Landgericht Frankfurt am Main:
Beschluss vom 15. Januar 2015
Aktenzeichen: 5/24 KLs 7580 Js 230342/12 (13/14)

(LG Frankfurt am Main: Beschluss v. 15.01.2015, Az.: 5/24 KLs 7580 Js 230342/12 (13/14))

Tenor

Die Pfändungsanordnung der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main vom 13. November 2012 betreffend die Forderung der €T. GmbH€ gegen die €m. GmbH€ wird aufgehoben.

Die weitergehende Beschwerde wird verworfen.

Gründe

I.

1. Unter dem Datum des 7. April 2014 erhob die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main gegen die Angeschuldigten wegen des Verdachts des (schweren) Betruges und, soweit es den Angeschuldigten J. betrifft, Beihilfe hierzu, Anklage zur Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Frankfurt am Main. Über die Eröffnung des Hauptverfahrens ist noch nicht entschieden.

In der Anklageschrift wird den Angeschuldigten vorgeworfen, im Jahre 2011 gemeinsam mit dem gesondert verfolgten E. und weiteren gesondert verfolgten Beschuldigten mindestens 13.996 Personen aus dem gesamten Bundesgebiet zur Erlangung von wöchentlichen Zahlungen als (angebliche) Gegenleistung für abgeschlossene Dienstleistungsverträge zur Vornahme von regelmäßigen Eintragungen der Geschädigten in internetbasierte Gewinnspiele (sogenannter Gewinnspieleintragungsdienst) über die tatsächliche Existenz der Gewinnspiele und die Werthaltigkeit der bei den Spielen bestehenden Gewinnchancen getäuscht und hierdurch einen Gesamtschaden von 776.190,79 € (einschließlich Umsatzsteuer) verursacht zu haben.

Dabei wurden die von den geschädigten Kunden gezahlten Beträge von insgesamt 278.819,13 € gemäß § 21 Absatz 2 Nummer 7 Buchstabe a) Telekommunikationsgesetz (TKG) als Entgelte für telekommunikationsgestützte Dienstleistungen über die Telefonrechnungen durch die Netzbetreibergesellschaften, insbesondere die Deutsche Telekom GmbH, als Inkassounternehmen eingezogen und an die €m. GmbH€ auf Grund eines zwischen diesen Gesellschaften bestehenden Fakturierungs- und Inkassierungsvertrages (F & I - Vertrag) weitergeleitet, der dann ihrerseits die vereinnahmten Entgelte der (unter anderem) von den Angeklagten K. und R. zur Tatausübung als Betreibergesellschaft genutzten €Teleservice GmbH€ (vormals €AK Consulting GmbH€) intern gutgeschrieben wurden. Diese Gutschriften reduzierten sich durch Rechnungen, Sicherheitseinbehalte und weitere Kosten auf insgesamt 83.939,66 €, die auf Grund von Auszahlungs- und Inkassierungsverboten der Bundesnetzagentur bislang nicht ausgezahlt wurden.

2. Im Ermittlungsverfahren ordnete der Ermittlungsrichter beim Amtsgericht Frankfurt am Main durch Beschluss vom 13. März 2012 gemäß §§ 111b Absatz 2 und 5, 111d, 111e Absatz 1 StPO in Verbindung mit §§ 73 Absatz 1 Satz 2, 73a StGB

€zugunsten des Landes Hessen zur Sicherung der den Verletzten aus den Straftaten der Angeschuldigten erwachsenen zivilrechtlichen Ansprüche€

den dinglichen Arrest in Höhe von 86.908,09 € in das Vermögen der €T. GmbH€ als Rechtsnachfolgerin der €A. GmbH€ an. Durch Beschluss vom 24. September 2012 wurde der Arrest zunächst bis zum 23. März 2013 und sodann durch weiteren Beschluss vom 3. April 2013 auf unbestimmte Zeit verlängert.

3. In Vollziehung dieses Arrestes hat die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main durch Pfändungsanordnung vom 13. November 2012 sämtliche bestehenden und künftigen Forderungen der €T. GmbH€ gegen die €m. GmbH€ gepfändet, welche die Forderung am 28. Januar 2013 dem Grunde nach als begründet anerkannt und mitgeteilt hat, dass eine solche in Höhe von 83.939,66 € besteht.

4. Durch Beschluss vom 8. April 2014 hat das Insolvenzgericht des Amtsgerichts Rosenheim das Insolvenzverfahren über das Vermögen der €Teleservice GmbH€ eröffnet und den Antragsteller zum Insolvenzverwalter bestellt (Az. €), der die Staatsanwaltschaft am 22. April 2014 erfolglos um €Freigabe des arrestierten Geldes€ ersuchte. Nach Aufforderung durch die Kammer teilte der Antragsteller mit, dass

€der Antrag auf Aufhebung des € dinglichen Arrestes€

aufrechterhalten wird.

II.

Der als Beschwerde gegen den durch das Amtsgericht angeordneten dinglichen Arrest anzusehende Antrag ist zulässig. In der Sache hat er im tenorierten Umfang Erfolg, im Übrigen ist er unbegründet. Während die Pfändungsanordnung der Staatsanwaltschaft aufzuheben war, liegen die Voraussetzungen für die Aufrechterhaltung des angegriffenen dinglichen Arrests als Grundlage der Pfändungsanordnung auch weiterhin vor.

1. Es besteht ein Anordnungsanspruch gemäß §§ 111b Abs. 2 und 3, 111d StPO. Gegen die Angeschuldigten R. und K. besteht nach Maßgabe der in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main vom 7. April 2014 aufgeführten Beweismittel der dringende Verdacht des mittäterschaftlich begangenen Betruges zum Nachteil von mindestens 13.996 Geschädigten (§§ 263, 25 Absatz 2 StGB) im Zusammenhang mit dem Abschluss der Gewinnspieleintragungsverträge. Da die €T. GmbH€ als Rechtsnachfolgerin der €A. GmbH€ nach den Darlegungen in der Anklageschrift von den Angeschuldigten als eine der Betreibergesellschaften für Gewinnspieleintragungsdienste genutzt wurde und die Gesellschaft hieraus eine Forderung gegen die €m. GmbH€ erlangt hat, war der Arrest in das Vermögen der Gesellschaft als Drittbegünstigte anzuordnen (§ 73 Abs. 3 StGB). Es besteht auch die Gefahr der Vereitelung einer künftigen Vollstreckung und damit ein Arrestgrund.

2. Die Anordnung ist - trotz der zeitlichen Länge des Verfahrens - auch noch verhältnismäßig. Die von der Staatsanwaltschaft erhobene Anklage ging am 15. April 2014 beim Landgericht ein. Nach Zustellung der Anklageschrift an die Angeschuldigten und ihre Verteidiger waren schon auf Grund der Komplexität und des Umfangs des Verfahrens längere Fristen zur Stellungnahme im Zwischenverfahren abzuwarten. Dem folgten die Bestellungen von Verfahrensbevollmächtigten für die verfallsbeteiligten Gesellschaften, deren Teilnahme an dem Verfahren zuvor angeordnet worden war (§§ 442 Absatz 1 und 2, 431 Absatz 1 StPO), die sodann Akteneinsicht erhielten. Schließlich hat die Kammer im Hinblick auf den Antrag des Insolvenzverwalters zunächst (erfolglos) versucht, eine Verständigung zwischen Antragsteller und Staatsanwaltschaft herbeizuführen.

3. Der Aufrechterhaltung des dinglichen Arrestes steht entgegen der Auffassung des Antragstellers schließlich auch nicht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der €T. GmbH€ am 8. April 2014 entgegen. Die aus der Eröffnung des Insolvenzverfahrens resultierenden Rechtsfolgen eines künftigen Vollstreckungsverbotes gemäß § 89 InsO sowie der rückwirkenden Unwirksamkeit von Vollstreckungsmaßnahmen gemäß § 88 InsO für die in dieser Vorschrift genannten Zeiträume (sogenannte Rückschlagsperre) greifen ersichtlich schon deshalb nicht ein, weil die Pfändungsanordnung der Staatsanwaltschaft vom 13. November 2012 datiert und nach Aktenlage am 14. November 2012 der €m. GmbH€ als Drittschuldnerin zugestellt worden ist. Damit ist auf Grund der Anordnung des dinglichen Arrestes und dessen Vollzug durch die Pfändungsanordnung ein wirksames Arrest- bzw. Pfändungspfandrecht entstanden. Das entspricht ganz herrschender Meinung in Rechtsprechung und Literatur (OLG Nürnberg Beschluss vom 15. März 2013 - 2 Ws 561/12 - zitiert nach juris Rz. 47 mit weiteren Nachweisen; KG Berlin Beschluss vom 10. Juni 2013 - 2 Ws 190/13 - zitiert nach juris Rz. 12; OLG Hamm Beschluss vom 20. Juni 2013 - III-2 Ws 80/13 - zitiert nach juris Rz. 21; OLG Frankfurt am Main Beschluss vom 3. Juni 2009 - 3 Ws 214/09 - zitiert nach juris Rz. 10; Rönnau ZInsO 2012, 509, 516 mit weiteren Nachweisen), Gründe dafür, die Rechtslage anders zu beurteilen, sieht die Kammer nicht.

5. Ein auf diese Weise entstandenes Pfändungspfandrecht berechtigt seinen Inhaber, hier das Bundesland Hessen, grundsätzlich dazu, im Insolvenzverfahren abgesonderte Befriedigung zu verlangen (§§ 80 Absatz 2 Satz 2, 50 Absatz 1 InsO in Verbindung mit § 930 Absatz 1 ZPO und § 111d Absatz 2 StPO).

a) Allerdings besteht in Rechtsprechung und Literatur Einigkeit darüber, dass bei einem zur Rückgewinnungshilfe angeordneten und vollzogenen dinglichen Arrest im Falle der Insolvenz des Arrestschuldners ein privilegierter Zugriff der durch die Tat Verletzten auf das arrestierte Vermögen nur möglich ist, wenn sie unter Berücksichtigung der in § 88 InsO normierten Fristen rechtzeitig selbst die Zwangsvollstreckung betrieben und zuvor die gerichtliche Zulassung dieser Vollstreckung gemäß § 111g Abs. 2 StPO erwirkt haben (OLG Frankfurt am Main aaO Rz. 10; OLG Hamm aaO Rz. 29; KG Berlin aaO Rz. 11; OLG Nürnberg aaO Rz. 72). Nur dann ist es bei einer Abwägung zwischen den Interessen der Verletzten und der Insolvenzgläubiger gerechtfertigt, Erstere zu bevorzugen und ihnen eine abgesonderte Befriedigung ihrer Ansprüche zu ermöglichen.

Derartige Zwangsvollstreckungsmaßnahmen sind vorliegend nicht erfolgt, obwohl die Geschädigten nach den Feststellungen im Ermittlungsverfahren spätestens mit Erhalt ihrer jeweiligen Telefonrechnungen Kenntnis von den (unberechtigten) Abbuchungen und somit Gelegenheit hatten, ihre Rechte wahrzunehmen. Hierfür stand ihnen die Möglichkeit zur Seite, im Falle des Lastschrifteinzugs der Abbuchung zu widersprechen und sich im Übrigen mit der einziehenden Netzbetreibergesellschaft auseinanderzusetzen. Dass eine Vielzahl der Verletzten ein solches Vorgehen möglicherweise mit Blick auf die im Einzelfall geringe Höhe des zu Unrecht abgebuchten Betrages oder aus Nachlässigkeit nicht favorisiert hat, sieht die Kammer als unwesentlich an, entscheidend ist alleine der Umstand, dass die Verletzten Kenntnis und die Möglichkeit zum Tätigwerden hatten.

Konsequenz für das vorliegend bestehende Pfändungspfandrecht des Staates - auch hierüber besteht Einigkeit - wäre daher die Aufhebung des dinglichen Arrests als Grundlage der erfolgten Pfändungsanordnungen, sofern er ausschließlich als Maßnahme der Rückgewinnungshilfe angeordnet worden wäre, denn durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist der eigentliche Sicherungsgrund für die fremden Rechte weggefallen und eigene Rechte hat der Staat schon auf Grund der Subsidiarität des Verfalls gegenüber Ansprüchen der Verletzten nicht gesichert.

b) Zu prüfen ist jedoch darüber hinaus, ob der in § 111i Abs. 5 StPO normierte Auffangrechtserwerb des Staates, der durch das €Gesetz zur Stärkung der Rückgewinnungshilfe und der Vermögensabschöpfung bei Straftaten€ vom 24. Oktober 2006 (BGBl I S. 2350) mit Wirkung ab dem 1. Januar 2007 in Kraft getreten ist, Anlass zu einer abweichenden Beurteilung der Rechtslage gibt. Entgegen der Auffassung des Antragstellers kommt es dabei nicht auf den lediglich formalen Umstand an, dass die in Rede stehenden Beschlüsse des Ermittlungsrichters beim Amtsgericht Frankfurt am Main vom 13. März und 24. September 2012 sowie vom 23. März 2013 den Auffangrechtserwerb des Staates explizit als Sicherungsgrund nennen, weil die Rechtsfolge von Gesetzes wegen eintritt (OLG Hamm aaO Rz. 33).

Die Problematik des Verhältnisses von Auffangrechtserwerb und Insolvenzrecht hat der Gesetzgeber entweder nicht gesehen oder zumindest für nicht regelungsbedürftig erachtet, da er sich weder in den strafprozessualen Vorschriften über die Rückgewinnungshilfe noch in den Gesetzesmaterialien hierzu geäußert hat. Rechtsprechung und Literatur vertreten unterschiedliche Auffassungen.

aa) Der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg vertritt in der genannten sowie einer weiteren Entscheidung (Beschluss vom 8. November 2013 - 2 Ws 508/13 - zitiert nach juris) die Ansicht, dass der staatliche Auffangrechtserwerb gegenüber dem Insolvenzrecht nicht durchgreift, und begründet dies - zusammengefasst - damit, dass der Auffangrechtserwerb im Insolvenzfall der gesetzgeberischen Absicht entgegen stehe, die Position der Straftatgeschädigten zu stärken. Neben diesem Zweck habe der Gesetzgeber mit der Vorschrift des § 111i StPO ferner das Ziel verfolgt, einen Rückfall der von den Geschädigten nicht in Anspruch genommenen Vermögenswerte an den Täter zu verhindern. Werde der dingliche Arrest nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufrechterhalten, so seien eine Vergrößerung der Insolvenzmasse und damit eine Erhöhung der Quote der Insolvenzgläubiger, zu denen auch die Tatgeschädigten gehörten, nicht möglich. Zudem gehe es bei der Vermögensabschöpfung nicht darum, dem Staat Einnahmen zu verschaffen, sondern dem Täter die Früchte der Tat zu entziehen. Dem werde durch eine Verwertung der arrestierten Vermögensgegenstände zu Gunsten der Insolvenzgläubiger, zu denen auch die Tatgeschädigten gehörten, Rechnung getragen. Im Übrigen enthalte die Gesetzesbegründung keine Hinweise darauf, dass fiskalischen Interessen im Insolvenzfall der Vorrang vor denen der Insolvenzgläubiger gebühren solle (OLG Nürnberg Beschluss vom 15. März 2013 - 2 Ws 561/12 - zitiert nach juris Rz. 94ff.).

bb) Demgegenüber vertritt der 2. Strafsenat des Kammergerichts Berlin - ebenfalls unter Berufung auf die gesetzgeberische Zielsetzung - die Auffassung, dass der Auffangrechtserwerb des Staates im Insolvenzfall den Sicherungsgrund für die Aufrechterhaltung des dinglichen Arrests darstellt. Nur auf diese Weise könne, so der Senat, gerade in den Massenbetrugsfällen, in denen viele Geschädigte wegen der im Einzelfall häufig geringen Schadenshöhe ihre Ansprüche überhaupt nicht geltend machen würden, im Ergebnis ein drohender Rückfluss inkriminierter Vermögensgegenstände nach Abschluss des Insolvenzverfahrens an die Täter verhindert werden, um so dem Willen des Gesetzgebers zu entsprechen (KG Berlin aaO Rz. 13ff.). Auch der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm vertritt die Ansicht, dass der dingliche Arrest bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht notwendig aufgehoben werden muss und begründet dies neben der ausdrücklichen gesetzlichen Zweckbestimmung der Sicherung des Auffangrechtserwerbs des Staates durch den dinglichen Arrest in § 111i Abs. 5 Satz 2 StPO damit, dass durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Rückgewinnungshilfe nicht endgültig ausgeschlossen sei, so dass auch der Zweck des Arrestes nicht wegfalle (OLG Hamm aaO Rz. 26ff.).

cc) Rönnau (aaO S. 518ff.) sieht ein wirksamen Pfändungspfandrechts auch beim Auffangrechtserwerb des Staates als gegeben an, befürwortet jedoch unter Hinweis auf den in § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO zum Ausdruck kommenden Rechtsgedankens der Nachrangigkeit fiskalischer Interessen sowie dem Ziel der Vermögensabschöpfung, dem Täter die Früchte der Tat zu entziehen, im Ergebnis einen Vorrang des Insolvenzrechts.

dd) Die Kammer folgt der Auffassung des OLG Nürnberg und sieht in der vorliegenden Fallkonstellation die insolvenzrechtlichen Vorschriften als vorrangig an. Entscheidend ist, dass der Auffangrechtserwerb des Staates für sich betrachtet im Ergebnis eine Benachteiligung der Insolvenzgläubiger letztlich nicht zu rechtfertigen vermag.

Bereits in einer Entscheidung vom 3. Juni 2009 hatte der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main die Ansicht vertreten, dass ein Pfandrecht, das aus dem Vollzug eines allein der Rückgewinnungshilfe für die Verletzten einer Straftat dienenden dinglichen Arrests entstanden ist, lediglich eine €Platzhalterfunktion€ für die Geschädigten hat, so dass das Bundesland nach § 73 StGB keine Rechte für sich geltend machen kann. Daraus hat der Senat gefolgert, dass die Arrestierung von Vermögenswerten zum Zwecke der Rückgewinnungshilfe nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens jedenfalls dann nicht aufrechterhalten werden kann, wenn die Verletzten bis dahin keine eigenen Vollstreckungsmaßnahmen durchgeführt haben (OLG Frankfurt am Main aaO Rz. 14 mit weiteren Nachweisen). Obschon der Senat auf die Problematik des Auffangrechtserwerbs des Staates nicht eingegangen ist, ist die Entscheidung ein Beleg dafür, dass die durch die Straftat Verletzten gegenüber den (übrigen) Insolvenzgläubigern jedenfalls nicht bevorzugt werden sollen. Eine derartige Privilegierung, die vor allem das OLG Hamm befürwortet (aaO Rz. 28ff., 35ff.), lässt sich nicht nur nicht den Gesetzgebungsmaterialien zur Einführung des § 111i Abs. 5 StPO entnehmen, sie steht vielmehr im Gegensatz zum gesetzgeberischen Willen, der insoweit in der Gesetzesbegründung ausdrücklich darauf hinweist, dass der Vorschlag, Opferansprüche im Falle der Insolvenz des Täters umfassend zu schützen, nicht aufgegriffen wird und für eine dementsprechende Änderung der Rechtslage keine Bedürfnis besteht (vgl. BT-Drucksache 16/700 S. 14).

Soweit das KG Berlin - zutreffend - darauf hinweist, dass gerade in den Massenbetrugsverfahren nur durch die Aufrechterhaltung des dinglichen Arrestes ein Rückfluss inkriminierter Vermögensgegenstände an die Täter verhindert werden könne, vermag die Kammer diese - nicht zuletzt auch ergebnisorientierten - Bedenken zumindest in der vorliegenden Fallkonstellation nicht zu teilen.

c) Gleichwohl sieht die Kammer nicht die Notwendigkeit, den dinglichen Arrest aufzuheben. Vielmehr ist zwischen dessen Anordnung einerseits und der vorliegend in Vollstreckung des Arrests von der Staatsanwaltschaft erlassenen Anordnung zur Pfändung zu unterscheiden, was zu unterschiedlichen Rechtsfolgen für die Arrest- und die Pfändungsanordnung führt (vgl. hierzu Bittmann ZWH 2014, 135, 138f.).

Der durch den Antragsteller beabsichtigten Verwertung des Zahlungsanspruchs der €T. GmbH€ zur ordnungsgemäßen Abwicklung des Insolvenzverfahrens wird bereits durch eine Aufhebung der Pfändungsanordnung der Staatsanwaltschaft vom 13. November 2012 hinreichend Rechnung getragen, weil dieser Vermögensgegenstand der Insolvenzmasse nunmehr in vollem Umfang zur Verfügung steht. Angesichts der vom Antragsteller vorgetragenen Höhe der Masseverbindlichkeiten in Höhe von annähernd 88.000 € und der Forderung der €T. GmbH€ in Höhe von 83.939,66 € besteht aus Sicht der Kammer auch nicht die Gefahr, dass am Ende des Insolvenzverfahrens ein eventuelles (inkriminiertes) Guthaben verbleibt, welches an die Insolvenzschuldnerin bzw. an die Gesellschafter auszukehren wäre (§ 199 Satz 2 InsO). Dabei verkennt die Kammer nicht, dass durch die Befreiung der Insolvenzschuldnerin von Verbindlichkeiten unter Einsatz von inkriminierten Vermögensgegenständen mittelbar auch den hinter der Gesellschaft stehenden Gesellschaftern Vorteile zuwachsen. Sie sieht jedoch zur ordnungsgemäßen Abwicklung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft als eigener Rechtspersönlichkeit die Interessen der - im Übrigen im Regelfall gutgläubigen - Insolvenzgläubiger als vorzugswürdig gegenüber den fiskalischen Interessen an. Da es sich bei der Forderung der €T. GmbH€ gegen die €m. GmbH€ um den einzigen von der Pfändungsanordnung der Staatsanwaltschaft umfassten Vermögensgegenstand handelt, ist dieser auch hinreichend konkret bezeichnet, so dass auch der sachenrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz nicht berührt wird (vgl. hierzu OLG Nürnberg Beschluss vom 15. März 2013 - 2 Ws 561/12 - zitiert nach juris Rz. 107).

Demgegenüber besteht jedoch keine Notwendigkeit, auch die Anordnung des dinglichen Arrests als Grundlage der Pfändungsmaßnahmen aufzuheben. Vielmehr kann dieser, auch ohne dass aus ihm derzeit vollstreckt wird, Bestand haben, da seine Voraussetzungen weiterhin vorliegen. Sollte am Ende des Verteilungsverfahrens tatsächlich ein Überschuss zu Gunsten der Insolvenzschuldnerin verbleiben, kann die Staatsanwaltschaft diesen weiterhin bestehenden Arrest gegebenenfalls für mögliche neue Vollstreckungsmaßnahmen nutzen. Insoweit war daher das Rechtsmittel des Antragstellers zu verwerfen.






LG Frankfurt am Main:
Beschluss v. 15.01.2015
Az: 5/24 KLs 7580 Js 230342/12 (13/14)


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