Bundespatentgericht:
Beschluss vom 9. März 2010
Aktenzeichen: 19 W (pat) 48/09

(BPatG: Beschluss v. 09.03.2010, Az.: 19 W (pat) 48/09)

Tenor

Auf die Beschwerde wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G07C des Deutschen Patentund Markenamtes vom 28. April 2006 aufgehoben und das Patent erteilt.

BPatG 152 B e z e i c h n u n g : Verfahren zur Ermittlung der Abstellzeit einer Brennkraftmaschine.

Anmeldetag: 18.Dezember1996 Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:

Patentansprüche 1 bis 10, sowie Beschreibung, Seiten 2, 4, 5,10 und Zeichnungen Figuren 1, 4, vom Anmeldetag 18. Dezember 1996, Beschreibung Seiten 1, 3, 6 bis 9 und Zeichnungen Figuren 2, 3 vom 11. Februar 2010, eingegangen am 17. Februar 2010

Gründe

I.

Das Deutsche Patentund Markenamt -Prüfungsstelle für Klasse G07C -hat die am 18. Dezember 1996 eingereichte Anmeldung durch Beschluss vom 28. April 2006 mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Anspruch 1 keine vollständig nacharbeitbare Lehre enthält.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie beantragt den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

Patentansprüche 1 bis 10, sowie Beschreibung, Seiten 2, 4, 5, 10 und Zeichnungen Figuren 1, 4 vom Anmeldetag 18. Dezember 1996, Beschreibung Seiten 1, 3, 6 bis 9 und Zeichnungen Figuren 2, 3 vom 11. Februar 2010, eingegangen am 17. Februar 2010 Die Anmelderin vertritt die Ansicht, der Anspruch 1 enthalte alle wesentlichen Merkmale und die Beschreibung enthalte eine ausreichende Offenbarung der Erfindung (letzte Seite der Beschwerdebegründung).

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde hat Erfolg.

1. Das nachgesuchte Patent bezieht sich auf ein Verfahren zur Ermittlung der Abstellzeit, also der zwischen dem Abstellen und dem erneuten Starten einer Brennkraftmaschine verstrichenen Zeit.

In der Beschreibung wird dazu erläutert, dass diese Zeit sowohl im Zusammenhang mit der Kraftstoffpumpenansteuerung, als auch in Verbindung mit Starteinspritzungen verwendet werden kann. Die Zeitdauer werde dabei nach dem Stand der Technik beispielsweise durch eine Borduhr bestimmt.

Der Erfindung liegt damit die Aufgabe zugrunde, ohne eine Borduhr zur Zeitbestimmung auszukommen. (S. 2, Z. 10 bis 13 der ursprünglichen Beschreibung).

Dieses Ziel werde dadurch erreicht, dass aus den ohnehin vorliegenden Informationen bezüglich der Temperatur der Brennkraftmaschine und der Umgebungslufttemperatur durch Auswertung der Abkühlrate ein Maß für die verstrichene Zeit gewonnen wird.

Der Anspruch 1 der Patentanmeldung (mit einer für diesen Beschluss eingefügten Nummerierung) beschreibt das wie folgt:

"Verfahren zur Ermittlung der Abstellzeit, also der zwischen dem Abstellen und dem erneuten Starten einer Brennkraftmaschine verstrichenen Zeit, a) mit einer Recheneinrichtung, die das Verfahren durchführtund die Brennkraftmaschine steuert oder regelta1) und der Informationen über die Temperatur der Brennkraftmaschine und der Umgebungstemperatur zugeführt werden, dadurch gekennzeichnet, b) dass die Recheneinrichtung die Abstellzeit der Brennkraftmaschine aus der beim Abstellen und der beim Start ermittelten Temperatur der Brennkraftmaschine bestimmt, c) unter Berücksichtigung der herrschenden Umgebungstemperatur c1) oder einer von der Umgebungstemperatur abhängigen Temperatur."

2.

Für diesen Sachverhalt ist der Fachmann ein in der Entwicklungsabteilung arbeitender Diplomingenieur (FH) der Fachrichtung Maschinenbau, der über Berufserfahrung in der Entwicklung von Verbrennungsmotoren-Steuerungen verfügt.

3.

Die Erfindung ist in den Unterlagen so vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann (§ 34 Abs. 5, Nr. 4 PatG). Davon ist offenbar auch die Prüfungsstelle ausgegangen, wenn sie in ihrem Prüfungsbescheid vom 14. Oktober 2004 eine Erteilung auf der Basis der Merkmale in den Ansprüchen 2 bis 5 in Aussicht stellt.

Für die Forderung einer vollständigen Lehre in den Ansprüchen gibt es keine gesetzliche Grundlage. Nach Überzeugung des Senats ist auch die Abkehr von einer Uhr und die Zeitermittlung über Temperaturen, bzw. die Auswertung der Abkühlrate das Erfindungswesentliche, während die konkrete Realisierung -sei es analytisch, wie in Anspruch 3 angegeben, oder über Kennfelder oder Kennlinien oder anderen Methoden -dem Fachmann dann ohne weiteres aus seinem Fachwissen zur Verfügung steht.

4. Der Anspruch 1 ist patentfähig.

4.1 Anspruch 1 wird vom Fachmann folgendermaßen verstanden.

Nach Oberbegriff ist eine Steuerung vorgesehen, die sowohl die Brennkraftmaschine steuert, als auch die Abstellzeit, die als verstrichene Zeit zwischen dem Abstellen und dem erneuten Starten einer Brennkraftmaschine definiert ist, ermittelt. Beansprucht ist nur das Verfahren zur Ermittlung der Abstellzeit.

Das Merkmal c) "unter Berücksichtigung" sieht der Fachmann als obligatorisches Merkmal. Die Umgebungstemperatur hat in die Zeitermittlung entweder als direkt gemessene oder indirekt ermittelte Größe (Merkmal c1) einzufließen. Ein Verfahren das die Umgebungstemperatur nicht berücksichtigt, ist vom Anspruch 1 nicht umfasst.

4.2 Das Verfahren nach Anspruch 1 ist neu.

Die nachveröffentlichte DE 196 44 491 A1 mit älterem Zeitrang zeigt ein Verfahren zur Ermittlung der Abstellzeit einer Brennkraftmaschine mit einer Uhr (Sp. 4, Z. 5 bis 14). Es wird zwar erwähnt, dass die Abstellzeit mit verschiedenen Verfahren ermittelt werden kann. Andere Verfahren sind aber nicht angegeben. Weiterhin wird auch eine Kennlinie der Abstellzeit abhängig von der Motortemperatur (Sp. 3, Z. 36 bis 40) und der Zusammenhang zwischen Motortemperatur und Abstellzeit erwähnt (Sp. 3, Z. 32 bis 36, Sp. 4, Z. 57 bis 64). Dieser Zusammenhang wird aber nur dazu verwendet, um aus ermittelter Abstellzeit und Temperatur ein Kriterium dafür zu finden, ob ein Vorlauf der Kraftstoffpumpe nötig ist oder nicht. Es gibt keine Hinweise dafür, dass dieser Zusammenhang zur Ermittlung der Abstellzeit genutzt werden soll. Die DE 196 44 491 A1 hat mit dem Anspruch 1 somit nur die Merkmale im Oberbegriff gemeinsam. Die Merkmale b), c) und c1) zeigt sie nicht.

Die EP 681 272 A2 zeigt ein ähnliches Verfahren, bei dem die Abstellzeit mit einer niederfrequenten, wenig Strom verbrauchenden Uhr 147 gemessen wird, wobei diese Zeit nach dem Einschalten durch eine genauere Uhr 125 korrigiert wird

(S. 2, Z. 56 bis S. 3, Z. 9, S. 3, Z. 36 bis 52, S. 4, ab Z. 45). Eine andere Zeitermittlung ist dort nicht angegeben. Auch daraus sind also die Merkmale im Oberbegriff bekannt, sofern man die Uhren der Motorsteuerung zurechnet.

Eine Zeitermittlung durch Auswertung von Temperaturen nach Merkmal b) c) und c1) ist nicht angesprochen.

5. Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht auf erfinderischer Tätigkeit (§ 4 PatG).

Ausgehend von dem Verfahren nach EP 681 272 A2 ist zwar die Problematik von Uhren, die auch bei abgestelltem Motor laufen müssen und die Batterie entladen, offenbart, denn damit beschäftigt sich die Anmeldung. Sie sieht die Lösung aber in der Verwendung von zwei Uhren mit unterschiedlicher Genauigkeit und unterschiedlichem Stromverbrauch. Einen Hinweis darauf, die Uhr ganz einzusparen und die Zeit anderweitig zu ermitteln, fehlt. Es gibt auch keinerlei Anlass für den Fachmann, Überlegungen in diese Richtung anzustellen.

Der Anspruch 1 ist somit ebenso wie die auf ihn rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 10 patentfähig.

Bertl Kirschneck Groß Dr. Scholz prö






BPatG:
Beschluss v. 09.03.2010
Az: 19 W (pat) 48/09


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