Bundespatentgericht:
Beschluss vom 6. November 2002
Aktenzeichen: 28 W (pat) 13/02

(BPatG: Beschluss v. 06.11.2002, Az.: 28 W (pat) 13/02)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Die Entscheidung des Bundespatentgerichts vom 6. November 2002 mit dem Aktenzeichen 28 W (pat) 13/02 betrifft die Eintragung einer Marke für medizinische Apparate, Instrumente und Geräte. Die Markenstelle hatte die Anmeldung aufgrund fehlender Unterscheidungskraft abgelehnt. Die Anmelderin hat daraufhin Beschwerde eingelegt und argumentiert, dass der Begriff "Plasmacure" sowohl "Heilung von Blutplasma" als auch "Heilung mittels eines Plasmas" bedeuten könne. Das Gericht hat daraufhin eine Umfrage bei verschiedenen Verbänden und Institutionen durchgeführt, um die Bekanntheit und Verwendung des Begriffs zu ermitteln.

Das Gericht kommt zu dem Schluss, dass weder das Eintragungshindernis des Freihaltebedürfnisses noch das der fehlenden Unterscheidungskraft vorliegen. Es ist nicht mit ausreichender Sicherheit festgestellt worden, dass der Begriff "Plasmacure" von Mitbewerbern bereits zur Beschreibung der beanspruchten Waren verwendet wird. Zudem zeigen die Ergebnisse der Umfrage und die Überprüfung im Internet, dass der Begriff in unterschiedlicher Weise verwendet wird und keine eindeutige Bedeutung hat. Es handelt sich also um einen neuen Begriff, der bisher nicht in dem von der Markenstelle angenommenen Sinn verwendet wird. Das Gericht stellt zudem fest, dass der Begriff bisher von keinem Mitbewerber benötigt wurde und es bereits diverse andere Begriffe für ähnliche Therapie- und Reinigungsverfahren gibt.

Somit hebt das Gericht die Entscheidung der Markenstelle auf und erlaubt die Eintragung der Marke "Plasmacure" in das Markenregister. (Textlänge: ca. 285 Wörter)




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 06.11.2002, Az: 28 W (pat) 13/02


Tenor

Die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 10 vom 1. März 2000 und vom 15. Oktober 2001 werden aufgehoben.

Gründe

I.

Zur Eintragung in das Markenregister anmeldet ist Plasmacureals Kennzeichnung für die Warenmedizinische Apparate, Instrumente und Artikel, nämlich Plasmafraktionierer, Plasmaseparatoren, Plasmafilter, Plasmakomponentenseparatoren, Blutfilter, Blutreiniger, Apparate, Instrumente und Geräte für die Dialyse.

Die Markenstelle für Klasse 10 hat die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, das Wort bedeute soviel wie "Blutplasma-Heilung" und sei für die beanspruchten Waren ohne weiteres als unmittelbar beschreibende Sachangabe verständlich.

Mit der hiergegen gerichteten Beschwerde verfolgt die Anmelderin ihr Begehren auf Eintragung weiter. Sie trägt vor, Plasma sei nicht nur das Synonym für Blutplasma, sondern auch die Bezeichnung für ein leuchtendes, elektrisch leitendes Gasgemisch. Durch letzteres könnten auch verschiedene Keime und Erreger zerstört werden, so dass Plasmacure sowohl "Heilung von Blutplasma" als auch "Heilung mittels eines Plasmas" bedeuten könne. Diese Mehrdeutigkeit begründe die Schutzfähigkeit der Marke. Was die von der Markenstelle - erst zusammen mit dem ablehnenden Beschluß übersandten - Fundstellen von Plasmacure im Internet betreffe (7 Treffer), so seien diese falsch bewertet. Die aufgerufenen Dokumente stammten entweder von der Anmelderin selbst, oder aber es werde dort Plasmacure nur in einem Gesamtbegriff (plasmacure temperature oder plasmacure unit) verwendet und hätte eine andere Bedeutung. Ein Freihaltebedürfnis sei nicht gegeben, denn eine Verwendung des Begriffes in Alleinstellung sei nicht belegbar, was gegen ein entsprechendes Interesse der Mitbewerber spreche.

Das Gericht hat eine Umfrage bei vier Verbänden von Herstellern medizintechnischer Geräte sowie dem Forum Medizin Technik und Pharma in Bayern e.V. durchgeführt. Danach ist der angemeldete Begriff nicht bekannt und ein bestimmter Bedeutungsinhalt nicht vorstellbar. Ein Interesse der anderen Hersteller an diesem Wort wird nicht bejaht.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Der begehrten Eintragung in das Markenregister steht weder das Eintragungshindernis des Freihaltebedürfnisses (§ 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG) noch das der fehlenden Unterscheidungskraft (§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG) entgegen.

An der angemeldeten Marke besteht in bezug auf die beanspruchten Waren kein Freihaltebedürfnis iSv § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG, denn es steht nicht mit der für die Versagung einer Eintragung notwendigen Sicherheit fest, dass der Begriff Plasmacure für die Mitbewerber zur Bezeichnung eben der beanspruchten Waren freigehalten werden müsste.

Um eine Marke von der Eintragung auszuschließen bedarf es konkreter Anhaltspunkte dafür, dass sich ein Wort ausschließlich und unzweideutig zur Beschreibung der Waren eignet. Wird der Begriff bereits von unterschiedlichen Produzenten zur Beschreibung ihrer Ware verwendet, so liegt eine solche Vermutung nahe. Wenn sich jedoch wie hier bei einer Nachschau im Internet weltweit nur sieben Treffer feststellen lassen und das Wort zudem weder in Fachbüchern oder Lexika nachweisbar ist, so muss jede einzelne Fundstelle sorgfältig auf ihren Inhalt geprüft werden. Sachgerecht (und den Grundsätzen des Art 103 Abs 1 GG - rechtliches Gehör - entsprechend) kann dies nur erfolgen, wenn diese Fundstellen der Anmelderin vor der Entscheidung auch zur Kenntnis gebracht werden. Dann erst hat sie Gelegenheit sich zu den der Entscheidung zugrundeliegenden Tatsachen zu äußern und kann vor allem zur Aufklärung des Sachverhalts beitragen (vgl hierzu BGH, MarkenR 2000, 95 COMPUTER ASSOCIATES). Dies ist hier nicht geschehen.

Die Überprüfung der im Internet aufrufbaren Dokumente erbrachte, dass dort die Worte "plasma cure" in ganz unterschiedlicher und letztlich nicht eindeutig verifizierbarer Weise verwendet werden. Das liegt auch nahe, denn Plasma ist nicht nur das Blutplasma in der Medizin, sondern weit häufiger dürfte damit das in der Plasmatechnik verwendete hochionisierte, leuchtende Gasgemisch gemeint sein, das vor allem bei der Behandlung von Oberflächen - und auch in dem hier maßgeblichen Warenbereich der Medizintechnik - eingesetzt wird. So wird in zwei Patentschriften (DE 196 30 879 und DE 692 31 787) eine "Plasmabehandlung" von Oberflächen ua von Dialysatoren beschrieben. Auch in der Biomedizin wird die Plasmatechnik eingesetzt; dort können zB durch Plasmen gezielt Keime auf Implantaten oder Oberflächen zerstört werden (Plasmasterilisation; vgl hierzu www.plasmanet.de), eine Verwendung bei Dialysegeräten liegt damit ebenfalls nicht fern. Bei der Oberflächenbehandlung aber hat "cure" auch die Bedeutung von "aushärten" (das engl. cure heißt auch "haltbar machen, trocknen"). Dies ist zB einer US Patentschrift (US 2001/0038919) zu entnehmen, in der im Zusammenhang mit der Härtung von Oberflächen der Begriff "plasma curing" verwendet wird. Auch gibt es zahnärztliche Apparate, die mittels Plasmalichtbogen eine schnellere Aushärtung von Füllungen bewirken (die Firma America Dental Technologies bietet ein Plasma Arc Curing System an). Bei einer Nachschau im Internet fand sich bei der Eingabe der Begriffe "curing Härtung" (unter Verwendung der Suchmaschine google) eine Fülle von Treffern (zB das UV-Curing - UV-Härtung). Auch wenn bei dem auf die Erledigung einer Vielzahl von Verfahren angelegten kursorischen Eintragungsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt eine derart eingehende Überprüfung nur selten möglich sein wird, so zeigt dies doch, dass jedenfalls bei nur geringen Nachweisen der Verwendung eines angemeldeten Begriffes in einem derart fachspezifischen Bereich entweder vor der Entscheidung der Anmelderin alle Fundstellen zur Stellungnahme vorgelegt werden müssen, oder aber, weil eine weitere Sachaufklärung mit vertretbaren Aufwand nicht mehr möglich ist, die Marke entsprechend dem Eintragungsanspruch nach § 33 Abs 2 Satz 1 MarkenG einzutragen ist.

Für die Entscheidung hier ist festzustellen, dass zumindest drei Dokumente im Internet dieselbe Veröffentlichung zur Plasmabearbeitung von Oberflächen betreffen ("The effect plasma cure temperature on spinon glass" von N.Namatsu), in einem Dokument der Gesamtbegriff überhaupt nicht erscheint (sondern vielmehr "plasma module" und "cure modul"), zwei Dokumente sich (wohl) mit der Aushärtung von zahnärztlichen Brücken und Kronen befassen (eines vom Dental Center der Universität New York und eines, das ausführt "a oxygenfree plasma cure crosslinks.."), ein weiteres Dokument nicht aufrufbar ist und eine Fundstelle schließlich von der Anmelderin selbst stammt. Damit steht fest, dass Plasmacure ein neuer Begriff ist, der jedenfalls noch nicht in dem von der Markenstelle angenommenen Bedeutungsinhalt verwendet wird. Will man dennoch ein Freihaltebedürfnis bejahen, so müssen die Nachweise an den eindeutigen und unmittelbaren Sinngehalt klar und nachvollziehbar sein. Das ist hier nicht der Fall.

Von Bedeutung sind hier insbesondere die Auskünfte der Verbände, die - trotz ihrer Aufgabe, die Interessen ihrer Mitglieder und Wettbewerber der Anmelderin zu schützen - weder einen Aussagegehalt noch ein Freihaltungsinteresse bejahen. Hinzu kommt, dass der Begriff offenbar bisher von keinem der Mitbewerber benötigt worden ist, obwohl Dialysegeräte schon lange auf dem Markt sind. Auch ist nicht klar, ob die Aussage in Richtung "Heilung des Blutplasmas" oder "Heilung durch Blutplasma" geht. Es gibt in diesem Fachbereich zahlreiche Begriffe wie plasmatherapy (Therapie mittels Plasma), blood purification methodes (Blutreinigungsverfahren), detoxification of the blood (Blutwäsche), so dass nicht ersichtlich ist, weshalb plasmacure für "Blutplasma-Heilung" (ein Begriff, der übrigens ebenfalls nicht nachweisbar ist) gebraucht wird. Zuletzt ist die Zusammensetzung von "plasma" und "cure" eher untypisch, denn während mit "plasma" in der Regel hochfachspezifische Begriffe gebildet werden (zB plasmacyte - Plasmazelle, plasmapheresis - Plasmapherese, plasma substitutes - Plasmaersatzmittel), wird "cure" im Englischen meist in Richtung "Hausmittel" verwendet (zB antifat cure - Mastkur, diet cure - Diätkur, sudation cure - Schwitzkur, rest cure - Ruhekur, cureall - Allheilmittel). Damit fehlt es an ausreichenden Anhaltspunkte für die Bejahung eines zukünftigen Freihaltungsinteresses.

Für eine Verneinung der Unterscheidungskraft fehlt es ebenfalls an entsprechenden Feststellungen, zumal jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft ausreicht um dieses Schutzhindernis zu überwinden. Kann wie hier einer Wortmarke kein für die fraglichen Waren im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet gibt es keinen Anhalt dafür, dass ihr die Unterscheidungseignung und damit jegliche Unterscheidungskraft fehlt.

Auf die Beschwerde der Anmelderin war demnach der angefochtene Beschluß aufzuheben.

Stoppel Paetzold Schwarz-Angele






BPatG:
Beschluss v. 06.11.2002
Az: 28 W (pat) 13/02


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/67b43fa2a4ce/BPatG_Beschluss_vom_6-November-2002_Az_28-W-pat-13-02




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