Bundespatentgericht:
Beschluss vom 28. Juli 2004
Aktenzeichen: 7 W (pat) 20/02

(BPatG: Beschluss v. 28.07.2004, Az.: 7 W (pat) 20/02)

Tenor

Auf die Beschwerde der Einsprechenden wird der Beschluß der Patentabteilung 26 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 13. November 2001 aufgehoben und das Patent widerrufen.

Gründe

I Die Beschwerde der Einsprechenden ist gegen den Beschluß der Patentabteilung 26 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 13. November 2001 gerichtet, mit dem das Patent 42 27 525 nach Prüfung des auf den Einspruchsgrund der fehlenden Patentfähigkeit gestützten Einspruchs in vollem Umfang aufrechterhalten worden ist. In dem angefochtenen Beschluß ist zu den im Einspruch ausschließlich geltend gemachten Vorbenutzungen ausgeführt, daß deren Gegenstände der Patentfähigkeit des Gegenstands des angefochtenen Patents nicht entgegenstünden.

Im Beschwerdeverfahren ist durch eine Zwischenverfügung des Berichterstatters des Senats noch die GB 2 146 102 A ins Verfahren eingeführt worden.

Die Patentinhaberin hat mit Schriftsatz vom 29. Juni 2004 13 Patentansprüche und eine Ergänzung für die Beschreibung gemäß Hilfsantrag vorgelegt.

Die Einsprechende macht geltend, daß der Gegenstand des angefochtenen Patents weder in der erteilten Fassung noch in der hilfsweise verteidigten Fassung eine patentfähige Erfindung darstelle. Sie beantragt, das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen (Hauptantrag), hilfsweise das Patent beschränkt aufrechtzuerhalten mit den Patentansprüchen 1 bis 13 vom 29. Juni 2004 nach Hilfsantrag, Beschreibung und Zeichnungen gemäß Patentschrift, und der Ersetzung der Beschreibung Seite 2 durch die neue Seite 2 vom 29. Juni 2004.

Sie vertritt die Auffassung, daß der Patentgegenstand, zumindest in der Fassung nach Hilfsantrag, neu sei und auch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Der Patentanspruch 1 des angefochtenen Patents lautet:

"Verfahren zum Ausrichten eines ersten Maschinenteils einer ersten Maschineneinheit bezüglich eines zweiten Maschinenteils der ersten Maschineneinheit und/oder einer ersten Maschineneinheit bezüglich einer zweiten Maschineneinheit, dadurch gekennzeichnet, daß in jede der beiden Maschinenteile einer Maschineneinheit mindestens eine funktionsspezifische Öffnung geformt wird, daß an den beiden Maschinenteilen der Maschineneinheit einander entsprechende Ausrichtemarken derart geformt werden, daß sie eine horizontale Ausrichtelinie an dem entsprechenden Maschinenteil definieren und eine definierte Lage bezüglich der Öffnung besitzen, und daß die Maschinenteile so angeordnet werden, daß die Ausrichtelinien zweier einander entsprechender Ausrichtemarken der beiden Maschinenteile der jeweiligen Maschineneinheit senkrecht zu den horizontalen Ausrichtelinien durch die Ausrichtemarken der entsprechenden Maschinenteile der ersten Maschineneinheit und/oder der ersten und der zweiten Maschineneinheit verlaufen."

Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag lautet:

"Verfahren zum Ausrichten eines ersten Maschinenteils einer ersten Maschineneinheit bezüglich eines zweiten Maschinenteils der ersten Maschineneinheit und/oder einer ersten Maschineneinheit bezüglich einer zweiten Maschineneinheit, wobei in jede der beiden Maschinenteile einer Maschineneinheit mindestens eine funktionsspezifische Öffnung geformt wird, daß an den beiden Maschinenteilen der Maschineneinheit einander entsprechende Ausrichtemarken derart geformt werden, daß sie eine horizontale Ausrichtelinie an dem entsprechenden Maschinenteil definieren und eine definierte Lage bezüglich der Öffnung besitzen, und daß die Maschinenteile so angeordnet werden, daß die Ausrichtelinien zweier einander entsprechender Ausrichtemarken der beiden Maschinenteile der jeweiligen Maschineneinheit senkrecht zu den horizontalen Ausrichtelinien durch die Ausrichtemarken der entsprechenden Maschinenteile der ersten Maschineneinheit und/oder der ersten und der zweiten Maschineneinheit verlaufen, dadurch gekennzeichnet, daß die funktionsspezifischen Öffnungen und die Ausrichtemarken in Gestalt von Ausrichteöffnungen in einem Bohrvorgang erstellt werden."

Laut Beschreibung (Sp 2 Z 1 bis 5) liegt der Erfindung die Aufgabe zugrunde, bei zueinander auszurichtenden Maschineneinheiten während Bearbeitungsgängen mit hohen Fertigungsgenauigkeiten, definierte Ausrichtemarken zu erzeugen.

Für weitere Einzelheiten wird auf die Akte verwiesen.

II 1. Die frist- und formgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig und in der Sache auch begründet.

Der Gegenstand des angefochtenen Patents stellt weder in der erteilten Fassung noch in der Fassung gemäß den Patentansprüchen nach Hilfsantrag eine patentfähige Erfindung im Sinne des PatG § 1 bis § 5 dar.

Als Fachmann ist hier ein Maschinenbauingenieur mit Erfahrungen in der Montage großer Maschinen, insbesondere Druckmaschinen, anzusehen.

2. Zum Hauptantrag In der Beschreibung des angefochtenen Patents ist zum Stand der Technik ausgeführt, daß in einer Druckmaschine mehrere Druckwerke hintereinander angeordnet seien. Jedes Druckwerk umfasse Seitenrahmen, in denen die Druckzylinder gelagert seien. Die Druckzylinder sollten sich horizontal erstrecken. Wenn ein Druckwerk installiert werde, platziere der Installierer ein Richtlineal auf den Kanten der Seitenrahmen und richte das Druckwerk so aus, daß die Oberkante und die Seitenkanten der Seitenrahmen horizontal und vertikal ausgerichtet seien. Diesem Verfahren liege die Annahme zugrunde, daß die Druckzylinder in dem Druckwerk horizontal lägen, wenn die Seitenrahmen eben zueinander stünden. Wenn ein Druckwerk auf einem Hallenboden installiert werde, könnten allerdings dimensionale Toleranzen zwischen der Position eines Zylinders und der Kante eines Seitenrahmens dazu führen, daß der Zylinder in einer schiefen, nicht horizontalen Lage installiert werde, auch wenn sich die Kanten der Seitenrahmen in horizontaler oder vertikaler Lage befänden (Sp 1 Z 48 bis 67).

Vor diesem Hintergrund soll die Aufgabe gelöst werden, bei zueinander auszurichtenden Maschineneinheiten während Bearbeitungsvorgängen mit hohen Fertigungsgenauigkeiten definierte Ausrichtemarken zu erzeugen (Sp 1 Z 68 bis Sp 2 Z 5). Weiter sollen offensichtlich die Maschineneinheiten (zB Seitenrahmen von Druckwerken und Druckwerke untereinander) mit Hilfe dieser Ausrichtemarken in bestimmter Weise zueinander ausgerichtet werden.

Zur Lösung dieser Aufgabe sind im Patentanspruch 1 des angefochtenen Patents für ein Verfahren zum Ausrichtens zweier Maschinenteile einer ersten Maschineneinheit und/oder zweier Maschineneinheiten mit je zwei Maschinenteilen, in welche Maschinenteile jeweils mindestens eine funktionsspezifische Öffnung geformt ist, folgende Merkmale angegeben:

1. An den beiden Maschinenteilen werden Ausrichtemarken derart geformt, 1.1. das die Ausrichtmarken der beiden Maschinenteile einander entsprechen, 1.2. das sie eine horizontale Ausrichtelinie an den betreffenden Maschinenteil definieren 1.3. und eine definierte Lage bezüglich der funktionsspezifischen Öffnung des Maschinenteils besitzen, 2. die Maschinenteile werden so angeordnet, daß die Ausrichtelinien zweier entsprechender Ausrichtemarken an den Maschinenteilen einer Maschineneinheit senkrecht zu den horizontalen Ausrichtelinien durch die Ausrichtemarken der Maschinenteile der ersten Maschineneinheit oder der ersten und der zweiten Maschineneinheiten verlaufen.

Der Kern der Lehre ist darin zu sehen, daß zur Ausrichtung der Maschinenteile bzw Maschineneinheiten nicht mehr Seitenkanten der Teile verwendet werden, sondern Ausrichtemarken, die eine definierte Lage bezüglich der funktionsspezifischen Öffnung, dh zB der das Lager eines Druckzylinders aufnehmenden Bohrung, besitzen. In Druckwerken ist es besonders wichtig, daß die Druckzylinder horizontal und in einem bestimmten Verhältnis zueinander ausgerichtet sind. Durch die Definition der Ausrichtemarken in Bezug auf die Funktionsöffnungen, dh zB die Lagerbohrungen für die Druckzylinder, können diese genauer ausgerichtet werden als wenn die Lage der Bohrungen in Bezug auf Seitenkanten der Maschinenteile definiert würden.

Dieser Kerngedanke der Lehre des angefochtenen Patents ist aus der GB 2 146 102 A bereits bekannt. In dieser Druckschrift ist nämlich beschrieben, daß Öffnungen zur Aufnahme von Lagern (bearing bores 28) von Druckzylindern und Ausnehmungen (recesses 5, 6) zur Ausrichtung und Abstützung der Seitenteile von Druckwerken in einem einzigen Koordinatensystem festgelegt und gebohrt werden (S 1 Z 115 bis 118, S 2 Z 3 bis 10, 26 bis 29, 39 bis 47). Die Ausrichtemarken der Seitenwände eines Druckwerks entsprechen einander (S 2 Z 56 bis 67). Die Ausnehmungen sind zwar jeweils an den Ober-, Unter- und Seitenkanten der Seitenteile angeordnet, diese Kanten selber spielen aber bei der Ausrichtung der Seitenteile zueinander keine Rolle. Vielmehr wird die genaue Ausrichtung der Lagerbohrungen der Druckzylinder zueinander dadurch gewährleistet, daß die Lage der Ausnehmungen in Bezug auf die Lage der Lagerbohrungen definiert ist und die Seitenteile mit Hilfe der Ausnehmungen genau gegeneinander ausgerichtet und abgestützt werden. Die Ausnehmungen zur Ausrichtung und Abstützung an Fundamenten oder Lagerblöcken (vgl Ausführungsbeispiel gemäß Fig 4 des angefochtenen Patents) definieren offensichtlich eine horizontale Ausrichtelinie für das Maschinenteil (Fig 1 der Entgegenhaltung). Für den Fachmann versteht es sich weiter von selbst, daß die Ausrichtelinien zweier einander entsprechenden Ausrichtemarken an den beiden Maschinenteilen einer Einheit senkrecht zu den horizontalen Ausrichtelinien jedes der beiden Maschinenteile der betreffenden Maschineneinheit und auch der anderen Maschineneinheiten verlaufen.

Somit ist das Verfahren gemäß dem erteilten Patentanspruch 1 gegenüber dem Stand der Technik nach der GB 2 146 102 A nicht mehr neu. Daran ändert nichts die Tatsache, daß die Ausrichteöffnungen (recesses 5, 6) der Maschineneinheiten nach der GB 2 146 102 A gleichzeitig zum Abstützen der Maschinenteile dienen. Diese Möglichkeit ist nämlich in der Lehre des Patentanspruchs 1 des angefochtenen Patents auch enthalten (vgl Ausführungsbeispiel gemäß Fig 4).

3. Zum Hilfsantrag Das Verfahren gemäß dem Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag unterscheidet sich von dem nach dem erteilten Patentanspruch 1 dadurch, daß es zusätzlich zu den Merkmalen gemäß der vorstehenden Merkmalsanalyse noch das folgende aus dem erteilten Anspruch 2 stammende Merkmal aufweist:

3. die funktionsspezifischen Öffnungen und die Ausrichtemarken in Gestalt von Ausrichteöffnungen werden in einem Bohrvorgang erstellt.

Dieses Merkmal ist so zu verstehen, daß die Ausrichteöffnungen in ein und demselben Bohrvorgang wie die funktionsspezifischen Öffnungen geformt werden (Sp 3 Z 45 bis 60 der Streit-PS).

Auch dieses Verfahren ist nicht patentfähig, da es nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

In der GB 2 146 102 A ist bereits beschrieben, daß die Ausnehmungen (recesses 5, 6) mit deren Hilfe die Maschinenteile ausgerichtet werden, in einer definierten Lage zu den Lagerbohrungen der Druckzylinder, dh den funktionsspezifischen Öffnungen, zu fertigen sind und daß sie dazu zusammen mit den Lagerbohrungen, dh den funktionsspezifische Öffnungen, in dem gleichen Koordinatensystem festgelegt und mit großer Genauigkeit vorzugsweise durch eine Koordinaten-Bohrmaschine gefertigt werden (S 1 Z 115 bis 118 und S 2 Z 39 bis 47). Demgegenüber kann in der gemäß Merkmal 3. vorgesehenen Erstellung der funktionsspezifischen Öffnungen und der Ausrichteöffnungen in einem Bohrvorgang nur eine fertigungstechnische Abwandlung gesehen werden, die angesichts der aus der Entgegenhaltung bekannten Problematik und Zielsetzung im Griffbereich des Fachmanns liegt.

4. Weder mit dem Patentanspruch 1 nach Hauptantrag noch mit dem Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag hat das angefochtene Patent Bestand. Die nachgeordneten, zumindest mittelbar auf den jeweiligen Patentanspruch 1 rückbezogenen Ansprüche teilen das Schicksal der jeweiligen Hauptansprüche.

Tödte Eberhard Köhn Dr. Pösentrup Pü






BPatG:
Beschluss v. 28.07.2004
Az: 7 W (pat) 20/02


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