Landgericht Köln:
Urteil vom 18. Februar 2010
Aktenzeichen: 31 O 552/09

(LG Köln: Urteil v. 18.02.2010, Az.: 31 O 552/09)

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an den Geschäftsführern der persönlich haftenden Gesellschafterin,

im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen,

a) Anzeigen zu veröffentlichen, in denen das Mittel „B Schlankkapseln“ mit dem Hinweis auf dessen schlankmachende bzw. gewichtsreduzierende Wirkung angepriesen wird, wenn dies geschieht wie nachstehend wiedergegeben durch das Inserat

„ Schlank-Sensation Nr. 1

Weltsensation:

Neuer Bio-Schlankstoff, der die Wirkung der Kalorien umkehrt“,

in der Zeitschrift „Q“, Nr. 22/2008, Seite 9:

-(Es folgt eine Darstellung)

und/oder

b) Anzeigen zu veröffentlichen, in denen ein unter der Bezeichnung „C“ vertriebenes Mittel mit dem Hinweis auf dessen schlankmachende bzw. gewichtsreduzierende Wirkung angepriesen wird, wenn dies geschieht wie nachstehend wiedergegeben durch das Inserat

„ Schlank in Rekordzeit

und nicht mehr zunehmen

Englische Wissenschaftler entdecken sensationellen Bio-Schlankstoff“,

in der Zeitschrift „Q“, Nr. 37/2009, Seite 7:

(Es folgt eine Darstellung)

2. Die Beklagte trägt Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 50.000,00.

Tatbestand

Der Kläger ist als branchenübergreifend und überregional tätiger Verband, der sich die Einhaltung der Regeln des lauteren Wettbewerbs zur Aufgabe gemacht hat, anerkannt. Die Beklagte verlegt die Zeitungsbeilage "Q". Sie ist vom Kläger in der Vergangenheit bereits mehrfach wegen der Veröffentlichung angeblich irreführender Werbeanzeigen für bestimmte Mittel, denen eine gewichtsreduzierende Wirkung durch fettlösende und -abbauende Schlankkapseln zugeschrieben worden ist, abgemahnt worden und hat daraufhin ohne Anerkennung einer Rechtspflicht strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärungen abgegeben. Wegen der Einzelheiten der vormaligen Auseinandersetzungen zwischen den Parteien wird beispielhaft auf die Abmahnungen des Klägers vom 08.05.2003 (Bl. 44ff. d. A.) und 08.05.2007 (Bl. 65ff. d. A.) sowie auf die Antwortschreiben der Beklagte vom 15.05.2003 (Bl. ff. d. A.) und 14.05.2007 (Bl. 69ff. d. A.) verwiesen.

In der vom 31.05.2008 bis zum 06.06.2008 (Nr. 22/2008) gültigen Ostausgabe der Zeitungsbeilage "Q" veröffentlichte die Beklagte ein ganzseitiges Inserat, in dem unter der Überschrift "Schlank-Sensation Nr. 1 - Weltsensation: Neuer Bio-Schlankstoff, der die Wirkung der Kalorien umkehrt." abermals Schlankkapseln beworben wurden. Die Wirkweise des nunmehr vorgestellten Mittels "B" wurde in der Anzeige dahingehend beschrieben, dass patentierte bioaktive Wirkstoffe eingenommene Kalorien zur Fettverbrennung verwenden sowie auf diese Weise im Körper eingelagertes Fett frei setzen und mit der Nahrung neu aufgenommene Fette auflösen würden. In Folge dessen könne sich das Körpergewicht - wie eine Studie mit übergewichtigen Personen gezeigt habe - bei gleich bleibenden Essgewohnheiten unbeschadet der Aufnahme kalorienreicher Nahrungsmittel innerhalb weniger Wochen dauerhaft um bis zu 20 Kilogramm reduzieren. Diese versprochene Gewichtsentwicklung wurde durch "Vorher-Nachher" Abbildungen illustriert, die Gesäß und Bauch einer Person bei Start der Einnahme sowie nach 3, 5 und 8 Wochen zeigten. Der Urheber der Werbung bzw. der Hersteller der Schlankkapseln war nicht namentlich ausgewiesen. Als Kontaktmöglichkeit war lediglich eine mit 14Ct/Min aus dem Festnetz kostenpflichtige 01805-Sonderrufnummer angegeben. Wegen der genauen Ausgestaltung und des Inhalts der Anzeige im Einzelnen wird auf die zur Akte gereichte Ablichtung (Bl. 19 d. A.) bzw. die Abbildung im Tenor zu Ziffer 1 a) Bezug genommen.

In der Ausgabe 37/2009 der "Q" für den Zeitraum vom 12.09.2009 bis zum 18.09.2009 sowie in der Ausgabe 39/2009 für den Zeitraum 26.09.2009 bis 02.10.2009 veröffentlichte die Beklagte ein weiteres ganzseitiges Inserat, in welchem nunmehr Schlankkapseln unter der Bezeichnung "C" beworben wurden unter der Überschrift "Schlank in Rekordzeit und nicht mehr zunehmen - Englische Wissenschaftler entdecken sensationellen Bio-Schlankstoff - Bestätigt: 12 Kilo in nur 3 Wochen". Diese Schlankkapseln, die an einer englischen Universitätsklinik entwickelt worden sein und weltweit für Aufsehen sorgen sollen, enthalten danach hochkonzentrierte Bio-Enzyme und Aminosäuren, die durch einen natürlich ablaufenden Körper-Prozeß die Fettverbrennung auslösen. Das Körperfett werde aus den Fettdepots gelöst und aus dem Körper heraustransportiert. Neues Fett aus der Nahrung werde gleich ausgeschieden und erhalte so gar keine Chance, sich festzusetzen. Dieser Effekt wird durch "echte Fotos von Testpersonen" illustriert, die deren Gesäß, Bauch und Oberschenkel bei "Kurbeginn" sowie nach 3, 6 und 9 Wochen zeigen. Der Urheber der Werbung bzw. der Hersteller der Schlankkapseln wird auch in dieser Werbung nicht namentlich ausgewiesen. Als Kontaktmöglichkeit war wiederum lediglich eine mit 14Ct/Min aus dem Festnetz kostenpflichtige 01805-Sonderrufnummer angegeben. Wegen der genauen Ausgestaltung und des Inhalts der Anzeige im Einzelnen wird auf die zur Akte gereichte Ablichtung (Bl. 43 d. A.) bzw. die Abbildung im Tenor zu Ziffer 1 b) Bezug genommen.

Der Kläger begehrt von der Beklagten Unterlassung der Veröffentlichung dieser Anzeigen und meint, die Beklagte habe für die Veröffentlichung der offenkundig irreführenden - weil eine ohne Kalorienreduzierung unmögliche nachhaltige Gewichtsreduzierung auslobenden - Werbung einzustehen, da sie ihre Pflicht zur Überprüfung der Inserate auf ihren Wahrheitsgehalt verletzt habe. Die streitgegenständlichen Anzeigen hätten mit der großformatigen plakativen Aufmachung mit Vorher-Nacher-Abbildungen, der hervorgehobenen reißerischen Sensationsanpreisung offenkundig unzutreffender Sachverhalte sowie der Anonymität des Anbieters typische Merkmale grob täuschender Werbung aufgewiesen, aus denen die grobe Unwahrheit der Werbeauslobungen ohne Weiteres hätte abgeleitet werden können, die jedenfalls aber Anlass zu einer eingehenderen Prüfung der Anzeigen gegeben hätten. Bei einem auch nur oberflächlichen Studium des weiteren Textes der Werbeanzeigen hätte sich den Redakteuren der Beklagten indes auch ohne besonderes Fachwissen aufdrängen müssen, dass eine Gewichtsabnahme allein durch die Einnahme der ausgelobten Kapseln angesichts der nach allgemeiner Erkenntnis abwegigen Wirkweise ausgeschlossen sei. Dies gelte umso mehr, als die Anzeigenredakteure der Beklagten mit der Thematik auf Grund der durch die vorangegangenen Abmahnungen vermittelten Erkenntnisse vertraut gewesen seien. Mangels eindeutiger Distanzierung der Beklagten von der Werbeanzeige stehe zu befürchten, dass diese die grob irreführende Anzeige auch künftig publizieren werde.

Der Kläger beantragt,

wie erkannt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, gegen eine relevante Irreführung des verständigen Durchschnittsverbrauchers spreche nach der eigenen Argumentation des Klägers, dass die Kenntnis von der Unmöglichkeit einer Gewichtsabnahme durch Kapseln zum Allgemeinwissen zähle. Im Übrigen könne sie - die Beklagte - für einen etwaigen wettbewerbswidrigen Inhalt der Werbeanzeige nicht als Presseunternehmen neben dem für die Anzeige unmittelbar verantwortlichen Inserenten haftbar gemacht werden, da die Mitarbeiter ihrer Anzeigenabteilung keine diesbezügliche Prüfungspflicht verletzt hätten. Vielmehr hätten diese das Inserat, da es nach Gestaltung und Inhalt nicht von den sonst üblichen Anzeigenwerbungen für Schlankheitsmittel abgewichen und seine etwaige Rechtswidrigkeit daher nicht offensichtlich gewesen sei, keiner Kontrolle auf ihren Wahrheitsgehalt unterziehen müssen. Selbst bei einer inhaltlichen Überprüfung des Inserats habe sich dem damit befassten Mitarbeiter der Anzeigenabteilung die Unrichtigkeit der Werbeauslobungen mangels spezieller Kenntnisse über den neuesten Stand der ernährungswissenschaftlichen Forschung im Übrigen nicht aufdrängen müssen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist begründet. Der Kläger kann von der Beklagten Unterlassung der Veröffentlichung der zum Verbotsgegenstand gemachten Werbeanzeigen gemäß §§ 8 Abs. 1 S. 1, 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 11 Abs. 1 Nrn. 1, 2 LFGB verlangen.

1. Die zum Gegenstand des Unterlassungsbegehren gemachten Anzeigen stellen auf Grund ihrer unzutreffenden Darstellungen und Angaben eine irreführende Werbung im Sinne des § 11 Abs. 1 Nrn. 1, 2 LFGB dar. Die beanstandeten Inserate loben bildlich und textlich Wirkungen aus, die den beworbenen Mitteln tatsächlich nicht zukommen. Dies stellt auch die Beklagte nicht in Abrede. Sofern sie anzweifelt, dass sich daraus eine Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise ergibt, lässt sie außer Acht, dass sich die Werbung für Schlankheitsmittel an Menschen richtet, die durch Übergewichtsprobleme und erfolglose Diäten "emotional vorbelastet" (vgl. OLG Karlsruhe MD 2002, 790, 792) und in Folge dessen besonders anfällig dafür sind, Vertrauen in die - eine anstrengungslose Gewichtsreduzierung aufzeigenden - Auslobungen der streitgegenständlichen Werbeanzeige zu setzen. Diese irreführende Werbung ist zugleich wettbewerbswidrig gemäß § 4 Nr. 11 UWG. Bei § 11 Abs. 1 Nr. 1, 2 LFGB handelt es sich um eine Marktverhaltensregelung im Sinne dieser Vorschrift (vgl. Köhler, in: Köhler/Bornkamm, 28. Auflage, § 4 UWG Rn. 11.136).

2. Die Beklagte ist auch die zutreffende Anspruchsgegnerin. Sie ist als das Inserat publizierendes Unternehmen gemäß § 8 Abs. 1 S. 1 UWG verpflichtet, die Verbreitung der irreführenden Werbung künftig zu unterlassen und kann entsprechend in Anspruch genommen werden.

a) Ein Presseunternehmen haftet nach hergebrachter Auffassung für die Veröffentlichung von Werbeanzeigen Dritter als Störer, wenn es gegen seine Pflicht zur Prüfung verstoßen hat, ob die Veröffentlichung der Anzeige gegen gesetzliche Vorschriften - vorliegend gegen das Irreführungsverbot des § 11 LFGB - verstößt. Hinsichtlich des Inhalts und Umfangs der einen Verleger oder Redakteur treffenden Prüfungspflicht ist zu berücksichtigen, dass eine eingehende Überprüfung sämtlicher Anzeigen auf Gesetzesverstöße die Arbeit der Presse unzumutbar erschweren würde. Ihre Prüfungspflicht im Rahmen der Anzeigenwerbung beschränkt sich deshalb auf grobe und eindeutige, unschwer zu erkennende Verstöße; eine eingehende Überprüfung ist den Verantwortlichen grundsätzlich nicht zumutbar (vgl. BGH GRUR 2006, 429, 431 - "Schlank-Kapseln"; 2001, 529, 531 - "Herz-Kreislauf-Studie"; 1990, 1012, 1014 - "Pressehaftung"). Als Maßstab ist dabei das Verständnis eines durchschnittlich aufmerksamen, verständigen und informierten Anzeigenredakteurs zugrunde zu legen.

An diesen Haftungs- und Prüfungsmaßstäben hat sich nach Auffassung der Kammer durch die Entscheidung BGH GRUR 2007, 890 - jugendgefährdende Medien bei Ebay in der Sache nichts geändert. Nach dieser Entscheidung ist derjenige, der durch sein Handeln im geschäftlichen Verkehr in zurechenbarer Weise die ernsthafte Gefahr eröffnet, daß Dritte Interessen von Marktteilnehmern verletzen, die durch das Wettbewerbsrecht geschützt sind, aufgrund einer wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht dazu verpflichtet, diese Gefahr im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren zu begrenzen. Verstößt er gegen eine solche wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht, ist er selbst Täter einer unlauteren Wettbewerbshandlung. Auch nach diesen Maßstäben ist die Beklagte grundsätzlich für die Veröffentlichung der Fremdanzeige wettbewerbsrechtlich verantwortlich. Die Beklagte handelt durch die Anzeigenveröffentlichung im geschäftlichen Verkehr und schafft zugleich durch dieses Forum die ernsthafte Gefahr einer wettbewerbsrelevanten Verletzung der Interessen von Marktteilnehmern durch Dritte, die Werbeanzeigen mit wettbewerbswidrigem Inhalt über die Beklagte veröffentlichen lassen. Dies begründet die wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht der Beklagten, diese Gefahr im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren zu begrenzen. Diese Verkehrspflicht konkretisiert sich in der grundsätzlichen Pflicht zur Prüfung der beauftragten fremden Anzeigen auf wettbewerbswidrige Inhalte vor deren Veröffentlichung, jedenfalls soweit sie die Wettbewerbswidrigkeit kennt oder sie sich ihr aufdrängt. Eine solche Vorab-Prüfung ist der Beklagten grundsätzlich möglich und zumutbar. Der mit dieser Prüfung verbundene zeitliche und finanzielle Aufwand ist vor dem Hintergrund, daß dem Kläger einerseits ein Vorgehen gegen den in Anonymität grob wettbewerbswidrig handelnden unmittelbaren Verletzer faktisch nicht möglich ist und die Beklagte andererseits die ihr vor der Veröffentlichung vorgelegten Anzeigen ohnehin nicht zuletzt im eigenen Interesse daraufhin zu überprüfen hat, ob die jeweilige Werbung strafrechtlich relevante Inhalte aufweist oder ob sie womöglich mit in der Vergangenheit abgegeben Unterlassungsverpflichtungserklärungen kollidiert, nicht unverhältnismäßig. Allerdings ist Inhalt und Umfang dieser Prüfungspflicht auf der Grundlage der bisherigen, die Pressehaftung begrenzenden Rechtsprechung, die wegen ihrer allgemeingültigen Herleitung aus Art 5 Abs. 1 GG insoweit fortgilt, nach den obigen Ausführungen auf grobe, vom Verleger oder Redakteur unschwer zu erkennende Wettbewerbsverstöße beschränkt.

b) Nach diesen Kriterien hat die Beklagte die ihr obliegende Prüfungspflicht verletzt. Die angegriffenen Werbeanzeigen sind eindeutig und grob irreführend, was für die Beklagte bzw. deren Redakteure auch unschwer zu erkennen war. Zweifel an der Richtigkeit der Werbeaussagen könnten zwar zugunsten der Beklagten berücksichtigt werden; solche Zweifel aber können vorliegend für einen durchschnittlich verständigen Anzeigenredakteur ernsthaft nicht bestehen.

aa) Die grobe Unrichtigkeit der in den Inseraten ausgelobten Wirkungen der Mittel "B" und "C" ist offenkundig und war für den zuständigen Mitarbeiter der Anzeigenabteilung unschwer erkennbar.

Hierfür mußte der zuständige Mitarbeiter nicht einmal die Anzeigen lesen. Vielmehr drängte sich die grobe Unrichtigkeit schon nach der äußeren Gestaltung der Anzeigen auf und ergab sich ohne weiteres aus deren plakativen Überschriften, die die Präparate über die marktschreierische Anpreisung als "Schlank-Sensation Nr. 1" oder "WELTSENSATION" (so bei B) bzw. "sensationellen Bio-Schlankstoff", mit dem man "Schlank in Rekordzeit" wird und "12 Kilo in nur 3 Wochen" verliert (so bei C) als weltweit neue und besonders effektive Schlankheitsmittel bewerben. Schon diese äußere Form der Bewerbung ohne inhaltliche Konkretisierung mußte einem durchschnittlich aufmerksamen, verständigen und informierten Anzeigenredakteur Anlass geben, an der generellen Richtigkeit der Anzeige zu zweifeln. Solche Bedenken drängten sich schon deshalb auf, weil die erstmalige Erfindung eines grundlegend neuartigen Schlankheitspräparats nicht - wie ansonsten naheliegend - Gegenstand der allgemeinen Presseberichterstattung war. Um eine Weltneuheit konnte es sich bei den beworbenen Produkten aber auch deshalb nicht handeln, weil die Anzeigenabteilung der Beklagten bereits in der Vergangenheit Anzeigen veröffentlicht hatte, die entsprechende Wirkungen auf Grund vergleichbarer Wirkweisen versprachen. Zudem wies die plakative Auslobung "Neuer Bio-Schlankstoff, der die Wirkung der Kalorien umkehrt." in der angegriffenen Werbung "B" auf eine Wirkweise hin, die mit dem allseits bekannten Wissen um die gewichtsschädliche Wirkung von Kalorien nicht in Einklang zu bringen ist. Jener schon bei flüchtiger Betrachtung der Anzeigen auf den ersten Blick erkennbare Hinweis musste den Mitarbeitern der Beklagten - die trotz Vertrautheit mit den öffentlichen Medien noch nie von einer derartigen wissenschaftlich erwiesenen Wirkung gehört haben konnten - ohne Weiteres die Unrichtigkeit der Werbung offenbaren. Dies gilt umso mehr, als bei tatsächlicher Entwicklung eines derart revolutionären Präparats aller Anlass bestanden hätte, den Namen und die Anschrift des anbietenden Unternehmens und nicht nur eine Telefonnummer sowie eine Internetadresse anzugeben. Auch die Anonymisierung der Anzeige mußte insoweit für einen durchschnittlich aufmerksamen, verständigen und informierten Anzeigenredakteur ein deutliches Anzeichen für die Wettbewerbswidrigkeit der Anzeige sein.

bb) Selbst wenn man davon ausginge, dass die plakativen Auslobungen der angegriffenen Werbung die Unrichtigkeit der ausgelobten Wirkungen für einen Anzeigenbearbeiter noch nicht auf den ersten Blick offenbar werden lassen mussten, so ergab sich

dieser Umstand jedenfalls aus dem Fließtext der Inserate. Auch diesen mußte die Beklagte nach Auffassung der Kammer in ihre Prüfung einbeziehen. Entgegen der Ansicht der Beklagten waren ihre Mitarbeiter nicht jeglicher weiteren Pflicht zur Prüfung des Gesamtinhalts der Anzeige auf seine inhaltliche Richtigkeit entbunden. Vielmehr traf diese auch unter Einbeziehung der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung die Pflicht, den Inseratstext auf den Wahrheitsgehalt der darin enthaltenen Auslobungen zu kontrollieren. Soweit der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung "Schlank-Kapseln" die Haftung eines Presseunternehmens für eine ihrer Art nach nicht ungewöhnliche Schlankheitswerbung verneint hat, hat er nichts desto trotz dessen Pflicht zum einigermaßen sorgfältigen Durchlesen des umfangreichen Anzeigentextes statuiert (GRUR 2006, 429, 431; so auch OLG Karlsruhe MD 2002, 790, 792). Diese Grundsätze erlangen vorliegend um so mehr Gültigkeit, als für den zuständigen Mitarbeiter der Anzeigenabteilung der Beklagten nach den obigen Ausführungen aufgrund der plakativen Auslobungen der Werbeanzeigen jedenfalls deutliche Zweifel an deren Gesetzeskonformität bestehen mussten.

Bei Durchsicht des Textes der streitgegenständlichen Inserate musste sich dem Anzeigenbearbeiter der Beklagten aber aufdrängen, dass diese für die beworbenen Präparate ihnen tatsächlich nicht zukommende Wirkungen auslobten. Einem verständigen Pressemitarbeiter ist auch ohne besondere ernährungswissenschaftliche Kenntnisse bekannt, dass ein drastischer Gewichtsverlust innerhalb weniger Wochen nicht ohne Umstellung der Ernährungsgewohnheiten und erst recht nicht bei einer Ernährung "nach Herzenslust" erzielt werden kann (so auch OLG Düsseldorf MD 2004, 756, 757; OLG Karlsruhe MD 2002, 790, 792). Dann aber konnte der Anzeigenbearbeiter der Beklagten seiner Pflicht selbst zur oberflächlichen Prüfung der Werbung auf deren Wahrheitsgehalt allenfalls genügen, wenn diese aus Sicht des verständigen Durchschnittsmitarbeiters eines Presseunternehmens nachvollziehbar und überzeugend aufzeigte, dass dem beworbenen Mittel auf Grund außergewöhnlicher Umstände die ausgelobten Wirkungen ausnahmsweise doch zukommen.

Davon kann vorliegend nicht ausgegangen werden. Der Anzeigentext verwies nicht etwa auf eine näher beschriebene wissenschaftliche Untersuchung. Vielmehr nahm er lediglich in allgemeiner Form Bezug auf eine patentierte Formel und eine Studie mit über 2000 (B) bzw. 400 (C) übergewichtigen Männern und Frauen, die innerhalb von etwa 3 Wochen zwischen 9 und 14 kg Fett (B) abgebaut bzw. 10-16 Kilogramm Körpergewicht (C) abgenommen haben sollten, ohne jedoch den konkreten Aufbau und genauen Ablauf jener Studie für den Leser durch eine nähere Beschreibung nachvollziehbar zu machen. Ebenso wenig war im Inserat erläutert, bei wem es sich um die befragten "Dr. O" oder "Dr. T handeln sollte. Auch wurde die "berühmte englische Universitätsklinik" (C), an der die Schlankkapseln entwickelt worden sein sollen, nicht namentlich benannt. Mit diesen nichtssagenden Angaben bietet der Text der beanstandeten Inserate dem sie lesenden verständigen Anzeigenredakteur keinerlei objektive Anknüpfungspunkte, aus denen er auf neueste wissenschaftliche Forschungsergebnisse - abweichend von der allseits bekannten weitgehenden Unwirksamkeit zugeführter Stoffe zur Fett(auf)lösung - schließen konnte.

Insofern unterscheiden sich die hier zu beurteilenden Anzeigen auch von der Anzeige, die der Entscheidung "Schlank-Kapseln" des BGH vom 26.01.2006 (GRUR 2006, 429 ff.) zugrunde lag. Das dortige Inserat hatte zur Erläuterung der Wirkweise auf vermeintliche wissenschaftliche Erkenntnisse im Rahmen des Forschungsauftrags eines Teams von Ernährungswissenschaftlern an der Universität Basel unter der Leitung von Prof. W Bezug genommen. In diesem Zusammenhang steht die Anmerkung des Bundesgerichtshofs, ein sorgfältiger Anzeigenredakteur verfüge in aller Regel nicht über bestimmte Kenntnisse über den Stand der ernährungswissenschaftlichen Forschung. Jene Ausführungen sind im Kontext der Entscheidung dahin zu verstehen, dass ein solcher Pressemitarbeiter nicht ohne Weiteres annehmen muss, die in der Werbung näher vorgestellten wissenschaftlichen Studien und Forschungsergebnisse existierten nicht. Vergleichbare Forschungsaufträge konkreter Wissenschaftler werden in den streitgegenständlichen Anzeigen jedoch nicht erwähnt.

cc) Schließlich war die Wettbewerbswidrigkeit der Anzeigen für die Beklagte auch deshalb ohne weiteres erkennbar, weil diese zum Beispiel durch die seitens der Kläger ausgesprochenen Abmahnungen vom 08.05.2003 und 08.05.2007 für den irreführenden Charakter entsprechender Schlankheitswerbungen sensibilisiert war. Auch wenn diese früheren Auseinandersetzungen nicht im Kern identische Anzeigen betrafen, war der Beklagten aufgrund dieser Auseinandersetzungen doch zumindest die wettbewerbsrechtliche Problematik solcher stets nach gleichem Muster arbeitenden Anzeigen bekannt. Hinsichtlich der Anzeige "C" vom 26.09.2009 folgt diese Kenntnis darüber hinaus aus dem Urteil der Kammer vom 28.08.2008, 31 O 352/08, mit dem die Kammer in einem vorauslaufenden einstweiligen Verfügungsverfahren die Beklagte auf Antrag der Klägerin zur Unterlassung der Veröffentlichung der hier streitgegenständlichen Anzeige "B" verurteilt hat. Dieses Sonderwissen ist bei der Frage der Erkennbarkeit des Wettbewerbsverstoßes zu berücksichtigen. Zwar gilt für die Beurteilung der Erkennbarkeit grundsätzlich der objektive Maßstab eines durchschnittlich aufmerksamen, verständigen und informierten Unternehmers, allerdings in der Situation des konkreten Unterlassungsschuldners. Erkennbarkeit ist damit objektiv auch dann gegeben, wenn der konkrete Unterlassungsschuldner über entsprechendes Sonderwissen verfügt. Insofern ist richtigerweise ein objektivsubjektiver Maßstab anzulegen. Wer die Irreführung positiv erkannt hat oder sich dieser Kenntnis grob fahrlässig verschließt, kann sich jedenfalls nicht darauf berufen, er hafte deshalb nicht, weil die Wettbewerbswidrigkeit ohne sein Sonderwissen nicht erkennbar gewesen sei. So liegt der Fall hier.

dd) Soweit die Beklagte sich demgegenüber darauf berufen will, daß sich gerade aus der Vielzahl ähnlich gestalteter Inserate ergebe, daß es sich um gewöhnliche Werbeanzeigen handele, bei denen mangels Offensichtlichkeit des Wettbewerbsverstoßes eine Prüfungspflicht von vornherein nicht bestehe, verfängt dies nicht. Zwar hängt Bestehen und Umfang der Prüfungspflicht auch davon ab, ob die konkrete Werbemaßnahme den Rahmen herkömmlicher Werbung überschreitet (BGH GRUR 2002, 360 - H.I.V. POSITIVE II). Je außergewöhnlicher die Anzeige ist, desto strengere Anforderungen wird man an die Prüfungspflicht stellen können und müssen, während die Prüfungspflichten umso geringer sind, je gewöhnlicher die Anzeige nach Art ihrer Gestaltung ist.

Hieraus folgt aber schon nicht, daß die Beklagte von jeder Prüfungspflicht entbunden wäre, wenn eine Werbung in vergleichbarer Art und Weise vielfach veröffentlicht wird. Dies mag zwar für die im Massengeschäft veröffentlichten und ihrer äußeren Gestaltung nach gleichartigen Kundenkleinanzeigen ohne äußere Auffälligkeiten zutreffen, nicht jedoch für die hier im Streit stehenden ganzseitigen und entsprechend teuren Anzeigen. Diese sind auch, wenn sie ihrer Art nach gewöhnlich sein mögen, jedenfalls dann einer weiteren Prüfung zu unterziehen, wenn sie - wie hier - nach ihrer äußeren Gestaltung, nicht zuletzt wegen ihrer plakativen Überschriften, Anlaß zu Zweifeln an der Richtigkeit der Werbeaussagen bieten (vgl. BGH GRUR 2001, 529ff - Herz-Kreislauf-Studie).

Daran ändert auch die Häufigkeit dieser oder vergleichbarer Anzeigen nichts. Zwar mag dies auf den ersten Blick zu einer gewissen Gewöhnung auch der Anzeigenredakteure im Umgang mit Werbung der vorliegenden Art führen, die diese dazu verleiten mag, die Werbung ungeprüft zu veröffentlichen. Gleichwohl resultiert hieraus nicht eine Reduzierung der Prüfungspflichten der Beklagten; vielmehr führt die Typizität dieser immer wiederkehrenden grob irreführenden Schlankheitswerbungen im Gegenteil nach Auffassung der Kammer zu einer Verschärfung der Prüfungspflicht. Die Wettbewerbswidrigkeit von Schlankheitswerbung der vorliegenden Art ist in der Rechtsprechung unumstritten. Auch die Beklagte selbst ist vom Kläger in der Vergangenheit mehrfach, zum Beispiel durch Abmahnung vom 08.05.2003 und 08.05.2007, mit dem irreführenden Charakter entsprechender Schlankheitswerbungen konfrontiert worden und hat diesbezüglich auch Unterlassungserklärungen abgegeben. Diese Kenntnis ist nach Auffassung der Kammer bei der Frage nach dem Umfang von Prüfungspflichten zu berücksichtigen. Die Beklagte kann vor diesem Hintergrund nicht einfach die Augen verschließen und sich auf eine Üblichkeit der Anzeigen berufen. Vielmehr führt nach Auffassung der Kammer gerade das im Rahmen der früheren Auseinandersetzungen erlangte Sonderwissen um die generelle wettbewerbsrechtliche Problematik von Schlankheitswerbung dazu, daß solche Werbungen mit erhöhter Sorgfalt zu prüfen sind.

Selbst wenn man dies anders beurteilen wollte, ist schließlich zu berücksichtigen, daß in nahezu allen von der Beklagten als Anlage BK 17 zur Klageerwiderung vom 04.11.2009 vorgelegten weiteren Werbungen für andere Schlankheitsmittel reißerische und plakativ aufgemachte Ankündigungen wie die vorgenannten Auslobungen der streitgegenständlichen Anzeigen nicht enthalten waren, so daß es jedenfalls in Hinblick auf die konkreten Formen der angegriffenen Anzeigen an einer Üblichkeit fehlt.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO. Die Ordnungsmittelandrohung findet ihre Rechtsgrundlage in § 890 ZPO.

4. Streitwert: 50.000,00 EUR






LG Köln:
Urteil v. 18.02.2010
Az: 31 O 552/09


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/2692db4bb77c/LG-Koeln_Urteil_vom_18-Februar-2010_Az_31-O-552-09




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share