Oberlandesgericht Hamm:
Beschluss vom 20. Februar 2014
Aktenzeichen: 4 W 19/14

(OLG Hamm: Beschluss v. 20.02.2014, Az.: 4 W 19/14)

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 13.02.2014 wird der Beschluss der 15. Zivilkammer des Landgerichts Münster vom 29.01.2014 abgeändert:

Dem Antragsgegner wird verboten, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken beim Angebot von Bekleidungsartikeln im Internet bei kennzeichnungspflichtigen Waren der Textilkennzeichnungsverordnung (VO (EU) 1007/2011) für die Beschreibung der Faserzusammensetzungen Textilfaserbezeichnungen zu verwenden, die nicht im Anhang I der Textilkennzeichnungsverordnung enthalten sind, wie geschehen bei dem Verkaufsangebot des Antragsgegners auf der Internethandelsplattform X gemäß Anlage AS 2.

Dem Antragsgegner wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht, wobei die Ordnungshaft insgesamt zwei Jahre nicht überschreiten darf.

Die Kosten des Verfahrens beider Instanzen trägt der Antragsgegner.

Der Wert des Verfügungsverfahrens 1. Instanz und des Beschwerdeverfahrens wird auf 15.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig; insbesondere ist sie gem. §§ 567 Abs. 1 Nr. 2, 936, 922 ZPO statthaft sowie nach § 569 ZPO form- und fristgemäß eingelegt worden.

II.

Die sofortige Beschwerde ist auch begründet.

Zu Unrecht hat das Landgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.

1.

Der Verfügungsantrag ist zulässig.

a)

Der Senat hat im Rahmen des ihm nach § 938 Abs. 1 ZPO zustehenden Ermessens den Verbotstenor nach Maßgabe des von der Antragstellerin nach dem Inhalt der Antragsschrift verfolgten Rechtsschutzziels gefasst. Der Verfügungsantrag ist klarstellend und kostenunschädlich dahin auszulegen, dass die Antragstellerin ein Verbot erreichen will, bei kennzeichnungspflichtigen Erzeugnissen nach der Textilkennzeichnungsverordnung (VO (EU) 1007/2011) für die Beschreibung der Faserzusammensetzungen Textilfaserbezeichnungen zu verwenden, die nicht im Anhang I der Textilkennzeichnungsverordnung enthalten sind. Das ergibt sich aus der Antragsbegründung, in der die Antragstellerin einen Verstoß gegen Art. 5 Abs. 1 der Verordnung rügt. Vor diesem Hintergrund bestehen gegen die hinreichende Bestimmtheit des Verfügungsantrags im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO keine Bedenken.

b)

Die Antragstellerin ist nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG antragsbefugt. Denn sie hat glaubhaft gemacht, dass die Parteien mit dem Angebot von Bekleidungsartikeln im Internet in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis stehen.

c)

Für die Annahme eines Rechtsmissbrauchs (§ 8 Abs. 4 UWG) bestehen keine zureichenden Anhaltspunkte.

2.

Das Bestehen eines Verfügungsgrundes wird nach § 12 Abs. 2 UWG vermutet. Diese Vermutung ist nicht widerlegt.

3.

Es ist auch ein Verfügungsanspruch gegeben. Der aktivlegitimierten Antragstellerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegen den Antragsgegner nach §§ 8 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 1, 3, 4 Nr. 11 UWG i. V. m. Art. 5 Abs. 1, Art. 16 Abs. 1 TextilkennzVO und dem Anhang I der TextilkennzVO zu.

Das beanstandete Internetangebot des Antragsgegners stellt eine geschäftliche Handlung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG dar.

Diese ist nach § 4 Nr. 11 UWG unlauter. Denn sie verstößt gegen die vorgenannten Vorschriften der TextilkennzVO. Bei diesen handelt es sich um Marktverhaltensvorschriften im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG (Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl., § 4 Rn. 11.118 und 11.130).

Für die Beschreibung der Faserzusammensetzungen auf Etiketten und Kennzeichnungen von Textilerzeugnissen dürfen nach Art. 5 Abs. 1 TextilkennzVO nur die Textilfaserbezeichnungen nach Anhang I verwendet werden. Nach Art. 16 Abs. 1 TextilkennzVO müssen die vorgeschriebenen Informationen für Verbraucher vor dem Kauf deutlich sichtbar sein; dies gilt auch für Fälle, in denen der Kauf auf elektronischem Wege erfolgt.

Die vom Antragsgegner bei dem beanstandeten Angebot genannte Bezeichnung "Spandex" ist nicht in dem Anhang I der Verordnung aufgeführt. Sie darf deshalb nach Art. 5 Abs. 1 TextilkennzVO nicht verwendet werden.

Entgegen der Ansicht des Landgerichts ist eine spürbare Beeinträchtigung im Sinne von § 3 Abs. 1 und Abs. 2 UWG gegeben. Diese kann nicht deshalb verneint werden, weil sich ein Verbraucher über den Begriff "Spandex" auch im Wege einer Internetrecherche informieren kann und weil es sich lediglich um einen Artikel handelt.

Denn bei den vorgeschriebenen Angaben geht es um Informationen, die die Werbung und damit die kommerzielle Kommunikation betreffen und die dem Verbraucher aufgrund einer unionsrechtlichen Verordnung, der VO (EU) 1007/2011, nicht vorenthalten werden dürfen (§ 5 a Abs. 4 UWG; Art. 7 Abs. 5 der Richtlinie 2005/29/EG). Derartige Informationen sind nach der gesetzlichen Regelung stets wesentlich im Sinne von § 5 a Abs. 2 UWG und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2005/29/EG. Werden Informationen vorenthalten, die das Unionsrecht als wesentlich einstuft, ist zugleich geklärt, dass das Erfordernis der Spürbarkeit nach § 3 Abs. 2 S. 1 UWG erfüllt ist (vgl. BGH, GRUR 2010, 852 - Gallardo Spyder; BGH, GRUR 2012, 842 - Neue Personenkraftwagen).

Das Bestehen einer Wiederholungsgefahr wird tatsächlich vermutet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.






OLG Hamm:
Beschluss v. 20.02.2014
Az: 4 W 19/14


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