Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 19. März 2002
Aktenzeichen: 20 U 132/01

(OLG Düsseldorf: Urteil v. 19.03.2002, Az.: 20 U 132/01)

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 3. August 2002 verkündete Urteil der 8. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000 EUR abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin heißt "E. Dr. M. Management Information GmbH". Unter dieser Firma wurde sie am 8.2.1993 mit dem Unternehmensgegenstand "Unternehmensberatung auf Basis ausgewählter internationaler Management-Informationen und Management-Methoden" in das Handelsregister eingetragen (vgl. HR-Auszug Anlage K 1, GA 13). Sie ist Inhaberin der für die vorbezeichnete Dienstleistung am 3.2.1993 angemeldeten und am 14.2.1995 eingetragenen Wortmarke EXES (Reg-Nr. 2 901 817, Anlage K 3).

Ausweislich des Auszuges der DENIC-Datenbank (Anlage K 4 = GA 23) ist für den Beklagten der Domainname "exes.de" eingetragen. Auf seiner Internetseite benutzt er das Klagezeichen wie nachstehend wiedergeben:

- eingefügte Kopie -

Die Klägerin hat darin ein Verletzung ihrer Zeichen gesehen und den Beklagten erfolglos zur Unterlassung und Freigabe der Domain aufgefordert. Mit der Klage nimmt sie ihn auf Unterlassung, Auskunft, Schadensersatz und Freigabe der Domain "exes.de" - in zweiter Instanz auch in Bezug auf die Domain "exes.net" - in Anspruch, und hat vorgetragen: Sie befasse sich auch mit der Entwicklung von internet- und intranetgestützten Systemen zur Organisationsanalyse, der Konzeption und Einführung von Produktionsplanungssystemen, der Entwicklung von computergestützten Modellen für die Erarbeitung und Umsetzung von Standortstrategien im Retail-Bereich und der Entwicklung von Vergütungssystemen auf Vorstandsebene einschließlich der Programmierung des Computermodells und des Designs der Modellergebnisse und Benutzeroberflächen, wie auf Seite 4 der Klageschrift im Einzelnen ausgeführt. Zwischen den konkurrierenden Zeichen bestehe eine hohe Verwechslungsgefahr. Bei Domain-Streitigkeiten sei im Falle übereinstimmender Bezeichnungen der wirtschaftlich zu bestimmende Dienstleistungsbereich besonders weit zu ziehen. Es bestehe Grund zur Annahme, dass die verkehrsbeteiligten Kreise davon ausgingen, dass die von dem Beklagten unter der Domain "exes.de" angebotenen Dienstleistungen der Programmierung und des Designs von ihr, der Klägerin, stammten, oder irgendwie geartete wirtschaftliche Verbindungen zwischen den Parteien bestünden. Heutzutage gehöre es zu den Dienstleistungen der internationalen Management-Information, computergestützte Systeme aller Art zu programmieren und das Design der Benutzeroberflächen zu gestalten. Kein Wirtschaftsbereich komme ohne Programmierungs- und Designleistungen der Homepages aus. Deshalb gehöre insbesondere das Gebiet der Programmierung zu den klassischen Betätigungsfeldern der Unternehmensberatung. Es sei zu erwarten, dass insbesondere Großkunden renommierte Beratungsunternehmen engagierten, die die gesamte Wertschöpfungskette von der Strategie bis zum Design abdecken; traditionelle Grenzen zwischen Management- und IT-Beratung würden hierbei zunehmend verwischen. Daraus folge eine hochgradige Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Dienstleistungen. In ihrer Firma sei der Bestandteil "EXES" kennzeichnungskräftig. Branchennähe sei gegeben. Es bestünden zumindest ausreichende Berührungspunkte, so dass der Verkehr mindestens zu der Annahme geschäftlicher Zusammenhänge komme. Die beteiligten Kreise gingen davon aus; dass der Beklagte die von ihm angekündeten Dienste auch auf dem Gebiet der Management-Beratung anbiete. Die Führung der Domain "exes.de" verletzte zudem ihr, der Klägerin, Namensrecht. Der Beklagte nehme ihr ohne rechtfertigenden Grund die Möglichkeit, sich unter ihrem Namen im Internet zu präsentieren.

Die Klägerin hat beantragt,

I. den Beklagte zu verurteilen,

1. es bei Meidung bestimmter Ordnungsmittel zu unterlassen,

sich im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs der Bezeichnung "exes" als Bestandteil einer Internetadresse zu bedienen, insbesondere in Form der Domain "exes.de",

2. ihr, der Klägerin, über den Umfang der vorstehend zu I.1 bezeichneten Handlungen Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen, unter Angabe

a) der Treffer auf der Internetseite "exes.de",

b) des unter Nutzung der Domains "exes.de" erzielten Umsatzes,

c) des Umfangs der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträger, Verbreitungszeitraum und -gebiet,

II. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihr, der Klägerin, allen Schaden zu erstatten, der ihr aus den vorstehend unter I.1 bezeichneten Handlungen seit dem 3.3.1993 entstanden ist und künftig noch entstehen wird,

III. in die Löschung der Domain "exes.de" gegenüber der DENIC e.G. einzuwilligen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat vorgetragen: Es bestehe keine Verwechslungsgefahr. Er, der Beklagte, benutze das Zeichen nur für die von ihm freiberuflich ausgeübte Tätigkeit der Programmierung und des Designs, wohingegen die Dienstleistung der in Rede stehenden Unternehmensberatung nach der Verkehrsauffassung nur eine solche der Betriebswirtschaftslehre und der Managementtheorie sei. Zwischen einer betriebswirtschaftlichen Dienstleistung und einer solchen technischer oder künstlerischkreativer Art bestehe ersichtlich keine Ähnlichkeit. Dementsprechend nehme der Verkehr keine Beziehungen der Parteien untereinander an. Da heute in allen Bereichen der Wirtschaft EDV-Komponenten zum Einsatz kämen, könne allein dieser Aspekt nicht genügen, um eine Ähnlichkeit zu begründen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt: Es fehle an einer Ähnlichkeit der jeweils unter dem Zeichen angebotenen Dienstleistungen. Für die angesprochenen Verkehrskreise, nämlichen jeden Benutzer des Internet, erschließe sich aus der Beschreibung "Design und Programmierung", dass Programmierungsleistungen mit kreativ künstlerischem Hintergrund angeboten würden. Ein Zusammenhang mit einer betriebswirtschaftlich ausgerichteten Unternehmensberatung sei nicht erkennbar. Schutz aus dem Firmenbestandteil "EXES" könne die Klägerin nicht beanspruchen, weil es an der erforderlichen Benutzung in Alleinstellung fehle. Der Beklagte bestreite das Namensrecht der Klägerin nicht und gebrauche auch nicht unbefugt den gleichen Namen, so dass auch keine Ansprüche nach § 12 BGB gegeben seien. Da der Beklagte seit mehreren Jahren unter der Bezeichnung "exes" geschäftlich tätig sei, könne von einem rechtsmissbräuchlichen Verhalten im Hinblick auf die Internet-Adresse nicht ausgegangen werden.

Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Berufung und trägt unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens vor: Ihr geschäftsführender Alleingesellschafter sei der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende eines weltweit führenden Anbieters von software- und computergestützten Systemen für die Unternehmensberatung und sei seit vielen Jahren auf diesem Gebiet literarisch und in Vorträgen tätig. Unter Design ihrer Beratung sei die Ausnutzung oder Einführung neuer software- und oder computergestützter Systeme, mit denen Betriebsabläufe ihrer Auftraggeber effizienter gestaltet werden, zu verstehen. Es handele sich um auf den Einzelfall abgestimmte Programmierungsleistungen. Sowohl Management-Informationen als auch Management-Methoden würden mit Software und Computern erfasst und gesteuert und mit diesen Mitteln in der Praxis benutzt und eingesetzt. Der Begriff "Design" umfasse auch im Angebot (Anlage K 5) des Beklagten die Ausnutzung und Einführung neuer EDV-Software und/oder computergestützter Systeme zur effizienteren Gestaltung von Betriebsabläufen. Der Internetauftritt des Beklagten enthalte insoweit keine Beschränkung. Angesichts der Verwendung des identischen Zeichens dränge sich für den Verkehr der Schluss auf, dass die vom Beklagten mit "Design &Programmierung" bezeichneten Dienstleistungen von demselben Untenehmen stammten oder zumindest Verbindungen mit ihr, der Klägerin, bestünden. Der Begriff "Design" beinhalte auch die Herstellung spezifischer Masken, so dass das Unternehmen mit speziell auf seine Belange zugeschnittenen "designten" Programmen arbeiten könne. Sie, die Klägerin entwickle und implementiere in den Unternehmen der Kunden die Betriebsabläufe beeinflussenden und steuernden Programme. Zu Unrecht habe das Landgericht das "Design" auf das künstlerische Element der Leistung reduziert, ohne den Gesamtbegriff "Design &Programmierung" zu würdigen. Unter "Design" sei hier die beratende Dienstleistung technischkreativer Art zu verstehen, mit deren Hilfe Management-Informationen und Management-Methoden EDV-gestützt nutzbar und in die Unternehmensabläufe umgesetzt würden. Im Übrigen lasse das Verhalten des Beklagten erkennen, dass er die Internetdomains in Kenntnis ihrer, der Klägerin, Firmierung besetzt habe, um die Sperrsituation gewinnbringend auszunutzen.

Die Klägerin beantragt,

I. in Abänderung des angefochtenen Urteils den Beklagten zu verurteilen,

1. es bei Meidung bestimmter Ordnungsmittel zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr der Unternehmensberatung auf Basis ausgewählter internationaler Management-Informationen und Management-Methoden ohne Zustimmung der Klägerin sich der Bezeichnung

"exes",

insbesondere in Form der Internetdomains

"exes.de" oder "exes.net"

für software- und/oder computergestützte Systeme der Management-Informationen und/oder der Management-Methoden sowie der dazu gehörenden Gestaltung (des Designs) von (Programm-) Oberflächen zu bedienen,

2. in die Löschung der Domain "exes.de" gegenüber der DENIC eG und der Domain "exes.net" gegenüber dem zuständigen Register einzuwilligen,

3. ihr, der Klägerin, unter Vorlage eines nach Ort, Zeit, Dauer, Gegenstand, Inhalt und Zahl der Tathandlungen gegliederten Verzeichnisses darüber Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen, in welchem Umfang er, der Beklagte, die vorstehend unter I.1 bezeichneten Handlungen begangen hat, und zwar unter Angabe

a) der Treffer auf der Internetseite "exes.de",

b) des unter Nutzung der Domain "exes.de" erzielten Umsatzes,

c) des Umfangs der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, Auflagen und Stückzahlen pro Auflage pro Werbeträger sowie nach Verbreitungszeiten und Verbreitungsgebieten,

II. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihr, der Klägerin allen Schaden zu erstatten, welcher ihr durch die vorstehend unter I.1 bezeichneten Handlungen seit dem 8.3.1993 entstanden ist und künftig noch entstehen wird.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil und tritt dem Berufungsvorbringen der Klägerin unter Vertiefung und Ergänzung seines erstinstanzlichen Vorbringens entgegen.

Wegen aller Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der eingereichten Schriftsätze und Anlagen verwiesen.

Gründe

Die zulässige Berufung der Klägerin hat auch mit den in zweiter Instanz gestellten Anträgen keinen Erfolg.

1. Dies gilt zunächst einmal in Bezug auf die Marke "EXES" und diesbezügliche Unterlassungsansprüche der Klägerin gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 Nr. 2 und Abs. 5 MarkenG sowie die entsprechenden Folgeansprüche auf Auskunft und Schadensersatz.

Der Beklagte hat zuletzt in der Senatssitzung vorgetragen, er befasse sich freiberuflich mit der Gestaltung von Internetseiten; während er Softwareleistungen jedenfalls nicht in Bezug auf Unternehmensabläufe erbringe. Die Klägerin hat dies bestritten und geltend gemacht, der Beklagte übe gar keine beruflichen und geschäftlichen Tätigkeiten unter dem Zeichen "exes" aus, jedoch seien schon die Benutzung des Klagezeichens als Internetadresse (exes.de, exes.net) sowie dessen Verwendung auf der Internetseite (Anlage K 5) markenrechtlich relevante Verletzungshandlungen. Jedenfalls der Inhalt Internetseite (Anlage K 5) stellt ein "Anbieten" von Dienstleistungen ("Design &Programmierung") im Geschäftsverkehr unter dem Zeichen "exes" dar (§ 14 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG). Dennoch scheitern insoweit markenrechtliche Ansprüche an der fehlenden Verwechslungsgefahr.

Nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ist es Dritten untersagt, ohne Zustimmung des Markeninhabers im geschäftlichen Verkehr ein Zeichen zu benutzen, wenn wegen der Identität oder Ähnlichkeit des Zeichens mit der Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die Ware und das Zeichen erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht. Im vorliegenden Fall scheidet Verwechslungsgefahr aus, weil die betroffenen Dienstleistungen trotz gewisser Berührungspunkte sachlich zu weit auseinander liegen und dies auch nicht im Wege der sog. Wechselwirkung zwischen der Unterscheidungskraft der Klagemarke und der Dienstleistungsnähe sowie der Verwendung eines identischen Zeichens ausgeglichen werden kann.

Wenn auf der Internetseite des Beklagten (Anlage K 5) "Design &Programmierung" angeboten wird, so handelt es sich hierbei mit Blick auf das Wort "Programmierung" unzweifelhaft (und unstreitig) um Leistungen der EDV-Technik. "Programmierung" bedeutet dabei die Erstellung von Computersoftware mit Hilfe einschlägiger Computersprachen. Ziel der Programmierung ist es, Informationen zu speichern und zu verarbeiten und Abläufe aller Art maschinell zu bewältigen. Produkt der Dienstleistung ist ein EDV-Programm.

"Design" hat demgegenüber nach dem allgemeinen Sprachgebrauch und dem objektiven Verkehrsverständnis von Haus aus die Bedeutung von "Muster" oder "Entwurf". Gegenstand ist eine zeichnerische, gestalterische, kreative, eventuell auch künstlerische Leitung. Ergebnis der Designleistung ist im Allgemeinen eine Gebrauchsgrafik.

Die vorgenannten allgemeinen Bedeutungen der Worte "Design" und "Programmierung" bleiben auch dann bestimmend, wenn man sie - wie auf der Internetseite (Anlage K 5) geschehen - im Rahmen eines Angebots miteinander in Beziehung setzt. Entgegen der Ansicht der Klägerin kann dann nicht einfach von einer "designten Programmierung" oder dergleichen gesprochen werden. Eine solche Wortkombination ist zunächst einmal sprachunüblich. Ferner sind die Worte "Design" und "Programmierung" durch das Zeichen "& " getrennt, was die von Haus aus gegebene Unterschiedlichkeit der Tätigkeiten unterstreicht. Zwar hat die Klägerin mit einem Auszug aus dem "Lehrbuch der Software-Technik" (Helmut Balzert, 1996, Anlage BK 19) eine Fundstelle vorgelegt, wo "design" mit "Entwurf" und "Entwurf" mit "Programmieren im Großen" nachgewiesen wird. Würde man dies jedoch hier zugrundelegen und das Wort "Design" durch "Programmieren im Großen" ersetzen, ergäbe sich die kaum sinnvolle Wortfolge "Programmieren im Großen &Programmierung". Dies zeigt, dass jedenfalls bei der vorliegenden Verletzungsform das Wort "Design" in seinem ursprünglichen Wortsinne zu verstehen ist und auch von denjenigen Verkehrskreisen, die darunter (auch) die "Programmierung im Großen" verstehen könnten, so aufgefasst wird. Die Absetzung des "Designs" von der "Programmierung" ist zudem auch in der EDV-Branche sachlich gerechtfertigt. Auch hier hat die "Gebrauchsgrafik" ihren eigenen Platz, sei es bei der Gestaltung von Internetseiten, PC-Benutzeroberflächen oder Diagrammen und Übersichten, die eine Software hervorbringen soll. Gefragt sind dabei aufseiten des EDV-Designers gestalterischkreative Fertigkeiten, die von der Tätigkeit des programmierenden Informatikers zu unterscheiden sind, mag beides im Einzelfall auch durch dieselbe Person ausgeführt werden.

Demgegenüber betrifft die "Unternehmensberatung auf der Basis ausgewählter internationaler Management-Informationen und Management-Methoden" die Optimierung betriebswirtschaftlicher Abläufe, wobei die Unternehmensführung und die unterschiedlichen Managementebenen in Bezug auf Informationsbeschaffung und -auswertung, Rationalisierung der Entscheidungsprozesse und spätere Umsetzung im Mittelpunkt stehen. Hierzu werden betriebswirtschaftlich geprägte, auf das konkrete Unternehmen zugeschnittene Konzepte erarbeitet.

Bei diesen Produkten kann Dienstleistungsähnlichkeit nicht angenommen werden. Die markenrechtliche Dienstleistungsähnlichkeit ist zu bejahen, wenn zwischen den betreffenden Erzeugnissen so enge Beziehungen bestehen, dass sich den Abnehmern, wenn sie an den Erzeugnissen dasselbe Zeichen angebracht sehen, der Schluss aufdrängt, dass diese Produkte vom selben Unternehmen stammen (vgl. EuGH GRUR Int. 1994, 614, 615 - Ideal Standard II) oder sie dies wenigstens für möglich halten. Zu vergleichen sind im Streitfall die Erzeugnisse der von der Marke erfassten Unternehmensberatung und des von dem Beklagten angebotenen "Design &Programmierung". Auf diesen Gebieten werden, wie dargelegt, ganz unterschiedliche Produkte hervorgebracht. Dass sie von Haus aus völlig verschieden sind, ist dem Verkehr bewusst. Wenn für die Produkte daher dasselbe - durchschnittlich kennzeichnungskräftige - Zeichen "exes" verwendet wird, bedeutet dies für den Verkehr nicht, dass sie aus demselben Untenehmen stammen müssten. Auch sonst liegen Zusammenhänge nicht nahe, im Gegenteil. In "exes" auf der Internetseite des Beklagten findet der Verkehr Anklänge wieder, die nur für den Bereich der EDV-Technik typisch sind, etwa mit Blick auf die "exe"-Dateien oder das Tabellenkalkulationsprogramm "Excel". Die hierdurch hervorgerufene Assoziationen fördern zusätzlich die richtige Zuordnung zum EDV-Bereich.

Dass die EDV-Technik seit den 80er Jahren in fast allen Wirtschaftsbereichen Einzug gehalten hat und weiter an Bedeutung gewinnt, rechtfertigt keine andere Betrachtung. Die EDV-Technik ist mit ihren Erzeugnissen neben allen klassischen Wirtschaftsbranchen trotz vieler Überschneidungen und Berührungspunkte selbstständig geblieben. Sie hat eine im Wesentlichen zuarbeitende Funktion. Auch in der Unternehmensberatung dient sie als "Mittel zum Zweck", um die Bewältigung der Entscheidungsabläufe auf den verschiedenen Entscheiderebenen in Bezug auf die Grundlagen- und Informationsbeschaffung, die Auswertung der Informationen und die Umsetzung der Entscheidungen effizient zu gestalten. An die weithin nur unterstützende Funktion der EDV ist der Verkehr gewöhnt. Auch wenn sich daher ein Unternehmensberater ihrer bedient und diesbezügliche Leistungen anbietet, bleibt sein Produkt ein solches der Unternehmensberatung. Dies zeigen nicht zuletzt die Beispiele, die die Klägerin im nachgelassenen Schriftsatz vom 26.2.2002 vorgelegt hat, etwa wenn es darum ging, die Berichterstattung der zentralen Bereiche in einem Monatsbericht für den Unternehmensvorstand (Anlage BK 24) oder die Einführung eines neuen Produktplanungssystems (Anlage BK 25) darzustellen. Die dort benutzten Grafiken und Übersichten wären auch ohne Computereinsatz herzustellen gewesen und machen nicht den Kern der Beratungsleistung aus. Sie sollen die betriebswirtschaftlich relevanten Informationen und Konzepte nur veranschaulichen.

Die eine Verwechslungsgefahr begründende Produktähnlichkeit wird im Streitfall auch nicht dadurch hervorgerufen, dass sich die angesprochenen Kundenkreise überschnitten. Zwar lässt sich entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht sagen, dass die Kundenkreise nicht einmal teilweise identisch seien; denn unstreitig werde die Leistungen des Beklagten unterschiedslos allen Internetnutzern angeboten, d. h. Privatleuten ebenso wie Unternehmen. Die Gleichheit der Abnehmerkreise bewirkt indes ganz allgemein noch keine Produktähnlichkeit (vgl. Fezer, Markenrecht, 3. Aufl., § 14 Rdn. 358).

Kann schon in Bezug auf die Verwendung des Klagezeichens auf der Internetseite (K 5) keine Markenverletzung gesehen werden, gilt dies erst recht für die von der Klägerin ebenfalls angegriffene Benutzung in Form der Internet-Domains "exes.de" und "exes.net".

2. Ebenso wenig steht der Klägerin ein Unterlassungsanspruch aus ihrem Firmenbestandteil "EXES" zu (§ 5 Abs. 2 Satz 1, § 15 Abs. 2 und 4 MarkenG).

Die Bestimmung des § 15 MarkenG gewährt Unternehmenskennzeichen Schutz gegen Verwechslungsgefahr. Verwechslungsgefahr liegt vor, wenn die sich gegenüberstehenden Bezeichnungen die angesprochenen Verkehrskreise zu der irrigen Annahme verleiten können, die konkurrierend angebotenen Waren oder Dienstleistungen stammten aus demselben Geschäftsbetrieb. Ob eine solche Gefahr besteht, beurteilt sich nach einer Wechselwirkung zwischen dem Grad der Kennzeichnungskraft der geschützten Bezeichnung, dem wirtschaftlichen Abstand der Geschäftsbereiche (Branchennähe) und der Zeichenähnlichkeit.

Im vorliegenden Fall ist der Buchstabenfolge "EXES" allerdings - durchschnittliche - Kennzeichnungskraft zuzubilligen. Ein Firmenbestandteil kann im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 1, 2. Alt. MarkenG schutzfähig sein, sofern er unterscheidungskräftig ist und nach seiner Art im Vergleich zu den übrigen Firmenbestandteilen geeignet erscheint, sich im Verkehr als schlagwortartiger Hinweis auf das Unternehmen durchzusetzen (vgl. BGH NJW 1997, 1928, 1929 - NetCom). Es kommt nicht darauf an, ob und in welchem Umfang der Zeicheninhaber den Firmenbestandteil als Kurzbezeichnung tatsächlich benutzt hat oder ob der Bestandteil Verkehrsgeltung erlangte (vgl. BGH NJW-RR 1999, 1202 - Altberliner; GRUR 1991, 557 - Leasing Partner; GRUR 1997, 468, 469 - NetCom). Wesentlich ist vielmehr, ob der Bestandteil zum Zeitpunkt der Ingebrauchnahme des vollen Firmennamens (vgl. hierzu BGH GRUR 1992, 550 - acpharma) geeignet war, als Herkunftshinweis zu dienen, und ob dies auch noch beim ersten Aufeinandertreffen der konkurrierenden Zeichen der Fall gewesen ist. Zu Unrecht hat das Landgericht hier die Kennzeichnungskraft mit der Begründung verneint, nach der Art und Weise der konkreten Benutzung, wie sie die Klägerin durch Vorlage der Firmenbriefbögen usw. dargelegt habe, sei das Zeichen nicht in Alleinstellung verwendet worden. Die Buchstabenfolge "EXES" ergibt ein Phantasiewort und ist daher schon von Haus aus unterscheidungskräftig. Sie war von Beginn an geeignet, trotz der weiteren - teilweise ebenfalls kennzeichnungskräftigen - Zusätze in der Gesamtfirma der Klägerin als schlagwortartiger Hinweis auf die Klägerin zu fungieren. Wenn - wie hier - außer dem schutzbeanspruchenden Schlagwort noch andere Bestandteile in der Firma kennzeichnend sind, folgt daraus keineswegs, dass sich der Bestandteil nicht mehr als Firmenschlagwort durchzusetzen könnte. Letzteres kann bei griffigen Kürzeln durchaus der Fall sein, weil der Verkehr ganz allgemein zur Namensabkürzung neigt.

Indes fehlt es hier an der Branchennähe. Branchennähe setzt voraus, dass zwischen dem Unternehmen, welches das geschützte Unternehmenskennzeichen bezeichnet, und dem Unternehmen bzw. den Produkten, für welche das Zeichen des Dritten verwendet wird, ausreichend sachliche Berührungspunkte bestehen, so dass der Verkehr mindestens zur Annahme geschäftlicher Zusammenhänge im Sinne der Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne kommen kann.

Was den wirtschaftlichen Abstand der Erzeugnisse angeht, gilt das schon Ausgeführte entsprechend, d.h., zwischen den gegenüberstehenden Produkten bestehen Berührungspunkte nur insoweit, als die Erzeugnisse des "Designs &Programmierung" nur Mittel zur Erreichung des von der Klägerin mit ihren Produkten verfolgten Zwecks sind, was eine Branchennähe nicht begründen kann. Im Übrigen ist für die Branchennähe auf den Schwerpunkt der Unternehmenstätigkeit aus der Sicht des Verkehrs zum - hier unstreitigen - Kollisionszeitpunkt Ende 1997 (GA 34) abzustellen. Maßgebend sind die charakteristischen Arbeitsgebiete einschließlich der nicht nur rein theoretischen Ausweitungsmöglichkeiten.

Die Klägerin befasst sich seit dem Jahre 1993 mit der Unternehmensberatung im Managementbereich. Insoweit mag es von Beginn an Tendenzen bei ihr gegeben haben, sich der EDV zu bedienen und diese auch bei den zu beratenden Unternehmen einzusetzen. Diese Erstreckung betraf jedoch nur den Randbereich ihrer auf die Erarbeitung betriebswirtschaftlicher Konzepte gerichteten Tätigkeit. Im Mittelpunkt stand die Umsetzung der internationalen Management-Informationen und Management-Theorien, mögen diese in Teilbereichen auch EDV-Aspekte berücksichtigt haben. Nur die klassische Unternehmensberatung bildete jedenfalls bis Ende 1997 das Charakteristische ihrer Betätigung, nicht die eventuell dabei erbrachten Nebenleistungen der EDV-Technik. Zwar behauptet die Klägerin pauschal, sie befasse sich mit den namentlich auf Seite 4 der Klageschrift aufgeführten Tätigkeiten. Dies hat sie jedoch auf den Hinweis des Senats im Verhandlungstermin namentlich in Bezug auf den Kollisionszeitpunkt Ende 1997 nur unzureichend belegt. Die vereinzelten Beispiele (Anlagen BK 24 und 25) - zumal ohne Darstellung ihrer Gesamtbetätigung - erlauben nicht den Schluss, dass die EDV-bezogene Beratung über den Randbereich ihrer geschäftlichen Betätigung hinausreichte. Die literarische und Vortragstätigkeit ihres Geschäftsführers hat hier keine unmittelbare Bedeutung. Soweit die Klägerin auf die Fundstelle bei Richter/Stoppel ("Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleitungen", 11. Aufl.) verweist, wird dort zwar unter Hinweis auf eine Rechtsprechung des Bundespatentgerichts eine Ähnlichkeit zwischen "Unternehmensberatung" und "EDV-Beratung" bzw. "Schulung und Beratung auf dem Gebiet der EDV" angenommen. Vorliegend steht jedoch "Design &Programmierung" als konkurrierende Tätigkeit in Rede.

Allenfalls für ein Klagezeichen mit besonders hoher Kennzeichnungskraft könnte unter genannten Umständen noch eine Verwechslungsgefahr in Betracht zu ziehen sein. Eine überdurchschnittliche Kennzeichnungskraft des Firmenbestandteils "EXES" macht die Klägerin indes nicht geltend, sie ist im Übrigen auch nicht ersichtlich.

3. Soweit sich die Klägerin auf ihr Namensrecht gemäß § 12 BGB beruft, geht dessen Schutz nicht über die verneinten markenrechtlichen Verletzungsansprüche nach § 15 MarkenG hinaus.

4. Schließlich stehen der Klägerin auch in Bezug auf die für den Beklagten reservierten Domains "exes.de" und "exes.net" keine Ansprüche wegen sog. Domaingrabbings zu (§ 1 UWG, § 242 BGB). Auch unter Berücksichtigung der von der Klägerin im nachgelassenen Schriftsatz vom 26.2.2002 vorgelegten Unterlagen lässt sich nicht feststellen, dass der Beklagte seine Registrierung rechtsmissbräuchlich betrieben und die Klägerin unzulässig im Wettbewerb behindert hätte.

Die missbräuchliche Ausnutzung einer formalen Rechtsstellung könnte gegeben sein, wenn der Beklagte eine Vielzahl von Registrierungen ohne ernsthaften Benutzungswillen angemeldet und die Domains im Wesentlichen zu dem Zweck gehortet hätte, um von der Klägerin Geldzahlungen für den Gebrauch zu erreichen (vgl. Althammer/Ströbele/Klaka, Markengesetz, 6. Aufl., § 15 Rdn. 39 m.w.N.; für eine missbräuchliche Markenregistrierung: BGH WRP 2001, 160, 163 - Classe E).

Soweit die Klägern auf die gemäß Anlage BK 7 für den Beklagten registrierten Domains verweist, ist deren Summe so ungewöhnlich nicht, im Übrigen aber auch nicht erkennbar, dass der Beklagte sie zur Fremdbehinderung angesammelt hätte. Auch die Zusätze "im Umbau" oder "im Aufbau" geben für eine solche Annahme nichts her. Sie können sogar im Gegenteil (etwa die Adresse lichtenburggertor.de) darauf hindeuten, dass der Beklagte sich tatsächlich mit der Gestaltung von Internetseiten für Unternehmen befasst. Zudem gegeben die Anlagen BK 8 - 18 nur den Status eines Tages (18.2.2002) wieder und sind schon deshalb nicht geeignet, allgemeine Rückschlüsse auf das Fehlen eines ernstlichen Benutzerwillens zu ziehen. Der Vortrag des Beklagten, er befasse sich seit 1997 freiberuflich mit der Gestaltung von Internetseiten und Softwareleistungen (ohne Bezug zu Unternehmensabläufen) ist damit jedenfalls nicht wiederlegt. Das Klagezeichen ist auch nicht so bekannt, dass es schon unter diesem Gesichtspunkt ein Domaingrabbing nahelegen würde. Erneut ist darauf hinzuweisen, dass die Buchstabenfolge "exes" eher auf einen Ursprung aus der EDV-Technik hindeutet. Insoweit ist der Vortrag des Beklagten, er sei aufgrund dieser Assoziation zu der Namensgebung gekommen, durchaus plausibel.

Weitere Umstände sprechen eher gegen Domaingrabbing. Der Beklagte verwendet das Zeichen als Domainbestandteil seit Ende 1997. Er ist nicht von sich aus mit einer Geldforderung an die Klägerin herangetreten. Auf die E-Mailanfragen der Klägerin vom 22.7.1998 und 26.8.1998 reagierte er nicht. Nach der E-Mail vom 3.7.2000 kam die Klägerin erst zwei Jahre später auf die Angelegenheit zurück (wörtlich: "ich hatte Sie schon einmal vor 2 Jahren auf Ihre Markenrechtsverletzung mit dem Namen EXES verwiesen..."), worauf der Beklagte am 11.7.2000 immer noch keine Geldforderung erhob, sondern eines anderen Vorschlag machte ("wie wärs mit http://www.exesgmbh.de/"). Sofern er später einen "fünfstelligen" Betrag gefordert hat, ist daraus in Richtung auf eine unlautere Behinderung durch Ausübung einer formalen Rechtsposition zum Nachteil der Klägerin nichts Zwingendes herzuleiten.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 Satz 1 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich. Die Entscheidung betrifft einen Einzelfall zu der Frage, ob bei einem Zeichen bei gegebenem Produkt- und Branchenabstand Verwechslungsgefahr besteht ob nach den konkreten umständen von Domaingrabbing auszugehen ist.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 100.000 DM.

W.






OLG Düsseldorf:
Urteil v. 19.03.2002
Az: 20 U 132/01


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