Oberlandesgericht Schleswig:
Beschluss vom 11. September 2006
Aktenzeichen: 15 WF 248/06

(OLG Schleswig: Beschluss v. 11.09.2006, Az.: 15 WF 248/06)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Oberlandesgericht Schleswig hat in seiner Entscheidung vom 11. September 2006 (Aktenzeichen 15 WF 248/06) die Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Elmshorn vom 27. Juli 2006 zurückgewiesen. Der Beklagte hatte die Aufrechnung gegen die Erstattungsforderung der Staatskasse und den Kostenerstattungsanspruch des Klägers erklärt. Das Amtsgericht hatte die Aufrechnung für unzulässig erklärt, da die Gegenforderung weder anerkannt noch gerichtlich festgestellt war. Das OLG Schleswig bestätigt diese Entscheidung.

Nach § 59 Abs. 1 RVG sind die Ansprüche der beigeordneten Rechtsanwälte gegen die Staatskasse mit der Befriedigung durch die Staatskasse auf diese übergegangen. Dies entspricht dem früheren §130 BRAGO. Auch der Erstattungsanspruch des Rechtsanwalts gegen die Gegenpartei geht laut § 126 ZPO auf die Staatskasse über, soweit diese den Rechtsanwalt befriedigt hat. Eine Einrede aus der Person der Partei ist dabei nicht zulässig.

Das OLG Schleswig stellt fest, dass § 8 Abs. 1 Satz 2 JBeitrO § 126 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht verdrängt, sondern als zusätzliche Erfordernisse zu dieser Vorschrift hinzutritt. Das Gericht folgt damit der überwiegenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur, dass das Allgemeininteresse an einer Erstattung der Rechtsanwaltskosten durch die Staatskasse höher einzustufen ist als das Interesse der Gegenpartei, die das Entstehen dieser Kosten hätte vermeiden können.

Da die Aufrechnung des Beklagten aufgrund des Aufrechnungsverbots des § 126 Abs. 2 Satz 1 ZPO scheitert, kommt es auf die Voraussetzungen des § 59 Abs. 2 Satz 1 RVG i.V.m. § 8 Abs. 1 JBeitrO nicht mehr an. Der Einredeausschluss des § 126 Abs. 2 Satz 1 ZPO ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, da der Anspruch des beigeordneten Rechtsanwalts gegen den Gegner gemäß § 59 Abs. 1 RVG auf die Landeskasse übergeht.

Somit wird die Beschwerde des Beklagten gegen die Entscheidung des Amtsgerichts Elmshorn zurückgewiesen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 66 Abs. 8 GKG.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

OLG Schleswig: Beschluss v. 11.09.2006, Az: 15 WF 248/06


Tenor

Die Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Elmshorn vom 27. Juli 2006 wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

Dem Kläger ist Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. X. als Hauptbevollmächtigten und Rechtsanwältin Y. als Verkehrsanwältin bewilligt worden. Durch Urteil vom 1.6.2006 hat das Familiengericht der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Den beigeordneten Rechtsanwälten sind durch die Beschlüsse vom 7.6.2006 und 15.6.2006 690,20 € und 290,00 € an Gebühren und Auslagen aus der Landeskasse erstattet worden. Die Beklagte hat wegen rückständiger Unterhaltsansprüche gegen die Erstattungsforderung der Staatskasse €ebenso wie gegen den Kostenerstattungsanspruch des Klägers selbst€ mit Schriftsätzen vom 8.6.2006 und 13.6.2006 die Aufrechnung erklärt.

Durch die Kostenrechnung des Amtsgerichts vom 3.7.2006 werden gegen die Beklagte 1.131,20 € geltend gemacht. Es handelt sich um 151,00 € Verfahrenskosten und 1.131,20 € auf die Landeskasse übergegangener Rechtsanwaltskosten des Klägers gemäß § 59 RVG in Höhe von 980,20 €. Gegen diese Kostenrechnung hat die Beklagte Erinnerung eingelegt. Durch Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - vom 27.7.2006 ist die Erinnerung mit der Begründung zurückgewiesen worden, dass die Aufrechnung unzulässig sei. Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 JBeitrO sei eine Aufrechnung nur zulässig, wenn die Gegenforderung anerkannt oder gerichtlich festgestellt sei. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor. Eine gerichtliche Feststellung des Anspruchs sei nicht gegeben, da die Ansprüche auf einer notariellen Urkunde beruhten. Das Anerkennungsurteil im vorliegenden Verfahren stelle keine gerichtliche Feststellung dar. Es liege auch kein Anerkenntnis vor. Ein Anerkenntnis sei von der Staatskasse abzugeben.

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Beklagte mit ihrer Beschwerde. Sie macht geltend, durch die angefochtene Entscheidung werde sie schlechter gestellt als sie stünde, wenn dem Kläger keine Prozesskostenhilfe bewilligt worden wäre. Dann hätte sie nämlich mit ihren Gegenansprüchen aus der notariellen Urkunde ohne weiteres aufrechnen können. Das müsse auch für den Anspruchsübergang nach § 59 RVG gelten. Denn es könne auf die Staatskasse keine bessere Rechtsposition übergehen, als sie dem Kläger selbst zustehe. Das Amtsgericht habe sich bei seiner Entscheidung auf die Kommentierung zu § 14 KostO gestützt und diese auf § 8 Abs. 1 Satz 2 JBeitrO übertragen. Dem könne nicht zugestimmt werden, weil die Kostenordnung vorliegend nicht angewandt werden könne und § 8 Abs. 1 Satz 2 JBeitrO kein Anerkenntnis der Staatskasse fordere. Die amtsgerichtliche Entscheidung würde dazu führen, dass sie nicht nur nicht ihren anerkannten und durch notarielle Urkunde titulierten Unterhalt erhalte, sondern dazu auch noch für die Kosten der Rechtsanwälte des Klägers aufzukommen habe.

Die Beschwerde der Beklagten ist gemäß § 66 Abs. 2 GKG zulässig, jedoch nicht begründet.

Gemäß § 59 Abs. 1 RVG sind die Ansprüche der beigeordneten Rechtsanwälte gegen die Staatskasse mit der Befriedigung der Rechtsanwälte durch die Staatskasse auf diese übergegangen. Es handelt sich um einen gesetzlichen Forderungsübergang im Sinne des § 412 BGB. Nach § 126 ZPO steht dem beigeordneten Rechtsanwalt ein eigener Erstattungsanspruch gegen die Gegenpartei zu, soweit dieser Kosten auferlegt worden sind. Auch dieser Anspruch einschließlich der mit ihm nach § 126 Abs. 2 verbundenen Einredebeschränkung geht auf die Staatskasse über, wenn und soweit sie den beigeordneten Rechtsanwalt befriedigt hat (Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert/Müller-Rabe, Kommentar zum RVG, 16. Aufl., Rn. 10 zu § 59). Das Gesetz entspricht insoweit dem früheren § 130 BRAGO.

Nach § 126 Abs. 2 ZPO ist eine Einrede aus der Person der Partei nicht zulässig. Der Gegner kann mit Kosten aufrechnen, die nach der in demselben Rechtsstreit über die Kosten erlassenen Entscheidung von der Partei zu erstatten sind. - Die Beklagte hat dem Kläger gegenüber mit Unterhaltsansprüchen die Aufrechnung erklärt. Damit beruft sie sich auf eine Einrede aus der Person der Partei, d.h. des Klägers, nach § 126 Abs. 2 Satz 1 ZPO. Diese Einrede ist nicht zulässig.

§ 59 Abs. 2 Satz 1 GKG bestimmt, dass für die Geltendmachung des Anspruchs die Vorschriften über die Einziehung der Kosten des gerichtlichen Verfahrens entsprechend gelten. Durch § 8 Abs. 1 Satz 2 JBeitrO wird § 126 Abs. 2 Satz 1 ZPO jedoch nicht verdrängt. Vielmehr treten die dort genannten Voraussetzungen (das Erfordernis des Anerkenntnisses der Gegenforderung oder der gerichtlichen Feststellung) einer zulässigen Aufrechnung als zusätzliche Erfordernisse zu § 126 Abs. 2 Satz 2 ZPO hinzu (BGH NJW-RR 1991, 254; Stein/Jonas, Kommentar zur ZPO, 22. Aufl., Rn. 9 zu § 126). Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung ausgeführt, dass es nicht unangemessen ist, das Allgemeininteresse an einer Erstattung der dem beigeordneten Rechtsanwalt aus öffentlichen Mitteln gezahlten Gebühren und Auslagen höher einzustufen als das Interesse der Gegenpartei, die das Entstehen dieser Kosten hätte vermeiden können. Das Ergebnis entspricht der ganz überwiegenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur.

Da bereits eine Aufrechnung der Beklagten an dem Aufrechnungsverbot des § 126 Abs. 2 Satz 1 ZPO scheitert, kommt es auf die Voraussetzungen des § 59 Abs. 2 Satz 1 RVG i.V.m. § 8 Abs. 1 JBeitrO nicht mehr an.

Nur dann, wenn der Kläger selbst seinen Erstattungsanspruch gegen die Beklagte geltend gemacht hätte, hätte die Beklagte mit Unterhaltsforderungen aufrechnen können. Die Beklagte ist in der Tat schlechter gestellt, als wenn dem Kläger keine Prozesskostenhilfe bewilligt worden wäre. Der Einredeausschluss des § 126 Abs. 2 Satz 1 ZPO ist jedoch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn ein Anspruch des beigeordneten Rechtsanwalts gegen den Gegner gemäß § 59 Abs. 1 RVG auf die Landeskasse übergeht (BGH a.a.O.).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 66 Abs. 8 GKG.






OLG Schleswig:
Beschluss v. 11.09.2006
Az: 15 WF 248/06


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