechnen ist, sondern stellt seine Berechnung in das Können des Fachmanns.

Die Klagepatentschrift II weist im Zusammenhang mit der Darstellung der bevorzugten Ausführungsform zwar darauf hin, dass der Verzögerungsparameter an sich nur einmalig zusammen mit dem ersten Videoblock einer Videoszene angegeben und übertragen werden müsste, woraufhin der Ausleseprozess mit der konkreten Bildfrequenz automatisch fortsetzt werden könne (Seite 10, Zeile 29 bis Seite 11, Zeile 5; zugleich Unteranspruch 2). Dabei wird aber vorausgesetzt, dass die Puffer auf Codierer- und Decodiererseite gleich groß sind und mit einer konstanten Ein- und Auslesegeschwindigkeit arbeiten. Zugleich stellt die Klagepatentschrift II klar, dass die Decoderverzögerung im Allgemeinen für jeden Videoblock anders sein wird (Seite 11, Zeile 9f.). Es ist daher patentgemäß auch möglich, den Decoderverzögerungsparameter einem jedem Videoblock gesondert zuzuweisen, was die Beschreibung anhand des 7. Teilbildes der Figur 3A und der Decoderverzögerung Td7 ausdrücklich erläutert (vgl. Seite 11, Zeile 14 bis Seite 12, Zeile 2; zugleich Unteransprüche 3 und 4). Auch die Klagepatentschrift II unterscheidet somit zwischen einem einmaligen Verzögerungsparameter Td und einem individuellen (auf den Block "x" bezogenen) Verzögerungsparameter Tdx, wobei sich beide Varianten innerhalb der Lehre nach Anspruch 1 halten (vgl. Unteranspruch 2 einerseits, Unteransprüche 3 und 4 andererseits).

Aus der Schilderung der Beschreibung, wie sich ein geeigneter Wert für die Decoderverzögerung Td berechnen lässt (Seite 10, Zeile 21-28), darf allerdings nicht geschlossen werden, die senderseitige Berechnung der Verzögerungszeit werde als Teil der technischen Lehre des Klagepatents II mit beansprucht. Dem steht bereits entgegen, dass der Verzögerungsparameter nicht zwingend durch eine Zeitangabe dargestellt werden muss (wie es Gegenstand des abhängigen Unteranspruchs 5 ist), sondern ebenso gut auch eine Anzahl Taktperioden eines vorbestimmten Taktsignals bezeichnen (Unteranspruch 6), den Stand eines Zählers (Unteranspruch 7) oder den Belegungsgrad eines Pufferspeichers (Unteranspruch 8) angeben kann (vgl. Seite 14, Zeile 19 bis Seite 15, Zeile 2). Bei dem Rückgriff auf die Zeitangabe Td aus dem bevorzugten Ausführungsbeispiel nach Figur 3 handelt es sich daher lediglich um eine beispielhafte Angabe.

Nach Merkmal (7) gibt der das Steuersignal (das den Zeitpunkt der Decodierung eines Codeblocks anzeigt) bildende Parameter die "Größe der Verzögerung" an. In der maßgeblichen englischen Anspruchsfassung heißt es:

"indicating the quantity of delay with which the code block must be decoded after it has been received".

Das belegt auch im Hinblick auf Merkmal (5), dass nach der Lehre des Klagepatents II dem Decoder allein durch den anspruchsgemäßen Verzögerungsparameter angezeigt ("indicating ...") werden muss, welches der richtige Zeitpunkt für den Beginn des Auslesens ist. Für die Bestimmung der Verzögerungszeit darf der Decoder keine weiteren Angaben als diese "Größe der Verzögerung" ("the quantity of delay") benötigen, um den Zeitpunkt des Decodierungsbeginns berechnen zu können; allein der das Steuersignal bildende Verzögerungsparameter soll die Größe der Decodierungsverzögerung ab dem Empfangszeitpunkt des betreffenden Codeblocks anzeigen. Nur diesen Parameter, der im bevorzugten Ausführungsbeispiel in dem Anhang "LBL" enthalten ist (vgl. Seite 7, Zeile 4-6, Zeile 21 und Seite 11, Zeile 19-21), soll der Decoder verwenden müssen, ohne im Zuge einer Auswertung daneben auch auf andere Angaben zurückzugreifen, wie etwa die Puffergröße oder sonstige Betriebsparameter auf Codiererseite. Dies deckt sich mit den in Unteransprüchen 5 bis 8 genannten Beispiele für die Darstellung des Verzögerungsparameters, die sämtlich von den Betriebsparametern des Codierers (etwa seiner Puffergröße) abstrahieren. Weder der (absolute oder relative) Belegungsgrad des Decoderpuffers noch die Angabe der Zeitverzögerung ab dem Einschreiben des Videoblocks in den Decoderpuffer noch der Stand eines Zählers sind davon abhängig, welche Betriebsparameter auf Seiten des Codierers gegeben sind.

Der Wortsinn des Begriffs "Steuersignal", das für den Zeitpunkt, wo ein Codeblock decodiert werden soll, "indikativ" ist im Sinne des Merkmals (5), beschreibt mithin, dass das Steuersignal die von ihm angesprochene Einheit (den Decodierer) unmittelbar und ohne Hinzunahme weiterer Hilfsgrößen steuert. Ein dergestalt "indikatives Steuersignal" liegt hingegen nicht vor, wenn der Decoder das Signal noch unter Hinzunahme weiterer Umstände und Umfeld-Bedingungen interpretieren und auswerten muss, wobei das Signal ihm lediglich einen Parameter neben anderen benötigten zur Verfügung stellt, aus denen der Decoder den Zeitpunkt für die Decodierung (die das Klagepatent II offensichtlich mit dem Zeitpunkt des Auslesens und Entfernens aus dem Decoderpuffer gleichsetzt, vgl. Seite 2, Zeile 24-26) sodann seinerseits errechnen kann. Für ein solches weiteres Verständnis streiten weder die diversen in den beschreibenden Ausführungen (Seite 14, Zeile 19ff.) noch den Unteransprüchen 5 bis 8 aufgezeigten möglichen Größen, die den Verzögerungsparameter patentgemäß darstellen können. Denn auch sie alle haben gemein, dass der Decoder allein aus ihnen und ohne weitere Erkenntnisse über Betriebsparameter des verwendeten Codierers den Zeitpunkt des Decodierens (und damit zugleich des Auslesens) unmittelbar ableiten kann.

Ein solches - weiteres - Verständnis lässt sich im Wege der Auslegung auch nicht dadurch begründen, dass die Gesamtverzögerungszeit T eine Konstante darstellt, die sich aus der Codierverzögerung Td und der Decodierverzögerung Te zusammensetzt. Sie lässt sich in Kenntnis der Puffergröße B (gemessen in Bit) und der Videobitrate (in Bit/s), mit der der Puffer beschrieben und ausgelesen wird, leicht errechnen (vgl. Seite 10, Zeile 21 - 28). Zwar lassen sich diese Angaben der zur Auslegung heranzuziehenden Beschreibung der Ausführungsbeispiele entnehmen. Gleichwohl rechtfertigt dies nicht die Annahme, dem Klagepatent II genüge es, wenn dem Decodierer durch die Angabe eines irgendwie gearteten Signals die Berechnung des blockbezogenen Decodierbeginns ermöglicht wird. Denn es ist nicht Gegenstand der patentgemäßen Lehre, wie die "Größe der Verzögerung" (Merkmal (7)) berechnet wird. Dass die Beschreibung eines bevorzugten Ausführungsbeispiels dem Fachmann Möglichkeiten an die Hand gibt, wie er die Größe Td als Zeitangabe im Sinne der Variante nach Unteranspruch 5 berechnen kann (und wie auch ein Decoder, dem die codiererseitige Verzögerung Te sowie die dortige Puffergröße mitgeteilt wird, die Größe Td rechnerisch ermitteln könnte), ändert nichts daran, dass die Ermittlung der "Größe der Verzögerung" in den Patentansprüchen keinen Niederschlag gefunden hat. Die in den Unteransprüchen 5 bis 8 genannten Darstellungsvarianten deuten vielmehr indiziell darauf hin, dass das Klagepatent II eine Berechnung auf Decodiererseite gerade nicht als patentgemäß angesehen hat, wie dies auch dem allgemeinen Verständnis eines "Steuersignals" entspricht.

Diese Auslegung steht auch im Einklang mit Unteranspruch 8 des Klagepatents II, wonach der Parameter nach Merkmalen (6) und (7) den Belegungsgrad eines Pufferspeichers angibt, in dem die empfangenen Codeblöcke gespeichert werden. So ist es nur dann (aber immerhin dann) möglich, die Größe der Verzögerung durch den Belegungsgrad des decoderseitigen Pufferspeichers anzugeben, wenn der Codierer die Gesamtpuffergröße des Decoders bereits kennt. Eine Entscheidungsmöglichkeit bleibt dem Decoder auch in diesem Fall nicht, denn er muss lediglich den Abgleich zwischen dem erreichten Pufferfüllstand und dem ihm codiererseitig bereits vorgegebenen Belegungsgrad vornehmen. Das hält sich im Rahmen eines "indikativen Steuersignals", das dem Decodierer keinen Entscheidungsspielraum lässt. Auch nach Unteranspruch 8, der auf Anspruch 1 rückbezogen ist, übernimmt damit bereits der Codierer die Vorgabe der "Größe der Verzögerung" (Merkmal (7)), auf die der Decodierer schlicht reagiert. Unteranspruch 8 streitet daher nicht gegen eine enge Auslegung des "indikativen Steuersignals", weil auch hier bereits der Codierer allein die Bestimmung der Größe der Verzögerung vorgenommen hat und diese lediglich in Gestalt des Belegungsgrades ausdrückt. Die technische Lehre des Klagepatents II ist mit dem Übertragen der Audio- und/oder Video-Signale in dem Sinne "beendet", als der Decodierer keine Berechnung der Größe der Verzögerung mehr vorzunehmen braucht, weil dies bereits codiererseitig im Steuersignal berücksichtigt wurde.

In Abkehr vom Stand der Technik, wo ein Steuersignal übertragen wurde, das unmittelbar den Decodierbeginn in Sinne eines "Jetzt"-Befehls markierte, soll das patentgemäße Steuersignal an einer vorbestimmten Stelle (etwa in dem im Zusammenhang mit dem bevorzugten Ausführungsbeispiel erwähnten "label LBL") angeordnet sein (Merkmal (6)), so dass das Steuersignal nicht mehr zwingend eine charakteristische Struktur aufweisen muss und eine größere Flexibilität in der Darstellung der Größe der Verzögerung erreicht wird. Es kann daher zu einem beliebigen Zeitpunkt übermittelt werden, weil es die Information, wann der zugehörige Codeblock verarbeitet werden soll, in sich trägt. Anspruchsgemäß ist jedenfalls eine Darstellung des Steuersignals in einem jedem Codeblock vorangestellten Header (vgl. Seite 6, Zeile 13-15 in Verbindung mit dem Ausführungsbeispiel nach Figur 1E), wobei nicht jeder Codeblock, zumindest aber der erste einer Videoszene, das Steuersignal enthalten muss.

III.

Nach dem gesamten Inhalt der Verhandlungen (§ 286 Abs. 1 ZPO) ist davon auszugehen, dass die Beklagte bei ihrer DVD-Herstellung auf das beiden Patenten zugrundeliegende Decodierverfahren zurückgreift.

1.

Nach dem unwidersprochenen Vorbringen der Klägerin sind die DVDs der Beklagten auf gängigen DVD-Abspielgeräten abspielbar und stellt der MPEG 2-Standard das in der Praxis dominierende Codierverfahren dar.

Der von der Internationalen Organisation für Standardisierung (ISO) ausgearbeitete MPEG 2-Standard befasst sich u.a. mit der Kombination eines oder mehrerer Datenströme zum Zwecke der Speicherung oder Übertragung (ISO/IEC 13818-1 "Systems"). Speziell für die Verarbeitung von Videosignalen enthält er darüber hinaus technische Vorschriften für die Bildkomprimierung und -dekomprimierung (ISO/IEC 13818-2 "Video"). Die Vorgaben des MPEG 2-Standards sind zwar nicht in dem Sinne zwingend, dass sie lediglich eine einzige Vorgehensweise - unter Ausschluss aller anderen - tolerieren. Im Gegenteil enthält der Standard an verschiedenen Stellen Optionen, von denen im Einzelfall (d.h. bei der Codierung konkreter Videodaten) Gebrauch gemacht werden kann oder nicht bzw. die nur unter speziellen Anwendungsbedingungen bedeutsam sind, unter anderen hingegen nicht. Das gilt auch für den Video-Standardteil, welcher sich mit der "zeitlichen Verarbeitung" der Daten befasst. AaO (Intro 4.1.1) heißt es:

"Aufgrund des Konflikts zwischen dem Erfordernis des Direktzugriffs und der hocheffizienten Kompression werden drei Hauptbildarten definiert. Intracodierte Bilder (I-Bilder) werden ohne Bezugnahme auf andere Bilder ... mit nur mäßiger Kompression codiert. Prädiktiv codierte Bilder (P-Bilder) werden effizienter codiert unter Verwendung bewegungskompensierter Prädiktion aus einem vergangenen intracodierten oder prädiktiv codierten Bild ... . Bidirektionalprädiktiv codierte Bilder (B-Bilder) liefern den höchsten Kompressionsgrad, erfordern jedoch sowohl vergangene als auch zukünftige Bezugsbilder für die Bewegungskompensation. ... Die Anordnung der drei Bildarten in einer Sequenz ist sehr flexibel. Die Wahl wird dem Codierer überlassen und hängt von den Anforderungen der Anwendung ab. Figur I-1 veranschaulicht ein Beispiel der Beziehung zwischen den drei verschiedenen Bildarten."

Dass die dem Anwender im Standard zur Verfügung gestellten Verhaltensoptionen - d.h. einzelne von ihnen - rein theoretischer Natur wären und in der Praxis keine Anwendung fänden, trägt auch die Beklagte nicht vor. Wenn aber von dem gesamten Standard (einschließlich seiner Optionen) bei der Datencodierung Gebrauch gemacht wird, so ist grundsätzlich auch der Standard mit seinem gesamten Inhalt (einschließlich der Optionen) geeignet, eine Aussage darüber zu treffen, in welcher technischen Weise bei Einhaltung des MPEG 2-Standards verfahren wird. Steht - wie hier - fest, dass ein Benutzer den MPEG 2-Standard beachtet, und ist des weiteren gesichert, dass eine mögliche dem Standard entsprechende Vorgehensweise zur (wortsinngemäßen oder äquivalenten) Benutzung des Klagepatents I führt, so ist deshalb von einer Patentverletzung auszugehen, wenn der Umfang der Geschäftstätigkeit des Beklagten (oder sonstige vom Kläger darzulegende Umstände) den sicheren Schluss zulassen, dass die Vorgaben des Standards bei Ausübung der Geschäftstätigkeit in ihrer gesamten Breite ausgeschöpft worden sind. Dem Beklagten obliegt unter solchen Umständen der konkrete Vortrag dazu, dass und weshalb er bei der Befolgung des Standards die zur Merkmalsverwirklichung führende Option keinesfalls angewandt hat.

2.

Der MPEG 2-Standard kennt ein Verfahren zur Übertragung einer Reihe von Bildern einer Vollbewegungs-Videoszene wie es das Klagepatent I lehrt.

Standardgemäß ist insbesondere eine hierarchische Codierung der Bilder entsprechend den Merkmalen (3a) und (3b) des Klagepatents I. Die maßgeblichen Vorgaben dazu finden sich in dem bereits angeführten Abschnitt "Intro 4.1.1 Zeitliche Verarbeitung" sowie in dem Abschnitt "6.1.1.5 Bildarten" des MPEG 2-Standards. AaO werden die drei Arten von Bildern jeweils in der oben dargelegten Weise näher definiert. Die nur mäßig komprimierten I-Bilder werden als Referenzbilder beschrieben, die als Basis für die von ihnen abhängigen, deutlich höhere Kompressionsraten aufweisenden P- und B-Bilder dienen.

Da der MPEG 2-Standard das Klagepatent I umfasst und ausreichende Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Beklagte im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit auch von den das Klagepatent I betreffenden Optionen des Standards Gebrauch gemacht hat, ist es Sache der Beklagten darzutun, dass es trotz Befolgung des MPEG 2-Standards nicht zu einer patentgemäßen Verfahrensführung gekommen ist. Dieser Darlegungslast ist die Beklagte nicht nachgekommen.

Die Beklagte hat sich darauf beschränkt, einfach zu bestreiten, dass sie die streitgegenständlichen Patente bei der Produktion ihrer DVDs einsetzt. Dieses einfache Bestreiten ist aber nicht ausreichend. Die Klägerin hat zunächst darzulegen, dass die angegriffene Ausführungsform die technische Lehre des Klagepatents verwirklicht. Ihrer Darlegungslast ist sie bereits dadurch nachgekommen, dass sie in der Klageschrift die konkrete Behauptung aufgestellt hat, die angegriffene Ausführungsform mache von jedem Merkmal der geltend gemachten Patentansprüche Gebrauch. Irgend eines Nachweises hierzu bedarf es zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Um diesen Patentverletzungsvorwurf erheblich zu bestreiten, ist es dann seitens der Beklagten erforderlich, dass sie der Wahrheit gemäß (§ 138 ZPO) erklärt, ob und gegebenenfalls welches Anspruchsmerkmal von der angegriffenen Ausführungsform nicht verwirklicht werden soll. Nur wenn die Beklagte sich in diesem Sinne konkret geäußert hat, ist der betreffende Sachvortrag streitig, so dass die Klägerin erst dann ihre Behauptung weiter ausführen, d.h. mitteilen müsste, aufgrund welcher Untersuchungen sie zu welchen die Patentverletzung bestätigenden Ergebnissen gelangt ist (vgl. Kühnen, Die Durchsetzung von Patenten, 3. Aufl. Rn 522).

2.

a)

Das Verfahren zur Übertragung von Audio- und/oder Videosignalen nach Anspruch 1 des Klagepatents II ist zwingender Bestandteil des MPEG-2-Standards.

Der MPEG-2-Video-Standard verwirklicht die Merkmale des Anspruchs 1 durch die Vorgaben in Abschnitt 6.3.9 betreffend den dort genannten Parameter "vbv_delay". Insoweit heißt es in der deutschen Übersetzung des zu dem Geschäftszeichen 4 b O 111/07 als Anlage KB 6 zur Akte gereichten Standardtextes:

"vbv_delay - Vbv_delay ist eine vorzeichenlose 16-Bit-Ganzzahl. In allen Fällen, in denen vbv_delay nicht den hexadezimalen Wert FFFF aufweist, ist der Wert von vbv_delay die Anzahl von Perioden eines 90 kHz Taktes, der von dem 27 MHz Systemtaktgeber abgeleitet ist, die die VBV nach Empfang des letzten Byte des Bildstartcodes warten soll, bevor das Bild decodiert wird. Vbv_delay muss codiert sein, um die Verzögerung darzustellen, wie oben spezifiziert, oder sie muss mit dem hexadezimalen Wert FFFF codiert sein. ..."

Die Bezeichnung "VBV" steht für den "video buffering verifier" und ist in Ziffer 3.135 des Standards (Az.: 4b O 111/07 Anlage KB 6) definiert als

"A hypothetical decoder that is conceptually connected to the output of the encoder. Its purpose is to provide a constraint on the variability of the data rate that an encoder or editing process may produce.”

Der Parameter vbv_delay stellt ein Steuersignal dar, das für den Zeitpunkt, an dem der Codeblock, dem es vorangestellt ist, decodiert werden soll, indikativ ist (Merkmale (4) und (5)). Es wird zugleich durch einen Parameter gebildet, der sich im "Picture Header", also im Bilddateianfangssatz (Abschnitt 6.3.9), befindet und damit an einer vorbestimmten Stelle des Codeblocks (Merkmal (6)). Das ergibt sich aus der Behandlung des Parameters vbv_delay in dem Abschnitt 6.3.9, der ausweislich seiner Überschrift den Bilddateianfangssatz ("Picture Header") betrifft. Indem immer dann, wenn vbv_delay nicht den hexadezimalen Wert FFFF aufweist, der Wert von vbv_delay die Anzahl von Perioden eines 90 kHz-Taktes angibt, die "Video buffering verifier" nach Empfang des letzten Byte des Bildstartcodes warten soll, bevor das Bild decodiert wird, gibt der Parameter vbv_delay die Größe der Verzögerung im Sinne des Merkmals (7) an.

Die Beklagte hat nicht in Abrede gestellt, dass damit das Verfahren nach Anspruch 1 des Klagepatents wortsinngemäß benutzt wird. Es ist mithin unstreitig, dass dann, wenn vbv_delay den Wert FFFF aufweist, was auch nach Abschnitt 6.3.9 möglich ist, kein patentgemäßes Steuersignal übertragen wird. Die Beklagte hat auch nicht substantiiert bestritten, dass in allen anderen Fällen, in denen vbv_delay nicht auf den Wert FFFF gesetzt ist, ein Steuersignal nach den Merkmalen (4) und (5) übertragen wird, das durch einen Parameter gebildet wird, der sich an einer vorbestimmten Stelle eines Codeblocks befindet (Merkmal (6)) und die Größe der Verzögerung angibt, um die der Codeblock nach seinem Empfang decodiert werden muss (Merkmal (7)).

b)

Vor diesem Hintergrund obläge es der Darlegungslast der Beklagten vorzutragen, dass es trotz standardgemäßer Codierung nach dem MPEG-2-Standard tatsächlich nicht zu einer patentgemäßen Verfahrensführung bei der Codierung für die streitgegenständlichen Master gekommen ist. Die Beklagte hat sich aber auch insoweit darauf beschränkt, einfach zu bestreiten, dass sie die streitgegenständlichen Patente bei der Produktion ihrer DVDs einsetzt. Dieses einfache Bestreiten ist aber wie vorstehend bereits ausgeführt nicht ausreichend. Insofern wird zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf die Ausführungen zu IV.1.b) verwiesen.

3.

Die Rechte aus dem Klagepatent sind entgegen der Auffassung der Beklagten nicht dadurch erschöpft, dass die Klägerin die Maschine "DMS 8000 Diamond Mastering System" zur Herstellung der DVDs in den Verkehr brachte beziehungsweise zustimmte, dass die Maschine von OMP International GmbH hergestellt und veräußert wurde. Der Einwand der Erschöpfung greift nicht durch. Aufgrund dessen kommt es vorliegend auch nicht darauf an, dass der hierauf bezogene, erstmalige Vortrag in dem nachgelassenen Schriftsatz vom 17.09.2008 nach § 296 Abs. 1 ZPO als verspätet zurückzuweisen wäre, da sich aus der Sitzungsniederschrift ergibt, dass die Beklagtenvertreterin die Einräumung einer Schriftsatzfrist nur zur Erwiderung auf den gegnerischen Schriftsatz vom 18.08.2008 beantragt hat, was ihr eingeräumt wurde. Der Schriftsatz der Klägervertreter vom 18.08.2008 enthält jedoch keinen Tatsachenvortrag, der zu der nunmehr eingewendeten Erschöpfung Anlass gegeben hätte. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Beklagte erst nun bzw. erst in ihrem verspäteten Schriftsatz die Möglichkeit hatte, zu dem Erschöpfungseinwand vorzutragen. Die von ihr nun vorgebrachten Tatsachen bestanden bereits im Zeitpunkt der Klageerwiderung.

Erschöpfung meint den Verbrauch des Patentrechts. Der Einwand ist dann begründet, wenn die Partei, die sich darauf beruft, schlüssig darlegen kann, dass der Patentinhaber selbst oder ein mit dessen Zustimmung handelnder Dritter das patentierte Erzeugnis oder das unmittelbare Erzeugnis eines patentierten Verfahrens in einem der Vertragsstaaten der EU in Verkehr gebracht haben (BGH, GRUR 1997, 116 - Prospekthalter; GRUR 2001, 223 - Bodenwaschanlage; Benkard/Scharen, PatG 10. Aufl., § 9 Rn. 16 m.w.N.). Besonderheiten gelten allerdings für Verfahrenspatente. Das Recht an einem patentgeschützten Verfahren wird grundsätzlich nicht dadurch verbraucht, dass die zur Durchführung des Verfahrens erforderliche Vorrichtung mit Zustimmung des Patentinhabers in den Handelsverkehr gelangt (BGH, GRUR 1980, 38 - Fullplastverfahren; a.a.O. - Bodenwaschanlage). Durch das Inverkehrbringen der zur Ausübung eines Verfahrens erforderlichen Vorrichtung wird weder das Verfahren selbst in Verkehr gebracht, noch wird eine unmittelbare Benutzungshandlung in Ausübung des Verfahrenspatents vorgenommen (Benkard/Scharen, PatG 10. Aufl., § 9 Rn 25).

Allerdings gehen in Rechtsprechung und Literatur die Ansichten darüber auseinander, ob die Rechte aus einem Sachpatent und einem Verfahrenspatent erschöpft sind, wenn eine patentgeschützte Vorrichtung, die sich zur Ausübung eines ebenfalls patentgeschützten Verfahrens eignet, durch den Patentinhaber oder mit dessen Zustimmung in den Verkehr gebracht wurde (BGH GRUR 1998, 130 - Handhabungsgerät; LG Düsseldorf Entscheidungen 1998, 115 - Levitationsmaschine; LG Hamburg Urteil vom 27.07.2000, Az. 315 O 645/99; ablehnend: Kraßer, Patentrecht 5. Aufl., S. 829 m.w.N.). Es kann jedoch dahinstehen, welcher Auffassung zu folgen ist, da in beiden Fällen eine Erschöpfung der Rechte aus dem Klagepatent nicht bejaht werden kann.

Ohne näheren Vortrag der Beklagten kann nicht davon ausgegangen werden, dass die mit den Klagepatentansprüchen geschützten Verfahren durch das "DMS 8000 Diamond Mastering System" angewandt werden. Es ist nichts dafür dargetan, dass ein "DMS 8000 Diamond Mastering System" die Merkmale patentgemäßer (De-/) Codiersysteme aufweist. Der Vortrag, in der Maschine zur Herstellung der DVDs seien "sämtliche streitgegenständlichen Patente enthalten und verwirklicht", genügt insofern offensichtlich nicht. Damit hat die Beklagte lediglich das Ergebnis einer rechtlichen Bewertung wiedergegeben. Erforderlich ist jedoch die konkrete Darlegung, inwiefern die "DMS 8000 Diamond Mastering System" die in den Klagepatentansprüchen genannten Merkmale verwirklicht.

Hinzu tritt, dass, auch wenn die Maschine "DMS 8000 Diamond Mastering System" mit Zustimmung der Klägerin an die Beklagte veräußert worden sein sollte, nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Klägerin damit zugleich eine stillschweigende Lizenz für den Vertrieb von Erzeugnissen in die Bundesrepublik Deutschland erteilte, die durch das in der Bundesrepublik Deutschland geschützte Verfahren hergestellt wurden. Denn in Griechenland stehen die Klagepatente nach dem eigenen Vortrag der Beklagten nicht in Kraft. Unterstellt man diese - von der Klägerin bestrittene Behauptung - zugunsten der Beklagten als wahr, kann, eben weil das in der Bundesrepublik Deutschland geschützte Verfahren in Griechenland patentfrei angewandt werden dürfte, nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin mit der von der Beklagten vorgetragenen Zustimmung zur Herstellung und Veräußerung der "DMS 8000 Diamond Mastering Systems" in das patentfreie Ausland zugleich die Einfuhr von mit dem Verfahren hergestellter Erzeugnisse nach Deutschland erlauben wollte. Vielmehr kann ein solches Verhalten nur so verstanden werden, dass eine Nutzung des Verfahrens einschließlich des Vertriebs der mit dem Verfahren hergestellten Erzeugnisse in der Bundesrepublik Deutschland weiterhin verboten beziehungsweise von einer Lizenzerteilung der Klägerin abhängig sein sollte.

4.

Soweit die Beklagte in dem nachgelassenen Schriftsatz vom 17.09.2008 unter dem Gliederungspunkt I. Ausführungen zu dem Inhalt einer mündlichen Verhandlung vom 21.08.2008 vor der 4 a. Zivilkammer gemacht und in diesem Zusammenhang beantragt hat, eine Äußerung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin in das Protokoll gemäß § 510 ZPO aufzunehmen, war in dem vorliegenden Verfahren hierüber nicht zu entscheiden, da dieser Vortrag sich offensichtlich nicht mit Vorgängen in der Verhandlung zu diesem Rechtsstreit am 26.08.2008 befasst.

Die Klage ist auch nicht deshalb als unbegründet abzuweisen, weil die Klägerin etwa die streitgegenständliche Verletzungshandlung provoziert hätte, weswegen - wie die Beklagte meint -die Rechtsverfolgung einen Rechtsmissbrauch darstelle. Wegen dieser unzutreffenden Rechtsauffassung kann auf die vorstehend zu I.2. gemachten Ausführungen zur Zulässigkeit Bezug genommen werden.

IV.

Die Beklagte ist der Klägerin gemäß Art. 64 EPÜ, § 139 Abs. 1 PatG zur Unterlassung verpflichtet.

Da die Patentverletzung bei Beachtung der von der Beklagten als Fachunternehmer im Geschäftsverkehr zu verlangenden Sorgfalt erkennbar und vermeidbar gewesen wäre, trifft sie ein zumindest fahrlässiges Verschulden, das ihre Schadenersatzhaftung begründet (Art. 64 EPÜ, § 139 Abs. 2 PatG).

Der Schuldvorwurf entfällt auch nicht etwa deshalb, weil die Beklagte alles ihr mögliche getan habe, um sicherzustellen, dass es durch die Lieferung nicht zu einer Schutzrechtsverletzung komme. Die Beklagte macht insoweit geltend, dass sie vor Lieferung der DVDs die Bestellerin darauf hingewiesen habe, dass ihre Preise weder Urheberrechte noch Lizenzen beinhalteten, für welche die Bestellerin zu sorgen habe (vgl. Anl. B 5). Sie ist damit offensichtlich der Ansicht, der Bestellerin die Verantwortung für die Wahrung gewerblicher Schutzrechte übertragen zu haben, weswegen ihr kein (Schuld-)Vorwurf zu machen sei.

Dem kann nicht gefolgt werden. Der Erklärungsgehalt dieses Hinweises auf "Copyrights und royalty fees" ist vom objektivierten Empfängerhorizont aus zu bestimmen. Bei dem der Beklagten angetragenen Geschäft ging es darum, die von dem Besteller zur Verfügung gestellten Inhalte auf eine Anzahl von 500 DVDs zu kopieren und diese dann in anzufertigende Cover zu verpacken. Dem Besteller eines solchen Auftrages kommt es alleine darauf an, sein Werk so zu vervielfältigen, dass es verbreitet werden kann. Er wird sich keine Gedanken darüber machen, wie die technische Umsetzung erfolgt. Insbesondere nicht darüber, welche Programmschritte im einzelnen zu durchlaufen sind, um die Daten so zu codieren, dass sie einem bestimmten Standard entsprechend abgespielt werden können. Er wird infolge dessen auch nicht darüber nachdenken, ob es möglicherweise irgend welche technischen Schutzrechte gibt, die von seiner Auftragnehmerin bei der Durchführung ihrer Arbeiten verletzt werden können. Er wird daher - ohne nähere Angaben der Auftragnehmerin - deren Hinweis auf "Copyrights und royalty fees" alleine auf urheberrechtliche Belange beziehen, da er insoweit die Verantwortung für die Inhalte trägt, die von der Herstellerin lediglich in seinem Auftrag vervielfältigt werden.

Diesem allgemeinen Verständnis entsprechend hat auch vorliegend die Bestellerin diesen Hinweis offensichtlich verstanden. Deshalb teilte sie der Beklagten mit E-mail vom 27.02.2007 mit, dass das von ihr georderte Material "GEMA-frei" sei. Von etwaigen Lizenzen für die Verwendung der MPEG - Technologie, die alleine von der Beklagten bei der Herstellung der DVDs angewendet wurde, war erkennbar keine Rede.

Sollte die Beklagte dies mit ihrem Hinweis gemeint haben wollen, so hätte sie die Bestellerin in Reaktion auf deren dann gegebenes offensichtliches Missverständnis hierauf hinweisen müssen. Es ist gerade nicht so, dass die Sachbearbeiterin der Beklagten davon ausgehen musste, dass die Bestellerin "für die Beachtung der inländischen nationalen Rechtsvorschriften Sorge" (Bl. 105 d.A.) tragen werde. Dies liegt nach dem objektiven Empfängerhorizont alleine im Verantwortungsbereich der Beklagten als Herstellerin der DVDs. Der Besteller ist allenfalls bereit und geht bei entsprechender Anfrage davon aus, dass er die Verantwortung für den Inhalt der DVDs übernimmt. Hierauf hat sich auch die Bestellerin alleine bezogen, als sie die Mitteilung hinsichtlich der "GEMA-Gebühren" machte.

Soweit die Beklagte weiterhin vorträgt, sie habe kein Interesse und keine Absicht, in der Bundesrepublik Deutschland geschäftlich tätig zu werden, und instruiere dementsprechend ihre Mitarbeiter, vermag auch dieser Einwand nicht, den Schuldvorwurf entfallen zu lassen. Wegen des unzureichenden Vortrages hinsichtlich betriebsinterner Kontrollen, die eine Lieferung in die Bundesrepublik Deutschland zu verhindern geeignet wären, wird zur Vermeidung unnötiger Wiederholugnen auf die obigen Ausführungen zu I.2.b)bb)verwiesen.

Mangels näherer Kenntnis der Klägerin über das genaue Ausmaß der Verletzungshandlungen besteht ein rechtliches Interesse der Klägerin daran, dass die Schadenersatzpflicht der Beklagten zunächst dem Grunde nach festgestellt wird (§ 256 ZPO).

Außerdem hat die Beklagte der Klägerin - wie zuerkannt - Rechnung zu legen, damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadenersatzanspruch beziffern zu können (§ 140b PatG, §§ 242, 259 BGB).

Der weitere Vortrag der Beklagten in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 29.09.2008 rechtfertigt keine abweichende Entscheidung und bot keinen Anlass, die ordnungsgemäß geschlossene Hauptverhandlung wiederzueröffnen.

V.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 269 Abs. 3 ZPO. Soweit die Klägerin die ursprüngliche Klage bezüglich eines zunächst geltend gemachten Vernichtungsanspruchs teilweise zurückgenommen hat, waren ihr die Kosten aufzuerlegen.

Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf den §§ 708 Nr. 11, 709, 711, 108 ZPO.

Voß Lambrecht Rinken






LG Düsseldorf:
Urteil v. 07.10.2008
Az: 4b O 90/07


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/c3bc8451383a/LG-Duesseldorf_Urteil_vom_7-Oktober-2008_Az_4b-O-90-07




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