Oberlandesgericht Hamm:
Beschluss vom 5. Januar 2005
Aktenzeichen: 2 s Sbd VIII 278/04

(OLG Hamm: Beschluss v. 05.01.2005, Az.: 2 s Sbd VIII 278/04)

Tenor

Rechtsanwalt K. wird anstelle seiner gesetzlichen Gebühren in Höhe von 1.065 EURO eine Pauschvergütung von 1.700 EURO (in Worten: eintausendsiebenhundert EURO) bewilligt.

Gründe

I.

Dem ehemaligen Angeklagten wurde im vorliegenden Verfahren eine sexuelle Nötigung zur Last gelegt. Er ist deswegen von der auswärtigen Strafkammer des Landgerichts Bochum durch Urteil vom 02. April 2004 zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt worden. Die Revision des ehemaligen Angeklagten hat der BGH inzwischen als unbegründet verworfen.

Der Antragsteller war dem ehemaligen Angeklagten während des Verfahrens als Pflichtverteidiger beigeordnet. Er beantragt nunmehr für seine für den ehemaligen Angeklagten erbrachten Tätigkeiten die Gewährung einer Pauschvergütung, die er im Wesentlichen mit folgenden Tätigkeiten begründet:

Der Antragsteller ist im Vorverfahren wie folgt für den ehemaligen Angeklagten tätig geworden: Er hat einige Schreiben und Anträge verfasst und hat Einsicht in die rund 400 Seiten starke Akte genommen. Er hat außerdem am Termin zur Verkündung des Haftbefehls am 5. Januar 2004 beim Amtsgericht Recklinghausen teilgenommen. Der Zeitaufwand hat - unter Einschluss der Fahrtzeiten von Köln, dem Sitz der Kanzlei des Antragstellers nach Recklinghausen, - vier Stunden gedauert. Zudem hat der Antragsteller den ehemaligen Angeklagten zweimal Mal in der Justizvollzugsanstalt Bochum besucht. Die Besuche haben jeweils - ebenfalls unter Einschluss der Fahrtzeiten von Köln nach Recklinghausen - bis zu vier Stunden gedauert.

Der Antragsteller hat an der Hauptverhandlung, die am 31. März , und 1. und 2. April 2004 in Recklinghausen stattgefunden hat, teilgenommen. Die durchschnittliche Dauer der Hauptverhandlungstermine hat 3 Stunden 52 Minuten betragen. In der Beweisaufnahme sind 15 Zeugen vernommen worden. Das landgerichtliche Urteil umfasste 13 Seiten.

Der Antragsteller ist für den ehemaligen Angeklagten auch in der Revisionsinstanz tätig geworden. Er hat die Revision eingelegt und sie auf 11 Seiten begründet. Zudem hat er einige weitere Schreiben verfasst.

Wegen des weiteren Umfangs der Inanspruchnahme und der von dem Antragsteller für seinen Mandanten erbrachten Tätigkeiten wird auf die dem Antragsteller bekannt gemachte Stellungnahme des Leiters des Dezernats 10 vom 10. Dezember 2004 Bezug genommen.

Die gesetzlichen (Pflichtverteidiger-)Gebühren des Antragstellers betragen 1.065 EURO. Der Antragsteller hat die Gewährung einer angemessenen Pauschvergütung beantragt. Der Vorsitzende der Strafkammer hat das Verfahren als nicht "besonders schwierig" angesehen. Der Vertreter der Staatskasse hat sich dem angeschlossen. Er sieht das Verfahren auch nicht als "besonders umfangreich" an. Der Antragsteller ist dem insbesondere unter Hinweis auf die Fahrtzeiten von Köln nach Recklinghausen entgegengetreten.

II.

Dem Antragsteller war nach § 99 BRAGO eine Pauschvergütung zu bewilligen.

1.

Das Verfahren war allerdings nicht "besonders schwierig" im Sinne von § 99 Abs. 1 BRAGO. "Besonders schwierig" im Sinne des § 99 Abs. 1 BRAGO ist ein Verfahren, das aus besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Gründen über das Normalmaß hinaus erheblich verwickelt ist (vgl. dazu Burhoff StraFo 1999, 261, 264). Das ist vorliegend nach Einschätzung des Senats nicht der Fall. Insoweit schließt sich der Senat der Einschätzung des Vorsitzenden der Strafkammer an (vgl. dazu grundlegend Senat in AnwBl. 1998, 416 = ZAP EN-Nr. 609/98 = AGS 1998, 104 und Senat in JurBüro 1999, 194 = AGS 1999, 104 = AnwBl. 2000, 56).

2.

Das Verfahren war für den Antragsteller aber "besonders umfangreich" im Sinne des § 99 Abs. 1 BRAGO.

"Besonders umfangreich" ist eine Strafsache dann, wenn der von dem Verteidiger erbrachte zeitliche Aufwand erheblich über dem Zeitaufwand liegt, den er in einer "normalen" Sache zu erbringen hat (allgemeine Meinung zu § 99 BRAGO; vgl. die Nachweise bei Burhoff StraFo 1999, 261, 263 in Fn. 30 und die ständige Rechtsprechung des Senats). Für die Einordnung des vorliegenden Verfahrens als "besonders umfangreich" waren vor allem die vom Antragsteller im Vorverfahren erbrachten Tätigkeiten und die Teilnahme an den Hauptverhandlungsterminen zu berücksichtigen. Der Antragsteller hat im Vorverfahren an einem weiteren Termin teilgenommen und seinen Mandanten zwei Mal in der Justizvollzugsanstalt zu längeren Gesprächen aufgesucht. Das geht erheblich über das hinaus, was von einem Pflichtverteidiger auch in einem Strafkammerverfahren erwartet werden kann. Die zu berücksichtigenden Hauptverhandlungstermine waren mit einer durchschnittlichen Dauer von knapp 4 Stunden noch nicht durchschnittlich lang. Allerdings waren die drei Termine äußerst dicht terminiert. Schließlich lagen die Tätigkeiten des Antragstellers im Revisionsverfahren schon im überdurchschnittlichen Bereich. Er hat die Revision des ehemaligen Angeklagten auf 11 Seiten begründet und weitere Schreiben gefertigt.

Damit war schon aus diesen Gründen eine Pauschvergütung zu bewilligen, so dass es auf die vom Antragsteller aufgeworfene Frage, ob die aufgewendeten Fahrtzeiten schon bei der Entscheidung, ob überhaupt eine Pauschvergütung zu bewilligen ist, nicht mehr ankam. Insoweit merkt der Senat allerdings an, dass er an seiner ständigen Rechtsprechung festhält. Danach sind die Fahrtzeiten des Pflichtverteidigers zur Hauptverhandlung noch nicht bei der Frage, ob überhaupt eine Pauschvergütung zu gewähren ist, heranzuziehen; sie sind erst bei der Bemessung der Pauschvergütung ggf. pauschvergütungserhöhend von Belang (vgl. Senat in NStZ-RR 1999, 31 = Rpfleger 1999, 95 = AGS 1999, 168 und in StraFo 1999, 143 = wistra 1999, 156 = AGS 1999, 72 = StV 2000, 441; jeweils mit weiteren Nachweisen auch zu a.A.; siehe auch die Rechtsprechungsnachweise bei Burhoff AGS 2002, 37 und bei Burhoff (Hrsg.), RVG Straf- und Bußgeldsachen, § 51 Rn. 86 sowie zuletzt u.a. auch Senat in BRAGOreport 2003, 238). Eine Änderung dieser Rechtsprechung ist nicht im Hinblick auf die vom Antragsteller angeführte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24. November 2000 (2 BvR 813/99, NJW 2001, 1269 = StV 2001, 241 = NStZ 2001, 211 = AGS 2001, 63) geboten. Die dieser Entscheidung zugrunde liegende Fallgestaltung ist mit der vorliegenden nicht vergleichbar. Während es in der Entscheidung des Bundesverfassungsgericht um die Frage der Erstattungsfähigkeit von (individuellen) Reisekosten ging, geht es vorliegend darum, ob dem antragstellenden Pflichtverteidiger wegen des "besonderen Umfangs" des Verfahrens allgemein eine erhöhte gesetzliche Vergütung zusteht. Für den besonderen Umfang des Verfahrens sind aber - worauf der Senat schon mehrfach hingewiesen hat - nur verfahrensbezogene Umstände von Belang. Die Dauer der Anreise zum Hauptverhandlungstermin ist ein solcher Umstand nicht, er ist ein individueller, in der Person des Pflichtverteidigers liegender (a.A. offenbar N.Schneider in AnwKommBRAGO, § 99 Rn. 34 m.w.N.). Dass für die Fahrten zur Justizvollzugsanstalt, in der der inhaftierte Mandant einsitzt, etwas anderes gilt, hat der Senat bereits in der Vergangenheit entschieden (vgl. Senat in NStZ-RR 2001, 95 [OLG Hamm 14.11.2000 - 2 s Sbd 6 213/00]). Davon ist er auch vorliegend ausgegangen.

Insgesamt erschien dem Senat unter nochmaliger Abwägung aller Umstände und nunmehr unter Berücksichtigung der Fahrzeiten auch zu den drei Hauptverhandlungsterminen die zuerkannte Pauschvergütung von 1.700 EURO ausreichend und angemessen. Mit ihr wird die so genannte Mittelgebühr des Wahlverteidigers geringfügig überschritten.






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