Landgericht Regensburg:
Urteil vom 28. Januar 2010
Aktenzeichen: 1 HK O 2329/09, 1 HK O 2329/09

(LG Regensburg: Urteil v. 28.01.2010, Az.: 1 HK O 2329/09, 1 HK O 2329/09)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist in Ziffer 2 gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 2000,00 € vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert beträgt 30.000,00 €

Tatbestand

Es geht um einen Rechtsstreit aus dem Gebiet des Wettbewerbs.

Die Klägerin ist eins Körperschaft des öffentlichen Rechts, die Rechtsanwaltskammer Nürnberg. Der Beklagte ist als im Bezirk des Oberlandesgerichts Nürnberg zugelassener Rechtsanwalt und damit Mitglied der Klägerin.

Die Klägerin wirft dem Beklagten vor, dass er auf den Briefköpfen der Kanzlei € Rechtsanwälte firmieren, als "Zertifizierter Testamentsvollstrecker (AGT)" sich bezeichnet.

Sie ist der Auffassung, dass es sich hier um eine wettbewerbsrechtlich und berufsrechtlich unzulässige Werbung handelt. Die Bezeichnung "zertifiziert" suggeriere eine amtliche Verleihung. "Zertifizierter Testamentsvollstrecker" führe auch insoweit in die Irre, als es einen institutionalisierten Testamentsvollstrecker nicht gebe. Der Beklagte übe den Rechtsanwaltsberuf aus, nicht aber den Beruf eines Testamentsvollstreckers. Ein Testamentsvollstrecker sei auch nicht eine allgemeine Berufsbezeichnung, da der Testamentsvollstrecker ohne Anordnung der Testamentsvollstreckung nicht tätig werden könne. Darüber hinaus sei entsprechend den Richtlinien der Arbeitsgemeinschaft Testamentsvollstreckung und Vermögenssorge e.V., Bonn (AGT) die Verleihung der Bezeichnung Zertifizierter Testamentsvollstrecker nicht davon abhängig, dass ein Rechtsanwalt praktische Fertigkeiten auf dem Gebiet der Testamentsvollstreckung nachweise.

Die Bezeichnung sei auch im Bezug auf den Zusatz "AGT€ irreführend, weil der Eindruck erweckt wird, dass es sich um eine amtliche oder von einer Rechtsanwaltskammer verliehene Bezeichnung handelt.

Die Klägerin stellt daher den Antrag:

Der Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00 und für den Fall, dass dies nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, es zu unterlassen, sich in Briefköpfen und Schreiben als "Zertifizierter Testamentsvollstrecker (AGT)" zu bezeichnen und Schreiben mit Verwendung der Bezeichnung "Zertifizierter Testamentsvollstrecker (AGT)" zu unterzeichnen.

Der Beklagte beantragt:

Klageabweisung.

Er ist der Auffassung, dass kein beruferechtliches Verbot bestünde und auch keine Kriterien der Irreführung vorliegen würden. Die Zertifizierung sei sowohl im medizinischen Bereich als auch allgemein bekannt und man wisse allgemein, dass hier keine amtliche Verleihung vorliegt. Der Umfang der Praxis sei auch bei der Fachanwaltsbezeichnung nicht immer sin Kriterium für die Verleihung, insbesondere aber auch nicht der Erfolg der ausgeführten Tätigkeit.

Dem Gericht lag die Satzung der AGT vor sowie eine Stellungnahme der Rechtsanwaltskammer München vom 24.5.06.

Gründe

Die Klage ist zulässig, sie ist jedoch nicht begründet.

13Ein Wettbewerbsverbot im Sinne von § 4 Ziffer 11 UWG in Verbindung mit §§ 43b BRAO, 6 Abs. I Berufsordnung liegt nicht vor. Dies würde voraussetzen, dass der Begriff "Zertifizierter Testamentsvollstrecker" für einen Anwalt bereits eine nach Beruferecht unzulässige Werbung darstellt. Dem ist nicht so. Zertifikate werden selbst von der Deutschen Anwaltsakademie verliehen. Es handelt sich hier um Spezialisierungslehrgänge mit Leistungskontrollen, bei deren erfolgreicher Teilnahme ein Zertifikat ausgestellt wird (vgl. hierzu Henssler/Prütting, 3. Auflage § 43 BRAO, Rn. 20).

Wenn es ferner möglich ist, sich als .Spezialist zu bezeichnen, so ist es auch möglich im Sinne von § 6 und § 7 BRAO a.F. mit einem Zertifikat zu werben.

Wettbewerbsrechtlich wäre allerdings die Werbung unzulässig, wenn eine Irreführung nach § 5 Abs. II Ziffer 3 UWG vorliegen würde. Ein Verstoß insoweit, dass die Richtlinien über unlautere Geschäftspraxis als Anhang zu § 3 Abs. III UWG Nr. 2 verletzt würden, liegt nicht vor. Denn hier wird ein Verstoß gegen die Benennung mit einer Zertifikatsauszeichnung nur dann als unlauter betrachtet, wenn der Werbende nicht Inhaber dieses Zertifikats ist Der Beklagte ist jedoch Inhaber des Zertifikats.

16Etwas anderes würde dann vorliegen, wenn der Inhalt des Zertifikats eine gewisse Sonderstellung vortäuschen würde, die aufgrund der Spezialisierung und der Anforderungen an die Zertifikatserreichung nicht vorliegen würde bzw. wenn sich trotz des Zertifikats der Beklagte von einem anderen Rechtsanwalt in nichts unterscheiden würde. Dies liegt insbesondere dann vor, wenn die Zertifizierung ohne inhaltliche Anforderungen an den Erwerber verliehen wird.

Dass die Zertifizierung als Testamentsvollstrecker im vorliegenden Fall eine Gefälligkeitszertifizierung ist, wäre von dar Klägerin darzulegen und zu beweisen, da mit dem Hinweis auf das Zertifikat der Beklagte weder eine Allein- noch eine Spitzenstellung innerhalb der Berufsgruppe darlegt. Zertifikate werden im Übrigen in vielen Bereichen verliehen insbesondere im Medizinbereich, im Gerätebereich und im Organisationsbereich. Ein allgemeines Wissen dahingehend, dass Zertifikate nur von amtlichen Stellen verliehen werden, ist nicht vorhanden. Im Gegenteil, es liegt ein allgemeines Bewusstsein dafür vor, dass Zertifikate von privaten Stellen verliehen werden.

Dies unterscheidet den Begriff Zertifikat von autorisiert oder von anderen auf Behörden verweisende Zusätze.

Sieht man ferner die Stellungnahme der Rechtsanwaltskammer München vom 24.5.2006 an (im Termin vom 14.1.2010 von der Beklagtenseite übergeben), so sieht man, dass selbst in dem Zeitraum vor fast 4 Jahren die Zertifizierung auch mit dem Zusatz AGT als nicht problematisch empfunden wurde. Die Kriterien in der Beurteilung haben sich aber eher vermindert als verschärft.

Prüft man die Richtlinien der AGT, so ist der Beklagte als der Berufsgruppe der Rechtsanwälte angehörend nur von dem Fachlehrgang über das allgemeine Erbrecht und der entsprechenden Klausurarbeit aus diesem Bereich befreit (Punkt 2 Ziffer 4 der Richtlinien). Für die weiteren Voraussetzungen liegt keine Befreiung vor. Der Nachweis der praktischen Fertigkeit wird durch die Tätigkeit als Rechtsanwalt über 2 Jahre erbracht. Eine reine Gefälligkeitsverleihung ist somit das Zertifikat nicht. Denn soweit es sich nicht um einen Fachanwalt für Erbrecht handelt, muß der Betreffende an dem Fachlehrgangsteil über die allgemeine Testamentsvollstreckung teilnehmen und auch den Nachweis einer bestandenen Klausurarbeit aus diesem Bereich erbringen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung bezüglich der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 3 ZPO i.V.m. §§ 3, 63 GKG.






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