Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Beschluss vom 18. September 2006
Aktenzeichen: 21 W 44/05

(OLG Frankfurt am Main: Beschluss v. 18.09.2006, Az.: 21 W 44/05)

Es ist kein Grund dafür erkennbar und durch § 101 Abs. 2 ZPO nicht gefordert, den streitgenössischen Nebenintervenienten dort, wo sich seine vom "einfachen" Nebenintervenienten unterschiedliche Stellung nicht niederschlägt, kostenmäßig anders zu behandeln als den "einfachen" Nebenintervenienten.

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.

Die durch die Nebenintervention des Streithelfers zu 2) verursachten Kosten werden aus einem Streitwert von € 100.000,00 der Beklagten auferlegt.

Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens beträgt bis zu € 5.000,00.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

Mit Nichtigkeits- und Anfechtungsklagen wandten sich der Kläger zu 1) gegen die unter den Tagesordnungspunkten 2 und 3.1 bis 3.11 gefassten Beschlüsse und die Klägerin zu 2) sowie die Kläger zu 3) und 4) gegen die unter Tagesordnungspunkt 3 gefassten Beschlüsse der außerordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 7.1.05. Die Nebenintervenientin zu 1) erklärte in dem Verfahren des Klägers zu 1) den Beitritt auf dessen Seite. Das Landgericht verband die Verfahren zur gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung. Der Nebenintervenient zu 2) erklärte den Beitritt auf Seiten der Klägerin zu 2). In der mündlichen Verhandlung vom 22.9.05, in der die Nebenintervenienten durch die Prozessbevollmächtigte der Nebenintervenientin zu 1) - zugleich in Untervollmacht für den Nebenintervenienten zu 2) - vertreten waren, schlossen die Kläger und die Beklagte einen Vergleich, in dem die Kläger sich zur Rücknahme ihrer Klagen und die Beklagte sich zur Übernahme der den Klägern entstandenen Gerichtskosten sowie der Gebühren und Auslagen ihrer Prozessbevollmächtigten aus einem Streit- bzw. Gegenstandswert von jeweils 100.000,00 € verpflichteten. Die Kläger nahmen mit Zustimmung der Beklagten die Klagen zurück. Die Nebenintervenienten beantragten daraufhin, ihre Verfahrenskosten der Beklagten aufzuerlegen. Durch Beschluss vom 13.10.05 entschied das Landgericht, dass die Nebenintervenienten ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen. Eine Rechtsgrundlage, der Beklagten die Kosten der Nebenintervention aufzuerlegen, bestehe nicht. Da die Nebenintervenienten gemäß §§ 91, 69 ZPO Streitgenossen der Hauptparteien seien, sei gemäß § 101 Absatz 2 ZPO die Vorschrift des § 101 Absatz 1 ZPO nicht anzuwenden. Eine Kostentragungspflicht der Beklagten im Falle der Klagerücknahme sehe § 100 ZPO nicht vor. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Nebenintervenienten zu 2).

Die zulässige sofortige Beschwerde ist begründet.

Die Frage, wer die durch eine Nebenintervention verursachten Kosten zu tragen hat, ist in § 101 Absatz 1 ZPO dahingehend geregelt, dass diese Kosten der Gegner der unterstützten Hauptpartei trägt, soweit er nach den §§ 91 bis 98 ZPO Kosten der Hauptpartei zu tragen hat, ansonsten der Nebenintervenient. Für den streitgenössischen Nebenintervenienten erklärt § 101 Absatz 2 ZPO den § 100 ZPO für anwendbar, wonach im Falle des Unterliegens die Streitgenossen für die Kosten der gegnerischen Partei nach Kopfteilen haften. Aus § 101 Abs. 1 ZPO wird der allgemeine Rechtsgrundsatz hergeleitet, dass der Streithelfer hinsichtlich seiner Kosten genau so zu behandeln ist wie die von ihm unterstützte Partei (€Kostenparallelität€), und aus der Bezugnahme des § 101 Absatz 1 ZPO auf § 98 ZPO hat die Rechtsprechung geschlossen, dass im Anwendungsbereich dieser Vorschriften eine von den Hauptparteien durch Vergleich getroffene Kostenregelung für den Streithelfer auch dann maßgeblich ist, wenn er am Vergleich nicht teilgenommen hat und sogar wenn im Vergleich die Kosten der Nebenintervention ausdrücklich ausgenommen sind (BGH NJW 1961, 460 = MDR 1961, 219; NJW 1967, 983 = MDR 1967, 392 jeweils m.w.N.; MDR 1977, 392; BGHZ 154, 351 = NJW 2003, 1948 = FamRZ 2003, 1088; NJW 2003, 3354; FamRZ 2005, 1080 = NJW-RR 2005, 1159 = MDR 2005, 957; OLG Hamm JurBüro 1985, 1561 = VersR 1986, 556; OLG Hamburg ZfSch 1991, 236; OLG München MDR 1998, 989; OLG Köln OLGReport 2006, 586 = AG 2006, 590; Zöller-Herget, Zivilprozessordnung, 25. Auflage, Rdnrn. 6 ff zu § 101 ZPO). Zwar ist in verschiedenen Kommentierungen ausgeführt, dass § 101 Absatz 1 ZPO (nur) die einfache oder unselbstständige Nebenintervention des § 67 regele, während bei streitgenössischer Nebenintervention § 100 ZPO gelte (Zöller-Herget a.a.O. Randnummer 1 zu § 101 ZPO; Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung, 2. Auflage, Randnummer 1 zu § 101; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, Zivilprozessordnung, 64. Auflage, Randnummern 4 und 5 zu § 101). Vorliegend ist der Fall einer streitgenössischen Nebenintervention gegeben. Da §§ 248 Absatz 1 Satz 1 und 249 Absatz 1 Satz 1 AktG die Rechtskraft von Urteilen, durch die einer Nichtigkeits- oder Anfechtungsklage stattgegeben wird, auf alle Aktionäre erstreckt, sind Aktionäre, die als Nebenintervenienten einer solchen Klage eines anderen Aktionärs beitreten, als streitgenössische Nebenintervenienten (§ 69 ZPO) zu betrachten (Zöller-Vollkommer a.a.O. Randnummer 2 zu § 69 m.w.N.; OLG Frankfurt, B. v. 18.10.2001 - 5 W 16/01 - OLGReport 2002, 10; BGH JZ 1985, 853 = MDR 1985, 914 = JurBüro 1985, 1649). Dies führt jedoch nicht dazu, dass in einem Fall wie dem vorliegenden die Nebenintervenienten die Kosten der Nebenintervention selbst zu tragen hätten. Denn § 100 ZPO, auf den § 101 Abs. 2 ZPO verweist, regelt die Kostenfrage bei Streitgenossenschaft nur unvollständig, nämlich nur bei Unterliegen der Streitgenossen. Da der streitgenössische Nebenintervenient der unterstützten Partei enger verbunden ist als der €einfache€, ist es gerechtfertigt, ihn im Falle des Unterliegens abweichend von § 101 Abs. 1 ZPO für die Kosten der siegreichen Gegenpartei mithaften zu lassen. Damit ist aber über die Kostenverteilung bei anderem Prozessausgang nichts ausgesagt. Es ist kein Grund dafür erkennbar und durch § 101 Abs. 2 ZPO nicht gefordert, den streitgenössischen Nebenintervenienten dort, wo sich seine vom €einfachen€ Nebenintervenienten unterschiedliche Stellung (vgl. hierzu Zöller-Vollkommer a.a.O. Rdnrn. 5 bis 7 zu § 69 ZPO) nicht niederschlägt, kostenmäßig anders zu behandeln als den €einfachen€ Nebenintervenienten. Vorliegend hat der Nebenintervenient zu 2) von keiner der gegenüber einem einfachen Nebenintervenienten erweiterten Befugnisse Gebrauch gemacht; ebenso wenig wie ein €einfacher€ Nebenintervenient hatte er die Möglichkeit, den Abschluss des Vergleichs der Hauptparteien oder die Klagerücknahme zu verhindern (Zöller-Vollkommer a.a.O. Rdnr. 6). Für den hier gegebenen Fall, dass die Hauptparteien sich durch Vergleich darauf verständigt haben, dass der Gegner der unterstützten Partei die Kosten des Rechtsstreits trägt, ist somit kein Grund dafür gegeben, den streitgenössischen Nebenintervenienten anders als den "einfachen" Nebenintervenienten nicht nach dem oben geschilderten Grundsatz der Kostenparallelität an der Vergleichsregelung teilhaben zu lassen. Die Kostenregelung des vorliegenden Rechtsstreits beruht auf dem am 22.9.05 protokollierten Vergleich, auch wenn die Prozessbeendigung erst durch die vereinbarte Klagerücknahme bewirkt wurde. Durch den Vergleich haben die Parteien von ihrer Dispositionsbefugnis Gebrauch gemacht und eine von § 269 Absatz 3 Satz 2 ZPO abweichende Kostenregelung getroffen (vgl. Zöller-Greger a.a.O. Randnummer 18 a zu § 269 ZPO und BGH NJW 1967, 983, 984).Das vorliegende Ergebnis steht nicht im Widerspruch zu der in JZ 1985, 853 = MDR 1985, 914 = JurBüro 1985, 1649 veröffentlichten Entscheidung des Bundesgerichtshofs. Denn der Bundesgerichtshof hat seine gemäß § 91 a ZPO getroffene Entscheidung maßgeblich auf das im dortigen Fall von der durch die Streithelferin unterstützten Beklagten erklärte Anerkenntnis gestützt, welches, da ein Fall des § 93 ZPO offenbar nicht vorlag, ohne die eingetretene Erledigung und damit maßgeblich für die nach § 91 a ZPO zu treffende Kostenentscheidung zur Kostentragungspflicht der Beklagten nach § 91 ZPO geführt hätte.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen.






OLG Frankfurt am Main:
Beschluss v. 18.09.2006
Az: 21 W 44/05


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