Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht:
Beschluss vom 23. Dezember 2004
Aktenzeichen: 8 ME 169/04

(Niedersächsisches OVG: Beschluss v. 23.12.2004, Az.: 8 ME 169/04)

1. Zu den Voraussetzungen für den Widerruf der Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung "Altenpflegerin"

2. Da das Altenpflegegesetz nicht die erforderliche gesetzliche Grundlage enthält, um eine "Altenpflegerin" bei Zweifeln an dem Fortbestand ihrer gesundheitlichen Eignung zur Berufsausübung zu einer amts- oder fachärztlichen Untersuchung aufzufordern, darf aus der Weigerung, sich einer solchen Untersuchung zu unterziehen, nicht auf den Wegfall der gesundheitlichen Eignung geschlossen werden.

Gründe

Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist begründet.

Es bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Widerrufs der der Antragstellerin erteilten Erlaubnis zur Führung der Berufsbezeichnung "Altenpflegerin". Unter Änderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts, mit dem ihr Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt worden, ist daher die aufschiebende Wirkung des Widerspruches der Antragstellerin wiederherzustellen.

Die 1958 geborene Antragstellerin war zuletzt als verantwortliche Pflegefachkraft in einem Altenheim in C. beschäftigt. Bei einer Überprüfung dieses Heimes durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen Niedersachsen (MDKN) wurden im Jahr 2003 erhebliche Missstände festgestellt. Ehemalige Mitarbeiterinnen gaben zudem an, dass sich die Antragstellerin als verantwortliche Pflegefachkraft gern über ärztliche Anordnungen hinweggesetzt, im Laufe der Jahre ihre Persönlichkeit verändert, zunehmend gerne privat getrunken und man häufiger das Gefühl gehabt habe, dass sie während der Dienstzeit getrunken habe. Ihre Sprache sei verwaschen gewesen. Außerhalb ihrer Dienstzeiten habe es den Mitarbeitern Probleme bereitet, die in der Einrichtung wohnende Antragstellerin im angetrunkenen Zustand in ihren Privatbereich zurück zu begleiten. Die Antragsgegnerin hat deshalb Zweifel an der erforderlichen beruflichen Zuverlässigkeit und gesundheitlichen Eignung der Antragstellerin für eine Tätigkeit als Altenpflegerin. Zur Klärung der Zweifel forderte die Antragsgegnerin die Antragstellerin auf, sich amtsärztlich im Gesundheitsamt des Landkreises D. untersuchen zu lassen. Dies lehnt die Antragstellerin ab. Sie macht unter Bezugnahme auf Stellungnahmen von anderen Mitarbeiterinnen des Heimes in C., zwei ärztliche Atteste aus dem Dezember 2003 und einen Laborbericht aus dem Oktober 2003 geltend, dass sie kein Alkoholproblem habe.

Zum Schutz der einer Altenpflegerin anvertrauten Personen, insbesondere in Altenheimen widerrief die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 23. März 2004 gestützt auf § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG i. V. m. § 2 Abs. 2 Satz 4, Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes über die Berufe in der Altenpflege (Altenpflegegesetz - AltPflG) in der Fassung vom 25. August 2003 (BGBl. I S. 1690) die der Antragstellerin im Januar 2000 erteilte Erlaubnis zur Führung der Berufsbezeichnung "Altenpflegerin" und ordnete die sofortige Vollziehung des Widerrufs an. Die Antragsgegnerin führte zur Begründung an, dass die Antragstellerin die erforderliche Zuverlässigkeit nicht mehr besitze. Es gehe zu ihren Lasten, dass sie sich nicht habe amtsärztlich untersuchen lassen und daher die aufgrund ihres vermuteten Alkoholproblems bestehenden Zweifel an ihrer Zuverlässigkeit für eine Tätigkeit als Altenpflegerin nicht ausgeräumt seien.

Das Verwaltungsgericht hat den dagegen gerichteten vorläufigen Rechtsschutzantrag abgelehnt. Es hat zur Begründung ausgeführt, dass die Erfolgsaussichten des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den angefochtenen Bescheid offen seien. Zwar setze ein Widerruf der Erlaubnis zur Führung der Berufsbezeichnung gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 AltPflG wegen nachträglich eingetretener Unzuverlässigkeit oder nach § 2 Abs. 2 Satz 3 AltPflG wegen nachträglich eingetretener gesundheitlicher Eignungsmängel die positive Feststellung der Unzuverlässigkeit bzw. der fehlenden gesundheitlichen Eignung voraus. Daran fehle es vorliegend. Die Unzuverlässigkeit bzw. Ungeeignetheit der Antragstellerin werde jedenfalls schwerpunktmäßig auf eine Alkoholabhängigkeit der Antragstellerin gestützt, die lediglich vermutet, nicht aber erwiesen sei. Möglicherweise reichten die aufgrund der nicht erfolgten amtsärztlichen Untersuchung verbleibenden Zweifel an der Zuverlässigkeit oder gesundheitlichen Eignung zum Widerruf der Berufsbezeichnung nach § 2 Abs. 2 Satz 4, Abs. 1 Nr. 2 und 3 AltPflG i. V. m. § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG aus. Dazu bedürfe es aber jedenfalls einer endgültigen Weigerung der Antragstellerin, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen. Dies sei bislang nicht der Fall. Vielmehr sei der Antragstellerin im Rahmen des Widerspruchsverfahrens erneut Gelegenheit zu einer amtsärztlichen Untersuchung zu geben. Bei dieser Sachlage bedürfe es einer Interessenabwägung, die zu Lasten der Antragstellerin ausgehe. Das öffentliche Interesse, pflegebedürftige Heimbewohner bis zur Klärung der Rechtmäßigkeit eines Widerrufs der Erlaubnis zu schützen, überwiege das Interesse der Antragstellerin.

Auf die hiergegen von der Antragstellerin erhobene Beschwerde ist der Beschluss des Verwaltungsgerichts zu ändern und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin wiederherzustellen. Die gerichtliche Entscheidung über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs setzt eine Abwägung des Interesses der Antragstellerin, von der Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts bis zur endgültigen Entscheidung über seine Rechtmäßigkeit verschont zu bleiben, gegen das öffentliche Interesse an dessen sofortiger Vollziehung voraus. Das Interesse an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung überwiegt in aller Regel, wenn sich der Rechtsbehelf als offensichtlich begründet erweist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 20.10.1995 - 1 VR 1/95 -; Senatsbeschl. v. 27.5.2004 - 8 ME 41 und 42/04 -). Dies ist vorliegend der Fall.

Der hier streitige Widerruf der Berufsbezeichnung €Altenpflegerin€ richtet sich nach § 2 Abs. 2 AltPflG. Das Altenpflegegesetz ist hinsichtlich der maßgeblichen Regelungen über die Berufsbezeichnung €Altenpflegerin€ verfassungskonform (vgl. BVerfG, Urt. v. 24.10.2002 - 2 BvF 1/01 - BVerfGE 106, 62 ff.) und hat daher insoweit die Regelungen des zuvor geltenden niedersächsischen Gesetzes über die Berufe in der Altenpflege vom 26. Juni 1996 (Nds. GVBl. S. 276), geändert durch Gesetz vom 15. Juli 1999 (Nds. GVBl. S. 158), abgelöst (vgl. Viere, Erläuterungen zum Altenpflegegesetz in: Das Deutsche Bundesrecht, I K 34, S. 16).

8Nach § 2 Abs. 2 Satz 2 AltPflG ist die Erlaubnis zur Führung der Berufsbezeichnung €Altenpflegerin€ zu widerrufen, wenn nachträglich die Voraussetzung nach Abs. 1 Nr. 2 weggefallen ist, d. h. die Betroffene sich eines Verhaltens schuldig gemacht hat, aus dem sich die Unzuverlässigkeit zur Ausübung des Berufes ergibt. Dies setzt ein Verhalten voraus, das nach Art, Schwere und Zahl von Verstößen gegen Berufspflichten die zu begründende Prognose rechtfertigt, die Betroffene biete aufgrund der begangenen Verfehlungen nicht die Gewähr, in Zukunft die berufsspezifischen Vorschriften und Pflichten zu beachten. Dabei sind die gesamte Persönlichkeit der Betroffenen und ihre Lebensumstände im Zeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens zu würdigen (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.9.2002 - 3 C 37/01 -, NJW 2003, 913 ff., zu § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BApO). Ein solches Fehlverhalten der Antragstellerin kann vorliegend nicht festgestellt werden.

Zwar hat die Antragsgegnerin im angefochtenen Bescheid unter Bezugnahme auf den Mängelbericht des MDKN der Antragstellerin auch Verletzungen von Berufspflichten vorgeworfen. So habe die Antragstellerin sich über Anordnungen von Ärzten hinweggesetzt. Außerdem habe nicht festgestellt werden können, ob jeder Patient in dem Heim, in dem die Antragstellerin als Pflegefachkraft beschäftigt gewesen ist, seine Tabletten bekommen habe. Diese Vorwürfe sind jedoch nicht näher konkretisiert worden. Es ist auch nicht auf die Frage eingegangen worden, inwieweit diese vom MDKN im Sommer 2003 in der Einrichtung in C. festgestellten Mängel unter maßgeblicher Mitwirkung der Antragstellerin bis zum Erlass des streitigen Bescheides im März 2004 abgestellt worden sind. Die Antragsgegnerin hat daher die für die Feststellung der Unzuverlässigkeit notwendige Prognose, dass die Antragstellerin in Zukunft berufsspezifische Vorschriften und Pflichten als Altenpflegerin missachten werde, selbst nicht tragend auf die o.a. Vorwürfe gegenüber der Antragstellerin gestützt.

10Soweit die Antragsgegnerin sich stattdessen auf die "eventuelle Sucht oder Alkoholabhängigkeit" der Antragstellerin als Grund für deren Unzuverlässigkeit berufen hat, beruht dies auf einem unzutreffenden Verständnis der €Unzuverlässigkeit€ i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 2 AltPflG. Die Unzuverlässigkeit setzt ein schuldhaftes Verhalten der Betroffenen voraus, an dem es bei krankheitsbedingten Fehlern mangelt. Krankheiten, zu denen auch eine Alkoholsucht bzw. -abhängigkeit gehört, können allenfalls die gesundheitliche Eignung i.S. § 2 Abs. 1 Nr. 3 AltPflG ausschließen (vgl. für eine Tätigkeit als Krankenschwester das Urt. d. Senats v. 27.5.1994 - 8 L 1858/93 -, sowie Kurtenbach/Golombek/Siebers, Krankenpflegegesetz, 1986, § 2 KrPflG, S. 83). Die der Antragstellerin erteilte Erlaubnis kann daher nicht gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2, Abs. 1 Nr. 2 AltPflG wegen nachträglich eingetretener €Unzuverlässigkeit€ widerrufen werden.

Dass die Antragstellerin alkoholabhängig und deshalb in gesundheitlicher Hinsicht nicht mehr zur Ausübung ihres Berufes als Altenpflegerin geeignet ist, also die Erlaubnis nach § 2 Abs. 2 Satz 3, Abs. 1 Nr. 3 AltPflG widerrufen werden kann, kann aber ebenfalls nicht festgestellt werden.

Wie das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat, muss dazu die gesundheitliche Eignung nachträglich weggefallen sein. Bloße Zweifel am Fortbestand der gesundheitlichen Eignung reichen hingegen nicht aus. Dass die Antragstellerin tatsächlich alkoholabhängig ist, lässt sich nach dem bisherigen Verfahrensstand nicht hinreichend sicher feststellen. Hierfür sprechen zwar die Angaben ehemaliger Mitarbeiterinnen aus der Einrichtung, in der die Antragstellerin als verantwortliche Pflegefachkraft bis vor kurzem tätig gewesen ist. Diese Angaben der ehemaligen Mitarbeiterinnen beziehen sich jedoch auf ein in der Vergangenheit liegendes Verhalten der Antragstellerin und sind zudem nicht so deutlich, als dass allein daraus zwingend auf eine Alkoholabhängigkeit der Antragstellerin geschlossen werden kann. Außerdem stehen diesen Angaben die von der Antragstellerin in das Verfahren eingebrachten Stellungnahmen anderer Mitarbeiterinnen, die beiden vorgelegten privat-ärztlichen Atteste und ein Laborbericht entgegen, wonach jeweils bei der Antragstellerin keine Hinweise auf eine Alkoholabhängigkeit erkennbar seien. Dementsprechend geht auch die Antragsgegnerin lediglich von einer eventuellen Alkoholabhängigkeit der Antragstellerin aus.

13Die sinngemäße Annahme der Antragsgegnerin, dass die Antragstellerin sich wegen der bestehenden Zweifel an ihrer gesundheitlichen Eignung einer amtsärztlichen Untersuchung unterziehen müsse und ihre Weigerung, sich dieser Untersuchung zu unterziehen, dazu führe, dass die Antragstellerin als ungeeignet im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 AltPflG gelte, trifft nicht zu. Dazu fehlt es an der notwendigen gesetzlichen Grundlage. Einer solchen gesetzlichen Grundlage bedarf es schon gemäß § 1 NVwVfG i. V. m. § 26 Abs. 2 VwVfG. Danach sollen die Beteiligten zwar bei der Ermittlung des Sachverhalts mitwirken, insbesondere ihnen bekannte Tatsachen und Beweismittel angeben, § 26 Abs. 2 Sätze 1 und 2 VwVfG. Gemäß § 26 Abs. 2 Satz 3 VwVfG besteht eine weitergehende Pflicht, bei der Ermittlung des Sachverhalts mitzuwirken, insbesondere eine Pflicht zum persönlichen Erscheinen, jedoch nur, soweit sie durch Rechtsvorschrift besonders vorgesehen ist. Zu diesen Mitwirkungspflichten, die durch Rechtsvorschriften besonders vorzusehen sind, zählt auch die Pflicht, sich einer ärztlichen Untersuchung zu unterziehen (vgl. nur Clausen in Knack (Begründer), VwVfG, Kommentar, 8. Aufl., § 26 VwVfG Rn. 39). Eine solche Verpflichtung ist für den Fall der Beantragung von Sozialleistungen im Sinne des Sozialgesetzbuches allgemein in § 62 SGB I vorgesehen. Im Recht der heilkundlichen Berufe finden sich vergleichbare Bestimmungen. So kann nach § 8 Abs. 1 Nr. 3 BApO das Ruhen der Approbation angeordnet werden, wenn Zweifel bestehen, ob der Apotheker in gesundheitlicher Hinsicht noch zur Ausübung des Berufes geeignet ist, und er sich weigert, sich einer von der zuständigen Behörde angeordneten amts- oder fachärztlichen Untersuchung zu unterziehen. Entsprechende Vorschriften enthalten für Ärzte § 6 Abs. 1 Nr. 3 BÄO (vgl. dazu bei bestehenden Alkoholproblemen OVG Münster, Beschl. v. 1.7.2004 - 13 B 2436/03 -), für Zahnärzte § 5 Abs. 1 Nr. 3 ZHG, für Tierärzte § 8 Abs. 1 Nr. 3 BTÄO und für Psychologische Psychotherapeuten § 3 Abs. 3 Nr. 2 Alternative 2 PsychThG. Im Altenpflegegesetz - und anderen bundesrechtlichen Regelungen über den Schutz von Berufsbezeichnungen für Heilhilfsberufe - fehlt jedoch eine solche gesetzliche Bestimmung, wonach ein Inhaber der geschützten Berufsbezeichnung sich bei Zweifeln an seiner gesundheitlichen Eignung auf Anordnung der zuständigen Behörde einer amts- oder fachärztlichen Untersuchung zu unterziehen hat und im Weigerungsfalle die Erlaubnis ruht oder wegen eines Eignungsmangels aufzuheben ist. Über die ausdrückliche Regelung in § 26 Abs. 2 Satz 3 VwVfG hinaus bedarf eine Verpflichtung, sich einer solchen ärztlichen Untersuchung zu unterziehen, auch deshalb einer gesetzlichen Grundlage, weil es sich dabei um einen erheblichen Eingriff in das gemäß Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht handelt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24.6.1993 - 1 BvR 689/92 -, BVerfGE 89, 69 ff.). Außerdem stellt der für den Fall der Weigerung, sich ärztlich untersuchen zu lassen, drohende Widerruf der Berufsbezeichnung einen erheblichen Eingriff in die nach Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit dar. Der nicht näher begründeten Ansicht (Kurtenbach/Golombek/Siebers, a. a. O., S. 83 f.), dass auch ohne gesetzliche Regelung bei begründeten Zweifeln an der gesundheitlichen Eignung eine ärztliche Untersuchung verlangt und im Weigerungsfalle von der gesundheitlichen Ungeeignetheit ausgegangen werden könne, kann daher nicht gefolgt werden.

14Ebenso wenig können die vorgenannten Bestimmungen über das Ruhen der Approbation bei begründeten und nicht durch eine Untersuchung durch einen von der Behörde bestimmten Arzt ausgeräumten Zweifeln an der gesundheitlichen Eignung entsprechend auf den Fall des Widerrufs der geschützten Berufsbezeichnung "Altenpflegerin" angewandt werden. Zwar besteht zum Schutz der zu Pflegenden auch insoweit ein Bedürfnis, begründeten Zweifeln an der gesundheitlichen Eignung einer Altenpflegerin bzw. eines Altenpflegers nachzugehen. Der Bundesgesetzgeber hat aber nicht nur in den angeführten Regelungen über das Ruhen der Approbation, sondern auch in zahlreichen anderen Bundesgesetzen, etwa in § 42 Abs. 1 Satz 3 BBG, § 17 Abs. 4 WPflG, § 45 Abs. 4 WaffG, § 8 a Abs. 1 BRAO und § 2 Abs. 8 StVG i.V. m. § 11 FeV, entsprechende Mitwirkungspflichten der Betroffenen bei Zweifeln an der erforderlichen gesundheitlichen Eignung und die Folgen einer fehlenden Mitwirkung geregelt. In der Begründung des Gesetzentwurfes zur Einführung von § 8 a BRAO (BT-Drs. 11/3253, S. 17, 20) ist ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass die Prüfung der gesundheitlichen Eignung €derzeit mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden ist, weil kein gesetzlicher Zwang für den Bewerber besteht, sich einer etwa notwendigen ärztlichen Begutachtung zu unterziehen€ und es deshalb einer entsprechenden ausdrücklichen Regelung über eine solche Mitwirkungspflicht bedarf. Deshalb kann nicht angenommen werden, der Bundesgesetzgeber habe eine entsprechende Regelung im Altenpflegegesetz sowie in vergleichbaren Gesetzen über geschützte Berufsbezeichnungen für Heilhilfsberufe vergessen. Darüber hinaus scheidet eine entsprechende Anwendung der genannten heilkundlichen Regelungen über das Ruhen der Approbation bei Zweifeln an der gesundheitlichen Eignung des Approbationsinhabers auf den Anwendungsbereich des Altenpflegegesetzes auch deshalb aus, weil das Altenpflegegesetz ein Ruhen der Berechtigung zum Führen der geschützten Berufsbezeichnung nicht kennt. Die Antragstellerin ist schließlich auch nicht wegen ihrer prozessualen Mitwirkungspflicht als Beteiligte gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 VwGO verpflichtet, sich einer amtsärztlichen Untersuchung zu unterziehen. Die prozessuale Mitwirkungspflicht geht nicht über das hinaus, was die Behörde nach materiellem Recht verlangen kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.5.1986 - 8 C 10/84 -, BVerwGE 74, 222, 225; Höfling/Breustedt in Sodan/Ziekow, VwGO, Kommentar, § 86 Rn. 120). Besteht daher aufgrund der fehlenden notwendigen gesetzlichen Regelung keine Verpflichtung der Antragstellerin, sich amts- oder fachärztlich auf Anordnung der Antragsgegnerin als zuständige Behörde untersuchen zu lassen, so kann ihre fehlende Mitwirkung ihr nicht zum Nachteil gereichen. Daraus darf nicht auf einen Wegfall ihrer gesundheitlichen Eignung geschlossen werden. Dementsprechend kann diese gemäß § 2 Abs. 2 Satz 3, Abs. 1 Nr. 3 AltPflG erforderliche Widerrufsvoraussetzung nicht festgestellt werden.

15Schließlich kann wegen der geltend gemachten Zweifel an der gesundheitlichen Eignung die Erlaubnis zur Führung der Berufsbezeichnung "Altenpflegerin" auch nicht gemäß §§ 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG, § 1 NVwVfG, § 2 Abs. 2 Satz 4, Abs. 1 Nr. 3 AltPflG widerrufen werden. Zwar bleiben gemäß § 2 Abs. 2 Satz 4 AltPflG die den §§ 48 und 49 VwVfG entsprechenden landesgesetzlichen Vorschriften unberührt. Dies gilt jedoch nur "im Übrigen", d. h. soweit in § 2 Abs. 2 Satz 1 bis 3 AltPflG keine vorrangige und abschließende Regelung enthalten ist. Dies ist aber für die hier streitigen Voraussetzungen für den Widerruf der geschützten Berufsbezeichnung wegen Zweifeln am Fortbestand der erforderlichen gesundheitlichen Eignung der Fall. § 2 Abs. 2 Satz 3 AltPflG ist nach den vorhergehenden Ausführungen so zu verstehen, dass ein solcher Widerruf nur in Betracht kommt, wenn feststeht, dass nachträglich die gesundheitliche Eignung zur Ausübung des Berufes einer Altenpflegerin weggefallen ist, und hieran nicht lediglich Zweifel bestehen. Der Verweis auf die im Übrigen für die Aufhebung der geschützten Berufsbezeichnung unberührt bleibenden Bestimmungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes bezieht sich demnach nur auf in § 2 Abs. 2 Sätze 1 bis 3 AltPflG nicht geregelte Fallkonstellationen, etwa den Fall der bereits bei Erteilung der Erlaubnis fehlenden gesundheitlichen Eignung. Dieser Verweis rechtfertigt es aber nicht, durch einen Rückgriff auf §§ 48 und 49 VwVfG die in § 2 Abs. 2 Satz 1 bis 3 AltPflG speziell geregelten Voraussetzungen für die Aufhebung der geschützten Berufsbezeichnung abzusenken. Dies widerspräche zudem dem Normverständnis des Gesetzgebers. Der im Laufe der Gesetzgebungsberatungen aufgrund der Beschlüsse des federführenden Ausschusses in den Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT-Drucks. 14/1578) eingefügte § 2 Abs. 2 AltPflG sollte nämlich allein das bei Anwendung der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder bestehende Rücknahme - und Widerrufsermessen der zuständigen Behörde zum Schutz der Pflegebedürftigen einschränken (vgl. BT-Drucks. 14/3736, S. 26; Viere, Erläuterungen zum Altenpflegegesetz in Das Deutsche Bundesrecht, I K 34, S. 18).

16Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus §§ 71 Halbs. 2, 53 Abs. 3 Nr. 2 und 52 Abs. 1 GKG. Das Interesse an der Erlaubnis zur Führung der Berufsbezeichnung für einen Heilhilfsberuf - wie die hier von der Antragstellerin geführte Berufsbezeichnung "Altenpflegerin" - ist mit dem Mindestwert zu bemessen, den der sogenannte Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit für die Berufsberechtigung, die Eintragung und die Löschung im Bereich des Rechts der freien Berufe vorsieht, soweit nicht ein höherer Jahresgewinn dargelegt worden ist (vgl. zuletzt Senatsbeschl. v. 15.12.2004 - 8 OA 303/04 -). Dieser Mindestwert beträgt nach Ziffer 14.1 des Streitwertkatalogs in der Fassung vom Juli 2004 nunmehr für das Hauptsacheverfahren 15.000,- EUR. Für das hier gegebene Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes ist gemäß Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs der Wert des Hauptsachverfahrens zu halbieren.






Niedersächsisches OVG:
Beschluss v. 23.12.2004
Az: 8 ME 169/04


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