Bundespatentgericht:
Beschluss vom 2. Januar 2007
Aktenzeichen: 5 W (pat) 25/06

(BPatG: Beschluss v. 02.01.2007, Az.: 5 W (pat) 25/06)

Tenor

Dem Präsidenten des Deutschen Patent- und Markenamts wird anheim gegeben, dem Verfahren gemäß § 18 Abs. 2 GebrMG i. V. m. § 77 PatG beizutreten.

Gründe

I.

Die Antragstellerin hat zunächst beim Deutschen Patent- und Markenamt ein Löschungsverfahren gegen das Gebrauchsmuster 203 07 305 betrieben. Im Laufe dieses Verfahrens hat die Antragsgegnerin ihren Widerspruch gegen den Löschungsantrag zurückgenommen, und das Streitgebrauchsmuster wurde gelöscht.

Mit Beschluss vom 26. August 2005 hat die Gebrauchsmusterabteilung I der Antragsgegnerin die Kosten des Löschungsverfahrens gemäß § 17 Abs. 4 Satz 2 GebrMG i. V. m. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO auferlegt.

Daraufhin beantragte die Antragstellerin angesichts der erheblichen wirtschaftlichen Bedeutung des Gebrauchsmusters und der erheblichen Schwierigkeiten des Falles, einen Gegenstandswert des Gebrauchsmusterlöschungsverfahrens nicht unter 5 Mio. Euro festzusetzen, sowiedie der Antragstellerin zu erstattenden Kosten des Gebrauchsmusterlöschungsverfahrens mit 70.488,00 Euro festzusetzen.

Demgegenüber beantragte die Antragsgegnerin, den Gegenstandswert des Gebrauschsmusterlöschungsverfahrens auf 24.000,00 Euro festzusetzenundbei der Kostenfestsetzung die rechtsanwaltliche Prozessgebühr mit der zugehörigen Pauschale für Post und Telekommunikation sowie die Kosten für eine erste und zweite zusätzliche Recherche nicht anzuerkennen.

Die Gebrauchsmusterabteilung I hat den Gegenstandswert des Gebrauchsmusterlöschungsverfahrens mit Beschluss vom 31. Mai 2006 auf 175.000,00 Euro festgesetzt.

Die Entscheidung wird damit begründet, die Befugnis der Gebrauchsmusterabteilung zur Festsetzung eines Gegenstandswerts ergebe sich unter Gesichtspunkten der Sachnähe aus der Zuständigkeit für die Kostenentscheidung. Die Abteilung sei mit dem wirtschaftlichen Hintergrund eines Löschungsverfahrens besser vertraut als der Kostenbeamte, der nach bisheriger Rechtsprechung für die Bestimmung des Gegenstandswertes als eines Berechnungsmaßstabes ausschließlich zuständig gewesen sei. Vor allem sei von der früheren einschlägigen Rechtsprechung abzurücken und eine Zuständigkeit der Gebrauchsmusterabteilung nunmehr zu bejahen, weil nach neuester Rechtsprechung des Bundespatentgerichts auch die erstattungsfähigen Gebühren eines Patentanwalts nach den für Rechtsanwälte geltenden Vorschriften berechnet werden könnten. Da die Beteiligten in den meisten Löschungsverfahren durch Patentanwälte vertreten würden, bestehe somit ein besonderes Bedürfnis, die Kompetenz der Gebrauchsmusterabteilung in das Verfahren zur Festsetzung des Gegenstandswertes einzubringen und ihr eine diesbezügliche Zuständigkeit nunmehr zuzuerkennen.

Die Festsetzung des Gegenstandswertes in Höhe von 175.000,00 Euro ergebe sich aus dem wirtschaftlichen Interesse der Allgemeinheit an der Löschung und beruhe auf dem höchsten von der Rechtsprechung anerkannten Durchschnittswert, der wegen der erheblichen wirtschaftlichen Bedeutung des Streitgebrauchsmusters erhöht werde.

Gegen diese Entscheidung haben beide Verfahrenbeteiligte Beschwerde eingelegt. Sie regen an, der Senat möge im vorliegenden Beschwerdeverfahren sowohl über die Höhe des Gegenstandswertes als auch über die Höhe der zu erstattenden Kosten entscheiden.

Die Antragsgegnerin trägt vor, die Gebrauchsmusterabteilung habe den Beteiligten mit Bescheid vom 25. April 2006 zur Mitteilung der mit den optischen Überwachungseinrichtungen nach dem Streitgebrauchsmuster erzielten Umsätze aufgefordert und den angefochtenen Beschluss vor Ablauf der Äußerungsfrist erlassen, so dass die per Telefax am 6. Juni 2006 übermittelte Eingabe der Antragsgegnerin nicht habe berücksichtigt werden können.

Die Gebrauchsmusterabteilung sei nicht zur Festsetzung des Gegenstandswertes zuständig.

§ 10 Abs. 1 BRAGO i. V. m. § 61 RVG sowie § 33 Abs. 1 RVG sähen vor, dass ein Gericht des ersten Rechtszuges durch Beschluss selbständig festsetze, sofern sich die Gebühren in einem gerichtlichen Verfahren nicht nach dem für Gerichtsgebühren maßgeblichen Wert richteten oder es an einem solchen Wert fehle. Da es sich beim Löschungsverfahren vor der Gebrauchsmusterabteilung nicht um ein gerichtliches, sondern um ein Verwaltungsverfahren handele, sei eine Festsetzung des Gegenstandswerts durch Beschluss durch die Gebrauchsmusterabteilung nicht zulässig. Der Gegenstandswert sei vielmehr durch den Kostenbeamten des Deutschen Patent- und Markenamts im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens zu bestimmen. Hierfür sprächen auch verfahrungsökonomische Überlegungen, da es ansonsten zu einer Aufsplitterung und Verzögerung des Kostenfestsetzungsverfahrens kommen könne.

II.

Der Senat, der trotz eines eventuell vorliegenden Verfahrensfehlers in der Sache entscheiden möchte (§ 18 Abs. 2 Satz 1 GebrMG i. V. m. § 79 Abs. 3 PatG), hatte in seiner bisherigen Rechtsprechung rechtliche Bedenken gegen die von der Gebrauchsmusterabteilung getroffene Festsetzung des Gegenstandswertes.

Zwar geht die Gebrauchsmusterabteilung zutreffend davon aus, dass der Senat nach neuerer Rechtsprechung auch die erstattungsfähigen Gebühren eines Patentanwalts nach den für Rechtsanwälte geltenden Vorschriften der BRAGO bzw. des RVG berechnet (vgl. etwa BPatG Mitt. 2005, 375 "Gebühren des Patentanwalts in Gbm-Löschungs-Beschwerdeverfahren").

Nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats erscheint es jedoch fraglich, ob - wie von der Gebrauchsmusterabteilung angenommen - § 10 Abs. 1 BRAGO bzw. § 33 Abs. 1 RVG analog auf das Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt angewendet werden kann. Dies ist an sich nur möglich, wenn eine planwidrige Gesetzeslücke vorliegt. Aus Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Gesetzeszusammenhang kann aber möglicherweise geschlossen werden, dass der Gesetzgeber in diesen Vorschriften bewusst nur die Wertfestsetzung für gerichtliche Verfahren regeln und auch keine neue Zuständigkeitsregelung treffen wollte.

Dies ergibt sich zunächst daraus, dass in § 66 BRAGO durch Nichterwähnung der jeweils vorangegangenen patentamtlichen Verfahren klar zwischen diesen und dem Verfahren vor dem Bundespatengericht unterschieden wurde. Außerdem enthielten etwa §§ 118, 119 BRAGO explizite Regelungen, die die Tätigkeit des Rechtsanwalts im Verwaltungsverfahren betreffen.

Daran dürfte auch das Inkrafttreten des RVG, das die BRAGO abgelöst hat, nichts ändern. Hierfür spricht, dass § 33 Abs. 1 RVG die Regelung des § 10 Abs. 1 BRAGO identisch übernommen hat und dass § 23 Abs. 3 RVG es bezüglich der Anwaltsgebühren in außergerichtlichen Verfahren bei der Übernahme des § 8 Abs. 2 BRAGO belassen hat. Auch gibt es - ebenso wie bei der früheren BRAGO - z. B. in § 16 Nr. 1 RVG sowie Teil 2 des VVRVG spezifische Vorschriften betreffend die Tätigkeit von Rechtsanwälten in Verwaltungsverfahren.

Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass die Erstattung der zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung erforderlichen Kosten eines Rechtsanwalts nicht nur betreffend Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt gesetzlich geregelt ist, sondern etwa auch in allgemeinen Verwaltungsverfahren (vgl. z. B. § 80 Abs. 2 und 3 VwVfG). Dass aber der Gesetzgeber einerseits spezielle Vorschriften für die Erstattung von Gebühren für Rechtsanwälte in außergerichtlichen Verfahren geschaffen hat und andererseits in Kenntnis der grundsätzlichen Problematik die frühere Vorschrift des § 10 Abs. 2 BRAGO auch bei der Neuregelung durch das RVG nicht auf Verwaltungsverfahren sowie Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt ausgedehnt, stellt nach Ansicht des Senats ein gewichtiges Argument gegen eine planwidrige Gesetzeslücke dar.

Im Übrigen bedurfte und bedarf es möglicherweise für das Verwaltungsverfahren auch keiner expliziten und eigenständigen Festsetzung des Gegenstandswerts. Die BRAGO und das RVG betreffen die Vergütung für sämtliche Tätigkeiten eines Rechtsanwalts (§ 2, 7 Abs. 1 BRAGO, § 15 Abs. 1 RVG). In § 7 Abs. 1 BRAGO sowie in § 33 Abs. 1 RVG wird für alle Gebühren bestimmt, dass diese nach dem Wert der anwaltlichen Tätigkeit berechnet werden, was auch für die Vergütung von in Verwaltungsverfahren tätigen Rechtsanwälten gilt. Da es für diese Tätigkeit keine spezielle Berechnungsgrundlage gibt, bestimmt sich der Wert grundsätzlich nach § 8 Abs. 2 BRAGO bzw. § 23 Abs. 3, 1 RVG. Das Gesetz spricht in diesem Zusammenhang ausdrücklich von einer Bestimmung, nicht von einer Festsetzung.

Diese Bestimmung erfolgt bei Verwaltungsverfahren durch einen Kostenbeamten der Verwaltungsbehörde als Grundlage der Kostenfestsetzung (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 26. Aufl. 1995, § 119 BRAGO, Rn. 7), wobei im Verfahren vor der Gebrauchsmusterabteilung der Rechtspfleger bzw. ein entsprechender Beamter zuständig ist (vgl. auch Bühring, Gebrauchsmustergesetz, 6. Aufl., § 17 Rn. 114). Auch in dieser Beziehung haben sich die gesetzlichen Vorschriften nicht verändert.

Gemäß der bisherigen Rechtsprechung des Senats sind es daher schwerwiegende Gesichtspunkte, die gegen eine Änderung der Rechtslage nach Inkrafttreten des RVG sprechen.

Auch der Umstand, dass es sich beim Gebrauchsmusterlöschungsverfahren um ein einem Gerichtsverfahren angenähertes justizförmiges Verwaltungsverfahren handelt, muss nicht zwingend zu einer andere Beurteilung führen. Die Ausgestaltung des Verfahrens vor der Gebrauchsmusterabteilung steht in keiner Beziehung zur Frage der Wertfestsetzung der anwaltlichen Tätigkeit durch eine gesonderte, von der Kostenfestsetzung getrennte Festsetzung des Gegenstandswerts. Auch ist hier die wesentliche Rechtslage nicht anders als im Fall des § 80 Abs. 3 VwVfG, wonach im (allgemeinen) Verwaltungsverfahren der jeweils zuständigen Behörde nach einer Kostenentscheidung die Festsetzung der zu erstattenden Kosten obliegt.

Die hier aufgeworfene Problematik stellt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung i. S. d. § 18 Abs. 2 Satz 1 GebrMG i. V. m. § 77 PatG dar, von der dieEntscheidung des Falles abhängt. Der Senat erachtet es daher als angemessen, dem Präsidenten des Deutschen Patent- und Markenamts die Beteiligung am Beschwerdeverfahren anheimzugeben.






BPatG:
Beschluss v. 02.01.2007
Az: 5 W (pat) 25/06


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