Oberlandesgericht Bamberg:
Beschluss vom 26. Mai 2008
Aktenzeichen: 3 U 87/08

(OLG Bamberg: Beschluss v. 26.05.2008, Az.: 3 U 87/08)

Tenor

I. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Hof vom 5. März 2008 gemäß § 522 Abs. 2 ZPO aus den nachfolgenden Gründen zurückzuweisen.

II. Der Kläger kann hierzu bis zum 30. Juni 2008 Stellung nehmen.

Gründe

I.

Der Kläger, ein bundesweiter Wirtschaftsverband des Reifenhandels und des Vulkaniseur-Handwerks mit ca. 1.600 Fachbetrieben, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben es gehört, u.a. die wirtschaftlichen und wettbewerbsrechtlichen Interessen seiner Mitglieder zu vertreten, will den Beklagten, der einen Reifenhandel mit Reifenservice betreibt, unter Androhung von Ordnungsmitteln untersagen lassen, in seinem Betrieb Reifenmontagen sowie Arbeiten an Rad-/Reifenkombinationen durchzuführen, solange er keinen Handwerksmeister aus dem Bereich eines fahrzeugtechnischen Berufes beschäftigt. Er ist der Auffassung, die vom Beklagten angebotene und durchgeführte Reifenmontage sei nach § 1 HwO zulassungspflichtig.

Das Landgericht hat die Klage mit dem angefochtenen Urteil abgewiesen und dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, ein Verstoß des Beklagten gegen Bestimmungen der Handwerksordnung sei nicht ersichtlich. Der Betrieb des Beklagten sei kein zulassungspflichtiger Handwerksbetrieb gemäß § 1 Abs. 2 HwO. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des angefochtenen Urteils (Bl. 122 bis 125 d.A.) Bezug genommen.

Mit seiner zulässigen Berufung verfolgt der Kläger seinen erstinstanzlich geltend gemachten Unterlassungsanspruch weiter. Der Kläger meint, das Erstgericht habe den von beiden Parteien vorgetragenen Sachverhalt nicht vollständig dargestellt und in den Entscheidungsgründen nicht ausreichend gewürdigt. Insbesondere sei in den Entscheidungsgründen nichts zu der vom Kläger vorgetragenen Gefahrengeneigtheit der Tätigkeit des Beklagten ausgeführt. Auch auf den Vortrag des Klägers zur modernen Reifenmontagetechnologie, insbesondere bei Run flat- und UHP-Reifen, sei das Erstgericht nicht näher eingegangen. Insoweit hätte das Erstgericht Beweis erheben müssen. Das Erstgericht habe sich in unzureichender Weise mit den Überlegungen zur verfassungskonformen Auslegung und Anwendung der einschlägigen handwerksrechtlichen Bestimmungen auseinandergesetzt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Berufungsbegründung (Bl. 156 bis 161 d.A.) Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers hat keine Erfolgsaussicht.

Der Senat nimmt auf die zutreffenden Feststellungen und Gründe des Ersturteils Bezug. Das Berufungsvorbringen ist nicht geeignet, eine abändernde Entscheidung herbeizuführen. Insoweit ist auszuführen:

6Ein Verstoß des Beklagten gegen §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 1 HwO liegt nicht vor. Es kann vorliegend dahingestellt bleiben, ob die Regeln der Handwerksordnung, wonach die Ausübung des Handwerks in einem selbständigen Betrieb als stehendes Gewerbe von der Eintragung in die Handwerksrolle abhängt, was eine Meisterprüfung voraussetzt, mehr als nur eine marktordnungspolitische Funktion haben, also einen Wettbewerbsbezug im Verhältnis zum Mitbewerber oder zum Verbraucher aufweisen (vgl. Ullmann, GRUR 2003, 817 ff., 824; Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 26. Aufl., § 4 UWG, Rdnr. 11.44), da der Beklagte nicht gegen Bestimmungen der Handwerksordnung verstößt.

7Der Betrieb des Beklagten ist nach der in § 1 Abs. 2 HwO enthaltenen Legaldefinition nicht zulassungspflichtig. Nach dem unwidersprochenen Sachvortrag des Beklagten in der Klageerwiderung (dort S. 4 = Bl. 26 d.A.) erzielt der Beklagte ca. 75 % seiner Umsätze aus dem Handel mit neuen Reifen und führt nur in geringerem Umfang Reifenmontagen an Pkw`s sowie Arbeiten an Rad-/Reifenkombinationen durch. Die Reifenmontage erstreckt sich hierbei auf die Montage des Komplettrades am Fahrzeug, Entleeren der Reifen, Abziehen des Altreifens von der Felge, Kontrollieren und Säubern der Felge, Montage des Ventils am Reifen, Aufziehen des Neureifens auf die Felge, Reifen mit Luft füllen und Auswuchten des Rades. Aufträge hinsichtlich der vom Kläger angesprochenen Run flat- und UHP-Reifen werden vom Beklagten nicht übernommen, ebenso wenig wie der Beklagte Reifen repariert (S. 5 der Klageerwiderung = Bl. 27 d.A.). Der Schwerpunkt der Tätigkeit des Beklagten liegt daher im Bereich des Reifenhandels. Dieser ist als solcher nicht zulassungspflichtig. Eine Zulassungspflicht könnte sich daher nach § 1 Abs. 2 S. 2 HwO nur ergeben, wenn im Betrieb des Beklagten Tätigkeiten ausgeübt würden, die für ein zulassungspflichtiges Gewerbe wesentlich wären. Bei den vom Beklagten unwidersprochen vorgetragenen Tätigkeiten handelt es sich jedoch um technisch einfache Vorgänge, die in relativ kurzer Zeit (§ 1 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 HwO) erlernt werden können und auch nicht das komplexe Berufsbild eines Vulkaniseurmeisters wesentlich prägen (§ 1 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 HwO). Dass der Beklagte neuartige, sogenannte "intelligente Reifen" wie Run flat-Reifen oder UHP-Reifen montiert, bei denen möglicherweise die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Nr. 1 HwO nicht vorliegen, was allerdings nach dem vom Beklagten vorgelegten Gutachten des Prof. Dr. P. vom November 2006 (Anlage B 4 zur Klageerwiderung, dort S. 49) zweifelhaft ist, hat der Kläger weder vorgetragen noch unter Beweis gestellt.

Eine Zulassungspflicht der Tätigkeit der Reifenmontage des Beklagten würde vorliegend auch deshalb entfallen, weil der Beklagte nach seinem unwidersprochenen Vortrag die Tätigkeit der Reifenmontage als sogenannten Neben- oder Hilfsbetrieb nach § 3 HwO ausübt. Nebenbetriebe nach § 3 Abs. 2 HwO sind Betriebe, die mit einem anderen Betrieb (z.B. des Handels) verbunden sind und deren Tätigkeit zeitlich so geringfügig ist, dass sie im Jahresdurchschnitt den Umfang eines Vollzeitarbeitsplatzes nicht übersteigt. Gleiches gilt für den Fall des Hilfsbetriebes nach § 3 Abs. 3 HwO, der dem Zweck eines Hauptbetriebes dient. Beide Voraussetzungen erfüllt der Beklagte nach seinem unwidersprochenen Sachvortrag. Mit der Reifenmontage erzielt der Beklagte nur 25 % seines Umsatzes. Die Montage verkaufter Reifen ist als handwerkliche Arbeit untergeordneter Art zur gebrauchsfertigen Überlassung üblich (§ 3 Abs. 3 Ziffer 2.a) HwO).

Eine Zulassungspflicht des Betriebes des Beklagten lässt sich auch nicht mit dem Hinweis auf die Gefahrgeneigtheit der Reifenmontage im Wege einer teleologischen Reduktion des § 1 Abs. 2 HwO begründen. In der bis 2003 geltenden Handwerksordnung spielte der Begriff der "Gefahrengeneigtheit" für die Zulassungspflichtigkeit eines handwerklich orientierten Betriebes keine Rolle. Vorrangiges Ziel des Gesetzes war die Qualitätssicherung handwerklicher Leistungen, unter die neben anderen Gesichtspunkten auch jener der Gefahrengeneigtheit subsumiert werden kann, sowie die Erhaltung eines hohen Ausbildungsstandards. Das Ziel der Qualitätssicherung hat das Bundesverfassungsgericht im Verhältnis zur Berufsausübungsfreiheit nach Art. 12 GG relativiert (Bundesverfassungsgericht WRP 2006, 463 bis 467). Die seit 2004 geltende Handwerksordnung lässt keinen Bezug zur Gefahrengeneigtheit der reglementierten Tätigkeiten erkennen. Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber diesen Aspekt als denkbar maßgebendes Kriterium für die Bestimmung zulassungspflichtiger Tätigkeiten im handwerklichen Bereich übersehen hat, sind nicht vorhanden. Ein Wertungswiderspruch zwischen dem von Gesetzgeber Gewollten und dem im Gesetz tatsächlich Niedergelegten ist nicht ersichtlich, so dass für eine teleologische Reduktion des § 1 Abs. 2 HwO kein Raum ist. Nichts anderes ergibt sich letztlich aus dem vom Kläger vorgelegten Gutachten des Dr. O. vom Juni 2006, der dort auf S. 5, 6 ausführt, gefahrgeneigte Tätigkeiten bzw. Arbeiten müssten nach Sinn und Zweck der HwO-Novelle 2004 ohne Rücksicht auf sonstige Umstände eo ipso dem Meistervorbehalt unterstellt sein, dem Versäumnis des Gesetzgebers durch eine verfassungskonforme Auslegung der einschlägigen genannten Bestimmungen abzuhelfen erscheine nur teilweise möglich und der deshalb, eine Änderung der Handwerksordnung im Rahmen der aufgrund der Koalitionsvereinbarung laufenden Evaluierung der HwO-Novelle von 2004 empfiehlt. Den Vorschlägen des Dr. O. hat der Gesetzgeber bislang, soweit ersichtlich, nicht entsprochen (vgl. Schreiben des Bundesministeriums der Justiz vom 9.7.2007 an den Kläger, vorgelegt vom Beklagten mit Schriftsatz vom 18.12.2007).

Die Berufung des Klägers hat daher keine Erfolgsaussicht.

Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 25.000,-- EURO festzusetzen.






OLG Bamberg:
Beschluss v. 26.05.2008
Az: 3 U 87/08


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