Bundespatentgericht:
Beschluss vom 17. August 2000
Aktenzeichen: 9 W (pat) 1/00

(BPatG: Beschluss v. 17.08.2000, Az.: 9 W (pat) 1/00)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Bundespatentgericht hat mit einem Beschluss vom 17. August 2000 die Entscheidung des Deutschen Patent- und Markenamts vom 14. September 1999 aufgehoben. Gleichzeitig wurde das Verfahren an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen. Außerdem wurde die Beschwerdegebühr zurückerstattet.

In dem Verfahren ging es um eine Patentanmeldung, die die Anmelderin am 29. Juni 1998 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht hat. Die Anmelderin stellte gleichzeitig einen Prüfungsantrag. Das Patentamt hat der Anmelderin in einem Prüfungsbescheid vom 9. April 1999 eine Frist von drei Monaten eingeräumt, um Stellung zu nehmen. Dieser Bescheid wurde der Anmelderin per Brief zugestellt und ging am 27. April 1999 bei ihr ein.

Da weder eine Stellungnahme noch ein Fristgesuch der Anmelderin eingegangen waren, wies das Patentamt die Patentanmeldung mit einem Beschluss vom 14. September 1999 zurück.

Die Anmelderin argumentierte, dass sie am 15. Juni 1999 ein Fristgesuch an das Patentamt geschickt hatte und legte als Beweis eine Kopie des Schreibens sowie des Empfangsbekenntnisses vor. Sie beantragte daraufhin Wiedereinsetzung in die Frist zur Beantwortung des Prüfungsbescheids und eine Aufhebung des Zurückweisungsbeschlusses.

Das Patentamt hat dem Antrag der Anmelderin nicht stattgegeben, woraufhin die Anmelderin Beschwerde beim Bundespatentgericht eingereicht hat.

Das Bundespatentgericht hat die Beschwerde für zulässig erklärt und den Zurückweisungsbeschluss aufgehoben. Es wurde festgestellt, dass das Verfahren des Patentamts fehlerhaft war, da die Patentanmeldung ohne vorherige Entscheidung über das Fristgesuch zurückgewiesen wurde. Die Anmelderin hatte rechtzeitig um Verlängerung der Frist gebeten und es war anzunehmen, dass ihr Gesuch stattgegeben worden war. Das Patentamt hätte der Anmelderin rechtzeitig mitteilen müssen, falls das Fristgesuch abgelehnt wurde.

Da die Anmelderin in ihrem Recht auf Stellungnahme verletzt wurde, wurde die Sache an das Patentamt zurückverwiesen. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war nicht erforderlich.

Die Beschwerdegebühr wurde aufgrund der Billigkeit zurückerstattet, da die Beschwerde vermieden hätte werden können, wenn das Patentamt ordnungsgemäß gehandelt hätte und die Anmelderin nichts dazu beigetragen hat, dass die Beschwerde notwendig wurde.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 17.08.2000, Az: 9 W (pat) 1/00


Tenor

1. Der Beschluß des Deutschen Patent- und Markenamts vom 14. September 1999 wird aufgehoben.

2. Das Verfahren wird an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.

3. Die Beschwerdegebühr wird zurückgezahlt.

Gründe

I.

Die Anmelderin hat am 29. Juni 1998 eine Patentanmeldung unter der Bezeichnung

"Vorrichtung zur Kraftstoff-Förderung mittels einer Kraftstoff-Fördereinheit"

beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht und gleichzeitig den Prüfungsantrag gestellt. Im Prüfungsbescheid vom 9. April 1999 ist ihr eine Äußerungsfrist von drei Monaten gewährt worden. Dieser Bescheid wurde der Anmelderin nicht förmlich zugestellt, sondern durch normale postalische Briefsendung übermittelt. Er ging ausweislich eines von der Anmelderin in Kopie übermittelten Eingangsstempels am 27. April 1999 bei ihr ein. Nachdem weder eine sachliche Stellungnahme zu dem Prüfungsbescheid noch ein Fristgesuch der Anmelderin zu den Akten gelangt war, hat die Prüfungsstelle für Klasse B 60 K die Patentanmeldung mit Beschluß vom 14. September 1999, dh etwa viereinhalb Monate nach der Übermittlung des Prüfungsbescheids, aus den Gründen dieses Bescheids gemäß § 48 PatG zurückgewiesen.

Die Anmelderin trägt vor, sie habe mit Schreiben vom 15. Juni 1999 ein einjähriges Fristgesuch an die Prüfungsstelle herangetragen. Dieses Schreiben sei dem Patentamt auch zugegangen, wie sich aus dem ebenfalls in Kopie vorgelegten Sammel-Empfangsbekenntnis Nr. M 2477 vom 16. Juni 1999 ergebe. Der Zurückweisungsbeschluß habe nicht ungeachtet des Fristgesuchs erlassen werden dürfen.

Mit Schreiben vom 26. Juli 2000 hat die Anmelderin um weitere Verlängerung der Äußerungsfrist bis zum 27. Juli 2001 gebeten.

Die Anmelderin hat beantragt, im Rahmen des Abhilfeverfahrens gemäß § 73 Abs. 4 PatG Wiedereinsetzung in die Frist zur Beantwortung des Prüfungsbescheids zu gewähren, den angefochtenen Beschluß aufzuheben sowie die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen.

Nachdem die Prüfungsstelle der Beschwerde nicht abgeholfen hat, ist der Antrag der Anmelderin im Sinne des Beschlußtenors zu verstehen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache gemäß § 79 Abs. 3 Nr. 2 PatG an das Deutsche Patent- und Markenamt.

Ein Mangel des Verfahrens bestand zunächst darin, daß der Zurückweisungsbeschluß ergangen ist, obwohl der Prüfungsbescheid vom 9. April 1999 der Anmelderin zuvor nicht förmlich zugestellt, sondern lediglich durch normale Briefsendung übermittelt wurde (vgl. Busse-Schwendy, PatG, 5. Aufl., 1999, § 45 Rz. 20). Dieser Mangel wurde aber dadurch geheilt, daß das Schriftstück nachweislich am 27. April 1999 bei der Anmelderin eingegangen ist (§ 127 PatG, § 9 Abs. 1 VwZG). An diesem Tag begann demnach die dreimonatige Äußerungsfrist (§ 99 PatG iVm § 221 ZPO). Sie endete am 27. Juli 1999 (§ 222 Abs. 1 ZPO iVm § 188 Abs. 2 BGB).

Ein weiterer wesentlicher Mangel des Verfahrens ist darin zu sehen, daß die Patentanmeldung ohne vorherige Entscheidung über das Fristgesuch der Anmelderin zurückgewiesen wurde. Die Anmelderin hat deutlich vor Ablauf dieser Frist und zudem lange vor Erlaß des Zurückweisungsbeschlußes um Verlängerung der Äußerungsfrist bis zum 27. Juli 2000 gebeten. Dies hat sie durch Vorlage der Ablichtungen ihres Schreibens vom 15. Juni 1999 sowie des Sammel-Empfangsbekenntnisses Nr. M 2477 vom 16. Juni 1999, in dem ein Fristgesuch zu dem Aktenzeichen der hier verfahrensgegenständlichen Anmeldung verzeichnet ist, hinreichend glaubhaft belegt. Nach diesem Sachverhalt durfte die Anmelderin annehmen, daß ihrem Fristverlängerungsgesuch stattgegeben worden war und daß sie vor dem Erlaß einer abschließenden Entscheidung noch ausreichend Gelegenheit zu einer sachlichen Äußerung haben würde. Im Falle der Ablehnung des Fristverlängerungsgesuchs hätte die Prüfungsstelle dies der Anmelderin mit entsprechender Begründung so rechtzeitig mitteilen müssen, daß sie die Möglichkeit gehabt hätte, noch innerhalb der ursprünglichen Frist eine Erklärung in der Sache abzugeben (vgl. Benkard-Schäfers, PatG GbmG, 9. Aufl. 1993, § 45 Rz. 20 mwN).

Durch das fehlerhafte Verfahren des Amtes ist die Anmelderin demnach in ihrem Recht auf Äußerung verletzt worden. Es ist nicht auszuschließen, daß der Zurückweisungsbeschluß auf dieser Rechtsverletzung beruht, etwa weil die Anmelderin innerhalb der ihr noch zustehenden, ggf. auch verlängerten Äußerungsfrist erteilungsfähige Unterlagen übermittelt hätte. Da nach einer sachlichen Erwiderung der Anmelderin, ggf auf der Grundlage neuer Unterlagen, die Prüfungstätigkeit fortzusetzen sein wird und der Anmelderin nicht eine Instanz abgeschnitten werden soll, hält es der Senat für erforderlich, die Sache gemäß § 79 Abs. 3 Nr. 2 PatG an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuweisen.

Einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 123 PatG) bedurfte es für diese Entscheidung nicht. Ohnehin kommt bei Versäumung einer gemäß § 45 Abs. 2 PatG gesetzten Frist zur Bescheidserledigung eine Wiedereinsetzung nicht in Betracht, da diese Säumnis keinen unmittelbaren Rechtsnachteil zur Folge hat, sondern lediglich der Behörde die Möglichkeit zum Erlaß einer Entscheidung gibt (Benkard-Schäfers aaO § 123 Rz. 7). Vor einer erneuten sachlichen Entscheidung wird die Prüfungsstelle der Anmelderin ausreichende Gelegenheit zur Äußerung zu geben haben, wobei bei der Bemessung der Äußerungsfrist auf die bereits vorliegenden Fristgesuche der Anmelderin einzugehen sein wird.

Die Beschwerdegebühr ist gemäß § 80 PatG aus Gründen der Billigkeit zurückzuzahlen, da die Beschwerde bei sachgemäßem Vorgehen des Amtes vermeidbar gewesen wäre und die Anmelderin ihrerseits nichts dazu beigetragen hat, daß die Beschwerde notwendig wurde.

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