Bundespatentgericht:
Beschluss vom 10. Mai 2006
Aktenzeichen: 33 W (pat) 163/04

(BPatG: Beschluss v. 10.05.2006, Az.: 33 W (pat) 163/04)

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 36 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 3. Mai 2004 teilweise aufgehoben und die Löschung der Marke 300 09 016 augrund des Widerspruchs aus der Marke 2 052 258 für folgende Dienstleistungen angeordnet:

Finanzwesen, Geldgeschäfte, Immobilienwesen.

2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I Gegen die Eintragung der Wort-/Bildmarke 300 09 016 Wort-/Bildmarke 300 09 016 für Versicherungswesen; Finanzwesen; Geldgeschäfte; Immobilienwesen; Bauwesen (Dienstleistungsverzeichnis nach der Teillöschung vom 12. September 2001)

ist Widerspruch eingelegt worden aus der Wortmarke 2 052 258 RE/MAX für Unterrichts- und Lehrmaterialien (ausgenommen Apparate) nämlich Bücher, Handbücher, Arbeitsbücher, Handbücher für den Einsatz in Büros und Zeitungen; Druckereierzeugnisse; Franchising im Immobilien- und Versicherungsbereich, nämlich durch Zurverfügungstellung von werbefachlichem und betriebswirtschaftlichem Knowhow innerhalb der Lizenzvergabe; überbetriebliche Werbung; Immobilien- und Versicherungswesen; Dienstleistungen einer elektronischen Datenbank im Immobilien- und Versicherungswesen.

Mit Schriftsatz vom 27. April 2001 hat die Inhaberin der angegriffenen Marke die Nichtbenutzungseinrede nach § 43 Abs. 1 Satz 1 MarkenG erhoben. Nach Kenntnisnahme der darauf von der Widersprechenden vorgelegten Benutzungsunterlagen hat die Markeninhaberin mit Schriftsatz vom 10. Juni 2002 erklärt:

"Der diesseitig erhobene Benutzungseinwand wird für die Dienstleistung Bauwesen und Versicherungswesen aufrecht erhalten".

Mit Beschluss vom 3. Mai 2004 hat die Markenstelle für Klasse 36 durch einen Beamten des gehobenen Dienstes den Widerspruch zurückgewiesen. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei durchschnittlich. Einerseits sei eine Steigerung der Kennzeichnungskraft trotz umfangreicher Benutzungsunterlagen nicht liquide. Andererseits könne der Vortrag der Markeninhaberin zu 733 "Max" - Drittmarken keine Kennzeichnungsschwäche der Widerspruchsmarke begründen, da es stets auf die konkret geschützten Waren und Dienstleistungen ankomme und eine mögliche Kennzeichnungsschwäche von "MAX" nicht eine Kennzeichnungsschwäche von Marken bedeute, die "MAX" als Bestandteil aufwiesen. Selbst wenn man eine Prägung des Gesamteindrucks der jüngeren Marke durch den Bestandteil "LeMaxx" unterstelle, halte diese den - angesichts teilweise identischer Dienstleistungen bei "Immobilien- und Versicherungswesen" - erforderlichen strengen Abstand zur Widerspruchsmarke ein. Bei den sich gegenüberstehenden Markenwörtern handele es sich um Kurzwörter, die durch Abweichungen stärker beeinflusst würden und dem Verkehr besser in Erinnerung blieben. In klanglicher Hinsicht läge die Betonung auf dem differierenden Wortanfang "L"/"R". Außerdem verursache der Schrägstrich in der Widerspruchsmarke eine Zäsur und damit eine andere Rhythmik der Widerspruchsmarke gegenüber der jüngeren Marke "LeMaxx", die als ein Wort zusammen geschrieben sei. Optisch unterschieden sich die Wörter ebenfalls ausreichend durch den Wortanfang, den Schrägstrich in der Widerspruchsmarke und das am Wortende befindliche Doppel-"x" der angegriffenen Marke. Schließlich komme eine begriffliche Ähnlichkeit nicht in Frage, da es sich bei beiden Wörtern um reine Phantasiebezeichnungen ohne Begriffsinhalt handele.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden.

Nach ihrer Auffassung besteht zwischen den Marken die Gefahr von Verwechslungen. Die Widerspruchsmarke verfüge aufgrund der nachgewiesenen intensiven Benutzung und ihrer originären klanglichen und schriftlichen Gestaltung über eine gesteigerte Kennzeichnungskraft. Die Dienstleistung "Immobilienwesen" sei in beiden Verzeichnissen identisch enthalten. Außerdem seien die für die jüngere Marke eingetragenen Dienstleistungen "Finanzwesen; Geldgeschäfte" identisch bzw. ähnlich mit "Franchising im Immobilien- und Versicherungsbereich; Immobilien- und Versicherungswesen; Dienstleistungen einer elektronischen Datenbank im Immobilien- und Versicherungswesen", da Franchising bzw. Immobilien- und Versicherungswesen eine der klassischen Ausprägungen von Tätigkeiten im Bereich des Finanzwesens und der Geldgeschäfte seien, was sich etwa in der Immobilienfinanzierung zeige. Ebenso seien das Bauwesen und der Immobilienbereich derart miteinander verknüpft, dass auch insoweit von einer hochgradigen Ähnlichkeit ausgegangen werden müsse.

Als prägender Bestandteil der jüngeren Marke stehe "LeMaxx" der Widerspruchsmarke "RE/MAX" gegenüber. Diese Wörter seien schriftbildlich nahezu identisch, insbesondere ahme die angegriffene Marke die durch den Schrägstrich hervorgerufene Zäsur der Widerspruchsmarke mit der Binnengroßschreibung des "M" nach, was zudem in klanglicher Hinsicht eine gleiche Rhythmik der Markenwörter bewirke. Das am Wortende befindliche doppelte "x" werde vom Verkehr übersehen. In begrifflicher Hinsicht handele es sich bei beiden Marken um einen Hinweis auf den Superlativ "max". Die Verbraucher würden demnach erwarten, unter beiden Marken eine besonders gute Leistung zu erhalten. Somit seien die Marken begrifflich nahezu identisch. Dies gelte auch in klanglicher Hinsicht. Die klangschwachen Laute "R" und "L" am Beginn der sich gegenüberstehenden Marken stellten trotz der Kürze der Wörter kein ausreichendes Gegengewicht zu den ansonsten klanglich völlig identischen übrigen Worbestandteilen dar. Angesichts der weitgehenden Übereinstimmungen seien auch bei Kurzwörtern alleinige Abweichungen am Wortanfang nicht geeignet, die Verwechslungsgefahr auszuschließen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass beide Marken entweder einheitlich englisch oder einheitlich deutsch ausgesprochen würden. Selbst bei unterstellter nur normaler Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke liege damit aufgrund der Wechselwirkung der Faktoren eine Verwechslungsgefahr vor.

Die Widersprechende beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die angegriffene Marke zu löschen.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Nach Auffassung der Markeninhaberin besteht zwischen den Marken keine Verwechslungsgefahr. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke, die sich aus den Bestandteilen "RE" ("bezüglich, in Bezug auf") und "MAX" ("Maximum, maximal") zusammen setze, sei von Haus aus schwach und durch die Verwendung zahlreicher Marken mit dem Bestandteil "Max" weiter geschwächt. Hierzu verweist sie auf 83 Marken, die in der Klasse 36 mit Schutz für die Bundesrepublik Deutschland eingetragen sind, weiter auf verschiedene Kennzeichnungsbeispiele mit dem Bestandteil "Max" sowie auf mehrere Entscheidungen des 32. und 33. Senats des Bundespatentgerichts zu Marken, die ebenfalls diesen Bestandteil aufweisen. Weiter bestreitet die Markeninhaberin, dass die Widerspruchsmarke durch intensive Benutzung eine erhöhte Verkehrsbekanntheit und eine damit verbundene Stärkung ihrer Kennzeichnungskraft erreicht hat.

Die beiderseitigen Dienstleistungen seien nicht ähnlich. Aus den von der Widersprechenden vorgelegten Benutzungsunterlagen ergebe sich allenfalls für "Franchise-Dienstleistungen für Maklertätigkeiten" eine rechtserhaltende Benutzung. Hierbei handele es sich nach lexikalischer Definition um eine Vertriebsform, die auf Lizenzvergabe für das Betreiben eines Geschäfts (nach einem bestimmten Geschäftsmodell) beruhe. Diese Merkmale wiesen die Dienstleistungen der angegriffenen Marke aber gerade nicht auf. Nach Kriterien wie Abnehmerkreisen, Art der Tätigkeit, wirtschaftlichem Bereich, Fähigkeiten und Kenntnissen sowie Vertriebswegen stünden sich völlig unterschiedliche Dienstleistungen gegenüber, die einen erheblichen Abstand zueinander aufwiesen. Ergänzend verweist die Markeninhaberin auf verschiedene Entscheidungen des Bundespatentgerichts zur Ähnlichkeit von Franchise-Dienstleistungen.

Den danach genügenden geringen Markenabstand halte die jüngere Marke ein. Die besondere schriftbildliche Gestaltung und die zusätzlichen Wortbestandteile "Financial Business" fänden in der Widerspruchsmarke keine Entsprechung. Zudem unterschieden sich die Marken ausreichend durch den Trennstrich in der Widerspruchsmarke und die sprachregelwidrige Verdoppelung des Buchstabens "x" in der jüngeren Marke. Auch in klanglicher Hinsicht unterschieden sich die Marken ausreichend voneinander. Die Widerspruchsmarke werde "ri:maex" mit der Vokalfolge "iä" bei gleichmäßiger Betonung auf beiden Silben gesprochen, wobei der Trennstrich eine Pause zwischen den Silben bewirke. Demgegenüber werde das Markenwort "LeMaxx" der jüngeren Marke mit der Vokalfolge "ea" auf der zweiten Silbe betont, wobei der Doppelkonsonant "xx" eine Verkürzung des "a" bewirke. Zudem unterschieden sich die Wortanfänge "Le" und "RE" mit dem dentalen Laut "L" einerseits und Rachenlaut "R" andererseits deutlich voneinander. Auch in begrifflicher Hinsicht unterschieden sich die Marken deutlich voneinander, da die Widerspruchmarke "RE/MAX" eine anpreisende Qualitätsangabe i. S. v. "Dienstleistung von maximaler, besonders guter Qualität" verstanden werde, während "LeMaxx" als Fantasieangabe oder Hinweis auf einen Eigennamen ("Der Maxx") aufzufassen sei. Die von den Dienstleistungen angesprochenen Fachkreise würden die Marken damit nicht verwechseln, zumal es sich um vergleichsweise kurze Wörter mit Abweichungen an den Wortanfängen handele und bei der jüngeren Marke auch der weitere Wortbestandteil "Financial Business" für den Gesamteindruck mit zu berücksichtigen sei. Dies gelte im Hinblick auf die "NEURO-VIBOLEX"-Entscheidung des Bundesgerichtshofs auch dann, wenn dieser Wortbestandteil beschreibend sei.

In der mündlichen Verhandlung hat die Markeninhaberin die Benutzung der Widerspruchsmarke für alle Waren und Dienstleistungen, auch hinsichtlich des Benutzungszeitraums nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG bestritten. Außerdem meint sie, dass aus den bisher vorgelegten Benutzungsunterlagen eine Verwendung der Widerspruchsmarke nicht als Wort- sondern als ("RF/MAX" zu lesende) Wort-/Bildmarke hervorgehe, so dass eine Änderung des kennzeichnenden Charakters vorliege. Hierauf hat die Widersprechende die Erweiterung der Nichtbenutzungseinrede als verspätet gerügt, wobei sie die Verspätungsrüge auch auf den Schriftsatz der Markeninhaberin vom 15. März 2006 bezogen hat.

Die Beteiligten sind auf die Senatsentscheidung BPatGE 40, 192 - AIG hingewiesen worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden ist teilweise begründet.

1. Dabei ist davon auszugehen, dass die Widerspruchsmarke mit Ausnahme der Dienstleistung "Versicherungswesen" für alle für sie eingetragenen Dienstleistungen Schutz beanspruchen kann.

a) Die Markeninhaberin hat die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchmarke zunächst in zulässiger Weise nach § 43 Abs. 1 Satz 1 MarkenG bestritten. Nach Kenntnisnahme der ihr mit Bescheid vom 4. März 2002 zur Stellungnahme übersandten Benutzungsunterlagen hat sie jedoch mit Schriftsatz vom 10. Juni 2002 ihre Nichtbenutzungseinrede nur noch teilweise aufrechterhalten, nämlich wörtlich für die Dienstleistungen "Bauwesen und Versicherungswesen". Da "Bauwesen" für die Widerspruchsmarke nie eingetragen war, konnte sich die von anwaltlichen Vertretern erklärte Aufrechterhaltung der Nichtbenutzungseinrede aus der Sicht eines objektiven Dritten im Empfängerhorizont sowohl des Patentamts als auch der Verfahrensgegnerin nur noch auf "Versicherungswesen" beziehen. Nur in diesem Umfang war die rechtserhaltende Benutzung zunächst weiter streitig. Der im o. g. Schriftsatz der Markeninhaberin weiter enthaltene Hinweis, dass die Wortmarke "RE/MAX" in bildlich verfremdeter Form benutzt werde und dies die rechtserhaltende Benutzung grundsätzlich in Frage stelle, konnte demnach nur als auf die weiter streitige Benutzung für "Versicherungswesen" bezogen aufgefasst werden. Im Übrigen stand die rechtserhaltende Benutzung zunächst nicht mehr in Frage, was sowohl für die sonstigen Dienstleistungen der Widerspruchsmarke als auch für den Zeitraum nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG gilt.

Zwar war die Markeninhaberin grundsätzlich nicht gehindert, ihre damit teilweise fallen gelassene Nichtbenutzungseinrede wieder aufzugreifen und zu erweitern (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl., § 43, Rdn. 46 und 48). Dieses erst in der mündlichen Verhandlung unzweideutig erklärte Wiederaufgreifen unter Erweiterung auf einen neuen Nachweiszeitraum war jedoch verspätet und auf Rüge der Widersprechenden nach § 296 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die Nichtbenutzungseinrede unter den dafür in der Zivilprozessordnung vorgesehenen Voraussetzungen als verspätet zurückgewiesen werden kann. Während früher die Vorschriften über das verspätete Vorbringen im Berufungsverfahren angewendet wurden (vgl. BGH GRUR 1998, 938, 939 - DRAGON; BPatG GRUR 1997, 370, 372 - LAILIQUE), sind seit der Neugestaltung des zivilprozessualen Berufungsrechts 2002 die Vorschriften über die Zurückweisung verspäteten Vorbringens im ersten Rechtszug (§§ 282, 296 ZPO) anzuwenden, soweit nicht Besonderheiten des patentgerichtlichen Beschwerdeverfahrens entgegenstehen (vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 43, Rdn. 55). Nach § 282 Abs. 2 ZPO sind Angriffs- und Verteidigungsmittel, auf die der Gegner voraussichtlich ohne vorhergehende Erkundigung keine Erklärung abgeben kann, vor der mündlichen Verhandlung durch vorbereitenden Schriftsatz so zeitig mitzuteilen, dass der Gegner die erforderliche Erkundigung noch einzuziehen vermag. Ist diesen Anforderungen nicht genügt, so kann das Gericht die betreffenden Angriffs- und Verteidigungsmittel zurückweisen, wenn ihre Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde und die Verspätung auf grober Nachlässigkeit beruht (§ 296 Abs. 2 ZPO). Nach diesen Regeln war die wieder aufgegriffene und erweiterte Nichtbenutzungseinrede verspätet.

Die Nichtbenutzungseinrede ist ein Verteidigungsmittel des Inhabers der angegriffenen Marke, auf das der Widersprechende ohne vorherige Erkundigung keine den Anforderungen des § 43 Abs. 1 MarkenG genügende Erklärung bzw. Glaubhaftmachung erbringen kann (vgl. BPatG, a. a. O. - LAILIQUE). Das erweiternde Wiederaufgreifen der Nichtbenutzungseinrede hätte hier im Fall seiner Zulassung auch den Rechtsstreit verzögert. Denn nachdem die Vertreterin der Widersprechenden in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat, dass die Widerspruchsmarke benutzt werde und die Widersprechende sich gegen die Nichtbenutzungseinrede verteidigen will, war die rechtserhaltende Benutzung für die vom erweiternden Wiederaufgreifen betroffenen Dienstleistungen beweisbedürftig. Dies hätte zu einer Verfahrensverzögerung geführt, da das nunmehr erforderliche Glaubhaftmachungsverfahren nicht mit nachgelassenem Schriftsatz erfolgen kann (vgl. BPatG, GRUR 1999, 350, 352 - Ruoc/ROC). Hierfür wäre vielmehr eine Vertagung oder der Übergang in das schriftliche Verfahren erforderlich gewesen (für letzteres liegt ohnehin kein Einverständnis der Widersprechenden vor).

Das erweiternde Wiederaufgreifen der Nichtbenutzungseinrede beruht auch auf grober Nachlässigkeit. Die Markeninhaberin hat die Nichtbenutzungseinrede nach § 43 Abs. 1 Satz 1 MarkenG mit Schriftsatz vom 27. April 2001 erhoben, also zu einem Zeitpunkt, als die Einrede gegen die 1993 eingetragene Widerspruchsmarke bereits auch nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG hätte erhoben werden können. Auch waren zu diesem Zeitpunkt schon die Entscheidungen BGH GRUR 1998, 938 - DRAGON und GRUR 1999, 54 - Holtkamp bekannt, in denen der Bundesgerichtshof klargestellt hat, dass die beiden Einreden des § 43 Abs. 1 MarkenG auch kumulativ nebeneinander erhoben werden können. Nach Übersendung der von der Widersprechenden eingereichten, relativ umfangreichen Benutzungsunterlagen (zwei eidesstattliche Versicherungen und 27 sonstige Anschauungsmaterialien mit insgesamt weit über 100 Seiten) hatte die Markeninhaberin ausreichend Zeit, die Unterlagen zu prüfen. Hiervon hat sie auch Gebrauch gemacht, wie mehrere Fristverlängerungsgesuche nach Übersendung der Unterlagen zur Stellungnahme zeigen. Mit der daraufhin erklärten Beschränkung der Einrede musste die Widersprechende daher den Eindruck gewinnen, dass der Umfang der streitigen Benutzung bis auf Weiteres geklärt und mit überraschenden Änderungen nicht zu rechnen ist. Nach Zustellung der Beschwerde und der Beschwerdebegründung der Widersprechenden vom 13. April 2005 hatte die Markeninhaberin nochmals Anlass und ausreichend Zeit, ihre Position auch in verfahrensrechtlicher bzw. -taktischer Hinsicht zu überprüfen. Spätestens ab Sommer/Herbst 2005 hatte sie entsprechend der beiderseitigen Antragslage mit einer jederzeitigen Ladung zur mündlichen Verhandlung zu rechnen. Wenn sie bis dahin nicht einmal vorsorglich ein Wiederaufgreifen oder eine Erweiterung der Einrede erklärt hat, obwohl sie jetzt doch eine solche Notwendigkeit sieht, so kann dies im Hinblick auf die Prozessförderungspflicht der Beteiligten und die Belegenheit der Widersprechenden in den USA nur als grob nachlässig angesehen werden. Die in der mündlichen Verhandlung erklärte Entschuldigung, dass es im bisherigen Lauf des Beschwerdeverfahrens unsicher war, ob die angegriffene Marke von der Markeninhaberin weiterverfolgt werden solle, deutet auf ein zwischenzeitliches mangelndes Interesse am Verfahrensgegenstand hin. Dies ist zwar jedem Verfahrensbeteiligten unbenommen, kann ihn jedoch nicht zu Lasten des Verfahrensgegners von der in § 282 ZPO zum Ausdruck kommenden Prozessförderungspflicht entbinden.

Schließlich hat der Senat auch keinen Anhalt dafür gesehen, das durch § 296 Abs. 2 ZPO eingeräumte Ermessen zugunsten der Markeninhaberin auszuüben. Schon die lange Zeit, in der der Umfang der streitigen Benutzung geklärt war und die Gesamtdauer des Verfahrens sprechen hiergegen. Auch ist in den vorbereitenden Schriftsätzen, einschließlich des wenige Tage vor der mündlichen Verhandlung eingegangenen Schriftsatzes der Markeninhaberin vom 16. März 2006, nur die Frage der rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke für "Versicherungswesen" inhaltlich erörtert worden. Unter diesen Umständen sieht der Senat keinen Anlass, ein erneutes Glaubhaftmachungsverfahren unter Vertagung durchzuführen. Damit sind auf Seiten der Widerspruchsmarke bereits aus diesem Grund alle für sie eingetragenen Waren und Dienstleistungen mit Ausnahme von "Versicherungswesen" zugrunde zu legen, ohne dass es insoweit noch auf die Voraussetzungen des § 43 Abs. 1 Satz 3 MarkenG ankommt.

b) Für die danach einzig streitige Dienstleistung "Versicherungswesen" hat die Widersprechende die rechtserhaltende Benutzung ihrer Marke für den maßgebenden Zeitraum des § 43 Abs. 1 Satz 1 MarkenG nicht glaubhaft gemacht. Wie die Markeninhaberin mit Schriftsatz vom 15. März 2006 unter A) II. 2) ausführlich und richtig dargelegt hat, ist die Dienstleistung "Versicherungswesen" nicht von den vorgelegten Eidesstattlichen Versicherungen, jedenfalls nicht von den dort mitgeteilten Umsätzen erfasst. Der Senat konnte auch aus den übrigen Unterlagen keine Hinweise darauf entnehmen, dass sich die Widersprechende im maßgeblichen Zeitraum auf diesem Gebiet betätigt hat. Dies ist in der mündlichen Verhandlung auch von ihrer Vertreterin eingeräumt worden.

2. Im Umfang der Löschungsanordnung besteht eine Verwechslungsgefahr nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Frage einer markenrechtlichen Verwechslungsgefahr unter Heranziehung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen den Beurteilungsfaktoren der Waren-/Dienstleistungsidentität oder -ähnlichkeit, der Markenidentität oder -ähnlichkeit und der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren/Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder der Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. BGH GRUR 2001, 544, 545 - BANK 24 m. w. N.; GRUR 2002, 1067 - DKV/OKV; GRUR 2003, 963 - AntiVir/AntiVirus).

a) Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist - jedenfalls in ihrer Gesamtheit - normal. Entgegen der Auffassung der Markeninhaberin kommt ihr keine von Haus aus bestehende Kennzeichnungsschwäche zu. Insbesondere ist nicht ersichtlich, wieso sich für den Verkehr der Bedeutungsgehalt "bezüglich, Bezug nehmend auf" des Markenbestandteils "RE" aufdrängen soll. Zwar hat das englische Wort "re" tatsächlich diese Bedeutung, es ist dem Senat jedoch weder bekannt, noch von der Markeninhaberin belegt, dass die Großbuchstabenkombination "RE" direkt vor einem Schrägstrich, an den sich (wiederum ohne Leerstelle) ein weiteres Wort bzw. Wortteil ohne weitere Hinweise auf den Zusammenhang anschließt, vom inländischen Verkehr so verstanden wird. Eine solche Form der Bezugsbenennung erscheint sogar abwegig, insbesondere wenn man die Beispiele des Wörterbuchauszugs zur Kenntnis nimmt, der von der Markeninhaberin als Beleg für ihre Behauptung eingereicht worden ist (Anlage D3 zum Schriftsatz vom 10. Juni 2002 - Auszug aus PONS Großwörterbuch: "I spoke to her re your accident" ... "re: your letter of 03.15.01"). Auch die Bedeutung "Real Estate/Maximum", mit der die Widersprechende in einigen Benutzungsunterlagen ihre Marke selbst erläutert, erschließt sich dem inländischen Verkehr ohne solche Erklärungen nicht, jedenfalls nicht ohne weiteres. Zwar ist der Markeninhaberin darin zu folgen, dass dem Bestandteil "MAX" als solchem eine geminderte Kennzeichnungskraft zukommt, für die Gesamtkombination "RE/MAX" mit ihrer ungewöhnlichen Schrägstrich-Trennung gilt dies jedoch nicht.

Andererseits kann der Widerspruchsmarke auch keine durch intensive Benutzung erhöhte Verkehrsbekanntheit und damit eine gesteigerte Kennzeichnungskraft zugebilligt werden. Nachdem die dahingehende Behauptung der Widersprechenden bestritten worden ist und weder die aus den eidesstattlichen Versicherungen ersichtlichen Umsätze noch der Inhalt der weiteren Benutzungsunterlagen einen ausreichenden Anhalt hierfür bieten, ist von einer normalen Kennzeichnungskraft auszugehen.

b) Die sich gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen liegen im Umfang der Löschungsanordnung im Identitäts- und Ähnlichkeitsbereich. Nachdem das erweiternde Wiederaufgreifen der Nichtbenutzungseinrede vom Senat als verspätet zurückgewiesen wird, sind auf Seiten der Widerspruchsmarke sämtliche Waren und Dienstleistungen außer "Versicherungswesen" zugrunde zu legen, ohne dass es irgendwie noch auf benutzungsbedingte Einschränkungen ankommt (s. o.). Soweit die Markeninhaberin in ihrem Vortrag zur Dienstleistungsähnlichkeit also nur von bestimmten Franchise-Dienstleistungen im Maklerbereich als möglicherweise rechtserhaltend benutzt ausgeht und sie auf Seiten der Widerspruchsmarke nur diese Dienstleistungen in den Vergleich einbeziehen will, liegt dies neben der Sache.

Die Dienstleistung "Immobilienwesen" ist in beiden Verzeichnissen enthalten, so dass insoweit Identität vorliegt. Außerdem sind die für die jüngere Marke eingetragenen Dienstleistungen "Finanzwesen, Geldgeschäfte" nach der Rechtsprechung des Senats mindestens mittelgradig, eher sogar hochgradig ähnlich mit der für die Widersprechende geschützten Dienstleistung "Immobilienwesen" (vgl. Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 13. Aufl., S. 359). Hierfür sprechen vor allem Überschneidungen bei den Erbringern der Dienstleistungen. So bieten Banken in ihren Filialen die von ihnen finanzierten Neubauvorhaben an und treten teilweise auch als Makler für Gebrauchtimmobilien auf. Auch in Zusammenhang mit Immobilienfinanzierung weisen Banken auf entsprechende Immobilien- und Finanzierungsdienstleistungen "aus einer Hand" hin. Schließlich hat auch die für die jüngere Marke eingetragene Dienstleistung "Versicherungswesen" mit Immobilienwesen noch ausreichende wirtschaftliche Berührungspunkte, die auf eine Dienstleistungsähnlichkeit schließen lassen. Der Senat hat in seiner Entscheidung BPatGE 40, 192, 201 - AIG eine Ähnlichkeit zwischen Immobilienvermittlung und Versicherungswesen angenommen, da sich Banken in erheblichem Umfang sowohl mit der Vermittlung von Immobilien als auch von Versicherungen aller Art befassen, die mit dem Erwerb von Immobilienbesitz oder der Altersvorsorge in Zusammenhang stehen. Zudem vermitteln Immobilienmakler teilweise auch Versicherungen, während umgekehrt Versicherungskaufleute vielfach auch Immobilien anbieten.

c) Die angegriffene Marke hält den insoweit erforderlichen größeren Abstand zur Widerspruchsmarke in klanglicher Hinsicht nicht ein.

Zwar sind die Marken in jeder Hinsicht deutlich unterscheidbar, wenn man sie in ihrer Gesamtheit vergleicht. Im Gegensatz zu dem von der Markeninhaberin angeführten Fall BGH GRUR 2004, 783 - NEURO-FIBRAFLEX/NEURO-VIBOLEX, in dem der Bundesgerichtshof angesichts des in beiden Marken übereinstimmend vorhandenen Bestandteils "NEURO" und der ausreichenden Ähnlichkeit der Marken bereits in ihrer Gesamtheit keinen Anlass für die Erörterung der Prägungsfrage haben konnte, ist hier allerdings zu berücksichtigen, dass der Gesamteindruck der angegriffenen Marke allein vom vorangestellten Bestandteil "LeMaxx" geprägt wird. Denn er verfügt im Hinblick auf das vorangestellte Element "Le" und das Doppel-"x" über eine insgesamt noch durchschnittliche Kennzeichnungskraft, so dass er innerhalb der Gesamtmarke eine eigenständig kennzeichnende Funktion aufweisen kann. Demgegenüber tritt der weitere Wortbestandteil "Financial Business" sowohl wegen seines rein beschreibenden Bedeutungsgehalts ("finanzielles bzw. Finanzgeschäft/-gewerbe"), vor allem aber auch wegen seiner offensichtlichen optischen Unterordnung nach Größe und Stellung in der Gesamtmarke in einer Weise zurück, dass er für den Gesamteindruck vernachlässigt werden kann. Dass auch die werbeübliche schriftbildliche Ausgestaltung im klanglichen Gesamteindruck völlig zurücktritt, bedarf keiner weiteren Erläuterung.

Die sich damit gegenüberstehenden Wörter "LeMaxx" und "RE/MAX" sind klanglich noch mittelgradig ähnlich. Spricht man die Marken deutsch aus, so stimmen sie in den für den klanglichen Gesamteindruck wichtigen Kriterien der Vokalfolge ("ea") und der Silbengliederung überein. Auch eine französische Aussprache der jüngeren Marke würde daran kaum etwas ändern, da auch dann eine Hell-Dunkel-Vokalfolge ("öa") erhalten bliebe. Auch der Sprechrhythmus der Marken ist in etwa gleich, da die Wortgliederung übereinstimmt und der Schlussbestandteil "Max(x)" auch ohne Verdoppelung des "x" beiderseits hart und kurz ausgesprochen wird. Zudem stimmen die beiden jeweils letzten Konsonanten "m" und "x" überein, wobei vor allem das "x" als harter Doppellaut "ks" markant ist. Zwar stellt der Unterschied zwischen den regelmäßig stärker beachteten Anfangslauten "L/R" eine für sich genommen gewichtige klangliche Abweichung dar, jedoch handelt es sich hierbei um zwei vergleichsweise klangschwache Konsonanten, die angesichts der o. g. Übereinstimmungen keine durchgreifende Veränderung des klanglichen Gesamtcharakters bewirken können.

Soweit andere Verkehrsteile die Widerspruchsmarke englisch "ri:maex" aussprechen, mag dies gegenüber "LeMaxx" zwar mit einer gedehnteren bzw. breiter wirkenden Aussprache verbunden sein, dafür nähern sich die Marken jedoch wiederum beim Anfangslaut einander an. Denn das englisch ausgesprochene "R" stellt keinen im Rachen gebildeten Reibelaut dar, sondern hat mit dem deutschen "L" eine enge Klangverwandtschaft. Unter Berücksichtigung der normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und der zumindest noch normalen Ähnlichkeit der o. g. Dienstleistungen ist damit von einer teilweisen Verwechslungsgefahr auszugehen. Auf die Beschwerde der Widersprechenden ist die angegriffene Marke somit teilweise zu löschen.

3. Hinsichtlich der für die jüngere Marke eingetragenen Dienstleistung "Bauwesen" vermag der Senat angesichts der Ferne der beiderseitigen Dienstleistungen allerdings keine Verwechslungsgefahr festzustellen. Zwar mögen zwischen Bauwesen und der ihr am nächsten kommenden Dienstleistung "Immobilienwesen" der Widerspruchsmarke insofern Bezugspunkte bestehen, als es beiderseits um Immobilien als Gegenstand der Dienstleistungen geht, jedoch unterscheiden sich die Dienstleistungen in den wichtigsten Kriterien der Dienstleistungsähnlichkeit. So sind vor allem die Erbringungsbetriebe regelmäßig verschieden, da Bauwesen von Bauträgern und sonstigen Bauunternehmen erbracht wird, während im Immobilienwesen entsprechend spezialisierte Makler, Kaufleute und Verwalter tätig sind. Auch die Art der Erbringung ist verschieden, da Bauwesen eine technisch erbrachte Konstruktions- und Bautätigkeit ist, während Immobilienwesen eine kaufmännisch erbrachte wirtschaftlichverwertende Tätigkeit darstellt. Dementsprechend unterscheiden sich die Dienstleistungen auch nach ihrem beiderseitigen Zweck (Errichtung gegenüber Verwertung, Verwaltung und Vermittlung von Immobilien).

Selbst wenn dennoch eine schwache Ähnlichkeit zwischen den o. g. Dienstleistungen bestehen sollte, was angesichts der Immobilienbezogenheit beider Dienstleistungen auch nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen ist, so reichen angesichts der starken Abweichungen der Dienstleistungen die o. g. Unterschiede zwischen den Marken aus, um bei einer Gesamtwürdigung der in Wechselwirkung zueinander stehenden Faktoren eine Verwechslungsgefahr zu verneinen. Damit war die Beschwerde teilweise zurückzuweisen.






BPatG:
Beschluss v. 10.05.2006
Az: 33 W (pat) 163/04


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