Bundespatentgericht:
Beschluss vom 1. August 2000
Aktenzeichen: 17 W (pat) 48/98

(BPatG: Beschluss v. 01.08.2000, Az.: 17 W (pat) 48/98)

Tenor

Auf die Beschwerde wird der Beschluß der Prüfungsstelle für Klasse G 11 B des Deutschen Patentamts vom 23. Februar 1998 aufgehoben und das nachgesuchte Patent 37 14 244 unter der Bezeichnung "Verfahren zum Erfassen und Darstellen von Lesesignalen von Magnetstreifenspuren" mit folgenden Unterlagen erteilt: Patentansprüche 1 bis 8, überreicht in der mündlichen Verhandlung, Beschreibung Seite 1, eingegangen am 1. Juni 1995, Seiten 3, 3a und 12, überreicht in der mündlichen Verhandlung, sowie ursprünglich eingereichte Seiten 2, 4 bis 11 und 13, sowie 4 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 bis 12, eingegangen am 26. Mai 1987.

Gründe

I.

1. Die am 29. April 1987 beim Deutschen Patentamt eingegangene Patentanmeldung P 37 14 244.5 - 53 mit der Bezeichnung

"Verfahren und Vorrichtung zum Analysieren eines Magnetstreifens einer Magnetkarte"

wurde durch die Prüfungsstelle für Klasse G11B am 23. Februar 1998 mit Formalbeschluß zurückgewiesen. Dieser bezieht sich auf den vorausgegangenen Amtsbescheid, in dem dargelegt ist, der angemeldete Gegenstand sei nicht patentfähig und es sei die Zurückweisung der Anmeldung zu erwarten.

Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde des Anmelders, mit der er sein Patentbegehren auf der Grundlage des folgenden, in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Patentanspruchs 1 weiterverfolgt:

"1. Verfahren zum Erfassen und Darstellen von Lesesignalen von Magnetstreifenspuren und/oder der Qualität der Aufzeichnung von Datenbits, wobei die Zeit zwischen benachbarten Datenbits durch Abtasten mit vorbestimmter Geschwindigkeit ermittelt, die örtliche Position von den Umkehrpunkten der Magnetisierung berechnet und die Abweichungen von einer durch die vorbekannte Norm der zu untersuchenden Magnetstreifen gegebenen Soll-Position als Funktion des Abtastortes in einem Diagramm (Jitterdiagramm) dargestellt werden und wobei die Abweichungen der 1-Bits von der Soll-Position einerseits der x-Achse und die Abweichungen der 0-Bits von der Sollposition andererseits der x-Achse dargestellt werden."

Wegen der abhängigen Ansprüche 2 bis 8 wird auf die Akte verwiesen.

2. Im Verfahren befinden sich folgende Druckschriften:

[1] DD Patentschrift 1596 86

[2] EP 0 040 952 A1

[3] JP 60 - 258767 A mit Abstract 3. Der Anmelder hat zu Druckschrift [3] auszugsweise eine englischsprachige Übersetzung vorgelegt und hält den angemeldeten Gegenstand auch im Hinblick auf diesen Stand der Technik für patentfähig. Er macht geltend, dort beziehe sich die Lageabweichung der Bits auf einen Mittelwert, der erst berechnet werden könne, wenn die gesamte Bitfolge abgetastet sei. Das System sei damit zwar unabhängig von Vorkenntnissen über die Soll-Bitlängen auf dem zu analysierenden Magnetstreifen, systematische Abweichungen, wie sie beim Beschreiben der Magnetkarte ebenfalls auftreten, seien damit jedoch nicht erfaßbar, weil sie bei der Mittelung zwangsläufig herausfielen. Gerade dies sei aber mit der angemeldeten Erfindung möglich, wobei quasi in Echtzeit sofort die Ablage jedes abgetasteten Bits darstellbar sei, ohne daß der Magnetstreifen erst in voller Länge analysiert werden müsse. Darüber hinaus würden anmeldungsgemäß die 1- und 0-Bits getrennt aufbereitet und dargestellt, was im Stand der Technik ebenfalls kein Vorbild habe.

Der Anmelder stellt den Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das nachgesuchte Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

Patentansprüche 1 bis 8, überreicht in der mündlichen Verhandlung, Beschreibung Seite 1, eingegangen am 1. Juni 1995, Seiten 3, 3a, und 12, überreicht in der mündlichen Verhandlung sowie ursprünglich eingereichte Seiten 2, 4 bis 11 und 13, 4 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 bis 12, eingegangen am 26. Mai 1987.

II.

Die zulässige Beschwerde ist im Umfang des gestellten Antrags begründet, denn der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs ist nach den §§ 1 bis 5 PatG patentfähig.

1. Der geltende Patentanspruch ist gedeckt durch die ursprünglich vorgelegten Patentansprüche 1 bis 3 in Verbindung mit der Beschreibung des Ausführungsbeispiels Seite 4 Abs. 1 bzw. Seite 11 Abs. 1. Die verbleibenden Unteransprüche und die Beschreibung wurden im Rahmen der ursprünglichen Offenbarung an den Patentanspruch 1 angepaßt.

2. Die Anmeldung betrifft ein Verfahren zur Untersuchung der Qualität beschriebener Magnetstreifenspuren auf einer Magnetkarte. Der Magnetstreifen wird dabei mit vorgegebener Geschwindigkeit abgetastet. Aus dem Lesesignal wird die Zeit zwischen den einen Flußwechsel dokumentierenden Spitzenwerten ermittelt. Die Fluktuation dieser Zeitabstände wird graphisch in Form der Differenz zwischen Ist-Zeitabstand und einem durch den Kartenstandard vorbekannten Sollwert als Funktion der Zeit- rsp. Ortskoordinate dargestellt, wobei die 1- und die 0-Bits auf entgegengesetzten Seiten der Abszisse ausgewiesen werden.

3. Der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 ist neu; keine der entgegengehaltenen Druckschriften beschreibt ein Verfahren mit allen im Patentanspruch 1 angegebenen Merkmalen. Dieses Verfahren beruht zudem auf erfinderischer Tätigkeit, weil es sich für den Fachmann, einen Fachhochschulabsolventen der Fachrichtung Elektronik mit mehrjähriger Berufserfahrung in elektronischer Datenverarbeitung und -speicherung nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt.

Ein einschlägiges Verfahren zum Untersuchen von Magnetstreifenspuren ist aus der Druckschrift [3] bekannt. Hierbei werden aus den Spitzenwerten des Lesesignals, die jeweils einen Flußwechsel und damit eine Bitgrenze anzeigen (Fig. 4, Ziff. I/II), die Zeitdauern TN ("time interval data") für jedes Bit und damit auch die jeweiligen Bitlängen bestimmt (Fig. 4, Ziff. VI). Im Diagramm BBJ (Fig. 7) werden die Abweichungen der einzelnen Bitdauern TM ("bit intervall data") als Funktion der Abtastzeit bzw. Ñ was bei vorgegebener Abtastgeschwindigkeit gleichbedeutend ist Ñ als Funktion der Ortskoordinate aufgetragen. Das Diagramm BBJ der Fig 7 zeigt eine einfache Verteilung, derzufolge sich die Abweichungen bspw. innerhalb von ±10% um den Mittelwert bewegen. Der Fachmann, der mit der digitalen Darstellung, wie sie üblicherweise beim Beschreiben von Magnetkarten verwendet wird, vertraut ist, entnimmt aus den grafischen Darstellungen in Übereinstimmung mit der vom Anmelder vorgelegten auszugsweisen Übersetzung, daß zunächst aus dem abgetasteten Kollektiv ein Mittelwert Tmean gebildet wird, daß aber in die Formel für BBJ nicht unmittelbar die als "time interval data" bezeichneten Zeitdauern TN, sondern nur hiervon abgeleitete, auf einen gemeinsamen Bezugswert normierte "bit intervall data" TM eingehen können, deren lokale Schwankungen im Diagramm BBJ der Fig. 7 beispielhaft dargestellt sind.

Von diesem Stand der Technik unterscheidet sich der angemeldete Gegenstand dadurch, daß die Soll-Bitlage durch die Norm bzw. den Industriestandard vorgegeben wird, der von der zu untersuchenden Karte bekannt sein muß. Der angemeldete Gegenstand unterscheidet sich darüber hinaus dadurch vom bekannten System, daß die 0- und 1-Bits getrennt ausgewiesen und auf je einer Seite der Abszisse dargestellt werden.

Das aus der Druckschrift [3] bekannte System ist nicht geeignet, Fehler zu erkennen, wie sie bspw. durch eine systematisch abweichende Aufzeichnungsgeschwindigkeit beim Beschreiben des Magnetstreifens entstehen. Insoweit hat der Fachmann zwar durchaus Veranlassung, das bekannte System dahingehend abzuwandeln, daß auch solche systematischen Abweichungen erfaßbar sind. Er wird dabei, ohne erfinderisch tätig zu werden, den einfachsten und nächstliegenden Weg wählen, nämlich für Karten bekannter Norm die gemessenen Bit-Positionen mit den durch die Norm vorbestimmten Sollpositionen vergleichen, und dabei auch den Nachteil in Kauf nehmen, daß das Verfahren dann bei unbekannten, nichtstandardisierten Karten ggfs. nicht mehr funktioniert. Der Fachmann ist jedoch mit dieser einfachen, durch die Normierung vorgegebene Abwandlung des bekannten Systems noch nicht beim Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 angelangt, denn hinsichtlich der getrennten Aufbereitung der 0- und 1-Bits, so daß sie auf verschiedenen Seiten der Abszisse darstellbar sind, ergibt sich aus Druckschrift [3] kein Hinweis.

Dies gilt um so mehr für die Druckschriften [1] und [2], die deutlich weiter abliegen.

Die DD-Patentschrift [1] betrifft ein Verfahren zum Prüfen von Magnetbändern und Magnetköpfen. Dabei wird eine Magnetisierungskennlinie, d.h. die Wiedergabespannung als Funktion des Aufnahmestroms in Abhängigkeit von der Frequenz als sog. "Sättigungskurve" gemessen, die eine wesentliche Kenngröße für die Eigenschaften magnetischer Materialien darstellt. Mit der normgerechten Aufzeichnung von Bits und einer hierauf fußenden Qualitätskontrolle von Magnetkarten hat dieser Stand der Technik nichts zu tun.

Die Druckschrift [2] beschreibt ein Verfahren zur Auswertung elektrischer Signale, bei dem die Zeitdifferenz zwischen zwei aufeinanderfolgenden Signalspitzen unterschiedlichen Vorzeichens bestimmt wird, indem parallel zum einen die negativen Signalpeaks und zum andern die positiven Peaks des gleichen, aber um T0 zeitverzögerten Signals detektiert werden. Auf diese Weise kann unterschieden werden, ob der zweite Signalpeak zeitlich vor oder nach einer vorgegebenen Zeitspanne T0 liegt. Hieraus läßt sich letztlich die Zeitdifferenz zwischen zwei Signalpeaks abschätzen (Figuren 2 und 3 in Verbindung mit ihren Beschreibungen). Außer einem pauschalen Hinweis auf die Messung von Pulsbreiten bei der digitalen magnetischen Aufzeichnung (Seite 1 Zeilen 3 bis 10) als einem möglichen Anwendungsgebiet dieses Verfahrens besteht aber kein Bezug zum angemeldeten Gegenstand.

4. Aus den dargelegten Gründen ist das zweifellos gewerblich anwendbare Verfahren zum Erfassen und Darstellen von Lesesignalen von Magnetstreifenspuren nach dem geltenden Anspruch 1 patentfähig. Vom gewährbaren Patentanspruch 1 werden auch die abhängigen Ansprüche 2 bis 8, die nichttriviale Weiterbildungen des im Anspruch 1 ausgewiesenen Gegenstands betreffen, mitgetragen.

Grimm Greis Püschel Schuster Na






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Beschluss v. 01.08.2000
Az: 17 W (pat) 48/98


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