Bundespatentgericht:
Beschluss vom 26. Januar 2000
Aktenzeichen: 20 W (pat) 20/99

(BPatG: Beschluss v. 26.01.2000, Az.: 20 W (pat) 20/99)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1. Das Patentamt - Patentabteilung 31 - hat das auf die am 24. März 1984 eingegangene Anmeldung erteilte, Patentansprüche 1 bis 12 umfassende Patent 34 10 936 im Einspruchsverfahren durch Beschluß vom 28. Dezember 1998 mit der Begründung widerrufen, der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 weise gegenüber dem durch die Druckschriften

(1) DE 24 19 615 C3 und

(2) Denning, D. E. R.: Cryptography and Data Security, Addison Wesley, 1983, Seiten 162-173, nachgewiesenen Stand der Technik keine erfinderische Tätigkeit auf.

2. Die Patentinhaberin erklärt in der mündlichen Verhandlung vom 26. Januar 2000 die Teilung des Patents unter Abtrennung der - erteilten - Patentansprüche 5 bis 12.

Die Patentinhaberin erklärt sich im übrigenmit einer sofortigen Entscheidung zum Stammpatent einverstanden.

Wegen des Wortlauts der laut Teilungserklärung abgetrennten Patentansprüche 5 bis 12 wird auf den Akteninhalt verwiesen.

3. Die Patentinhaberin verteidigt das Stammpatent mit den erteilten Patentansprüchen 1 bis 4.

Der Patentanspruch 1 lautet:

"1. Mobilfunkübertragungssystem mit mindestens einer ortsfesten Funkstation (FS) und mit beweglichen Funkstationen (MS), bei dem zur Erkennung einer unerlaubten Benutzung sich im Betrieb der beweglichen Funkstation veränderbare Daten von der beweglichen Funkstation zur ortsfesten Funkstation übertragen werden, und daß in der ortsfesten Funkstation die von der beweglichen Funkstation empfangenen veränderbaren Daten mit in der ortsfesten Funkstation sich veränderbaren Daten verglichen werden und daß in der ortsfesten Funkstation eine unerlaubte Benutzung festgestellt wird, wenn die übertragenen und die in der ortsfesten Funkstation veränderbaren Daten nicht übereinstimmen."

Im Unteranspruch 3 sind die veränderbaren Daten als die Zahl von erfolgreichen Zugriffen der beweglichen Funkstation auf einen Funkübertragungskanal präzisiert.

Wegen des Wortlauts der Patentansprüche 2 bis 4 wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Die Patentinhaberin und Beschwerdeführerin beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Patent aufrecht zu erhalten im Umfang der erteilten Ansprüche 1 bis 4 unter Streichung des Wortes "gemäß Patentanspruch 5" in Zeilen 37-38, Spalte 7 der Beschreibung.

Sie führt im wesentlichen aus, daß der mit dem Gebiet der Mobilfunkübertragungssysteme befaßte Fachmann erfinderisch tätig werden mußte, um zu dem Mobilfunkübertragungssystem mit der Übertragung im Betrieb veränderbarer Daten zur Erkennung einer unerlaubten Benutzung nach Anspruch 1 zu gelangen, auch wenn kryptographische Methoden an sich zB auf dem Gebiet der Rechnertechnik bekannt gewesen sein mögen.

Die Einsprechenden und Beschwerdegegnerinnen beantragen, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie vertreten die Auffassung, der Gegenstand des im Stammpatent verbliebenen Anspruchs 1 sei schon allein durch die aus dem Stand der Technik nach (1) bekannten Maßnahmen für den Fachmann nahegelegt.

II.

1. Die in der mündlichen Verhandlung abgegebene Teilungserklärung ist wirksam. Sie bringt unzweideutig zum Ausdruck, daß das Patent in zwei Teile getrennt wird. Sie legt fest, welcher Teil des Patents in ein neues Prüfungsverfahren überführt werden soll, bestimmt durch den Inhalt der mit der Erklärung in der mündlichen Verhandlung abgetrennten - erteilten - Patentansprüche 5 bis 12, was als Restpatent verbleibt und Gegenstand des weiteren Einspruchsverfahrens ist, nämlich der Inhalt der erteilten Patentansprüche 1 bis 4. Der abgetrennte Teil war Gegenstand des Stammpatents und macht dieses auch nicht leer; der verbliebene Rest unterscheidet sich vom abgetrennten Teil zumindest hinsichtlich des Merkmals, daß sich die Patentansprüche 1 bis 4 auf ein Mobilfunkübertragungssystem als Ganzes beziehen, die abgetrennten Patentansprüche 5 bis 12 dagegen auf Funkstationen resp. auf ein Verfahren zur Erkennung einer unerlaubten Benutzung in einem Mobilfunkübertragungssystem.

2. Der - nach Erklärung der Teilung des Patents - bezüglich des Stammpatents später gestellte Antrag der Patentinhaberin geht über das, was nach der Teilung im Stammpatent verblieben ist, nicht hinaus. Nachdem die Patentinhaberin erklärt, sie sei mit einer sofortigen Entscheidung über das verbleibende Stammpatent einverstanden, sieht sich der Senat nicht daran gehindert, vor Ablauf der Frist nach PatG § 39 Abs 3 im Verfahren zum Stammpatent zu entscheiden. (BPatG vom 14. Februar 1996, 20 W (pat) 11/95, juris-Dokument MPRE 064310964). Die Teilanmeldung ist beim Patentamt anhängig geworden (BGH Mitt 1998, 422 - Informationsträger).

III.

Die Beschwerde ist zulässig, führt jedoch auch bezüglich des im Stammpatent verbliebenen Restes nicht zum Erfolg, weil der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nicht patentfähig ist.

Die gewerbliche Anwendbarkeit und die Neuheit des Gegenstandes nach Anspruch 1 mögen zwar gegeben sein; ihm liegt jedoch keine erfinderische Tätigkeit zugrunde, weil sich der Gegenstand für den Fachmann, hier ein Physiker oder Hochschulingenieur der Fachrichtung Nachrichtentechnik mit Berufserfahrung und mehrjähriger Entwicklertätigkeit auf dem Gebiet mobiler Funkübertragungssysteme, in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt.

Aus Entgegenhaltung (1), vgl. insbesondere die Fig. 3 und die Beschreibung Spalte 2, Zeile 64, bis Spalte 4, Zeile 15, ist unstrittig ein Mobilfunkübertragungssystem mit mindestens einer ortsfesten Funkstation (E, KE, Schl, RKG, S, iVm Sp 4, Z 8) und mit beweglichen Funkstationen (S, KG, RKE, E) als bekannt entnehmbar, bei dem zur Erkennung einer unerlaubten Benutzung im Betrieb der beweglichen Funkstation kodierte Daten (kodiert wird die Rufnummer der beweglichen Funkstation) von der beweglichen Funkstation zur ortsfesten Funkstation übertragen werden. In der ortsfesten Funkstation werden die von der beweglichen Funkstation empfangenen Daten dekodiert und zur beweglichen Funkstation zurückübertragen und dort mit den Daten in der beweglichen Funkstation verglichen. Eine unerlaubte Benutzung wird festgestellt, wenn die zurückübertragenen und die Daten in der beweglichen Funkstation nicht übereinstimmen.

Außerdem ist durch einen Systembefehl zu einer bestimmten Zeit, also im Betrieb des aus (1) bekannten Mobilfunkübertragungssystems, die Entschlüsselung der Daten auf einen anderen Code umschaltbar (vgl (1), Anspruch 2, Sp 4, Z 10-15). Mit einer Änderung des Codes geht aber auch eine Veränderung der mittels dieses Codes kodierten und zu dekodierenden und zwischen den Funkstationen übertragenen Daten einher, und damit werden sowohl im Betrieb der beweglichen Funkstation veränderbare Daten wie auch im Betrieb der ortsfesten Funkstation veränderbare Daten erhalten.

Nach (1) erfolgt der Vergleich in der beweglichen Funkstation. Nachdem aber die in (1) beschriebene Dekodierung der - im Betrieb veränderbaren - Daten in der ortsfesten Funkstation erfolgt und außerdem auch die Umschaltung des Codes in der ortsfesten Funkstation vorgesehen ist (vgl (1), Sp 3, Z 2-9, Sp 4, Z 10-14), ist für den Fachmann auch die ortsfeste Funkstation - schon aus Gründen der apparativen Ausstattung - nach Möglichkeit der Ort der Wahl zum Vergleich der im Betrieb der beweglichen Funkstation veränderbaren Daten mit den im Betrieb der ortsfesten Funkstation veränderbaren Daten.

Das Merkmal der "sich im Betrieb veränderbaren Daten" ist ungeachtet der grammatikalisch ungewöhnlichen Formulierung nach Überzeugung des Senats einer verengenden Auslegung im Sinne eines in der Streitpatentschrift beschriebenen Ausführungsbeispiels oder des Gegenstands eines Unteranspruchs auch dann nicht zugänglich, wenn eine solche Auslegung zu einem patentfähigen Gegenstand führen könnte. Die Lehre des geltenden Anspruchs 1, auf dem die Patentinhaberin trotz des entsprechenden Hinweises des Senats bestanden hat, ist nämlich für den Fachmann aus sich heraus verständlich. Sie entspricht damit den Anforderungen, die an einen Patentanspruch im Erteilungsverfahren zu stellen sind. Im Erteilungsverfahren ist für Patentansprüche zu sorgen, die die unter Schutz gestellte Erfindung klar und deutlich umschreiben (BGH GRUR 1988, 757, 760 - Düngerstreuer). Sind also Ansprüche vorgelegt, die diesem Erfordernis entsprechen, so verbietet sich jede Auslegung, da eine Unklarheit, die gegebenenfalls zugunsten der Patentfähigkeit durch Präzisierung zu beheben sein könnte, nicht vorliegt. Es ist also von dem beanspruchten Gegenstand in seiner im Patentanspruch ohne weiteres verständlichen Allgemeinheit auszugehen. Den nach Anspruch 1 beanspruchten "sich veränderbaren Daten" stehen in dieser Allgemeinheit jedoch, wie oben abgehandelt, die aus (1) bekannten sich im Betrieb verändernden Daten entgegen, bei denen diese Veränderung resultiert aus einer - im Betrieb der bekannten Anordnung vorgenommenen - Änderung des Codes, der wiederum eine Veränderung der mittels dieses Codes kodierten und zu dekodierenden Daten nach sich zieht.

Die von der Patentinhaberin weiter vorgetragene Argumentation, daß die patentgemäßen "sich veränderbaren Daten" kurze Datenfolgen seien im Vergleich zu den bei allgemeinen Kryptographie-Verfahren verwendeten längeren, wie sie bspw. in Druckschrift (2) beschrieben sind, findet ebenfalls keinen Rückhalt in der Formulierung des Anspruchs 1. Im übrigen würde der Fachmann die Länge einer Folge solcher, aus der Druckschrift (1) ohnehin bekannter, veränderbarer Daten ggf. nach praktischen Gegebenheiten auswählen.

Dr. Anders Dr. Greis Dr. Hartung Dr. van Raden Na






BPatG:
Beschluss v. 26.01.2000
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