Oberlandesgericht Köln:
Beschluss vom 22. April 1998
Aktenzeichen: 17 W 136/98

(OLG Köln: Beschluss v. 22.04.1998, Az.: 17 W 136/98)

Dem Prozeßbevollmächtigten einer Wohnungseigentümergemeinschaft, die gegen ihren früheren Verwalter Schadensersatz begehrt, erwächst der Mehrvertretungszuschlag nach § 6 Abs. 1 Satz 2 BRAGO. Die Wohnungseigentümergemeinschaft ist aus erstattungsrechtlicher Sicht nicht gehalten, durch Mehrheitsbeschluß entweder den jetzigen Verwalter oder einen der Wohnungseigentümer zu ermächtigen, im Gemeinschaftsrecht begründete Ansprüche im eigenen Namen einzuklagen. Es bedarf besonderer Gründe, wenn das im allgemeinen vorrangige Interesse eines Gläubigers, selbst als Partei an einem seine Rechte betreffenden Rechtsstreit beteiligt zu sein, dem Gebot eines auch im Interesse der Gegenpartei tunlichst kostensparenden Vorgehens untergeordnet sein soll; solche Gründe sind hier nicht ersichtlich.

Gründe

Die Erinnerung gilt aufgrund ihrer Vorlage an den Senat als

sofortige Beschwerde (§ 11 Abs. 2 RpflG); sie begegnet keinen

verfahrensrechtlichen Bedenken, hat in der Sache aber keinen

Erfolg.

Der Rechtspflegerin ist darin zuzustimmen, daß den

Prozeßbevollmächtigten der Kläger eine um 20/10 erhöhte

Prozeßgebühr gemäß § 6 Abs. 1 S. 2 BRAGO erwachsen ist, weil sie

die Mitglieder der Eigentümergemeinschaft in ihrer bei

Klageerhebung bestehenden Zusammensetzung als mehrere Auftraggeber

zu demselben Gegenstand vertreten haben. Anders als die Beschwerde

offenbar in Anlehnung an die insoweit nicht einschlägige

Senatsrechtsprechung zur gemeinsamen Verfolgung gesetzlicher

Ansprüche aus dem Bruchteilseigentum annimmt, betrifft die hier zu

beurteilende gemeinsame Verfolgung des Anspruchs sämtlicher

Wohnungseigentümer gegen die frühere Verwalterin auf Schadensersatz

wegen Nichterfüllung einer diesen gegenüber eingegangenen

Freistellungsverpflichtung nicht mehrere, aus dem jeweiligen

Miteigentumsanteil an dem gemeinschaftlichen Eigentum oder dem

damit verbundenen Sondereigentum fließende gesonderte Rechte,

sondern einen einheitlichen gemeinschaftsbezogenen Anspruch, der

auf Leistung an die Wohnungseigentümergemeinschaft in ihrer

Zusammensetzung im Zeitpunkt der Klageerhebung gerichtet ist. Die

Beschwerde verkennt, daß der Gegenstandsbegriff des § 6 Abs. 1 S. 2

BRAGO nicht durch die Art der Eigentumsbeteiligung klagender

Streitgenossen, sondern durch das jeweils geltend gemachte Recht

oder Rechtsverhältnis bestimmt wird, auf das sich die anwaltliche

Tätigkeit bezieht. So kann die Klage von Bruchteilseigentümern ein

und denselben Gegenstand betreffen, wenn sie auf eine im

Rechtssinne unteilbare Leistung gerichtet ist - z.B. bei der

Geltendmachung einer Mietzinsforderung (BGH, NJW 1958, 1723; NJW

1969, 839; WM 1983, 604) oder einer gemeinsamen

Schadensersatzforderung wegen Nichterfüllung gemäß § 326 BGB (BGH,

NJW 1984, 795) -; andererseits kann die Rechtsverfolgung oder

Rechtsverteidigung gesamthänderisch verbundener Streitgenossen

mehrere Gegenstände im Rechtssinne betreffen, wenn sie jeden

einzelnen Streitgenossen in seiner Rechtsposition als

Anteilsinhaber betrifft, ohne daß die gesamthänderische Bindung der

Streitgenossen untereinander berührt wird oder von Bedeutung ist

(z.B. Senat, MDR 1979, 65 - für die Vertretung mehrere

Erbprätendenten auf Beklagtenseite; Senatsbeschluß vom 29. April

1985 - 17 W 33/85 -, unveröffentlicht, für die negative

Feststellungsklage mehrerer Miterben; Senatsbeschluß vom 5. August

1988 - 17 W 553/87 -, unveröffentlicht, für die Feststellungsklage

mehrerer, teilweise gesamthänderisch verbundener

Mitrechtsinhaber).

Mit der vorliegenden Klage haben die Wohnungseigentümer auf der

Grundlage eines entsprechenden Beschlusses der

Eigentümerversammlung (§ 28 Abs. 4 WEG) von der früheren

Verwalterin Schadensersatz wegen unterbliebener Freistellung

verlangt und damit einen gemeinschaftsbezogenen Anspruch geltend

gemacht. Die Rechtsverfolgung auf der Grundlage eines

entsprechenden Eigentümerbeschlusses betrifft daher einen

einheitlichen, im Rechtssinne unteilbaren Gegenstand, an dem die -

damaligen - Wohnungseigentümer als mehrere Auftraggeber des Anwalts

gemeinschaftlich beteiligt waren. Ob und unter welchen

Voraussetzungen ein solcher Anspruch auch von dem einzelnen

Wohnungseigentümer (nach Maßgabe des § 432 BGB) geltend gemacht

werden kann, ist bei dieser Sachlage für die Entstehung des

Mehrvertretungszuschlages ohne Belang.

Zu Unrecht hält die Beklagte die Erhöhung der den

Prozeßbevollmächtigten der Kläger erwachsenen Prozeßgebühr für

nicht erstattungsfähig. Richtig ist zwar, daß die Mitglieder einer

Wohnungseigentümergemeinschaft durch Mehrheitsbeschluß entweder den

Verwalter oder einen der Wohnungseigentümer ermächtigen können, im

Gemeinschaftsrecht begründete Ansprüche im eigenen Namen

einzuklagen. Der Umstand, daß die Grundsätze der gewillkürten

Prozeßstandschaft auch auf die Geltendmachung von Ansprüchen aus

dem Gemeinschaftsrecht Anwendung finden können (vgl. BGHZ 81, 35

ff.), führt erstattungsrechtlich jedoch nicht dazu, daß die

Wohnungseigentümer die Prozeßführung einem von ihnen oder dem von

ihnen bestellten Verwalter überlassen müssen. Es bedarf schon

besonderer Gründe, wenn das im allgemeinen vorrangige Interesse

eines Gläubigers, selbst als Partei an einem seine Rechte

betreffenden Rechtsstreit beteiligt zu sein, dem Gebot eines auch

im Interesse der Gegenpartei tunlichst kostensparenden Vorgehens

untergeordnet sein soll (vgl. Senat, OLGR Köln 1993, 187). Solche

Gründe sind hier nicht ersichtlich. Für eine (nach-) vertragliche

Verpflichtung der Kläger, bei einem gerichtlichen Vorgehen zur

Durchsetzung des ihnen gegen die frühere Verwalterin

gemeinschaftlich zustehenden Schadensersatzanspruchs zur Vermeidung

einer Erhöhung der anwaltlichen Prozeßgebühr die Prozeßführung

einem Wohnungseigentümer allein oder dem neuen Verwalter zu

übertragen, ist nichts dargetan. Die Beschwerde zeigt auch nichts

auf, was es rechtfertigen könnte, den Klägern ein vorrangiges

Interesse an einem gemeinsamen gerichtlichen Vorgehen gegen die

Beklagte abzusprechen.

Hinzu kommt, daß eine Ermächtigung der Wohnungseigentümer den

Verwalter zwar berechtigt, nicht aber verpflichtet, Ansprüche der

Wohnungseigentümergemeinschaft als Prozeßstandschafter im eigenen

Namen und damit - jedenfalls zunächst - auf eigenes Kostenrisiko

einzuklagen. Gleiches gilt für den einzelnen Wohnungseigentümer.

Aus erstattungsrechtlicher Sicht ist es deshalb nicht zu

beanstanden, daß die der Wohnungseigentümergemeinschaft L.er Straße

18-22 in K. bei Klageerhebung angehörenden Mitglieder von ihrer

prozeßrechtlichen Befugnis einer gemeinsamen Rechtsverfolgung

Gebrauch gemacht und sich sämtlich als Kläger am Rechtsstreit

beteiligt haben. Mit der Rechtspflegerin ist folglich davon

auszugehen, daß der dadurch als Erhöhung der Prozeßgebühr der

gemeinsamen Prozeßbevollmächtigten der Kläger entstandene

Mehraufwand den notwendigen Kosten der Rechtsverfolgung der Kläger

zuzurechnen und somit als erstattungsfähig anzuerkennen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Streitwert des Erinnerungs- und Beschwerdeverfahrens: 4.243,50

DM

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OLG Köln:
Beschluss v. 22.04.1998
Az: 17 W 136/98


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