Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Beschluss vom 1. September 2009
Aktenzeichen: 21 U 45/09

(OLG Frankfurt am Main: Beschluss v. 01.09.2009, Az.: 21 U 45/09)

Tenor

In dem Rechtsstreit € wird darauf hingewiesen, dass derSenat erwägt, die Berufung durch einstimmigen Beschluss nach § 522Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat,die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und dieFortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichenRechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nichterfordert.

Gründe

Auf die zutreffenden Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung wird Bezug genommen.

Der Senat tritt der tatsächlichen und rechtlichen Bewertung durch das Landgericht in vollem Umfang bei; das mit der Berufung Vorgetragene rechtfertigt keine Abänderung.

Es fehlt schon an einem Verfügungsanspruch. Ein Anspruch auf Ausblendung der streitgegenständlichen Einträge aus dem von der Beklagten geführten Schuldnerverzeichnis bis zum Abschluss des Hauptverfahrens besteht weder nach §§ 29, 35 BDSG noch nach §§ 823, 824, 1004 BGB analog.

Der Verfügungskläger hat unstreitig vor Begründung seiner Geschäftsbeziehung zu der Bank1 eine sog. SCHUFA-Klausel unterschrieben. Diese enthält allerdings nur hinsichtlich der Weitergabe von positiven und neutralen Daten eine Einwilligung, während negative Daten auf Grund von nicht vertragsgemäßer Abwicklung wie z.B. Kündigung des Kredits, Beantragung eines Mahnbescheids bei unbestrittener Forderung sowie Zwangsvollstreckungsmaßnahmen nach dem Bundesdatenschutzgesetz nur übermittelt werden dürfen, soweit dies zur Wahrung berechtigter Interessen des Kreditinstituts, eines Vertragspartners der Beklagten oder der Allgemeinheit erforderlich ist und schutzwürdige Belange nicht beeinträchtigt werden. Bezüglich der Negativmerkmale hat die SCHUFA-Klausel daher im Gegensatz zur Einwilligungserklärung hinsichtlich der positiven mitgeteilten Merkmale keinen konstitutiven, sondern nur deklaratorischen Charakter (Schimanski/Bunte/Lwowski: Bankrechts-Handbuch, 3. Aufl. 2007, § 41 Rz. 14 mwN).

Die Erhebung und Speicherung von Negativdaten durch die Beklagte, die eine Auskunftei betreibt, richtet sich nach § 29 Abs. 1 BDSG, wonach das geschäftsmäßige Erheben, Speichern oder Verändern personenbezogener Daten zum Zweck der Übermittlung nur zulässig ist, wenn kein Grund zu der Annahme besteht, dass der Betroffene ein schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Erhebung, Speicherung oder Veränderung hat (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 BDSG) oder die Daten aus allgemein zugänglichen Quellen entnommen werden können oder die verantwortliche Stelle sie veröffentlichen dürfte, es sei denn, dass das schutzwürdige Interesse des Betroffenen an dem Ausschluss der Erhebung, Speicherung oder Veränderung offensichtlich überwiegt (§ 29 Abs. 1 Nr. 2 BDSG). Ebenso wie bei der Datenübermittlung nach § 28 Abs. 1 Nr. 2 BDSG, auf den § 29 Abs. 1 S. 2 BDSG verweist, ist eine einzelfallbezogene Interessenabwägung nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vorzunehmen (u.a. BGH Urteil vom 07.07.1983, Az. III ZR 159/82, NJW 84, 437; OLG Saarbrücken Beschluss vom 06.10.2005. Az. 8 UH 323/05 mwN, juris = MDR 2006, 525).

Dieses Abwägungsgebot schließt es indes nicht aus, dass in bestimmten Fällen eine Datenübermittlung regelmäßig zulässig sein wird, weil den für eine Datenübermittlung sprechenden berechtigten Interessen ein solches Gewicht zukommt, dass die Belange des Betroffenen demgegenüber zurücktreten müssen. So werden die berechtigten Interessen der Allgemeinheit an einem Schutz vor der Vergabe von Krediten an Zahlungsunfähige oder € unwillige eine Weitergabe von Daten über die Eröffnung des Konkursverfahrens, die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach § 807 ZPO durch den Schuldner oder die Zwangsvollstreckung in sein Vermögen in aller Regel rechtfertigen (BGH aaO).

Bei diesen sog. €harten€, d.h. für die Beurteilung der Bonität heranzuziehenden objektiven Negativmerkmalen ist daher in der Regel die Datenübermittlung zulässig (BGH aaO; OLG Saarbrücken aaO; OLG Frankfurt Urteil vom 15.11.2004, Az. 23 U 155/03, juris = ZIP 2005 654; Schimanski/Bunte/Lwowski: Bankrechts-Handbuch, 3. Aufl. 2007, § 41 Rz. 15 mwN).

Bei den sog. €weichen€ Negativmerkmalen wie z.B. der Beantragung eines Mahnbescheids, der Kreditkündigung oder der Klageerhebung ist im Einzelfall zu prüfen, welches Gewicht den berechtigten Interessen an der Datenübermittlung zukommt, inwieweit die Übermittlung schutzwürdige Belange des Betroffenen berührt und welcher Wert diesen Belangen zukommt (BGH aaO, OLG Saarbrücken aaO, OLG Frankfurt aaO). Die Übermittlung von sog. €weichen€ Negativmerkmalen ist in der Regel dann zulässig, wenn sich das Kreditinstitut im Einzelfall vergewissert hat, dass das Verhalten des Kunden auf Zahlungsunfähigkeit oder €unwilligkeit beruht (OLG Frankfurt aaO; Schimanski/Bunte/Lwowski: Bankrechts-Handbuch, 3. Aufl. 2007, § 41 Rz. 15 mwN).

Diese für die Datenübermittlung nach § 28 Abs. 1 Nr. 2 BDSG geltenden Grundsätze führen aufgrund des Verweises in § 29 Abs. 1 S. 2 BDSG auch zur Zulässigkeit der Datenspeicherung hinsichtlich des Eintrags der Forderung der Bank1 AG durch die Beklagte. Es handelte sich um eine unbestrittene Forderung, so dass von einer Zahlungsunfähigkeit oder €unwilligkeit auszugehen war; hierbei überwiegt das Interesse der Vertragspartner der Beklagten, von der Zahlungsunfähigkeit oder €unwilligkeit des Verfügungsklägers im Falle einer Geschäftsbeziehung mit ihm Kenntnis zu nehmen, das Interesse des Verfügungsklägers an der Geheimhaltung der Negativdaten (OLG Frankfurt aaO; OLG Frankfurt Urteil vom 18.06.2008, Az. 23 U 221/07, juris = NJW-RR 2008, 1228).

Auf die Frage der Forderungsübertragung auf die A AG und der möglichen Verjährung der Forderung kommt es dabei nicht an, da die Forderung unstreitig bis zur Restschuldbefreiung bestand und der Verfügungskläger sich nicht auf Verjährung berufen hat, so dass die Eintragungen vom 25.10.2006 und 24.11.2008 zutreffend waren, was der Verfügungskläger auch nicht bestreitet.

Auch die Eintragung der Restschuldbefreiung ist zulässig. Die Restschuldbefreiung ist gemäß § 300 Abs. 3 InsO öffentlich bekannt zu machen, so dass eine Datenspeicherung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 BDSG zulässig ist, wenn nicht das schutzwürdige Interesse des Verfügungsklägers an dem Ausschluss der Datenspeicherung offensichtlich überwiegt. Das Interesse des Verfügungsklägers besteht nach seiner Darlegung in der Erlangung eines Kredits zum Erwerb einer Immobilie, die er als Wohnung sowie als Kanzleisitz nutzen will. Unabhängig davon, dass die im Jahr 2008 erfolgte Restschuldbefreiung, wie der Verfügungskläger selbst eingeräumt hat, bei dem Kreditantrag ohnehin von ihm mitgeteilt werden müsste, erschöpft sich sein Interesse an der Löschung bzw. vorübergehenden Ausblendung des Eintrags darin, einen Kredit zu einem nicht erhöhten Zinssatz zur Immobilienfinanzierung aufnehmen zu können, da ihm nach seinem Vortrag von der Bank2 aufgrund der Einträge nur ein Kredit zu einem erhöhten Zinssatz von über 4 % in Aussicht gestellt worden sei bzw. eine Finanzierung nur über den Dispositionskredit erfolgen könne.

Damit hat der Verfügungskläger aber kein weitergehendes Interesse als das, bei der Bonitätsprüfung einem Kunden ohne Negativeintrag gleichgestellt zu werden. Dieses Interesse ist aber weder schutzwürdig noch überwiegt es offensichtlich das Interesse der Vertragspartner der Verfügungsbeklagten, Informationen zur finanziellen Situation des Verfügungsklägers aus der jüngeren Vergangenheit zu erhalten; diese Informationen benötigen die Vertragspartner der Verfügungsbeklagten zur Bonitätsprüfung und zur Einschätzung des Geschäftsrisikos. Hierbei ist insbesondere der vom Landgericht genannte Umstand zu berücksichtigen, dass die Restschuldbefreiung einen erheblichen wirtschaftlichen Vorteil für den Schuldner bedeutet, während die Gläubiger oft erhebliche Einbußen erleiden, so dass Kreditinstitute ein erhebliches und schützenswertes Interesse an der Einschätzung einer etwaigen Wiederholungsgefahr haben, der sie u. a. auch durch einen höheren Zinssatz Rechnung tragen können.

Auskünfte, die geeignet sind, etwaige Kreditgeber zu einer sorgfältigen Bonitätsprüfung zu veranlassen, sind für das Kreditgewerbe erforderlich und müssen, wenn sie € wie hier € zutreffen und nicht den sensitiven persönlichen Bereich betreffen, von dem Betroffenen regelmäßig hingenommen werden, wenn er Vertrauen in seine Zuverlässigkeit und die damit verbundene Kreditwürdigkeit in Anspruch nehmen will (BGH Beschluss vom 24.06.2003, Az. VI ZR 3/03, juris = NJW 2003, 2904).

Eine Löschung der Einträge hat daher erst nach Ablauf der dreijährigen Löschungsfrist zu erfolgen.

Ein Anspruch auf Sperrung der Einträge nach § 35 Abs. 3 bzw. Abs. 4 BDSG steht dem Verfügungskläger ebenfalls nicht zu, da die dort genannten Voraussetzungen nicht vorliegen.

Da die Datenerhebung, -speicherung und €übermittlung aus vorstehenden Gründen nicht rechtswidrig ist, ist der Verfügungskläger zur Duldung der Eintragung verpflichtet, weshalb auch ein Anspruch aus der entsprechenden Anwendung von §§ 823, 824, 1004 BGB nach § 1004 Abs. 2 BGB ausscheidet.

Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen auch dazu, ob das Rechtsmittel trotz der mitgeteilten Bedenken durchgeführt wird.






OLG Frankfurt am Main:
Beschluss v. 01.09.2009
Az: 21 U 45/09


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