Landgericht Heidelberg:
Urteil vom 27. Juli 2016
Aktenzeichen: 1 S 51/15

(LG Heidelberg: Urteil v. 27.07.2016, Az.: 1 S 51/15)

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Heidelberg vom 20.11.2015, Az. 24 C 73/15, wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagten tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Die Klägerin macht als Rechtsschutzversicherung einen Auskunftsanspruch gegen zwei Rechtsanwälte (Beklagte Ziffer 2 und 3) und die von ihnen betriebene Anwaltssozietät (Beklagte Ziffer 1) geltend, die den mitversicherten Ehemann ihrer Versicherungsnehmerin in einem auf ihre Kosten geführten Rechtsstreit vertrat.

Am 02.09.2008 erteilte die Klägerin auf Anfrage der Beklagten Ziffer 1 vom 10.07.2008 Deckungszusage für einen Schadensersatzprozess des mitversicherten Ehemanns ihrer Versicherungsnehmerin gegen Herrn L.. Mit Schreiben vom 21.10.2008 forderte Rechtsanwalt R. auf dem Briefpapier der Beklagten Ziffer 1, auf dem er als Sachbearbeiter bezeichnet war, einen Vorschuss für diesen Prozess an. Dabei verlangte er ausdrücklich Zahlung des Vorschusses auf sein eigenes Konto. Die Klägerin zahlte in der Folge Vorschüsse in Höhe von 2.574,31 EUR, davon 1.917,31 EUR auf die Rechtsanwaltsgebühren auf das Konto von Rechtsanwalt Richter. Gegen L. erging am 26.02.2009 Versäumnisurteil, das am 31.03.2009 ergänzt wurde. Auf Anfrage der Klägerin nach dem Sachstand teilte die Beklagte Ziffer 1 mit Schreiben vom 31.01.2012 mit, dass das Verfahren abgeschlossen sei und die Zwangsvollstreckung in der Schweiz betrieben werde. Weitere Sachstandsanfragen der Klägerin beantwortete sie nicht. Nachdem die Klägerin ihre Prozessbevollmächtigten eingeschaltet hatte, teilte die Beklagte Ziffer 1 mit Schreiben vom 14.11.2014 mit, dass die Forderung tituliert sei, die entsprechenden Urteile und der Kostenfestsetzungsbeschluss seien beigefügt. Eine Rückzahlung der Vorschüsse komme nicht in Betracht, weil die Zahlung von 1.917,31 EUR an Rechtsanwalt R. geleistet worden sei. Gleichzeitig wurde in dem Schreiben unter Hinweis auf die Rechtsschutzzusage der Klägerin ein weiterer Vorschuss in Höhe von 510,45 EUR angefordert. Es wurde eine Berechnung der aus Sicht der Beklagten Ziffer 1 angefallenen Gebühren vorgenommen, von denen die an Rechtsanwalt R. geleistete Zahlung sowie der Selbstbehalt abgezogen wurden.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, ein Rechtsanwalt, der wie hier ohne Beteiligung seines Mandanten Vorschusszahlungen entgegennehme, sei verpflichtet, dem Rechtsschutzversicherer Auskunft über die kostenmäßige Abwicklung des Verfahrens zu erteilen, insbesondere über einen möglichen Erfolg der Zwangsvollstreckung, weil er einschätzen müsse, ob er den auf ihn übergegangene Kostenerstattungsanspruch gegen den Prozessgegner realisieren könne. Die geschuldete Auskunft sei in dem Schreiben vom 14.11.2014 nicht erteilt worden, weil keine Information über Zahlungen des Prozessgegners gegeben werde.

Die Beklagten haben vorgetragen, die Auskunft sei im Schreiben vom 14.11.2014 erteilt worden, weil die dort vorgenommene Abrechnung keine Zahlungen des Schuldners enthalte. Dem Schuldner sei die Zwangsvollstreckung angedroht und mit ihm eine Ratenzahlungsvereinbarung getroffen worden, die er aber nicht erfüllt habe. Zudem habe die Klägerin auch ausschließlich an Rechtsanwalt R. geleistet und nicht an die Beklagte Ziffer 1, so dass gegen sie auch kein Auskunftsanspruch bestehe.

Das Amtsgericht hat der Klage in der Hauptsache stattgegeben. Es hat ausgeführt, der Auskunftsanspruch des Mandanten der Beklagten sei gemäß §§ 86 Abs. 1 VVG, 401 BGB als Hilfsanspruch zu dem Herausgabeanspruch nach §§ 675, 667 BGB auf die Klägerin übergegangen. Dass die Vorschusszahlung an Rechtsanwalt R. geleistet worden sei, sei unerheblich, dies betreffe lediglich das Innenverhältnis. Rechtsanwalt R. habe im Namen der Sozietät gehandelt, wie sich aus der Verwendung von deren Briefpapier ergebe. Auch der Beklagte Ziffer 2 gehe von einem Auftrag der Sozietät aus, weil er mit Schreiben vom 14.11.2014 einen weiteren Vorschuss angefordert habe. Schließlich sei der Auskunftsanspruch auch nicht erloschen. Das Schreiben vom 14.11.2014 enthalte nur den Hinweis, dass der Anspruch tituliert sei, keine Angaben zum Stand der Zwangsvollstreckung. Der pauschale Hinweis in der Klageerwiderung, dass dem Schuldner die Zwangsvollstreckung angedroht und mit ihm eine Ratenzahlungsvereinbarung abgeschlossen worden sei, genüge zumindest dann nicht, wenn der Auskunftsberechtigte um umfassende Mittteilung des Sachstands bitte. Die Pflicht aus dem Geschäftsbesorgungsvertrag zur Auskunftserteilung bestimme sich u. a. danach, was nach Gegenstand des Auftrags, Zweck der Auskunft sowie Treu und Glauben erwartet werden könne. Die Beklagten seien hier gemäß §§ 675, 667 BGB verpflichtet, aus der Geschäftsbesorgung Erlangtes, mithin auch die ihnen erstatteten Kosten, herauszugeben. Sie seien danach verpflichtet, genaue Angaben zum Stand des Verfahrens zu geben und eine Dokumentation vorzulegen. Substantiierte Nachfragen hätten sie in entsprechender Weise zu beantworten und insbesondere die geschlossene Ratenzahlungsvereinbarung näher darzulegen.

Gegen dieses Urteil haben die Beklagten Berufung eingelegt. Sie tragen vor, der Auskunftsanspruch sei mit der Mitteilung, dass keine Zahlungen des Prozessgegners erlangt werden konnten, erfüllt. Das amtsgerichtliche Urteil sei bezüglich des von ihnen aufgeworfenen Problems, dass die Zahlungen der Klägerin an Rechtsanwalt R. geleistet worden seien und nicht an die Beklagten, nicht mit Gründen versehen. Die Zahlungen seien auf das Privatkonto von Rechtsanwalt R. erfolgt. Dieser sei aber nicht befugt, Zahlungen auf seinem Privatkonto entgegenzunehmen. Er sei auch nicht als vertretungsberechtigt auf dem Kanzleibriefpapier aufgeführt. Rechtsanwalt R. habe einen Vergleich mit dem Prozessgegner geschlossen, nach dem dieser die Gesamtforderung aller von der Kanzlei vertretenen Geschädigten in Höhe von ca. 180.000,- EUR nebst Zinsen und Kosten in der Reihenfolge ihrer Titulierung in Raten bezahlen sollte. Die Forderung des Ehemannes der Versicherungsnehmerin sei erst spät tituliert worden. Welche Gelder bei Rechtsanwalt R. eingegangen seien, sei unbekannt. Es sei jedoch davon auszugehen, dass für den Ehemann der Versicherungsnehmerin nichts übrig geblieben sei.

Die Beklagten beantragen,

das Urteil des Amtsgerichts Heidelberg vom 20.11.2015, Az. 24 C 73/15, aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie führt aus, das Amtsgericht habe zu der Frage der Leistung an Rechtsanwalt R. zutreffend ausgeführt, dass insoweit nur das Innenverhältnis zwischen diesem und den Beklagten betroffen sei. Die Beklagten behaupteten auch selbst nicht, dass Rechtsanwalt R. im eigenen Namen gehandelt habe. Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Auskunftsverpflichtung nach wie vor nicht erfüllt sei. Sie umfasse die Mitteilung der wesentlichen Einzelheiten des Handelns zur Auftragsausführung sowie die Vorlage von Belegen, soweit solche üblich und vorhanden seien. Daher sei eine nähere Darlegung der Ratenzahlungsvereinbarung erforderlich und die Überlassung einer Kopie derselben mit Zahlungsaufforderungen. Auch fehle eine Abrechnung der Zahlungseingänge. Die Beklagte meint, der Vortrag der Beklagten in der Berufungsinstanz zu der Ratenzahlungsvereinbarung sei neu und daher nicht zuzulassen. Im Übrigen sei der Vergleich für den Ehemann der Versicherungsnehmerin ungünstig, weil andere Gläubiger vorrangig bedient würden. Rechtsanwalt R. hätte nach § 43 a Abs. 4 BRAO den Ehemann der Versicherungsnehmerin überhaupt nicht vertreten dürfen, es bestehe ein Honorarrückzahlungsanspruch aus §§ 45 BRAO, 812 BGB. Auch der Vortrag in der Berufungsinstanz, dass die streitgegenständlichen Zahlungen auf ein Privatkonto von Rechtsanwalt R. geflossen seien und er dafür keine Vollmacht gehabt habe, sei neu und nicht zuzulassen. Aufgrund der Verwendung des Briefpapiers der Beklagten Ziffer 1 habe die Klägerin von einer Leistung an diese ausgehen dürfen.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz hat der Beklagtenvertreter eine Bestätigung des Schuldners L. vom 04.02.2008 bezüglich des Abschlusses eines Ratenzahlungsvergleichs mit einem Anschreiben von Rechtsanwalt R. vom 20.12.2007 (As. II 65, 67) vorgelegt, auf deren Inhalt Bezug genommen wird.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagten einen Anspruch aus §§ 675, 666, 412, 401 BGB auf Auskunft über den Sachstand in dem Rechtsstreit des Ehemannes der Versicherungsnehmerin, der vor dem Landgericht Dresden unter dem Az. 6 O 2444/08 geführt wurde, insbesondere darauf, welche Beitreibungsmaßnahmen zugunsten des Versicherten getroffen worden sind und welche Gelder erlangt werden konnten.

1. Zwischen der Klägerin als Rechtsschutzversicherung und den Prozessbevollmächtigten ihres Versicherten bestehen keine unmittelbaren vertraglichen Beziehungen. Soweit eine Rechtsschutzversicherung allerdings Prozesskosten vorfinanziert hat, geht der Kostenerstattungsanspruch des Versicherten gegen seinen Prozessgegner gemäß § 86 Abs. 1 VVG auf die Versicherung über. Leistet der Prozessgegner an den von dem Versicherten beauftragten Rechtsanwalt, geht der Anspruch des Versicherten auf Herausgabe des Erlangten aus §§ 675, 667 BGB gegen seinen Rechtsanwalt gemäß § 86 Abs. 1 VVG auf die Versicherung über. Der Auskunftsanspruch des Versicherten gegen seinen Rechtsanwalt folgt dem seinerseits als Hilfsrecht in analoger Anwendung von §§ 412, 401 BGB (so auch LG Bonn, Urteil vom 03.09.2010, 10 O 345/09, juris Tz. 28; LG Bochum, Urteil vom 26.02.2012, 11 S 150/11). Neben den in § 401 BGB ausdrücklich genannten Rechten wird diese Vorschrift nämlich u. a. auf solche Hilfsrechte entsprechend angewandt, die zur Geltendmachung oder Durchsetzung einer Forderung erforderlich sind. Solche Nebenrechte sind insbesondere Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung, die darauf abzielen, Gegenstand und Betrag des Hauptanspruchs zu ermitteln (BGH, Beschluss vom 19.12.2012, VII ZB 50/11, juris Tz. 9). Nach diesen Grundsätzen steht der Klägerin hier zur Ermittlung eines möglichen Herausgabeanspruchs aus §§ 675, 667 BGB, 86 Abs. 1 VVG, 412, 401 BGB ein Auskunftsanspruch gegen die Beklagten zu.

a. Die Klägerin hat dem Grunde nach gegen die Beklagte Ziffer 1 einen Anspruch auf Herausgabe erlangter Zahlungen gemäß §§ 675, 667 BGB i. V. m. §§ 86 Abs. 1 VVG, 412, 401 BGB, für den die Beklagten Ziffer 2 und 3 gemäß § 128 HGB analog haften, auch wenn die Vorschusszahlungen der Klägerin und mögliche Zahlungen des Schuldners auf ein Konto von Rechtsanwalt R. geleistet worden sind.

aa. Der Herausgabeanspruch aus §§ 675, 667 BGB richtet sich gegen den Beauftragten. Das war hier die Beklagte Ziffer 1. Sie hat unstreitig für den Versicherten um Deckung bei der Klägerin nachgesucht und deren Deckungszusage ist an sie adressiert worden. Sie hat weiterhin vor dem Landgericht Dresden laut Rubrum des dortigen Urteils den Prozess für den Versicherten geführt. Die Beklagten gehen auch selbst davon aus, dass die Beklagte Ziffer 1 mandatiert worden ist, wenn in dem Schreiben vom 14.11.2014 ein weiterer Vorschuss zu deren Gunsten angefordert wird.

bb. Die Beklagte Ziffer 1 hat auch die Vorschusszahlungen der Klägerin und mögliche Zahlungen des Schuldners L. erlangt. Denn das Verlangen von Rechtsanwalt R., dass Zahlungen auf sein Konto geleistet werden sollen, ist der Beklagten Ziffer 1 gemäß § 164 Abs. 1 BGB zuzurechnen. Aus der Verwendung des Briefpapiers der Beklagten Ziffer 1 ergibt sich, dass Rechtsanwalt R. in deren Namen gehandelt hat. Unabhängig von seiner Stellung im Verhältnis zu den Beklagten hatte er auch Vertretungsmacht für diese.

Sollte er Gesellschafter der Beklagten Ziffer 1 gewesen sein, hatte er abweichend von der gesetzlichen Regelung des § 709 BGB die Befugnis zur alleinigen Geschäftsführung bezüglich der Mandatsbearbeitung. Denn das Prinzip der gemeinschaftlichen Geschäftsführung aus § 709 BGB ist mit der gesetzlich garantierten Unabhängigkeit des Rechtsanwalts (§§ 1, 3 Abs. 1 BRAO) und dem Verbot unabhängigkeitsgefährdender Bindungen (§ 43 a Abs. 1 BRAO) jedenfalls bezüglich der eigentlichen anwaltlichen Berufsausübung wie Mandatsannahme und Mandatsbearbeitung unvereinbar (Brüggemann in Feuerich/Weyland, BRAO, 9. Auflage, § 59a BRAO Rn. 16). Somit hatte Rechtsanwalt R. bei Unterstellung einer Gesellschafterstellung bei der Bearbeitung des Mandats Einzelgeschäftsführungs- und damit gemäß § 714 BGB auch Einzelvertretungsbefugnis und konnte im Außenverhältnis mit Wirkung für die Beklagte Ziffer 1 Zahlungen auf ein bestimmtes Konto anordnen.

Sollte Rechtsanwalt R. bei der Beklagten Ziffer 1 angestellter Rechtsanwalt gewesen sein, brachte die Beklagte Ziffer 1 durch die unstreitige Überlassung ihres Briefpapiers jedenfalls konkludent nach außen hin zum Ausdruck, dass sie ihm umfassende Vollmacht zur Mandatsbearbeitung erteilt hatte. Die Bevollmächtigung ergibt sich auch indiziell aus dem Schreiben der Beklagten Ziffer 1 vom 14.11.2014, in dem sie eine Abrechnung vornimmt, in der die Zahlung der Klägerin an Rechtsanwalt R. berücksichtigt ist. Diese Berücksichtigung zeigt, dass die Beklagte Ziffer 1 die Zahlung an Rechtsanwalt R. als Zahlung an sich selbst ansieht.

Für einen Missbrauch der Vertretungsmacht, der ausnahmsweise zu einer Verweigerung der Zurechnung führen würde, bestehen keine Anhaltspunkte. Weder haben die Klägerin und Rechtsanwalt R. kollusiv zusammengewirkt noch liegt eine offensichtliche Überschreitung der Befugnisse von Rechtsanwalt R. aus dem Innenverhältnis vor. Wie die Beklagte Ziffer 1 ihren Zahlungsverkehr intern abwickelte, entzog sich vielmehr der Kenntnis der Klägerin.

Es besteht daher dem Grunde nach ein übergangener Anspruch der Klägerin auf Herausgabe erlangter Zahlungen gegen die Beklagte Ziffer 1 aus §§ 675, 667 BGB, für den die Beklagten Ziffer 2 und 3 gemäß § 128 BGB analog ebenfalls haften.

b. Zur Geltendmachung dieses Anspruchs benötigt die Klägerin Informationen über den Stand der Beitreibung bei dem Schuldner L.. Daher ist auch der Auskunftsanspruch des Ehemanns der Versicherungsnehmerin gegen die Beklagte Ziffer 1 aus §§ 675, 666 BGB gemäß §§ 412, 401 BGB analog auf die Klägerin übergegangen. Die Beklagten Ziffer 2 und 3 haften in entsprechender Anwendung des § 128 HGB ebenfalls auf Auskunft. Bei der Verpflichtung zu einer unvertretbaren Handlung, z. B. wie hier Auskunftserteilung, können die Gesellschafter ebenfalls im Wege der Leistungsklage auf Auskunft in Anspruch genommen werden (vgl. BGHZ 23, 302, 305).

c. Dem Anspruchsübergang steht auch nicht die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht aus § 43 a Abs. 2 BRAO entgegen. Zwar bezieht sich die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht auf alles, was dem Rechtsanwalt in Ausübung seines Berufs bekannt geworden ist und umfasst daher auch die von der Klägerin geforderten Auskünfte. Von dieser Verschwiegenheitsverpflichtung sind die Beklagten hier in Bezug auf den Streitgegenstand jedoch dadurch konkludent von dem Versicherten und Mandanten entbunden worden, dass er sie mit der kostenmäßigen Abwicklung des Rechtsstreits beauftragt hat. Die Beklagte Ziffer 1 war mit der Deckungsanfrage, der Anforderung eines Kostenvorschusses, der Führung der diesbezüglichen Korrespondenz sowie der späteren Verwendung der Gelder betraut. Indem der Versicherte und Mandant diese Aufgaben auf die Beklagte Ziffer 1 übertragen hat, hat er stillschweigend zum Ausdruck gebracht, dass diese gegenüber der Rechtsschutzversicherung in Kostenfragen uneingeschränkt kommunizieren können und von der Verschwiegenheitspflicht entbunden sein sollte. Der Mandant selbst ist in derart gelagerten Konstellationen an der kostenmäßigen Abwicklung des Rechtsstreits regelmäßig nicht interessiert und hat gerade deshalb eine Rechtsanwaltskanzlei eingeschaltet, um mit diesen Fragen selbst nicht belastet zu sein. Er könnte diesbezügliche Anfragen der Rechtsschutzversicherung auch gar nicht beantworten. Es entspricht daher auch seinem Interesse, eine konkludente Entbindung des Rechtsanwalts von der anwaltlichen Schweigepflicht in Bezug auf Kostenfragen anzunehmen (so auch LG Bochum, aaO; i. E. auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 15.01.1980, 4 U 48/79; a. A. AG Bonn, Urteil vom 08.11.2006, 13 C 607/05; AG Frankfurt, Urteil vom 16.10.2012, 30 C 1926/12).

2. Der Auskunftsanspruch der Klägerin ist nicht durch Erfüllung erloschen. Der geschuldete Inhalt der Auskunft bestimmt sich danach, was nach dem Gegenstand der Besorgung, der Üblichkeit im Geschäftsverkehr, dem Zweck der verlangten Information unter Berücksichtigung von Treu und Glauben erwartet werden kann (BGH, Urteil vom 01.12.2011, III ZR 71/11, juris Tz. 20).

Nach diesem Maßstab ist die von den Beklagten geschuldete Auskunft weder im Schreiben vom 14.11.2014 noch in der Klageerwiderung noch in der Berufungsinstanz erteilt worden. Das Schreiben vom 14.11.2014 enthält überhaupt keine Information zum Stand der Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner L.. Die Beklagten stellen hier vielmehr weitere Forderungen an die Klägerin, ohne auf ihr Informationsverlangen einzugehen. Soweit in der Klageerwiderung vorgetragen wurde, dass dem Schuldner die Zwangsvollstreckung angedroht und mit ihm eine Ratenzahlungsvereinbarung abgeschlossen worden sei, die er aber nicht erfüllt habe, bleibt der Inhalt der Ratenzahlungsvereinbarung offen. Nach dem Zweck der Information, der Klägerin die Realisierung ihres Kosteninteresses zu ermöglichen, ist es aber von elementarer Bedeutung und darf im Rechtsverkehr erwartet werden, dass der Inhalt der Ratenzahlungsvereinbarung offen gelegt und das Zahlungsverhalten des Schuldners detailliert dargestellt wird. Auch die in der Berufungsinstanz gelieferten weiteren Informationen und Unterlagen führen nicht zur Erfüllung des Auskunftsanspruchs. Die Beklagten tragen vor, mit dem Schuldner L. einen Vergleich des Inhalts geschlossen zu haben, dass dieser die Forderungen der von der Kanzlei vertretenen Anleger in Höhe von insgesamt 180.000,- EUR nebst Zinsen und Kosten in Raten bezahlen sollte. Eingehende Zahlungen sollten in der Reihenfolge der Mandatserteilung bzw. Titulierung der Forderungen verteilt werden. Die Höhe etwa eingegangener Zahlungen an Rechtsanwalt R. sei nicht bekannt. Da der hier interessierende Mandant recht spät einen Titel erlangt habe, sei jedoch davon auszugehen, dass er wegen des Vorrangs früher titulierter Forderungen nichts mehr bekommen habe. Im Termin zur mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz hat der Beklagtenvertreter ein Schreiben der Beklagten Ziffer 1, Sachbearbeiter Rechtsanwalt R., vom 20.12.2007 an den Schuldner L. vorgelegt, in dem er diesen um ein Vergleichsangebot bzgl. aller von der Kanzlei vertretenen Geschädigten bittet, sowie die Bestätigung eines Vergleichs durch den Schuldner L. vom 04.02.2008 über Ratenzahlungen in Höhe von monatlich mindestens 3.500,- EUR auf einen Gesamtbetrag von 177.643,78 EUR. Diese Angaben und Unterlagen genügen nicht, um das Informationsinteresse der Klägerin zu befriedigen, sondern werfen neue Fragen auf. Die von dem Schuldner L. unterzeichnete Vergleichsbestätigung vom 04.02.2008 datiert zeitlich vor dem von der Klägerin finanzierten Prozess, so dass sich die Frage stellt, ob nach Erlangung des Titels zugunsten des Versicherten weitere Beitreibungsmaßnahmen ergriffen wurden. Die Vergleichsbestätigung vom 04.02.2008 deckt sich zudem nicht mit dem Vortrag der Beklagten zur Verrechnung eingehender Gelder auf die einzelnen Gläubiger, weil sie diesbezüglich überhaupt keine Regelung enthält, insbesondere nicht dahingehend, dass die Gläubiger in der Reihenfolge der Mandatierung oder Titulierung bedient werden sollen. Dies wirft die Frage auf, wie eingehende Zahlungen tatsächlich verrechnet worden sind. Zu Zahlungseingängen an sich haben die Beklagten nur vorgetragen, dass ihnen die genaue Höhe der Zahlungen an Rechtsanwalt R. unbekannt sei. Auf diese Unkenntnis können sie sich jedoch nicht berufen, weil sie ihrerseits gegen Rechtsanwalt R. einen diesbezüglichen Auskunftsanspruch aus dem zwischen ihnen bestehenden Innenverhältnis haben, der sie in den Stand setzt, gegenüber der Klägerin Auskunft zu erteilen. Die Beklagten, die von der Kostenübernahme durch die Klägerin erheblich profitiert haben, schulden daher nach wie vor eine detaillierte Auskunft über eingegangene Zahlungen des Schuldners und deren Verrechnung auf die einzelnen Gläubiger sowie über mögliche weitere Beitreibungsmaßnahmen nach Erlangung des Titels für ihren Mandanten.

Der Auskunftsanspruch ist durch die von den Beklagten im Laufe des Prozesses gegebenen Informationen auch nicht teilweise erfüllt worden mit der Folge, dass die Klage teilweise abzuweisen wäre. Denn in der Regel führen Teilauskünfte nicht zur Teilerfüllung des Auskunftsanspruchs, weil die Aussagekraft und damit Erfüllungswirkung einzelner Teilakte erst dann beurteilt werden kann, wenn auch die übrigen Teilauskünfte vorliegen. Teilelemente einer noch unvollständigen Gesamtdarstellung stellen lediglich Vorarbeiten dar, die den geschuldeten Auskunftsanspruch auch nicht teilweise erfüllen (BGH, Beschluss vom 22.10.2014, XII ZB 385/13, juris Tz. 18).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor.






LG Heidelberg:
Urteil v. 27.07.2016
Az: 1 S 51/15


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