Bundespatentgericht:
Beschluss vom 23. August 2005
Aktenzeichen: 27 W (pat) 252/04

(BPatG: Beschluss v. 23.08.2005, Az.: 27 W (pat) 252/04)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I Die Widersprechende hat gegen die Eintragung der Wortmarke 303 17 584 EVITO für "Kopfbedeckungen; Bekleidungsstücke, insbesondere Arbeits- und Berufsbekleidung, insbesondere für die Lebensmittelsindustrie und das Hotel- und Gaststättengewerbe sowie für Einrichtungen zur Beherbergung und Verpflegung von Gästen; Vermietung von Bekleidungsstücken, insbesondere von Arbeits- und Berufsbekleidung" Widerspruch eingelegt aus ihrer prioritätsälteren Wortmarke 300 37 364 evivou.a. eingetragen für "Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen".

Die Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss vom 19. August 2004 die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet. Die Marken würden für die identischen Waren "Bekleidungsstücke" und "Kopfbedeckungen" beansprucht, zudem sei die für die angegriffene Marke geschützte Dienstleistung "Vermietung von Bekleidungsstücken, insbesondere Arbeits- und Berufsbekleidung" zu den von der Widerspruchsmarke beanspruchten Bekleidungsstücken ähnlich. Zwischen beiden Marken bestehe jedenfalls in klanglicher Hinsicht Ähnlichkeit, weil die Abweichung im vierten Buchstaben nicht prägnant hervortrete, wie das Bundespatentgericht bereits in der ähnliche Marken betreffenden Sache 26 W (pat) 16/96 Eviva=Evita festgestellt habe. Zudem bestehe Übereinstimmung in Wortanfang, Wortende und Silbenzahl. Angesichts der übereinstimmenden dominierenden Klangbilder trete die Abweichung in den Hintergrund, was insbesondere bei einer nur flüchtigen Wahrnehmung anzunehmen sei. Im Hinblick auf die bestehende Waren- und Markenähnlichkeit sei die jüngere Marke daher wegen der Gefahr von Verwechslungen beider Zeichen zu löschen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Markeninhaberin. Sie ist der Auffassung, dass eine rechtserhebliche Markenähnlichkeit nicht vorliege. Wegen der unterschiedlichen Groß- und Kleinschreibung beider Zeichen und des bestehenden Unterschieds beim vorletzten Buchstaben bestehe keine schriftbildliche Ähnlichkeit. Aber auch eine klangliche Ähnlichkeit sei nicht gegeben. Denn die Endsilbe "TO" in der jüngeren Marke führe zu einer Lautverschiebung und Betonung am Wortende, während die Widerspruchsmarke in der Wortmitte betont werde. Zudem werde die jüngere Marke hart, die Widerspruchsmarke dagegen weich ausgesprochen. Da beide Marken Kurzworte seien, reichten bereits geringe Unterschiede zum Ausschluss der Verwechslungsgefahr aus. Beide Marken seien zudem auch begrifflich auseinander zu halten, weil die Widerspruchsmarke an den italienischen Hochruf eviva erinnere, während die jüngere Marke sich an den weiblichen Vornamen Evita anlehne; dies schließe auch klangliche Verwechslungen aus. Zudem hätten die angesprochenen Verkehrskreise, nämlich Fachabnehmer von Arbeits- und Berufsbekleidung, eine höhere Aufmerksamkeit, was Verwechslungen entgegenwirke; insbesondere würden die Marken von ihnen nicht mündlich benannt, so dass ungünstige Übertragungsbedingungen keine Rolle spielten. Auch Bekleidungsstücke würden überwiegend auf Sicht gekauft, so dass der klanglichen Ähnlichkeit hier keine Bedeutung zukomme. Darüber hinaus bestehe auch keine Warenähnlichkeit in bezug auf die Dienstleistungen der jüngeren Marke. Die Argumentation der Markenstelle, dass die Vermietung von Berufsbekleidung branchenüblich sei, gehe fehl, weil wegen des Oberbegriffs "Bekleidungsstücke" in der Widerspruchsmarke eine solche Branchenüblichkeit für den gesamten Bekleidungsmarkt festgestellt werden müsse; hieran fehle es aber. Die Waren der Widerspruchsmarke und die Dienstleistungen der jüngeren Marke ergänzten sich auch nicht. Hilfsweise schränke sie das Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses auf "Bekleidungsstücke und Kopfbedeckungen, nämlich Arbeits- und Berufsbekleidung, insbesondere für die Lebensmittelsindustrie und das Hotel- und Gaststättengewerbe sowie für Einrichtungen zur Beherbergung und Verpflegung von Gästen; Vermietung von Arbeits- und Berufsbekleidung, insbesondere für die Lebensmittelsindustrie und das Hotel- und Gaststättengewerbe sowie für Einrichtungen zur Beherbergung und Verpflegung von Gästen" ein.

Die Markeninhaberin beantragt, den Beschluss der Markenstelle für Klasse 25 vom 19. August 2004 aufzuheben und den Widerspruch aus der deutschen Marke Nr. 300 37 364 zurückzuweisen.

Die Widersprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Wegen der überwiegenden Übereinstimmungen seien die Marken ähnlich; hierfür spreche auch, dass der Verkehr die Vergleichsmarken regelmäßig nicht nebeneinander wahrnehme. Die Verwechslungsgefahr werde auch nicht durch einen unterschiedlichen Begriffsinhalt ausgeschlossen, da dieser nicht unmittelbar erfasst werde; es treffe auch nicht zu, dass die gegenüberstehenden Zeichen an eviva bzw. Evita unmittelbar erinnerten. Eine die Verwechslungsgefahr begründende Ähnlichkeit liege auch zwischen Bekleidungsstücken und der Vermietung von Bekleidungsstücken vor, da es zahlreiche Firmen gebe, die sowohl Bekleidungsstücke verkauften als auch vermieteten.

In der mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten ihre jeweiligen Standpunkte aufrechterhalten und vertieft.

II Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Die Markenstelle hat zu Recht und mit zutreffender Begründung, der sich der Senat anschließt, die Löschung der jüngeren Marke wegen der Gefahr von Verwechslungen der Vergleichsmarken nach § 43 Abs. 2 Satz 2, § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG angeordnet.

Unter Berücksichtigung der bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr miteinander in Wechselbeziehung stehenden Komponenten der Waren- und Markenähnlichkeit sowie der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke (vgl. EuGH GRUR 1998, 922, 923 - Canon; MarkenR 1999, 236, 239 - Lloyd/Loints), wobei ein geringer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen größeren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. EuGH GRUR 1998, 387, 389 Tz. 23 f. - Sabèl/Puma; EuGH GRUR 1998, 922, 923 Tz. 16 f. - Canon; BGH GRUR 1999, 241, 243), hält die jüngere Marke den erforderlichen Abstand zur unstreitig normal kennzeichnungskräftigen älteren Marke nicht mehr ein.

Wie die Markenstelle zutreffend ausgeführt hat, besteht nicht nur hinsichtlich der beiderseits beanspruchten Bekleidungsstücke und Kopfbedeckungen Warenidentität, sondern stehen auch die von der jüngeren Marke beanspruchte Dienstleistung "Vermietung von Bekleidungsstücken" mit den für die Widerspruchsmarke geschützten Bekleidungsstücken in einem zumindest mittleren Ähnlichkeitsgrad. Dies entspricht nicht nur der ständigen Rechtsprechung (vgl. HABM Widerspruchsentscheidung Nr. 401/2000 sowie BPatG 27 W (pat) 140/90, beides zitiert bei Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 13. Aufl., S. 34 Stichwort "Bekleidungsstücke" und S. 373 Stichwort "Vermietung"), sondern ergibt sich auch daraus, dass - worauf die Widersprechende unter Vorlage entsprechender Belege in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich hingewiesen hat - Hersteller von Berufsbekleidung diese nicht nur zum Kauf, sondern auch zur Miete anbieten. Der Einwand der Markeninhaberin, da die Widerspruchsmarke Bekleidungsstücke insgesamt beanspruche, müsse eine solche Branchenübung für sämtliche Bekleidung festgestellt werden, geht dabei fehl. Denn unter den weiten Oberbegriff "Bekleidungsstücke" im Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke fallen auch solche Spezialwaren wie Arbeits- und Berufsbekleidung, welche im ursprünglichen Waren- und Dienstleistungsverzeichnis der angegriffenen Marke bespielhaft ("insbesondere") aufgenommen sind und auf welche sie ihr Waren- und Dienstleistungsverzeichnis hilfsweise beschränkt hat. Es entspricht aber ständiger Rechtsprechung, dass eine Warenähnlichkeit auch dann vorliegt, wenn unter die jeweiligen Oberbegriffe jedenfalls Waren fallen, die eine hinreichende Ähnlichkeit aufweisen und sogar identisch sind. Insofern reicht die von der Widersprechenden belegte und auch von der Markeninhaberin letztlich nicht in Abrede gestellte Branchenüblichkeit in bezug auf Arbeits- und Berufsbekleidung für eine rechtserhebliche Warenähnlichkeit zwischen den von der Widerspruchsmarke beanspruchten "Bekleidungsstücken" auf der einen Seite und der für die jüngere Marke geschützten Dienstleistung "Vermietung von Bekleidungsstücken" auf der anderen Seite aus. Aus denselben Gründen ändert auch die hilfsweise erklärte Einschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses der jüngeren Marke auf diese Spezialwaren nichts daran, dass eine hinreichende Identität zwischen den beiderseits beanspruchten Waren bzw. Ähnlichkeit zwischen den Waren "Bekleidungsstücke" und der Dienstleistung "Vermietung von Bekleidungsstücken" gegeben ist.

Der Senat teilt auch die Auffassung der Markenstelle, dass beide Zeichen jedenfalls in klanglicher Hinsicht ähnlich sind; darüber hinaus ist auch eine schriftbildliche Ähnlichkeit nicht von der Hand zu weisen. Soweit die Markeninhaberin - insbesondere angesichts der von ihr hilfsweise erklärten Einschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses - beanstandet, dass auf dem damit bezeichneten Waren- und Dienstleistungssektor klangliche Benennungen keine Rolle spielten, da diese Waren in der Regel auf Sicht gekauft bzw. gemietet würden, verkennt sie, dass nach der bekannten höchstrichterlichen Rechtsprechung auch im Bekleidungssektor klangliche Verwechslungen nicht ausgeschlossen sind (vgl. EuGH GRUR 1998, 387, 390 [Rz. 23] - "Springende Raubkatze"; BGH GRUR 99, 241, 243 - Lions).

In klanglicher Hinsicht nähern sich die dreisilbigen Zeichen einander durch den identischen Wortanfang "Evi", die gleiche Vokalfolge und den übereinstimmenden Vokal "o" am Wortende an. Gegen eine klangliche Verwechslungsgefahr sprechen lediglich die unterschiedlichen Konsonanten der Endsilben "v" gegenüber "t". Da sich der einzige Unterscheid aber zu Beginn der üblicherweise weniger beachteten letzten Silbe befindet, kann bei einer mündlichen Benennung der Marken nicht mit der hinreichenden Sicherheit ausgeschlossen werden, dass der Hörer die beiden Marken füreinander hält. Dies wird entgegen der Ansicht der Markeninhaberin auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Endsilbe "TO" in der jüngeren Marke zu einer Lautverschiebung und Betonung am Wortende führe, während die Widerspruchsmarke in der Wortmitte betont werde. Denn da beide Zeichen keinen unmittelbar erkennbaren Sinngehalt aufweisen und daher als Phantasiebezeichnungen angesehen werden, hat der Verkehr auch keine Veranlassung, sie stets unterschiedlich zu betonen. Daran ändert sich auch nichts, wenn er, wie die Markeninhaberin geltend macht, beide Marken - was allerdings schon eine analysierende Betrachtung voraussetzen würde, wozu der Verkehr aber im allgemeinen nicht neigt (st. Rspr., vgl. BGH GRUR 1992, 515, 516 - Vamos; BGH GRUR 195, 408, 409 - PROTECH) - als Anlehnungen an die romanischen Wörter "eviva" und "Evita" ansehen sollte; denn da diese Wörter im allgemeinen stets auf der zweiten Silbe betont werden, hat der Verkehr keine Veranlassung, die Vergleichsmarken anders zu betonen; hierfür spricht auch, dass eine solche Betonung den grammatischen Vorgaben entspricht, welche den inländischen Verkehrskreisen für ihre eigene Sprache bekannt sind; da die Betonung einer der beiden Marken auf der ersten oder letzten Silbe für den Verkehr fremdartig und ungewöhnlich erscheint, wird er zu einer solchen Wiedergabe der Zeichen nicht neigen.

Neben einer klanglichen Ähnlichkeit kann auch eine große Übereinstimmung im jeweiligen Schriftbild aus denselben Gründen kaum verneint werden. Der Einwand der Markeninhaberin, die unterschiedliche Groß- und Kleinschreibung stehe einer schriftbildlichen Verwechslungsgefahr entgegen, verkennt dabei, dass beide Zeichen als Wortmarken eingetragen sind, so dass sie sowohl in Groß- als auch in Kleinschreibweise geschützt und daher - anders als etwa Wortbildmarken - nicht nur auf eine Wiedergabeform beschränkt sind. Begegnet der Verkehr aber beiden Marken in einer gleichen Schreibweise, wird er den einzigen vorhandenen Unterschied im vorletzten Buchstaben leicht überlesen können, so dass die Gefahr besteht, dass er beide Zeichen füreinander hält.

Im Hinblick auf die bestehende Warenidentität bzw. zumindest mittlere Ähnlichkeit zwischen den beanspruchten Waren auf der einen Seite und der beanspruchten Dienstleistung auf der anderen Seite, der normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sowie der hochgradigen Zeichenähnlichkeit kann daher nicht mit der hinreichenden Sicherheit ausgeschlossen werden, dass der Verkehr die Vergleichszeichen miteiander verwechselt. Da die Markenstelle aus diesem Grund zu Recht die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet hat, war der hiergegen gerichteten Beschwerde der Markeninhaberin somit der Erfolg zu versagen.

Es sind keine Gründe ersichtlich, von dem Grundsatz des § 71 Abs 1 Satz 2 MarkenG abzuweichen, dass jeder Beteiligte seine Kosten selbst trägt.

van Raden Reker Schwarz Ju






BPatG:
Beschluss v. 23.08.2005
Az: 27 W (pat) 252/04


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