Verwaltungsgericht Köln:
Beschluss vom 26. März 2014
Aktenzeichen: 22 L 1439/13

(VG Köln: Beschluss v. 26.03.2014, Az.: 22 L 1439/13)

Entspricht das Angebot von Sortierleistungen gemäß § 28 Abs. 1 PostG der grundsätzlichen Verpflichtung, Teilleistungen gesondert anzubieten, handelt es sich bei dem Umstand, ob eine derartige Teilleistungsmodalität überhaupt angeboten wird, objektiv nicht um ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis.

Es entspricht auch im Bereich des Postrechts dem Charakter der Geheimhaltungsverpflichtung mit Offenbarungsvorbehalt nach § 30 VwVfG, dass die Behörde das für sich reklamierte Offenbarungsrecht nachvollziehbar dargelegt.

Die Bundesnetzagentur hat regelmäßig nur dann Anlass, auch subjektive Rechte Dritter zum Gegenstand ihrer Regulierungsentscheidung zu machen, wenn diese ihr gegenüber durch einen eigenen Sachantrag und unter Inanspruchnahme subjektiver Rechte geltend gemacht werden.

§ 32 PostG findet im Zusammenhang mit dem Angebot von Teilleistungen nur insoweit Anwendung, als nicht die §§ 28 ff. PostG speziellere Regelungsinstrumentarien vorsehen.

Tenor

1. Der Antragsgegnerin wird vorläufig untersagt, in dem von der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen geführten postrechtlichen Missbrauchsverfahren BK5a-13/018 sämtliche Angaben, die Einlieferungszeiten oder reservierte und tatsächliche Einlieferungsmengen der Kunden der Antragstellerin betreffen, an andere Verfahrensbeteiligte oder sonstige Dritte weiterzugeben oder anderen Verfahrensbeteiligten oder sonstigen Dritten Einsicht in diese Angaben zu gewähren.

Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragstellerin zu 1/3 und die Antragsgegnerin zu 2/3.

2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 50.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um den Geheimnischarakter und die Offenbarung von Angaben der Antragstellerin gegenüber der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen (BNA) in dem postrechtlichen Missbrauchsverfahren BK5a-13/018.

Bis zum Jahre 2012 widmeten sich die Firmen D. E. GmbH und D. U. GmbH (D1. ) Presseberichten zufolge mit 19 Angestellten dem Bau und der Wartung großer Briefsortiermaschinen für die Firma U1. Q. E1. (U1. ), ein Tochterunternehmen des niederländischen Logistikkonzerns Post NL. Im März 2014 wurden die Gesellschaften der U1. Q. unter dem Namen Q1. zusammengefasst. Die Firma Q1. E1. GmbH, ebenfalls ein Tochterunternehmen des niederländischen Logistikkonzerns Post NL, befasst sich mit der Konsolidierung von Briefsendungen. Ende 2012 erwarb die DPAG einen Anteil von 49 % der D. U. GmbH und 26 % der D. E. GmbH, die sich fortan ebenfalls mit der Konsolidierung von Briefsendungen für Endkunden und andere Postdienstleister befasste und in der Presse mitteilte, man wolle in Teilbereichen Kapazitäten Dritter nutzen, um vom Start weg sehr gut aufgestellt zu sein und wolle deshalb Sortierkapazitäten bei der DPAG einkaufen.

In der Folgezeit kündigte die D1. den Wartungsvertrag für die Briefsortiermaschinen der Q1. und schloss am 14. Mai 2013 mit der Antragstellerin (E2. Q. J. T. GmbH (E2. )), einem hundertprozentigen Tochterunternehmen der DPAG, einen Vertrag über die Konsolidierung vorsortierter und formatgetrennt eingelieferter Briefsendungen. Der Vertrag enthält neben den seitens D1. für die in Anspruch genommenen Konsolidierungsleistungen zu entrichtenden Entgelten als Anlage 2 auch eine Übersicht der Standorte und Einlieferungszeiten für die D1. . Gemäß dieser Liste reserviert die Antragstellerin der D1. für die Einlieferung von Briefsendungen verschiedene Zeitslots (reservierte Zeitfenster) je angefragtem Standort abhängig von Einlieferungsmengen und Grad der Sendungsvorbereitung. Die spätesten Einlieferungsslots (reservierte Mengenfenster) werden jeweils für vorsortierte/frankierte Standard- und Kompaktbriefe (S/KBf) zur Verfügung gestellt. Eine letzte Einlieferungsmöglichkeit für Sendungsmengen zwischen 00.000 und 00.000 Sendungen besteht in der Zeit von XX:XX Uhr oder XX:XX Uhr, je nach gewähltem Standort der Antragstellerin. Die Einlieferungsslots der Antragstellerin in den Briefzentren Abgang (BZA) der DPAG liegen regelmäßig noch später, um eine Zustellung am Folgetag (E+1) zu gewährleisten.

Bereits unter dem 9. April 2013 forderte die Q1. E1. GmbH die Antragstellerin zur Abgabe eines Angebotes für Sortierleistungen auf. Sie habe aufgrund der Kündigung des Wartungsvertrages für ihre Großbriefsortiermaschinen dringenden und erheblichen Bedarf an Sortierleistungen für Großbriefe an verschiedenen Standorten. Unter dem 27. Mai 2013 bot die Antragstellerin für den Standort G. Teilleistungen für überwiegend DV-freigemachte, vorsortierte, mit Konsolidierungskennziffer versehene und teilleistungskonform aufbereitete Briefsendungen mengen- und produktabhängig in einem Zeitslot zwischen XX:XX und XX:XX Uhr an. Gleiches bot die Antragstellerin für den Standort F. in einem Zeitslot zwischen XX:XX und XX:XX Uhr an. Hierzu machte sie geltend, dass nur auf diese Weise infolge der hohen Sendungsmengen und der bereits stark ausgelasteten Sortierkapazitäten die gewünschte Zustellung am Folgetag gewährleistet werden könne.

Am 24. April 2013 wies der Verfahrensbevollmächtigte der Q1. E1. GmbH die BNA auf den vorgenannten Sachverhalt telefonisch hin und machte mit Schreiben vom 3. Mai 2013 geltend, dass die Antragstellerin die D1. gegenüber der Q1. E1. GmbH bevorzuge: Die Antragstellerin handele missbräuchlich, weil sie der Q1. E1. GmbH ungünstigere Einlieferungsbedingungen angeboten habe als der D1. und sie lediglich Konsolidierungsleistungen statt reine Sortierleistungen offeriert habe. Überdies habe die Antragstellerin versäumt, von sich aus Wettbewerbern vergleichbare Angebote zum gleichen Zeitpunkt wie der D1. vorzulegen.

Am 8. Juli 2013 eröffnete die BNA ein Missbrauchsverfahren gegen die Antragstellerin nach § 32 PostG wegen diskriminierender Zugangsbedingungen für Sortier- und Konsolidierungsleistungen und forderte die Antragstellerin zur Stellungnahme und Vorlage von Nachweisen auf. U. a. mit Schreiben vom 15. August 2013 erläuterte die Antragstellerin ihre Auffassung zu den gewährten Zugangsbedingungen für Sortierund Konsolidierungsleistungen unter Darlegung der nachgefragten und angebotenen Teilleistungen, Zeitslots, Einlieferungsslots/Einlieferungsmengen, Einlieferungsstandorte, Nennung einiger Kunden der Antragstellerin und Inbezugnahme des Vertrages vom 14. Mai 2013. Hierzu überreichte sie auf Bitte der BNA auch geschwärzte Fassungen des Schreibens vom 15. August 2013, die aus Sicht der Antragstellerin um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse bereinigt sind.

Mit Schreiben vom 17. September 2013 teilte die BNA der Antragstellerin mit, dass sie überwiegend kein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse der Antragstellerin an den vorgenommenen Schwärzungen erkennen könne. Welche Teilleistung angeboten und nachgefragt werde, sei kein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis. Auch die erwähnten Slotzeiten seien nicht geheimhaltungsbedürftig, denn aufgrund des Vorwurfs der Diskriminierung sei offensichtlich, dass die Antragstellerin der D1. spätere Einlieferungszeiten gewähre. Aus der geltend gemachten Kapazitätsauslastung könnten Wettbewerber keine relevanten Rückschlüsse ziehen. Gleiches gelte für die benannten Einlieferungsslots: Die Reservierung einer Sendungskapazität stelle kein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis dar. Zudem seien nur die Einlieferungsmengen zweier Kunden und nur zwei Standorte in die Betrachtung einbezogen worden. Schützenswert seien lediglich die seitens der Q1. E1. GmbH nachgefragten und von der D1. derzeit belieferten Standorte sowie die Benennung weiterer Kunden der Antragstellerin. Die BNA beabsichtige deshalb die Weitergabe einer entsprechend geschwärzten Fassung des Schreibens der Antragstellerin vom 15. August 2013 an Wettbewerber, die dem Missbrauchsverfahren beigeladen wurden. Ausschließlich der Q1. E1. GmbH übersandte die BNA am 22. August 2013 eine weitgehend teilentschwärzte Fassung dieses Schreibens und kündigte der Antragstellerin mit Schreiben vom 17. September 2013 an, beigeladenen Wettbewerbern des Missbrauchsverfahrens teilentschwärzte Fassungen des Schreibens vom 15. August 2013, die nach ihrer Auffassung keine Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse enthalten, zur Verfügung zu stellen.

Am 25. September 2013 hat die Antragstellerin um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Es obliege ihrer geheim zu haltenden strategischen Entscheidung, ob und mit welcher Leistungsmodalität (Sortier-/Konsolidierungsleistungen) sie an den Markt gehen wolle. Die Bekanntgabe von Slotzeiten und Einlieferungsmengen erlaube den Rückschluss auf noch vorhandene Kapazitäten. Erkenne ein Wettbewerber die Kapazitätsengpässe eines anderen Anbieters, ändere er seine Angebotsstrategie in der Region drastisch, da er zu gewissen Zeiten und für gewisse Mengen keinen Wettbewerb fürchten müsse. Die Kapazitätsreservierung orientiere sich an zutreffenden Einlieferungsprognosen. Im Übrigen sei die Aufklärung des Sachverhalts originäre Aufgabe der BNA, der hierfür eine ungeschwärzte Fassung des Schreibens vom 15. August 2013 zur Verfügung stehe.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,

der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, in dem von der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen geführten postrechtlichen Missbrauchsverfahren BK5a-13/018 sämtliche Angaben, die Einlieferungszeiten oder reservierte und tatsächliche Einlieferungsmengen der Kunden der Antragstellerin oder die Sortier/Konsolidierungsleistungen der Antragstellerin für ihre Kunden betreffen, an andere Verfahrensbeteiligte oder sonstige Dritte weiterzugeben oder anderen Verfahrensbeteiligten oder sonstigen Dritten Einsicht in diese Angaben zu gewähren.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie macht geltend, dass die Antragstellerin ohnehin verpflichtet sei, Konsolidierungsleistungen anzubieten, so dass die nachgefragten und angebotenen Sortierleistungen kein Betriebsund Geschäftsgeheimnis der Antragstellerin, sondern allenfalls der Q1. E1. GmbH seien; diese sei mit einer Weitergabe dieser Information und der Veröffentlichung der nachgefragten Sortierstandorte einverstanden. Es bestehe der Verdacht, dass die Antragstellerin die D1. beim Teilleistungszugang bevorzuge, ihr insbesondere überhöhte Sendungskapazitäten reserviere, um den Teilleistungszugang zu Lasten von Wettbewerbern zu verknappen. An den benannten Einlieferungszeiten sowie Einlieferungsslots und -mengen bestehe nach ihrer maßgebenden Auffassung kein schützenswertes Geheimhaltungsinteresse. Um sich eine breitere Erkenntnisgrundlage zu verschaffen, bedürfe es dezidierter Stellungnahmen Dritter; diese müssten dafür die konkreten Fakten kennen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin.

II.

Der Antrag nach § 123 VwGO ist die richtige Form vorläufigen Rechtsschutzes für das zur Entscheidung gestellte Begehren. Das Schreiben der BNA vom 17. September 2013, wonach sie Beteiligten Teile der von der Antragstellerin als Betriebs- und Geschäftsgeheimnis bezeichneten Angaben bekanntzugeben beabsichtige, ist nur rein informeller Art und beinhaltet keine Regelung gegenüber der Antragstellerin, gegen die vorläufiger Rechtsschutz gem. § 123 Abs. 5 VwGO nur nach §§ 80, 80a VwGO erlangt werden könnte. Denn die Gewährung von Akteneinsicht ist ein schlicht hoheitliches Verwaltungshandeln ohne Verwaltungsaktcharakter.

Gemäß §§ 122 Abs. 1, 88 VwGO legt die Kammer das zur Entscheidung gestellte Antragsbegehren dahin aus, dass die Antragstellerin gegenüber Dritten den Geheimnisschutz aller Angaben über Einlieferungszeiten sowie tatsächliche und reservierte Einlieferungsmengen ihrer Kunden begehrt und mit der Formulierung "Sortier/Konsolidierungsleistungen" die Bekanntgabe unterbinden will, ob sie reine Sortierleistungen als Leistungsmodalität anbietet.

Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt voraus, dass die Antragstellerin einen Anordnungsanspruch sowie eine besondere Dringlichkeit für die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund) glaubhaft macht, § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. §§ 920 ff ZPO. Diese Voraussetzungen liegen teilweise vor.

Zwar können nach § 44a VwGO Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen grundsätzlich nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden. Das gilt jedoch nicht, wenn das von der Verfahrenshandlung betroffene Recht - wie hier - durch diese Sachentscheidung nicht mehr gewahrt werden kann.

Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 12. Mai 1999 - 13 B 632/99 -, juris.

Gemäß § 30 VwVfG hat ein Verfahrensbeteiligter Anspruch darauf, dass seine Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse von der Behörde nicht unbefugt offenbart werden. Dieser Anspruch wird allgemein als Geheimhaltungsanspruch mit Offenbarungsvorbehalt verstanden, wobei dem Geheimhaltungsinteresse zunächst Priorität zukommt. Soweit keine vom Geheimhaltungsanspruchsträger eingeräumte oder gesetzlich vorgesehene Offenbarungsbefugnis besteht, ist eine Berechtigung zur Offenbarung dann allgemein anerkannt, wenn eine Abwägung der widerstreitenden Interessen ein überwiegendes Offenbarungsinteresse der Allgemeinheit oder Dritter ergibt.

Sonderregelungen betreffend den Geheimhaltungsanspruch für das Regulierungsverfahren existieren insoweit nicht. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ist der Anwendungsbereich des § 30 VwVfG gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG i. V. m. § 9 VwVfG eröffnet. Die gerichtsförmige Ausgestaltung des Regulierungsverfahrens durch die Beschlusskammern erfordert keine für den Geheimhaltungsanspruchsinhaber verschärften Maßstäbe. Auch § 75a Abs. 1 S. 4 TKG 1996 überantwortet die Prüfungskompetenz, die objektive Nachvollziehbarkeit eines geltend gemachten Geheimhaltungsinteresses zu beurteilen, in postrechtlichen Regulierungsverfahren nicht der Beschlusskammer. Denn § 44 Satz 2 PostG i. d. F. 22.12.1997 verweist nicht auf § 75a Abs. 1 S. 4 TKG 1996. § 75a TKG 1996 ist erst durch Art. 18 Nr. 3 des Post- und telekommunikationsrechtlichen Bereinigungsgesetzes vom 7. Mai 2002 (BGBl I S. 1529) in das Telekommunikationsgesetz vom 25. Juli 1996 (BGBl I S. 1120) eingefügt worden. Die Vorschrift enthält Sonderregelungen über den Umgang mit Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen im Beschlusskammerverfahren (§§ 73 ff. TKG 1996) und in einem sich anschließenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren. Selbst dann, wenn man § 44 PostG im Sinne einer dynamischen Verweisung verstehen will, erstreckt sich diese nach Außerkrafttreten des TKG 1996 nur auf inhaltlich entsprechende Bestimmungen. Fehlt es an einem hinreichend engen inhaltlichen Zusammenhang zwischen den in der Verweisungsnorm in Bezug genommenen Bestimmungen und einer in einem später erlassenen Gesetz enthaltenen Vorschrift, ist nicht in einer dem Bestimmtheitsgebot genügenden Weise zu erkennen, dass diese Bestimmung von der Verweisungsnorm erfasst wird.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 28.03.2006 - 6 C 13/05 -, juris.

§ 75a Abs. 1 S. 4 TKG 1996 i. d. F. vom 7. Mai 2002 findet ebenso wie die Nachfolgeregelung in § 136 Satz 4 TKG 2004 i. d. F. 22.6.2004 im TKG 1996 i. d. F vom 25. Juli 1996 und damit auch in dem Verweisungskatalog des § 44 PostG i. d. F. 22.12.1997 keine inhaltliche Entsprechung.

Gemäß § 30 VwVfG haben die Beteiligten Anspruch darauf, dass ihre Geheimnisse, insbesondere die zum persönlichen Lebensbereich gehörenden Geheimnisse sowie die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, von der Behörde nicht unbefugt offenbart werden. Diese Daten müssen nicht geheim gehalten werden, wenn es sich überhaupt nicht um Geschäftsgeheimnisse handelt, wenn ihre Offenlegung keine Nachteile bewirkt oder wenn der Geheimnisschutz in der Abwägung des Geheimhaltungsinteresses der Antragstellerin mit dem Offenbarungsinteresse der Antragsgegnerin oder Dritter zurückzutreten hat.

Als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse werden alle auf ein Unternehmen bezogenen Tatsachen, Umstände und Vorgänge verstanden, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat. Betriebsgeheimnisse umfassen im Wesentlichen technisches Wissen im weitesten Sinne; Geschäftsgeheimnisse betreffen vornehmlich kaufmännisches Wissen. Zu derartigen Geheimnissen werden etwa Umsätze, Ertragslagen, Geschäftsbücher, Kundenlisten, Bezugsquellen, Konditionen, Marktstrategien, Unterlagen zur Kreditwürdigkeit, Kalkulationsunterlagen, Patentanmeldungen und sonstige Entwicklungs- und Forschungsprojekte gezählt, durch welche die wirtschaftlichen Verhältnisse eines Betriebs maßgeblich bestimmt werden können,

vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. März 2006 - 1 BvR 2087/03 -, juris.

Nach dieser Umschreibung des "Geheimnis"-Begriffs ist die Frage, ob ein Geheimnis in diesem Sinne gegeben ist, vorrangig und in erster Linie aus der Sicht desjenigen zu beurteilen, der das Vorliegen von Geheimnissen für sich reklamiert und sich auf Geheimhaltungsschutz beruft. Diese subjektive Einschätzung des Geheimnisträgers muss aus der Sicht eines objektiven Beobachters nachvollziehbar erscheinen. Dies ist der Fall, wenn die geltend gemachten Geheimnisse auch objektiv geheimhaltungsbedürftig sind. Dieser Ansatz drängt eine Wertung danach, ob bestimmte Angaben für Außenstehende bzw. einen Wettbewerber "wissenswert" oder "wertvoll" sind, in den Hintergrund. Insbesondere kommt es nicht darauf an, ob einzelne Angaben bereits isoliert oder erst im Zusammenwirken mit anderen Erkenntnissen wirtschaftlich verwertbar sind. Die Frage der Verwertbarkeit von als Geheimnisse einzustufenden Angaben durch Wettbewerber lässt die "Geheimnis"-Einstufung als solche vielmehr unberührt.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13. Oktober 2004 - 13a D 14/04 -, juris.

Der Charakter eines Geheimnisses entfällt auch nicht, soweit einzelne Angaben Dritten bereits zugänglich waren. Denn das Geheimnismerkmal könnte dadurch nur dann entfallen, wenn solche Passagen der Unterlagen allgemein bekannt wären.

Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 12. Mai 1999 - 13 B 632/99 -, juris.

Nach diesen Grundsätzen hat die Antragstellerin keinen Anordnungsanspruch gem. § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. §§ 920 ff ZPO glaubhaft gemacht, soweit sie die Nachfrage und das Angebot von Sortierleistungen gegenüber Dritten als geheimhaltungsbedürftig erachtet. Die Nachfrage von Sortierleistungen betrifft schon kein mögliches Geheimnis der Antragstellerin, sondern allenfalls des Nachfragenden. Doch auch der Geheimhaltungswille der Antragstellerin, ein Angebot von Sortierleistungen gegenüber Dritten nicht zu offenbaren, ist objektiv nicht nachvollziehbar: Das Angebot von Sortierleistungen ist kein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis, sondern unter den Voraussetzungen des § 28 PostG eine gesetzliche Verpflichtung. Gemäß § 28 Abs. 1 PostG hat ein Lizenznehmer, der auf einem Markt für lizenzpflichtige Postdienstleistungen marktbeherrschend ist, auf diesem Markt Teile der von ihm erbrachten Beförderungsdienstleistungen gesondert anzubieten, soweit dies nachgefragt wird und sofern ihm dies wirtschaftlich zumutbar ist, insbesondere seine vorhandenen Kapazitäten für die nachgefragte Leistung nicht erschöpft sind. Gegenüber einem anderen Anbieter von Postdienstleistungen besteht diese Verpflichtung nur dann, wenn das nachfragende Unternehmen nicht marktbeherrschend ist und wenn ansonsten Wettbewerb auf demselben oder einem anderen Markt unverhältnismäßig behindert würde.

Nach gebotener summarischer Prüfung spricht einiges dafür, dass die Antragstellerin gem. § 28 Abs. 1 PostG auf dem sachlich und räumlich relevanten Markt aufgrund ihrer Konzernzugehörigkeit eine beherrschende Stellung hat.

Von der marktbeherrschenden Stellung der Antragstellerin i. S. d. § 4 Nr. 6 PostG ist gemäß §§ 19 Abs. 2, 36 Abs. 2 GWB auszugehen. Die Antragstellerin ist als hundertprozentige Tochter der E1. Post Beteiligungen Holding GmbH in den Konzern E1. Post DHL eingegliedert. Die Anwendbarkeit der Verbundklausel des § 36 Abs. 2 GWB erscheint im Rahmen der postrechtlichen Regulierung nicht von vornherein ausgeschlossen. § 4 Nr. 6 PostG verweist zwar allein auf § 19 GWB, aber auch nur zum Begriff der Marktbeherrschung. Zudem regeln andere sektorspezifische Wettbewerbsvorschriften wie § 42 Abs. 2 TKG bereits - wenn auch in anderem Zusammenhang - die einheitliche Betrachtung von Mutter-, Partner und Tochterunternehmen,

zum Postrecht ebenso: Habersack/Holznagel/Lübbig "Behördliche Auskunftsrechte und besondere Missbrauchsaufsicht im Postrecht", S. 35.

Die offenkundige Übereinstimmung der Regelungsbereiche der §§ 19 ff. PostG und insbesondere des § 20 PostG mit den Tatbeständen des GWB zeigt, dass zur Auslegung der Missbrauchstatbestände auf kartellrechtliche Erwägungen zurückgegriffen werden kann,

vgl. BT-Dr. 13/7774, S. 24,

zumal das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen gem. § 2 Abs. 3 PostG unberührt bleibt. Um den kartellgesetzlichen Schutzzweck möglichst umfassend zu verwirklichen, gilt die Verbundklausel des § 36 Abs. 2 GWB für den gesamten Anwendungsbereich des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen. Eine abweichende Beurteilung würde marktbeherrschenden Unternehmen die Möglichkeit eröffnen, das Missbrauchsverbot durch eine Aufteilung ihrer Tätigkeit auf verschiedene Tochtergesellschaften zu umgehen,

vgl. BGH Entega I, Urteil v. 23. Juni 2009 - KZR 21/08 -,

NJW-RR 2010, 618-619.

Nach § 36 Abs. 2 GWB sind deshalb abhängige und herrschende Unternehmen i. S. d. § 17 AktG oder Konzernunternehmen i. S. d. 18 AktG als einheitliches Unternehmen anzusehen,

vgl. Beschluss der Kammer vom 01. September 2011 - 22 L 1011/11 -, juris Rn. 39.

Zur Ermittlung einer marktbeherrschenden Stellung sind diejenigen Produkte demselben Markt zuzurechnen, die aus der Sicht der Nachfrager nach Eigenschaft, Verwendungszweck und Preislage zur Deckung eines bestimmten Bedarfs austauschbar sind,

vgl. BGH, Beschlüsse vom 24. Oktober 1995 - KVR 17/94 -, BGHZ 131, 107 , vom 5. Oktober 2004 - KVR 14/03 -, BGHZ 160, 321 ; s.a. BVerwG, Urteil vom 25. April 2001 - BVerwG 6 C 6.00 -, BVerwGE 114, 160 = Buchholz 442.066.

Dabei bedarf keiner Entscheidung, ob der Markt für Briefsendungen in weitere Märkte aufzuteilen ist, insbesondere, ob getrennte Märkte für Abholung, Sortieren, Transport und Aushändigung von Sendungen bestehen,

so bereits die EG-Kommission in der Bekanntmachung über die Anwendung der Wettbewerbsregeln auf dem Postsektor, Abl.EG Nr. C 39/2 vom 6. Februar 1998 unter 2.2.

Denn die Konzernmutter der Antragstellerin beherrscht nach wie vor den Markt für sämtliche Standard-Briefdienstleistungen,

vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Mai 2009 - 6C 14/08 -, juris Rn. 12;

Urteil der Kammer vom 26. April 2005 - 22 K 9613/00 - S. 19 der amtlichen Ausfertigung;

Bundesnetzagentur, Tätigkeitsbericht 2012/2013 Post, S. 51.

Das Sortieren ist ein Teil dieser Postdienstleistung. Teilleistungen im Sinne des § 28 Abs. 1 S. 1 u. 2 PostG sind auf zumutbare Nachfrage gesondert anzubietende Teile der von dem marktbeherrschenden Postdienstleister erbrachten Beförderungsleistungen. Unter Beförderung versteht das Gesetz das Einsammeln, Weiterleiten und Ausliefern von Postsendungen, § 4 Nr. 3 PostG. Auch das in der gesetzlichen Begriffsbestimmung nicht ausdrücklich genannte Sortieren der Postsendungen ist ein Glied der Beförderungskette, wie sich schon aus Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 97/67/EG des europäischen Parlamentes und des Rates vom 15. Dezember 1997 über gemeinsame Vorschriften für die Entwicklung des Binnenmarktes der Postdienste der Gemeinschaft und die Verbesserung der Dienstqualität i. d. F. der Richtlinie 2008/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Februar 2008 zur Änderung der Richtlinie 97/67/EG im Hinblick auf die Vollendung des Binnenmarktes der Postdienste der Gemeinschaft - Postrichtlinie - ergibt, deren Umsetzung das Postgesetz dient. Denn das Sortieren der Briefsendungen ist auf dem Weg zum Empfänger zwar nur ein kurzer aber entscheidender Arbeitsschritt innerhalb der Beförderungskette, der einen entsprechenden Aufwand auslöst, im Falle der Vorleistung erspart und deshalb teilleistungsrelevant ist,

vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Mai 2009 a.a.O., juris Rn. 14;

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 6. Februar 2013 - VII-Verg 32/12 -,

juris Rn. 21;

Urteil der Kammer vom 26. April 2005 - 22 K 9613/00 - S. 23 der amtlichen Ausfertigung;

BeckPostG-Komm./Gerstner, 2. Aufl. 2004, § 28 Rn. 30 m. w. N.,

BeckPostG-Komm./Herdegen, 2. Aufl. 2004, § 4 Rn. 35 a. E.

Entspricht das Angebot von Sortierleistungen hiernach gem. § 28 Abs. 1 PostG der grundsätzlichen Verpflichtung, Teilleistungen gesondert anzubieten, handelt es sich objektiv nicht um ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis, ob eine derartige Teilleistungsmodalität von der Antragstellerin überhaupt angeboten wird.

Im Übrigen ist der Antrag begründet.

Die Antragstellerin hat insoweit einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. §§ 920 ff ZPO.

Der Geheimhaltungswille der Antragstellerin, Dritten alle Angaben über Einlieferungszeiten sowie tatsächliche und reservierte Einlieferungsmengen ihrer Kunden nicht zu offenbaren, ist objektiv nachvollziehbar. Es liegt auf der Hand, dass Wettbewerber ihre Wirtschaftsstrategie auch an ihrem wechselseitigen Verhalten ausrichten. Erkennt danach ein Wettbewerber die Kapazitätsengpässe eines anderen Anbieters, liegt es durchaus nahe, dass er seine Angebotsstrategie in der Region ändert, weil er zu gewissen Zeiten und für gewisse Mengen keinen Wettbewerb fürchten muss. Dass eine Kenntnis von Kapazitätsengpässen der Antragstellerin ohne gleichzeitige Kenntnisse über die betroffenen Standorte möglicherweise nicht unmittelbar verwertbar wird, ist ohne Belang. Denn das Geheimhaltungsinteresse behält sein Gewicht, weil auch die Restinformation in unbefugten Händen zum Nachteil der Antragstellerin verwertet werden kann: Ein Wettbewerber, die Firma Q1. E1. GmbH, hat insoweit bereits Kenntnisse über betroffene Standorte. Zwar handelt es sich bei den nachgefragten Standorten für Teilleistungen und damit den infrage kommenden Regionen für eine Strategieänderung um ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis der Firma Q1. E1. GmbH. Diese hat jedoch einer Offenbarung ihrer Kenntnisse gegenüber Dritten bereits zugestimmt. Diese Informationen könnten anderen Wettbewerbern den Aufbau entsprechender Zeit- und Mengengerüste zur Einschätzung von Kapazitätsengpässen der Antragstellerin erleichtern. Eine weitergehende Glaubhaftmachung der möglichen vielfältigen, zukünftigen Nachteile obliegt der Antragstellerin nicht, weil eine genauere Beschreibung etwaiger Ereignisse in der Zukunft aufgrund bekannt gewordener Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nicht möglich ist.

Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 12. Mai 1999 - 13 B 632/99 -, juris.

Die hiernach entscheidungserhebliche Abwägung der widerstreitenden Interessen der Beteiligten führt jedenfalls nicht zu einem überwiegenden Offenbarungsinteresse der Antragsgegnerin. Gemäß § 29 Abs. 1 S. 1 VwVfG hat die Behörde den Beteiligten Einsicht in die das Verfahren betreffenden Akten zu gestatten, soweit deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer rechtlichen Interessen erforderlich ist. Nach § 29 Abs. 2 VwVfG ist die Behörde zur Gestattung der Akteneinsicht jedoch insbesondere nicht verpflichtet, soweit die Vorgänge wegen der berechtigten Interessen der Beteiligten geheim gehalten werden müssen. Eine Abwägungsregel, die das Geheimhaltungsinteresse grundsätzlich hinter das Offenbarungsinteresse zurückstellt, lässt sich nicht mit dem Hinweis auf eine besondere Sozialpflichtigkeit des Eigentums rechtfertigen, die in der Art der Entstehung des Eigentums der Konzernmutter der Antragstellerin angelegt ist,

vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. März 2006 - 1 BvR 2087/03 -, juris.

Dem steht nicht entgegen, dass die Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts nicht im Postrecht, sondern im Telekommunikationsrecht ergangen sind,

vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13. Oktober 2004 - 13a D 14/04 -, juris.

Zwar sind die Rechte der Konzernmutter der Antragstellerin vor der Privatisierung der Deutschen Bundespost unter dem Schutz eines staatlichen Monopols und unter Verwendung öffentlicher Mittel entstanden und deshalb mit einer entsprechenden Pflichtenbelastung erworben worden. Hieraus kann jedoch eine Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit aus Art. 12 GG nicht dahingehend hergeleitet werden, dass eine Preisgabe der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse zumutbar ist, solange keine nachhaltigen oder gar existenziellen Nachteile zu besorgen sind,

so noch: BVerwG, Beschluss vom 15. August 2003 - 20 F 3.03 -, juris.

Denn seit der Privatisierung der Deutschen Bundespost hat sich aufgrund der zwischenzeitlichen Änderungen der Unternehmens- und Marktverhältnisse sowie der erfolgten selbst erwirtschafteten Investitionen in die Infrastruktur auch im Bereich des Postrechts die beschriebene Pflichtenbelastung verringert. Es entspricht deshalb auch im Bereich des Postrechts dem Charakter der Geheimhaltungsverpflichtung mit Offenbarungsvorbehalt nach § 30 VwVfG, dass die Behörde das für sich reklamierte Offenbarungsrecht, das ihre grundsätzlich vorrangige Geheimhaltungsverpflichtung beseitigt, darlegt,

vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 12. Mai 1999 - 13 B 632/99 -, juris.

Hieran fehlt es: Die Antragsgegnerin hat nicht begründet, warum ohne eine Bekanntgabe der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Antragstellerin die begonnenen Ermittlungen im eröffneten Missbrauchsverfahren nicht erfolgreich durchgeführt werden können. Für die Sicherstellung eines chancengleichen, funktionsfähigen Wettbewerbs reicht es zunächst aus, wenn nur die mit besonderer Sachkunde ausgestattete BNA volle Kenntnis von allen für die Gestaltung der Teilleistungsangebote relevanten, gegebenenfalls geheimen Umstände und Erwägungen des betroffenen marktbeherrschenden Unternehmens hat. Zur weiteren Aufklärung kann sie gegebenenfalls einen entsprechenden Fragenkatalog an die Antragstellerin und möglicherweise beeinträchtigte Wettbewerber der Antragstellerin richten. Allein dem geltend gemachten Interesse der Antragsgegnerin, durch vollumfängliche Stellungnahmen der im Verwaltungsverfahren beigeladenen Wettbewerber sich "eine breitere Erkenntnisgrundlage" zu verschaffen, ist kein größeres Gewicht als dem aus Art. 12 GG abzuleitenden Geheimhaltungsrecht der Antragstellerin zuzumessen,

vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 12. Mai 1999 - 13 B 632/99 -, juris.

Das Interesse der Antragstellerin an einer Geheimhaltung ihrer Betriebs und Geschäftsgeheimnisse gegenüber Dritten überwiegt mithin das Offenbarungsinteresse der Antragsgegnerin. Denn wird exklusives wettbewerbsrechtliches Wissen den Konkurrenten zugänglich, mindert dies die Möglichkeit, die Berufsausübung unter Rückgriff auf dieses Wissen erfolgreich zu gestalten, weil Dritte unter Kosteneinsparung das innovativ erzeugte Wissen zur Grundlage ihres eigenen beruflichen Erfolgs in Konkurrenz mit dem Geheimnisträger nutzen können.

Zumindest gegenwärtig sind Informationsinteressen Dritter im Rahmen der Abwägung des Geheimhaltungsinteresses der Antragstellerin mit dem Offenbarungsinteresse der Antragsgegnerin nicht mit maßgeblichem Gewicht zu berücksichtigen. Zwar ist in förmlichen Verwaltungsverfahren (wie dem Beschlusskammerverfahren) gemäß §§ 63 Abs. 1, 66 Abs. 1 VwVfG i. V. m. § 46 Abs. 1, 2 PostG i. V. m. § 73 Abs. 1 S. 2 und 3, Abs. 2 TKG 1996 den Beteiligten Gelegenheit zu geben, sich vor der Entscheidung zu äußern. Doch soweit die BNA einem marktbeherrschenden Unternehmen regulative Verpflichtungen auferlegt, ist regelmäßig nur dieses Unternehmen, nicht aber ein Dritter, Adressatin der Regulierungsverfügung. Die BNA hat regelmäßig nur dann Anlass, auch subjektive Rechte Dritter zum Gegenstand ihrer Regulierungsentscheidung zu machen, wenn diese ihr gegenüber durch einen eigenen Sachantrag,

vgl. Bier, aktuelle Entscheidungen des Bundesverwaltungsgericht zum Telekommunikationsrecht, N&R, 2009, 31 m. w. N.,

und unter Inanspruchnahme subjektiver Rechte,

vgl. Mayen, "OVG Münster: Entgeltregulierung nicht drittschützend", MMR 2000,119.

geltend gemacht werden. Schon an einem solchen Sachantrag fehlt es ausweislich der beigezogenen Verwaltungsvorgänge bislang. Eine gleichwohl unter Offenbarung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen von der BNA beabsichtigte substantielle Anhörung der am eingeleiteten Missbrauchsverfahren beteiligten Wettbewerber der Antragstellerin ist deshalb gegenwärtig nicht erforderlich. Überdies wirft eine Geltendmachung subjektiver Rechte der im gem. § 32 PostG eröffneten Missbrauchsverfahren beigeladenen Wettbewerber schwierige Rechtsfragen auf, die der Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben müssen: Unabhängig von der Frage, ob § 32 PostG Wettbewerbern der Antragstellerin subjektive Rechte vermittelt,

bejahend: Habersack in Habersack/Holznagel/Lübbig, behördliche Auskunftsrechte und besondere Missbrauchsaufsicht im Postrecht,

S. 27, 30, 31, 42 a.E.;

verneinend: BeckPostG-Komm./Gerstner, 2. Aufl. 2004, § 32 Rn. 60, 63,

könnte sich je nach dem Ergebnis der noch durchzuführenden Ermittlungen der BNA auch die bislang von ihr bejahte Frage nach dem Anwendungsbereich des § 32 PostG im vorliegenden Fall stellen. Denn § 32 PostG findet u. a. im Zusammenhang mit dem Angebot von Teilleistungen nur insoweit Anwendung, als nicht die §§ 28 ff. PostG speziellere Regelungsinstrumentarien - insbesondere in § 31 PostG - vorsehen,

Habersack, a.a.O., S. 23.

Gemäß § 31 Abs. 2 PostG hat die BNA nach Anrufung durch einen Beteiligten innerhalb von zwei Monaten die Bedingungen eines Vertrages über den Zugang zu Teilleistungen zwischen einem nach § 28 PostG verpflichteten Lizenznehmer und einem Nachfrager zu diskriminierungsfreien Bedingungen und kostenorientierten Entgelten festzulegen und die Geltung dieses Vertrages anzuordnen. Es muss einer Prüfung in einem etwaigen Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben, ob Leistungs- oder Gegenleistungspflichten aus Teilleistungsverträgen, jedenfalls soweit es sich um Hauptpflichten handelt, teilweise durch eine Verhaltensanordnung nach § 32 Abs. 2 PostG abgeändert werden könnten. Denn würde durch eine Maßnahme der Missbrauchsaufsicht nach § 32 PostG die an den gesetzlichen Pflichten und Rechtfertigungsgründen des § 28 Abs. 1 PostG und den Entgeltregulierungsmaßstäben des § 20 PostG orientierte Ausgewogenheit des wechselseitigen Austauschverhältnisses eines Teilleistungsvertrages nachhaltig gestört, könnte dies eine Anwendbarkeit des § 32 PostG im Hinblick auf die spezielleren Regelungen in § 31 PostG ausschließen.

Eine vor dem Hintergrund der dargestellten schwierigen Rechts- und Tatsachenfragen von den Erfolgsaussichten einer Klage im Hauptsacheverfahren losgelöste Folgenabwägung führt ebenfalls zur Annahme eines überwiegenden Geheimhaltungsinteresses der Antragstellerin. Die Antragstellerin würde durch eine Offenbarung ihrer schützenswerten Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nicht wieder gut zu machende Nachteile erleiden, weil entsprechende Kenntnisnahmen der Wettbewerber nicht mehr rückgängig gemacht werden könnten und auch in einem etwaigen Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen sind. Denn mit der Offenbarung gegenüber Dritten ist das Betriebs- und Geschäftsgeheimnis endgültig verloren. Gegenüber diesem Geheimhaltungsinteresse der Antragstellerin tritt das Offenbarungsinteresse der Antragsgegnerin zurück. Die Sicherstellung eines chancengleichen und funktionsfähigen Wettbewerbs, das insbesondere in der zentralen Zielvorgabe des § 2 Abs. 2 Nr. 2 PostG Ausdruck findet, ist der BNA auch ohne Bekanntgabe der schützenswerten Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse an Dritte möglich. Zur Verfolgung dieses Regulierungsziels verfügt die BNA u. a. gemäß §§ 30, 31 Abs. 3, 45 PostG über zwangs- und bußgeldbewehrte Vorlage-, Auskunfts- und Prüfungsrechte gegenüber marktbeherrschenden und anderen im Postwesen tätigen Unternehmen, von denen sie insbesondere Auskünfte über ihre wirtschaftlichen Verhältnisse verlangen kann. Die weitere Aufklärung des Sachverhaltes ist der BNA deshalb auch ohne Offenbarung der schützenswerten Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Antragstellerin gegenüber Dritten möglich.

Der Anordnungsgrund folgt unstreitig aus der Ankündigung der BNA vom 17. September 2013, teilentschwärzte Fassungen des Schreibens vom 15. August 2013, die nach ihrer Auffassung keine Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse enthalten, beigeladenen Wettbewerbern des Missbrauchsverfahrens zu übersenden.

Im Hinblick auf § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 926 Abs. 1 ZPO hat die Kammer von einer zeitlichen Begrenzung der tenorierten einstweiligen Anordnung abgesehen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO und entspricht dem Verhältnis des teilweisen Obsiegens und Unterliegens. Die Streitwertfestsetzung richtet sich nach §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG und bestimmt sich nach der Bedeutung der Sache für die Antragstellerin. Dabei hat die Kammer diesen Betrag anlässlich der Streitwertbemessung im Eilverfahren nicht reduziert. Denn die wirtschaftlichen Auswirkungen eines Hauptsacheverfahrens sollen mit Hilfe des Eilverfahrens faktisch vorweggenommen werden, weil ein Geheimnisverlust nicht mehr rückgängig zu machen ist.






VG Köln:
Beschluss v. 26.03.2014
Az: 22 L 1439/13


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/dc22e9634b79/VG-Koeln_Beschluss_vom_26-Maerz-2014_Az_22-L-1439-13




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