Bundespatentgericht:
Beschluss vom 23. Oktober 2006
Aktenzeichen: 30 W (pat) 273/03

(BPatG: Beschluss v. 23.10.2006, Az.: 30 W (pat) 273/03)

Tenor

Die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Eingetragen am 8. Juli 1997 unter der Nummer 397 12 011 u. a. für folgende Waren Diätetische Erzeugnisse und Nahrungsergänzungsmittel für medizinische Zwecke; Babykost; diätetische Lebensmittel für medizinische Zwecke; Präparate auf der Basis von Vitaminen, Spurenelementen und/oder Mineralien zu diätetischen Zwecken oder als Nahrungsergänzungsmittelist die Marke Duravigor.

Die Veröffentlichung erfolgte am 9. August 997.

Widerspruch wurde u. a. erhoben aus der am 24. September 1993 unter der Nummer 653 504 für die Waren Pharmazeutische Erzeugnisseeingetragenen Markedura.

Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die angegriffene Marke im Umfang der obengenannten Waren teilweise gelöscht und im Übrigen den Widerspruch zurückgewiesen. Bei normaler Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und hochgradig ähnlichen Waren halte die angegriffene Marke den erforderlichen Abstand nicht mehr ein. Es bestehe assoziative Verwechslungsgefahr, da dem in beiden Marken identischen Bestandteil "dura" Hinweischarakter auf die Inhaberin der Widerspruchsmarke zukomme. Die angegriffene Marke reihe sich in das System der Markenbildung der Widersprechenden ein und werde daher auch dem Geschäftsbetrieb der Widersprechenden zugeordnet.

Hiergegen wurde seitens der Inhaberin der angegriffenen Marke Beschwerde eingelegt, eine Begründung ist nicht zu den Akten gelangt.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt sinngemäß, den Beschluss der Markenstelle vom 25. Juni 2003 aufzuheben und den Widerspruch insoweit zurückzuweisen.

Die Widersprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Widersprechende legt Unterlagen zum Nachweis der Markenserienbildung vor und bezieht sich im Wesentlichen auf die Ausführungen im Beschluss der Markenstelle.

Ergänzend wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Beschwerde ist - entgegen der Auffassung der Markeninhaberin - nicht etwa deshalb begründet, weil der Widerspruch unzulässig ist. Der Widerspruch wurde für die Firma D... GmbH & Co. KG eingelegt, die zum damaligen Zeit- punkt im Register als Inhaberin der Widerspruchsmarke eingetragen war (vgl. Anschreiben vom 5. November 1997, Bl. 16 d. AA). Auf dem Formblatt wurde mit einem Zusatz in Klammern auf einen Antrag auf Umschreibung auf die D... GmbH hingewiesen.

Der Widerspruch war damit zulässig erhoben, weil vom Eingang des Umschreibungsantrags bis zur Entscheidung darüber die bisherige Rechtsinhaberin nach § 28 Abs. 1 MarkenG hierzu formell berechtigt war (vgl. Ströbele/Hacker Markengesetz, 8. Aufl., § 28 Rdn. 10).

Die Markenstelle hat nach Auffassung des Senats die Gefahr von Verwechslungen zwischen den Marken zutreffend beurteilt und die teilweise Löschung der angegriffenen Marke zu Recht angeordnet, § 9 Absatz 1 Nr. 2 MarkenG.

1. Die Frage der Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der zueinander in Wechselbeziehung stehenden Faktoren der Ähnlichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke zu beurteilen, wobei insbesondere ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Marken durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren ausgeglichen werden kann und umgekehrt (BGH in st. Rspr., vgl. WRP 2004, 1281 - Mustang; WRP 2004, 907 - Kleiner Feigling; WRP 2004, 1043 - NEURO-VIBOLEX/NEURO-FIBRAFLEX).

Der Senat geht bei seiner Entscheidung mangels anderweitiger Anhaltspunkte von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und damit von einem normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke aus. Der von der Widersprechenden mit Schriftsatz vom 24. August 2005 behauptete gesteigerte Schutzumfang der älteren Marke ist allein mit dem Vortrag, die erhöhte Kennzeichnungskraft ergebe sich aus der seit Jahrzehnten umfangreichen Nutzung als Firmen- und Produktmarke, nicht zu belegen. Auch wenn die Inhaberin der angegriffenen Marke sich zu diesem Vorbringen der Widersprechenden nicht mehr geäußert und es damit auch nicht bestritten hat (vgl. Ströbele/Hacker a. a. O. § 9, Rdn. 194), sind die allgemeinen Angaben der Widersprechenden kein ausreichender Nachweis für einen erhöhten Schutzumfang der Widerspruchsmarke. Vielmehr obliegt es der Widersprechenden, die vorgetragene Tatsachenbehauptung in ausreichendem Umfang glaubhaft zu machen (vgl. Ströbele/Hacker a. a. O. § 9 Rdn. 195).

2. Die im Patentamtsverfahren von der Inhaberin der angegriffenen Marke mit Schriftsatz vom 17. Februar 1998 erhobene Einrede der mangelnden Benutzung gemäß § 43 Abs. 1 MarkenG war wegen noch nicht abgelaufener Benutzungsschonfrist unzulässig; sie entfaltet nicht automatisch mit Ablauf der maßgeblichen Frist die Rechtswirkungen einer zulässigen Einrede für das Beschwerdeverfahren (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG., a. a. O., § 43 Rdn. 18). Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat sich zur Nichtbenutzung der Widerspruchsmarke nicht mehr geäußert; Benutzungsfragen sind damit nicht aufgeworfen, so dass von der Registerlage auszugehen ist.

Die Vergleichsmarken können wegen des weitreichenden Warenoberbegriffs im Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke zur Kennzeichnung zum Teil sehr ähnlicher Waren verwendet werden. So können die Waren der Widerspruchsmarke die von der angegriffenen Marke beanspruchten Diätetika und Ernährungstherapeutika umfassen, so dass sich hinsichtlich stofflicher Zusammensetzung und Bestimmung enge Berührungspunkte ergeben; hinsichtlich "Babykost" ist von mittlerer Ähnlichkeit auszugehen (vgl. Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 13. Aufl., S. 21; 68; 217).

Für die vorliegenden Waren sind allgemeine Verkehrskreise uneingeschränkt zu berücksichtigen. Dabei ist aber davon auszugehen, dass grundsätzlich nicht auf einen sich nur flüchtig mit der Ware befassenden, sondern auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher abzustellen ist, dessen Aufmerksamkeit je nach Art der Ware unterschiedlich hoch sein kann (vgl. BGH GRUR 2000, 506 - ATTACHÉ/TISSERAND) und der insbesondere allem, was mit der Gesundheit zusammenhängt, eine gesteigerte Aufmerksamkeit beizumessen pflegt (vgl. BGH GRUR 1995, 50 - Indorektal/Indohexal).

3. Unter Anwendung des anzulegenden strengen Maßstabs ist ein zur Vermeidung von Verwechslungen ausreichender Markenabstand nicht mehr eingehalten; dies gilt auch, soweit geringere Anforderungen zu stellen sind.

Die Ähnlichkeit von Wortzeichen ist anhand ihres klanglichen und schriftbildlichen Eindrucks sowie ihres Sinngehalts zu ermitteln. Dabei kommt es auf den jeweiligen Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Zeichen an. Dies entspricht dem Erfahrungssatz, dass der Verkehr Marken regelmäßig in der Form aufnimmt, in der sie ihm entgegentreten und sie nicht einer analysierenden, zergliedernden, möglichen Bestandteilen und deren Bedeutung nachgehenden Betrachtung unterzieht (vgl. BGH a. a. O. - NEURO-VIBOLEX/NEURO-FIBRAFLEX).

a) In ihrer Gesamtheit unterscheiden sich die Vergleichsmarken indessen klar und unverwechselbar in allen für die Beurteilung des Gesamteindrucks wesentlichen Kriterien. Auch wenn die ältere Marke identisch in der jüngeren Marke enthalten ist, bestehen auf Grund des weiteren Wortelements "-vigor" sowohl klangliche wie schriftbildliche Unterschiede, die ausreichen, um auch für Durchschnittsverbraucher eine unmittelbare Verwechslungsgefahr zu verneinen.

Eine Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt, dass der in den Vergleichsmarken identische Wortbestandteil "dura" in der angegriffenen Marke allein kollisionsbegründend prägen würde, kommt nicht in Betracht. Es handelt sich um ein Markenwort, das nur in seiner Gesamtheit zu würdigen ist.

b) Es besteht allerdings die Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden können. Mittelbare Verwechslungsgefahr besteht, wenn die beteiligten Verkehrskreise zwar die Unterschiede zwischen den Vergleichsmarken erkennen und insoweit keinen unmittelbaren Verwechslungen unterliegen, gleichwohl aber einen in beiden Marken übereinstimmend enthaltenen Bestandteil als Stammzeichen des Inhabers der älteren Marke werten, diesem Stammbestandteil also für sich schon die maßgebliche Herkunftsfunktion beimessen und deshalb die übrigen abweichenden Markenteile nur noch als Kennzeichen für bestimmte Waren aus dem Geschäftsbetrieb des Inhabers der älteren Marke ansehen (vgl. Ströbele/Hacker a. a. O. § 9 Rdn. 318 ff.). Dem übereinstimmenden Stammbestandteil kommt insbesondere dann ein Hinweischarakter auf den Inhaber der älteren Marke zu, wenn der Markeninhaber im Verkehr bereits mit dem entsprechenden Wortstamm als Bestandteil mehrere eigener entsprechend gebildeter Serienmarken aufgetreten ist.

Dabei ist es allerdings auch nicht ausgeschlossen, dass aufgrund besonderer positiver Umstände für den Verkehr schon beim erstmaligen Auftritt einer Marke der Gedanke nahe liegen kann, einer Serienmarke zu begegnen. So wird die Annahme eines Stammbestandteils von Serienmarken insbesondere nahegelegt durch den Umstand, dass er u. a. als Firmenkennzeichnung verwendet wird (vgl. BGH, GRUR 2000, 534; Ströbele/Hacker a. a. O. § 9 Rdn. 323). Auch die Art der abweichenden Markenbestandteile kann für den Verkehr eine gedankliche Verbindung der Zeichen nahelegen, wie beispielsweise im Pharmabereich das Hinzufügen beschreibender Bestandteile, die einen Hinweis auf Indikation, Anwendung oder Wirkweise geben (vgl. 25 W (pat) 212/03 - Colonipent/Nipent).

Auch wenn an eine infolge dieser Umstände anzunehmende Verwechslungsgefahr besondere Anforderungen zu stellen sind, hält der Senat einen solchen Ausnahmefall hier für gegeben.

Wie bereits von der Markenstelle ausgeführt, ist die Widersprechende Inhaberin einer Reihe von Marken, die mit dem vorangestellten Bestandteil "dura" und einem nachfolgenden Bestandteil mit teils deutlich beschreibendem Gehalt hinsichtlich Wirkstoff oder Anwendungsgebiet gebildet sind, beispielweise die Marken Nr. 1 047 399 "Durapindol", Nr. 1 057 189 "Duraspiron", Nr. 1 051 680 "durapitrop" auf die die Widersprechende im Patentamtsverfahren weitere Widersprüche gestützt hat, über die noch nicht entschieden ist. Es lässt sich daraus erkennen, dass die bereits seit 1993 eingetragene Marke "dura" die Grundlage bildet für eine Serie eingetragener Marken der Widersprechenden, die sämtlich nach der gleichen Struktur gebildet sind.

Zudem liegen weitere besondere Umstände vor, die hinreichende Anhaltspunkte dafür geben, dass der Verkehr die Zeichen gedanklich miteinander in Verbindung bringen wird.

So handelt es sich bei der Bezeichnung "dura" um einen wesentlichen, namensgebenden Firmenbestandteil der "M... GmbH", des G...-Unterneh- mens der Widersprechenden.

Die jüngere Marke ist in der Art einer Serienmarke gebildet. Dem Firmenbestandteil "dura" der Widersprechenden ist in der jüngeren Marke als weiteres Element das aus dem Lateinischen stammende englische Wort "vigor" für "Kraft, Vitalität" angefügt, das für die von der jüngeren Marke beanspruchten Waren deutlich beschreibende Anklänge hat.

Begegnet dem Durchschnittsverbraucher, der die Hersteller und ihre Bezeichnungsgewohnheiten im Arzneimittel- und Gesundheitsbereich insbesondere von G... kennt, die ältere Marke in einer Wortverbindung mit einem solchen be- schreibenden Zusatz, ist für ihn daher die Vermutung nahegelegt, es handele sich auch bei der neuen Bezeichnung um eine Marke der Widersprechenden, die ein weiteres Mittel der Widersprechenden kennzeichnet, das beispielsweise zur Stärkung eingesetzt werden soll.

Im Hinblick auf die mögliche Warenidentität und unter Berücksichtigung der Wechselwirkung der Waren- und Markenähnlichkeit sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, die bei der Prüfung der assoziativen Verwechslungsgefahr ebenfalls zu berücksichtigen ist (vgl. BGH MarkenR 1999, 154 - Cefallone), besteht daher die Gefahr, dass der angesprochene Verkehr die angegriffene Marke als weiteres Kennzeichen aus dem Geschäftsbetrieb der Widersprechenden ansehen und assoziativ verwechseln wird.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bietet der Streitfall keinen Anlass (§ 71 Abs. 1 MarkenG).

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Az: 30 W (pat) 273/03


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