Oberlandesgericht München:
Urteil vom 17. September 2009
Aktenzeichen: 29 U 3337/09

(OLG München: Urteil v. 17.09.2009, Az.: 29 U 3337/09)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Oberlandesgericht München hat in dem vorliegenden Fall die Berufung der Antragsgegnerin gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 7. April 2009 zurückgewiesen. Das Gericht entschied, dass die angegriffene Werbeanzeige als lauterkeitsrechtlich unzulässig gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG zu unterlassen ist. Es spielt dabei keine Rolle, ob die Werbeanzeige von § 3 Abs. 3 UWG i. V. m. Nr. 11 des Anhangs erfasst wird, da sie auf jeden Fall gemäß § 3 Abs. 1 i. V. m. § 4 Nr. 3 UWG unzulässig ist.

Gemäß § 4 Nr. 3 UWG handelt eine Person unlauter, wenn sie den Werbecharakter von geschäftlichen Handlungen verschleiert. Im vorliegenden Fall erfüllt die Werbeanzeige nicht die Anforderungen, den Werbecharakter klar und eindeutig zu kennzeichnen. Das äußere Erscheinungsbild der Anzeige lässt nicht klar erkennen, dass es sich um Werbung handelt. Die Anzeige enthält Elemente, die sie wie einen redaktionellen Beitrag erscheinen lassen, wie beispielsweise dieselbe Kopfzeile wie redaktionelle Beiträge und eine ähnliche farbliche Gestaltung. Zudem ist der Hinweis auf den Werbecharakter (ANZEIGE) nicht deutlich genug. Die Unauffälligkeit des Textes ist nicht geeignet, den Werbecharakter klar und eindeutig erkennen zu lassen. Dies stellt eine Verschleierung des Werbecharakters dar.

Die angegriffene Anzeige ist deutschlandweit verfügbar und die Verschleierung wird durch die Verwendung mehrerer redaktioneller Elemente verstärkt. Dies macht die Werbeanzeige geeignet, die Interessen von Verbrauchern spürbar zu beeinträchtigen und somit unzulässig gemäß § 3 Abs. 1 UWG.

Das Gericht entscheidet, dass die Antragsgegnerin die Kosten des Berufungsverfahrens tragen muss.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

OLG München: Urteil v. 17.09.2009, Az: 29 U 3337/09


Tenor

I. Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 7. April 2009 wird zurückgewiesen.

II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Gründe

I. Von einem Tatbestand wird gemäß § 540 Abs. 2, § 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

II. Die zulässige Berufung ist unbegründet. Insbesondere ist das Landgericht zu Recht davon ausgegangen, dass die angegriffene Werbeanzeige als lauterkeitsrechtlich unzulässig gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG zu unterlassen ist. Dabei kann dahin stehen, ob die angegriffene Werbeanzeige von § 3 Abs. 3 UWG i. V. m. Nr. 11 des Anhangs dazu erfasst wird, da sie jedenfalls gemäß § 3 Abs. 1 i. V. m. § 4 Nr. 3 UWG unzulässig ist.

1. Gemäß § 3 Abs. 3 UWG i. V. m. Nr. 11 des Anhangs dazu ist der vom Unternehmer finanzierte Einsatz redaktioneller Inhalte zu Zwecken der Verkaufsförderung, ohne dass sich dieser Zusammenhang aus dem Inhalt oder aus der Art der optischen oder akustischen Darstellung eindeutig ergibt, stets unzulässig. Ob jeder Beitrag einen redaktionellen Inhalt in diesem Sinne darstellt, wenn er seiner Gestaltung nach als objektive neutrale Berichterstattung durch das Medienunternehmen selbst erscheint (so Köhler in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm , UWG, 27. Aufl. 2009, Anh zu § 3 III Nr. 11 Rz. 11.2), oder ob der Begriff des redaktionellen Inhalts voraussetzt, dass der Inhalt tatsächlich von einer Redaktion aufbereitet worden ist (so wohl Frank in: Harte/Henning , UWG, 2. Aufl. 2009, Anh. § 3 Abs. 3 Nr. 11 Rz. 19), ist in der Rechtsprechung noch nicht geklärt. Diese Frage bedarf im Streitfall indes keiner Entscheidung, obwohl bei der angegriffenen Anzeige nicht davon ausgegangen werden kann, dass sie von der Redaktion der Zeitschrift aufbereitet worden ist. Denn selbst wenn es sich dabei nicht um einen redaktionellen Inhalt in diesem Sinne handelt, besteht der Verfügungsanspruch auf der Grundlage des § 3 Abs. 1 i. V. m. § 4 Nr. 3 UWG.

Nach § 4 Nr. 3 UWG handelt unlauter, wer den Werbecharakter von geschäftlichen Handlungen verschleiert. Eine Verschleierung liegt vor, wenn das äußere Erscheinungsbild einer Anzeige so gestaltet wird, dass die angesprochenen Verbraucher sie nicht klar und eindeutig als solche erkennen. Maßgebend ist dabei die Sichtweise des durchschnittlich informierten, situationsadäquat aufmerksamen und verständigen Verbrauchers (vgl. Köhler , a. a. O., § 4 Rz. 3.11). Eine Veröffentlichung gegen Entgelt ist als Anzeige kenntlich zu machen hat, wenn sie nicht schon durch Anordnung und Gestaltung allgemein als solche zu erkennen ist. Diese Verpflichtung soll sicherstellen, dass der Werbecharakter einer bezahlten Veröffentlichung dem durchschnittlich informierten, situationsadäquat aufmerksamen und verständigen Leser ohne weiteres erkennbar ist. Ist der Werbetext als redaktioneller Beitrag aufgemacht, sind an die Kennzeichnung als Werbung hohe Anforderungen zu stellen; der Hinweis muss nach Schriftart, Schriftgröße, Platzierung und Begleitumständen ausreichend deutlich sein, um eine Irreführung zu vermeiden (vgl. Köhler , a. a. O., Rz. 3.21 m. w. N.).

2. Diesen Anforderungen genügt die angegriffene Anzeige nicht.

a) Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass das äußere Erscheinungsbild der Anzeige deren Werbecharakter nicht klar und eindeutig erkennen lässt, und deshalb die Voraussetzungen des § 4 Nr. 3 UWG gegeben sind.

aa) Die Anzeige weist mehrere Elemente auf, die sie als redaktionellen Beitrag erscheinen lassen. So enthält sie in ihrer linken oberen Ecke in derselben farblichen Gestaltung (weiße Schrift auf grünem Untergrund) dieselbe Kopfzeile Aktuelle Gesundheit , wie sie auf den Seiten 62, 64 und 66 desselben Hefts für redaktionelle Beiträge verwendet wird. Darauf, dass sich diese Beiträge erst weiter hinten im Heft befinden als die angegriffene Anzeige, kann es schon deshalb nicht ankommen, weil keineswegs sichergestellt ist, dass die Leser die Zeitschrift in einer bestimmten Reihenfolge durchblättern. Zudem sind bereits in dem am Anfang des Hefts befindlichen Inhaltverzeichnis die redaktionellen Beiträge zu dem mit Aktuelle Gesundheit bezeichneten Themenkreis in derselben farblichen Gestaltung angekündigt. Hinzu kommt, dass die farbliche Gestaltung der Überschrift und der Zwischentitel im Text in roter Farbe bei der angegriffenen Anzeige mit dem auf derselben Seite wiedergegebenen redaktionellen Beitrag übereinstimmt. Auch das erweckt den Eindruck, bei der Anzeige handele es sich um einen redaktionellen Beitrag. Die Antragsgegnerin geht auch selbst davon aus, dass die Anzeige redaktionelle Elemente enthält (vgl. S. 4 d. Berufungsbegründung v. 8. Juli 2009 = Bl. 71 d. A.).

Die von der Antragsgegnerin angeführten Umstände, die auf den Werbecharakter der Anzeige hinweisen (thematischer Bruch zum redaktionellen Beitrag auf derselben Seite, Ähnlichkeit im Layout mit der Anzeige auf der gegenüberliegenden Seite (die allerdings keine Kopfzeile aufweist), Wiedergabe der Produktverpackung im unteren Bereich der Anzeige), sind angesichts der Verwendung redaktioneller Elemente nicht geeignet, den Werbecharakter ohne weiteres unzweifelhaft erkennbar zu machen. Unklarheiten in der Kennzeichnung gehen aber zu Lasten der Antragsgegnerin (vgl. Lehmler in: Büscher/Dittmer/Schiwy , Gewerblicher Rechtsschutz € Urheberrecht € Medienrecht, 2008, § 4 Nr. 3 UWG Rz. 23).

bb) Ebenfalls zu Recht hat das Landgericht im Streitfall den ausdrücklichen Hinweis ANZEIGE als nicht hinreichend angesehen.

Der maßgebliche Durchschnittsverbraucher liest Zeitschriften wie die, in der die angegriffene Anzeige erschienen ist, zur Unterhaltung und Zerstreuung; dementsprechend ist die Aufmerksamkeit, die er den Inhalten beim ersten Sichten entgegenbringt, nicht hoch. Es bedarf daher eines optisch markanten Hinweises, um ihm den Werbecharakter einer aus sich heraus als solche nicht eindeutig erkennbaren Anzeige vor Augen zu führen.

11Der im Streitfall verwendete Text ist in weißer, sehr kleiner Schrift gehalten und hebt sich vom unruhigen lavendelfarbenen Hintergrund nicht deutlich ab. Wegen dieser Unauffälligkeit ist er nicht geeignet, den Werbecharakter der Anzeige klar und eindeutig erkennen zu lassen. Es liegt daher eine Verschleierung des Werbecharakters der Anzeige i. S. d. § 4 Nr. 3 UWG vor.

b) Sowohl die deutschlandweite Verfügbarkeit der Zeitschrift als auch der Grad der Verschleierung durch die Verwendung mehrerer redaktioneller Elemente begründen die Eignung der Anzeige, die Interessen von Verbrauchern spürbar zu beeinträchtigen, und machen diese gemäß § 3 Abs. 1 UWG unzulässig.

III. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.






OLG München:
Urteil v. 17.09.2009
Az: 29 U 3337/09


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