Finanzgericht Köln:
Beschluss vom 17. Juni 2009
Aktenzeichen: 10 Ko 4491/08

(FG Köln: Beschluss v. 17.06.2009, Az.: 10 Ko 4491/08)

Tenor

Die Erinnerung wird abgewiesen.

Die Kosten des Erinnerungsverfahrens hat der Erinnerungsführer zu tragen.

Gründe

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Prozessvertreter der Erinnerungsgegnerin eine Erledigungsgebühr zusteht.

Die Erinnerungsgegnerin hatte im Verfahren 4 K 3184/07 einen Bescheid über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwertes für Zwecke der Erbschaftsteuer auf 1.683.000 € angefochten. In der Einspruchsentscheidung vom 25. Juli 2007 hatte der Erinnerungsführer den Grundbesitzwert auf 1.238.000 € herabgesetzt. Die Klägerin beantragte im Klageverfahren eine weitere Herabsetzung auf 547.500 €.

Die Berichterstatterin stellte den Beteiligten im Rahmen eines Erörterungstermins vom 30. Oktober 2008 eine eigene Berechnung vor, in welcher sie den Grundbesitzwert mit 743.000 € ermittelte. Die Beteiligten erklärten sich mit einer tatsächlichen Verständigung auf dieser Grundlage einverstanden und erklärten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. Die Kosten des Verfahrens wurden mit Beschluss vom gleichen Tage der Erinnerungsgegnerin zu 28% unter dem Erinnerungsführer zu 72% auferlegt.

Im vorliegend streitgegenständlichen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 10. Dezember 2008 wurden die der Erinnerungsgegnerin zu erstattenden Kosten auf 5.072,26 € festgesetzt. Dabei berücksichtigte die Kostenbeamtin auch eine Erledigungsgebühr. Die für das Entstehen einer Erledigungsgebühr erforderliche Mitwirkung liege auch dann vor, wenn der Bevollmächtigte - etwa im Anschluss an einen Erledigungsvorschlag des Gerichts - das ursprüngliche Klagebegehren im Interesse der außergerichtlichen Beendigung des Rechtsstreits um mehr als 10% einschränke.

Der Erinnerungsführer macht geltend, das es an der für das Entstehen einer Erledigungsgebühr erforderlichen Mitwirkung des Bevollmächtigten fehle. Die Berichterstatterin habe ihren Vorschlag aufgrund der bereits in der Akte befindlichen Schriftsätze gefertigt. Nach Vorstellung des Vorschlags hätten sich die Beteiligten ohne weitere Diskussion damit einverstanden erklärt. Eine eingehende Erörterung habe zu keiner Zeit stattgefunden. Die Erinnerungsgegnerin habe dazu nicht befragt werden müssen und sei auch ohnehin nicht anwesend gewesen.

II. Die Erinnerung ist unbegründet.

1. Dem Bevollmächtigten steht eine Erledigungsgebühr zu, weil der Bevollmächtigte darauf hingewirkt hat, dass die Erinnerungsgegnerin ihr ursprüngliches Klagebegehren im Interesse der außergerichtlichen Beendigung des Rechtsstreits um mehr als 10% eingeschränkt hat.

a) Da über Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis wegen des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung nicht vertraglich verfügt werden kann, ist die Entstehung einer Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV RVG regelmäßig ausgeschlossen (VV Nr. 1000 Abs. 4). Stattdessen sieht Nr. 1002 VV RVG die Entstehung eine Erledigungsgebühr vor, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt (Nummer 1003 i.V.m. Nummer 1002 VV). Das Gleiche gilt, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise durch den Erlass eines bisher abgelehnten Verwaltungsakts erledigt.

b) Das RVG hat die BRAGO ab 1. Juli 2004 abgelöst. In der BRAGO war die Erledigungsgebühr in § 24 geregelt. Danach erhielt der Rechtsanwalt eine Erledigungsgebühr, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Zurücknahme oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts erledigte und der Rechtsanwalt bei der Erledigung mitgewirkt hatte. Um den Prozessbevollmächtigten im finanzgerichtlichen Verfahren nicht gegenüber einem Rechtsanwalt zu privilegieren, der im Zivilprozess eine auf einen Vergleich gerichtete Tätigkeit entfaltet hatte, wurde für eine "Mitwirkung bei der Erledigung" nach altem Recht in ständiger Rechtsprechung eine besondere Tätigkeit des Bevollmächtigten verlangt, die die materielle Erledigung des Rechtsstreits ohne Urteil herbeiführte und die über die bereits mit der Prozess- oder Verhandlungsgebühr abgegoltene Einlegung und Begründung des Rechtsbehelfs hinausging (FG Köln, Beschluss vom 28. Juni 2004 10 Ko 1603/04, EFG 2004, 1642, FG Baden-Württemberg, Beschluss vom 4. September 1995 1 Ko 2/95, EFG 1995, 1077, jeweils m.w.N.).

c) Ebenso wie § 24 BRAGO erfordert Nr. 1002 VV RVG die anwaltliche Mitwirkung bei der Erledigung. Die Erledigungsgebühr ist eine zusätzliche Vergütung dafür, dass der Rechtsanwalt durch seine Tätigkeit, insbesondere Verhandlungen mit der Verwaltungsbehörde, erreicht, dass die Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt aufhebt oder zugunsten des Mandanten ändert oder einen zunächst abgelehnten Verwaltungsakt doch noch erlässt (BFH-Beschluss vom 12. Februar 2007 III B 140/06, BFH/NV 2007, 1109).

Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass die mit dem RVG neu geschaffene Einigungsgebühr die früher geltende Vergleichsgebühr nicht nur ersetzen ersetzen, sondern diese gleichzeitig inhaltlich erweitern sollte. Denn bei dieser Erweiterung ging es nicht um die Schaffung einer Erfolgsgebühr. Es sollte lediglich die Ungewissheit beseitigt werden, wann es sich bei einem Vertrag zur Beilegung eines Streits um einen echten Vergleich i.S. § 779 BGB handelte. Dementsprechend soll die Einigungsgebühr nicht für einen zur Streitbeilegung geschlossenen Vertrag anfallen, in dem ein Anspruch vollständig anerkannt oder auf einen Anspruch vollständig verzichtet wird. Der Gesetzgeber wollte mit dieser Einschränkung verhindern, dass schon die Erfüllung des geltend gemachten Anspruchs oder der Verzicht auf Weiterverfolgung eines Anspruchs die Einigungsgebühr auslöst (BT-Drucks. 15/1971, 147, 204).

d) Somit ist auch die Erledigungsgebühr nach wie vor keine reine Erfolgsgebühr für eine allgemein auf Verfahrensförderung gerichtete Tätigkeit, sondern eine besondere Tätigkeitsgebühr, die anlässlich einer nichtstreitigen Erledigung im Rahmen des Klageverfahrens verdient werden kann. Im Gesetz kommt dies in den Worten "durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt" zum Ausdruck. Die Erledigungsgebühr entsteht deshalb weder, wenn sich die Sache bereits im Rahmen des Verwaltungsvorverfahrens erledigt noch dann, wenn lediglich die Äußerungen des Berichterstatters im Rahmen eines Erörterungstermins das Finanzamt zur Rücknahme oder Änderung des Bescheides veranlasst haben. Ebenso wenig entsteht eine Erledigungsgebühr, wenn der Kläger die Klage auf Anraten seines Prozessbevollmächtigten zurücknimmt oder wenn das Finanzamt unter dem Eindruck der Klagebegründung bzw. eines ergänzenden Schriftsatzes oder aufgrund eines Hinweises auf die Rechtslage/Rechtsprechung den Bescheid aufhebt bzw. ändert und damit den Kläger klaglos stellt (vgl. Gräber/Stapperfend, FGO 6. Aufl., § 139 Rz 77; Hollatz, Kosten in Finanzrechtsstreit, NWB Fach 2, S. 8677/8717). Es versteht sich von selbst, dass der Prozessbevollmächtigte in möglichst überzeugender Weise die rechtlichen Argumente vorträgt, die der Klage seines Mandanten zum Erfolg verhelfen können. Dies ist keine besondere Leistung, die nicht bereits mit der Verfahrensgebühr abgegolten wäre.

e) Das erforderliche Mitwirken kann beispielsweise in dem Unterbreiten eines Erledigungsvorschlags bestehen. Denkbar ist auch ein Einwirken auf eine vorgesetzte Behörde, welches die Aufhebung/Änderung des angefochtenen Verwaltungsakts nach sich zieht. Auch die mit einer zusätzlichen Beratungsleistung verbundene Prüfung, ob das ursprüngliche Klagebegehren im Interesse der außergerichtlichen Beendigung des Rechtsstreits nicht unwesentlich eingeschränkt werden soll, kann eine über die allgemeine Prozessführung hinausgehende Tätigkeit sein, die den besonderen Erfolg der Erledigung der Sache ohne förmliche Entscheidung fördert und ermöglicht. Ein entsprechendes Einwirken auf den Steuerpflichtigen, der außergerichtlichen Erledigung des Rechtsstreits zuzustimmen, ist eine besondere Leistung, die nicht mit der allgemeinen Verfahrensgebühr abgegolten ist. Aus Gründen der Praktikabilität und Vereinfachung nimmt das Gericht eine nicht unwesentliche Einschränkung des ursprünglichen Klagebegehrens an, wenn es um mehr als 10% eingeschränkt wird (FG Köln, Beschluss vom 28. Juni 2004 10 Ko 1603/04, EFG 2004, 1642).

f) Auch im Streitfall hat die Prozessbevollmächtigte der Erinnerungsgegnerin durch eine erhebliche Einschränkung des Klagebegehrens in diesem Sinne bei der materiellen Erledigung mitgewirkt. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt das Gericht Bezug auf die insoweit zutreffenden Ausführungen im vorliegend streitgegenständlichen Kostenfestsetzungsbeschluss. Daran ändert sich auch in solchen Fällen nichts, in denen der Steuerpflichtige im Erörterungstermin nicht anwesend ist. Denn das Gericht geht davon aus, dass die Einschränkung des Klageantrags durch einen Bevollmächtigten in einem Erörterungstermin in aller Regel im Benehmen mit dem von ihm vertretenen Steuerpflichtigen erfolgt.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Entscheidung über die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss ergeht gerichtsgebührenfrei, weil das Kostenverzeichnis (Anlage 1 zum Gerichtskostengesetz) eine Gebühr für diesen Beschluss nicht vorsieht. Die Pflicht zur Kostentragung beschränkt sich demgemäß auf die Auslagen des Gerichts und die außergerichtlichen Kosten.






FG Köln:
Beschluss v. 17.06.2009
Az: 10 Ko 4491/08


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