Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 5. September 2014
Aktenzeichen: 10 W 39/14

(OLG Frankfurt am Main: Urteil v. 05.09.2014, Az.: 10 W 39/14)

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Verfügungsklägers wird der Beschluss der 9. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden vom 28.7.2014 teilweise abgeändert und es der Verfügungsbeklagten im Wege der einstweiligen Verfügung bei Meidung von Ordnungsgeld bis 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an den Vorstandsmitgliedern der Verfügungsbeklagten, für jeden Fall der Zuwiderhandlung untersagt,

Daten des Verfügungsklägers über die außerordentliche Kündigung der Geschäftsverbindung wegen Zahlungsrückständen aus den Darlehen Nrn.: €1 und ...2 an die A GmbH weiterzuleiten.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens haben der Verfügungskläger und die Verfügungsbeklagte zu je ½ zu tragen.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 237.727,31 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Verfügungskläger hatte bei der beklagten B-Bank eine Reihe von Darlehen aufgenommen. Davon wurden die Darlehen mit den Nummern ...1 und ...2 durch Verträge mit einer Endfälligkeit zum 30.6.2014 prolongiert. Im Jahr 2014 kam es zu Besprechungen zwischen den Parteien, in der die Möglichkeit eruiert werden sollte, das Gesamtarrangement bei der Beklagten durch Übertragung auf ein anderes Kreditinstitut abzulösen. Bei der Überprüfung der Darlehensvereinbarungen kam der Prozessbevollmächtigte des Verfügungsklägers zu dem Ergebnis, dass die Widerrufsbelehrungen der von ihm als Verbraucherdarlehen beurteilten Kreditverträge nicht ordnungsgemäß seien. Während die Verhandlungen zwischen den Parteien mündlich und schriftlich liefen, erklärte der Verfügungskläger sodann mit Schreiben vom 1.7.2014 und 17.7.2014 den Widerruf mehrerer Darlehensverträge (Bl. 60-65 d.A.). Die Verfügungsbeklagte teilte mit Schreiben vom 15.7.2014 (Bl. 69 d. A.) dem Verfügungskläger mit, dass bezüglich vier Darlehen Zahlungsrückstände bestünden, und forderte ihn mit Fristsetzung zum Ausgleich der Rückstände auf, andernfalls werde sie die Geschäftsverbindung ohne weitere Mahnung außerordentlich kündigen. Ferner heißt es in dem Schreiben:

€Mit der fristlosen Kündigung werden die gesamten Darlehensforderungen zur sofortigen Rückzahlung fällig, worüber wir auch die A (€) informieren werden€(Bl. 69 d.A.).

Der Verfügungskläger zahlte hierauf die genannten Rückstände aus den Darlehen mit den Nummern €3 und €4 in Höhe von insgesamt 1.565,80 € unter Vorbehalt an die Verfügungsbeklagte.

Zugleich hat er den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt, mit der der Verfügungsbeklagten unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt werden soll, seine (des Verfügungsklägers) Daten über die Geschäftsbeziehung, insbesondere über Beendigungstatbestände, zu den Darlehen mit den Nummern €5, ...1, ...2 und ...4 an die A GmbH weiterzuleiten.

Das Landgericht hat den Verfügungsantrag durch Beschluss zurückgewiesen.

Dagegen hat der Verfügungskläger fristgerecht sofortige Beschwerde eingelegt.

Auf die weitere Darstellung des Sach- und Streitstandes sowie des Verfahrensablaufs wird gemäß §§ 540 Abs. 2 i.V.m. § 313a Abs. 1, 542 Abs. 2 ZPO verzichtet.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden.

In der Sache hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg.

Nachdem das Beschwerdegericht mündliche Verhandlung angeordnet hat und damit in das Urteilsverfahren übergegangen ist, ist die Entscheidung durch Endurteil zu treffen (Zöller/Vollkommer, ZPO, 30. Aufl., § 922 Rn. 14; Musielak/Huber, ZPO, 10. Aufl., § 922 Rn. 10b).

Der Verfügungsantrag ist zulässig. Auch wenn der Verfügungskläger einen nahezu gleich lautenden Antrag beim Landgericht zunächst zurückgenommen hat, nachdem das Landgericht einen Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt und nicht die Verfügung durch Beschluss erlassen hatte, hat er sich nicht rechtsmissbräuchlich verhalten, indem er den Antrag erneut in der Erwartung gestellt hat, nunmehr eine sofortige Stattgabe durch Beschluss zu erreichen. Grundsätzlich ist die erneute Stellung eines vorher zurückgenommenen Antrages nicht rechtsmissbräuchlich, sondern wird vom Gesetz ausdrücklich zugelassen (§ 269 Abs. 6 ZPO). Auch die Dringlichkeit des wiederholten Antrages kann nicht verneint werden. Im Gegenteil hat der Verfügungskläger sein Verhalten nachvollziehbar gerade damit erklärt, dass er einen beschleunigten Erlass der erstrebten einstweiligen Verfügung erreichen wollte.

In der Sache hat das Landgericht den Antrag zu Recht zurückgewiesen, soweit der Verfügungsbeklagten verboten werden soll, €Daten des Verfügungsklägers über die Geschäftsbeziehung an die A GmbH weiterzuleiten€. Auf ein so weit gehendes Verbot hat der Verfügungskläger keinen Anspruch. Ob die Verfügungsbeklagte personenbezogene Daten über eine Forderung an eine Auskunftei übermitteln darf, richtet sich, da zwischen den Parteien Vereinbarungen darüber nicht getroffen worden sind, nach § 28a Abs. 1, Abs. 2 BDSG. Es ist keineswegs ausgeschlossen, dass die Verfügungsbeklagte zu einer solchen Weitergabe von Daten des Verfügungsklägers in der Zukunft berechtigt sein kann.

Dem Antrag kann auch nicht insoweit stattgegeben werden, soweit er sich durch den Zusatz €insbesondere€ auf speziellere Fälle bezieht, nämlich die im einzelnen genannten Darlehen sowie als mitzuteilende Daten auf die Beendigungstatbestände zu den Darlehen.

Bezüglich der Darlehen mit den Endnummern €3 und €4 ist der Entscheidung der Vorinstanz beizutreten. Hier fehlt es an der Erstbegehungsgefahr. In dem Schreiben vom 15.7.2014 hat die Verfügungsbeklagte die fristlose Kündigung und die Information der A nur für den Fall angekündigt, dass der Verfügungskläger die Rückstände nicht ausgleicht. Da er dies jedoch getan hat, kann die Bedingung für das angedrohte Verhalten nicht eintreten.

Für eine Mitteilung zu den Beendigungstatbeständen der Darlehen mit den Endnummern €1 und €2 ermangelt es ebenfalls der Erstbegehungsgefahr. Die Verfügungsbeklagte hat in ihrem Erwiderungsschriftsatz vom 31.7.2014 unwidersprochen mitgeteilt, dass die beiden Darlehensverträge mit einer Endfälligkeit zum 30.6.2014 prolongiert wurden. Die mit Schreiben vom 15.7.2014 angedrohte Kündigung bezog sich daher ersichtlich nicht auf die bereits beendeten Darlehensverträge (diese Mitteilung wäre nicht nur nach § 28a Abs. 1 BDSG unzulässig, sondern auch deshalb, weil sie inhaltlich unzutreffend wäre € wird später ausgeführt), die keiner Kündigung bedurften, sondern auf die gesamte Geschäftsverbindung. Dies wurde vom Prozessbevollmächtigten der Verfügungsbeklagten in der mündlichen Verhandlung vom 5.9.2014 auch nochmals klargestellt.

Der Verfügungsantrag ist jedoch insoweit begründet, als der Verfügungsbeklagten - als Minus zu dem vergeblich angestrengten Verbot €Daten des Verfügungsklägers über die Geschäftsbeziehung an die A GmbH weiterzuleiten€ - untersagt werden soll, den Beendigungstatbestand der fristlosen Kündigung der Geschäftsbeziehung zu dem Verfügungskläger wegen Zahlungsrückständen aus den Darlehen Nrn.: ...1 und ...2 an die A GmbH zu übermitteln. Ein Unterlassungsanspruch des Verfügungsklägers folgt aus § 824 Abs. 1 i. V. m. § 1004 BGB analog.

Aus dem Schreiben vom 15.7.2017 ergibt sich die Gefahr einer Erstbegehung. Die Verfügungsbeklagte hat angekündigt, sie werde die €Geschäftsverbindung€ und damit die noch nicht endfälligen Darlehen ohne weitere Mahnung außerordentlich kündigen und darüber die A informieren.

Gemäß § 28a Abs. 1 BDSG ist die Übermittlung personenbezogener Daten über eine Forderung an eine Auskunftei nur zulässig, soweit die geschuldete Leistung trotz Fälligkeit nicht erbracht worden ist, die Übermittlung zur Wahrung berechtigter Interessen der verantwortlichen Stelle oder eines Dritten erforderlich ist und € insoweit vorliegend von Interesse € das der Forderung zugrunde liegende Vertragsverhältnis aufgrund von Zahlungsrückständen fristlos gekündigt werden kann.

Die fristlose Kündigung in dem Schreiben vom 15.7.2014 wird allein für den Fall angedroht, dass die genannten Rückstände zu den Darlehen Nrn.: €, ...1, ...2 und ...4 nicht binnen Frist ausgeglichen werden. Die Zahlung der angeforderten Beträge zu den Darlehen mit den Endnummern €3 und €4 ist erfolgt, die Darlehen mit den Endnummern €1 und €2 sind wirksam widerrufen (§§ 495, 355 Abs. 1 bis 4 BGB). Dass das Widerrufsrecht gem. §§ 495 Abs. 3 BGB ausgeschlossen ist, ist derzeit nicht ersichtlich. Der Umstand, dass die beiden Darlehen vereinbarungsgemäß bereits zum 30.6.2014 endfällig gestellt waren, hindert das Widerrufsrecht nicht.

Die Widerrufsfrist war im Zeitpunkt der Widerrufserklärung noch nicht abgelaufen, da sie mangels ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung noch nicht begonnen hatte. Dass die Widerrufsbelehrungen in den beiden Fällen nicht ordnungsgemäß waren, hat der Verfügungskläger zutreffend ausgeführt. Insoweit wird auf die Seiten 11 bis 13 der Antragsschrift verwiesen.

Das Widerrufsrecht ist nicht gem. § 355 Abs. 4 Satz 1 BGB sechs Monaten nach Abschluss der Darlehensverträge erloschen. Diese Frist hat nach Satz 3 der Bestimmung nicht begonnen, weil die Widerrufsbelehrungen nicht den Anforderungen des § 360 BGB, insbesondere nicht dem § 360 Abs. 1 Nr. 4 BGB (Hinweis auf den Beginn der Widerrufsfrist) genügt.

Das Widerrufsrecht ist auch nicht verwirkt. Der bloße Zeitablauf seit der Gewährung der Darlehen reicht nicht aus. Im Übrigen besteht für die Partei, die ihre Belehrungspflicht nicht erfüllt hat, in der Regel keinen Vertrauenstatbestand, da sie davon ausgehen muss, dass der andere Teil von dem ihm zustehenden Recht keine Kenntnis hat (BGH NJW-RR 2007, 257 Rz. 26; Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl.,§ 242 Rn. 107).

Da durch den wirksamen Widerruf die Darlehensverträge Nrn.: ...1 und ...2 in Rückabwicklungsschuldverhältnisse umgewandelt wurden, ist derzeit offen, inwieweit ein Zahlungsanspruch der Verfügungsbeklagten und damit ein wichtiger Grund für die fristlose Kündigung der gesamten Geschäftsbeziehung der Parteien unter Abwägung der beiderseitigen Interessen besteht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

Das Urteil ist unanfechtbar (§ 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

Die Streitwertfestsetzung hat ihre Rechtsgrundlage in § 3 ZPO. Aufgrund des vorläufigen Charakters des einstweiligen Verfügungsverfahrens ist hinsichtlich des vom Antragsteller mit mindestens 713.191,96 € bezifferten voraussichtlichen Schadens ein Abschlag von 2/3 gerechtfertigt.






OLG Frankfurt am Main:
Urteil v. 05.09.2014
Az: 10 W 39/14


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