Bundespatentgericht:
Beschluss vom 16. Mai 2006
Aktenzeichen: 17 W (pat) 30/04

(BPatG: Beschluss v. 16.05.2006, Az.: 17 W (pat) 30/04)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die vorliegende Patentanmeldung mit der Bezeichnung:

"Computer mit Kühlvorrichtung"

ist am 5. November 2002 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht worden.

Sie wurde von der Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des Deutschen Patent- und Markenamts durch in der Anhörung vom 15. Januar 2004 verkündeten Beschluss mit der Begründung zurückgewiesen, dass der mit Patentanspruch 1 nach Haupt- wie nach Hilfsantrag beanspruchte Gegenstand nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe.

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie stellt den Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das nachgesuchte Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

Patentansprüche 1 bis 14, überreicht in der mündlichen Verhandlung, noch anzupassender Beschreibung und 1 Blatt Zeichnungen mit 1 Figur vom Anmeldetag.

Der geltende Patentanspruch 1, überreicht in der mündlichen Verhandlung, lautet:

"Computer mita) einem Gehäuse, das eine Bodenplatte, eine Deckplatte, je eine Vorder- und Rückwand sowie zwei, einen geringen Abstand zueinander aufweisende Seitenwände (2, 3) umfasst, in dem mindestensb) eine Kühlvorrichtung (5), die einen Lüfter (7) und einen Kühlkörper (6) umfasst, undc) ein zu kühlendes elektrisches Bauteil (1) angeordnet sind, wobei weiterhin vorgesehen ist, dassd) eine der Seitenwände (2, 3) des Gehäuses mindestens eine Lüftungsöffnung (4) aufweist, diee) auf der dem elektrischen Bauteil (1) gegenüberliegenden Seitenwand des Gehäuses angeordnet undf) der Bereich der Seitenwand (3), der die Lüftungsöffnung (4) aufweist, in Richtung der gegenüberliegenden Seitenwand (2) des Gehäuses versetzt ist, wobeig) zwischen der Lüftungsöffnung (4) und dem Bauteil (1) die Kühlvorrichtung (5) so angeordnet ist, dass eine im Wesentlichen geradlinige Luftströmung (Achse X - X) innerhalb des Gehäuses auf das Bauteil (1) entsteht, wobei die Luftströmung durch den Lüfter (7) erzeugt wird, undh) die Achsen der Kühlvorrichtung (5), des Bauteils (1) und der Lüftungsöffnung (4) miteinander auf der Achse (X - X) fluchten."

Hinsichtlich der Unteransprüche 2 bis 14 wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Der Anmeldung soll die Aufgabe zugrunde liegen, einen Computer weiterzubilden, mit dem die beim Stand der Technik vorhandenen Probleme vermieden werden können (siehe Beschreibung eingeg. 13. Februar 2004, Seite 2 vorletzter Absatz). Als wesentliches Problem wird erläutert, dass bei üblichen Kühlvorrichtungen Luft ungerichtet durch das Computergehäuse ströme, wobei es zu Luftverwirbelungen komme und sich die kühlere Umgebungsluft mit der wärmeren Luft innerhalb des Gehäuses vermische; dadurch sei die Temperatur des zur Kühlung vorgesehenen Luftstromes erheblich höher als die Temperatur der Umgebungsluft. Bekannte effizientere Kühlungen für den Prozessor mittels eines Luft-Tunnels oder Schlauches benötigten hingegen viel Platz und Montageaufwand.

Die Anmelderin hat in der mündlichen Verhandlung dargelegt, dass der Weg für die kühlere Außenluft sich noch zusätzlich verkürzen lasse, indem der Bereich der Seitenwand, der die Lüftungsöffnung aufweist, in Richtung der gegenüberliegenden Seitenwand des Gehäuses versetzt werde (Merkmal f) des Anspruchs 1).

II.

1. Die Beschwerde ist rechtzeitig eingelegt und auch sonst zulässig. Auch die neu formulierten Ansprüche sind zulässig, da sich die zusätzlichen Merkmale f) und h) sowie der "Kühlkörper (6)" und der "Lüfter (7)" aus den ursprünglichen Ansprüchen 2, 3 und 6 ableiten und ferner ohne Weiteres der einzigen Figur entnehmbar sind; darüber hinaus wurden gegenüber den ursprünglichen Patentansprüchen lediglich Klarstellungen im Rahmen der ursprünglichen Offenbarung vorgenommen.

2. Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet, weil die Lehre des geltenden Anspruchs 1 dem Durchschnittsfachmann, einem mit der Montage von PC-Baugruppen in Gehäusen und insbesondere mit der Kühlungsproblematik befassten Techniker mit mehrjähriger Berufserfahrung, durch den vorveröffentlichten Stand der Technik nahegelegt war und damit nicht patentfähig ist, § 1 Abs. 1 PatG i. V. m. § 4 PatG.

2.1 Von besonderer Bedeutung ist hierfür die über das US-Prüfungsverfahren einer Nachanmeldung bekannt gewordene D5: EP 1 213 641 A2 (Nummerierung in der Abfolge des bisherigen Verfahrens). Sie beschreibt ein Computergehäuse im Desktop-Format, d. h. mit ungefähr quadratischer Grundfläche aber geringer Höhe, mit einer Bodenplatte (21) und einer Deckplatte (22) sowie Vorder- und Rückwand (17, 18) und zwei Seitenwänden (19, 20). Dabei sind es (im Unterschied zur Streitanmeldung) die Boden- und die Deckplatte, die einen geringen Abstand zueinander aufweisen [ähnlich Merkmal a) des Patentanspruchs 1]. Die Kühlung eines elektrischen Bauteils (CPU 15) erfolgt gemäß Figur 4 über eine Kühlvorrichtung mit Kühlkörper (14) und Lüfter (cooling fan 12) [Merkmale b), c) des Patentanspruchs 1], der kühle Außenluft über eine Lüftungsöffnung (82) in der dem Bauteil (15) gegenüberliegenden Gehäusewand, nämlich der Deckplatte (22) ansaugt [Merkmale d), e) des Patentanspruchs 1]. Die Kühlvorrichtung (12, 14) ist zwischen der Lüftungsöffnung (82) und dem Bauteil (15) so angeordnet, dass durch den Lüfter (12) eine geradlinige Luftströmung (siehe Figur 4) innerhalb des Gehäuses auf das Bauteil (15) erzeugt wird [Merkmal g) des Patentanspruchs 1]. Die Achsen der Kühlvorrichtung (12, 14), des Bauteils (15) und der Lüftungsöffnung (82) fluchten miteinander auf der Achse der Luftströmung [Merkmal h) des Patentanspruchs 1].

Damit sind die Merkmale des Patentanspruchs 1 weitgehend vorweggenommen.

2.2 Die Anmelderin hat hierzu vorgetragen, gegenüber D5 weise der Gegenstand des Patentanspruchs 1 drei wesentliche Unterschiede auf:

i) D5 betreffe ein Desktop-Gehäuse (geringster Abstand zwischen Boden- und Deckplatte), während anmeldungsgemäß eine Kühlvorrichtung in einem senkrecht stehenden Gehäuse (geringster Abstand zwischen den zwei Seitenwänden) beansprucht werde;

ii) in D5 sei der Bereich der CPU (9) durch wärmeisolierende Wände (10) von den übrigen Baugruppen getrennt, um eine Durchmischung mit der durch die übrigen Baugruppen erwärmten Luft innerhalb des Gehäuses zu vermeiden, wohingegen anmeldungsgemäß solche zusätzlichen Wände nicht notwendig seien;

iii) D5 liefere keine Anregung hin zu Merkmal f) des Anspruchs 1, den Bereich der Seitenwand, der die Lüftungsöffnung aufweist, in Richtung der gegenüberliegenden Seitenwand des Gehäuses zu versetzen.

Der beanspruchte Gegenstand sei daher neu gegenüber D5 und ergebe sich auch nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik, da es weder in D5 noch sonst irgendeinen Hinweis in Richtung auf Merkmal f) gebe.

2.3 Diese Argumente vermochten den Senat jedoch nicht zu überzeugen. Zwar ist zuzustimmen, dass der Gegenstand des nunmehr geltenden Patentanspruchs 1 neu ist. Zu ihm zu gelangen war aber ausgehend von D5 für den Fachmann naheliegend.

Zu i): Es macht für den Fachmann hinsichtlich der beschriebenen Funktion der Kühlvorrichtung keinen Unterschied, ob der Computer im Sinne von D5 liegend ("Desktop-Gehäuse") oder anmeldungsgemäß stehend betrieben wird. In der Streitanmeldung wird es sehr deutlich als "wichtig für die Erfindung" beschrieben, dass zwischen den Gehäusewänden, die einen geringen Abstand zueinander aufweisen, die Kühlvorrichtung angeordnet ist (siehe Offenlegungsschrift Absatz [0016], Hervorhebung durch den Senat). Wesentlich ist also nicht die Lage der Wände im Raum, sondern der kürzestmögliche Luftweg. Genau dies zeigt aber auch D5 in Figur 4 (in Verbindung mit Figur 1).

Zu ii): Die wärmeisolierenden Wände (10) gemäß D5 haben keinen Einfluss auf den beanspruchten geradlinigen, kurzen Weg für die Kühlungsluft von der Außenwand bis hin zum zu kühlenden Bauteil. Sie können als zusätzliche Maßnahmen verstanden werden, die dem Fachmann aber nicht den Blick auf die bezüglich der Kühlluft-Zuführung identische technische Lehre der D5 verstellen.

Zu iii): Aus D5 insbesondere Absatz [0045], [0048] entnimmt der Fachmann die Lehre, einen Luftkanal (11) zwischen der Lüftungsöffnung (82) und dem zu kühlenden Bauteil (15) vorzusehen, damit die kühle Außenluft direkt - ohne Vermischung mit der Innenluft des Gehäuses - zum Bauteil (15) geführt werden kann. Ferner kann gemäß Absatz [0064] der Luftkanal entfallen, wenn die entsprechende Wand (22) nur nahe genug am Lüfter (12) angeordnet ist.

Hier versteht der Fachmann bei aufmerksamer Lektüre (vgl. BGH GRUR 1995, 330 "Elektrische Steckverbindung"), dass es auf einen kurzen oder zumindest getrennten Luftweg für die kühle Außenluft besonders ankommt. Der dafür vorgesehene Luftkanal (11) ist zwar als separates, an der Innenwand montiertes Bauteil beschrieben (siehe D5 Spalte 7 Zeile 14 - 16); der Fachmann wird aber ohne Weiteres erkennen, dass eine einstückige Auslegung als Teil des Gehäuses, also ein Kanal als Vertiefung in der Gehäusewand in Richtung auf das zu kühlende Bauteil, die gleiche Wirkung hat. Gerade der mit der Montage von Baugruppen in Gehäusen befasste Fachmann wird sich schon aufgrund seiner Tätigkeit die Frage stellen, ob ein separates Bauteil (Luftkanal) oder eine vorgeformte (in einem bestimmten Bereich in Richtung der gegenüberliegenden Seitenwand versetzte) Gehäusewand für seine Arbeit günstiger ist.

Der Austausch des aus D5 bekannten Luftkanals (11) gegen eine gleichwirkende Versetzung eines Bereichs der Gehäusewand nach innen kann daher nicht als erfinderische Tätigkeit angesehen werden, sondern lag im Rahmen des Wissens und Könnens des Durchschnittsfachmanns.

III.

Der Computer nach Patentanspruch 1 ist somit nicht patentfähig. Mit dem Anspruch 1 fallen - aufgrund der Antragsbindung (BGH GRUR 1997, 120 "Elektrisches Speicherheizgerät") - notwendigerweise auch die darauf zurückbezogenen geltenden Unteransprüche 2 bis 14.

Daher war die Beschwerde der Anmelderin gegen den Zurückweisungsbeschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des Deutschen Patent- und Markenamts zurückzuweisen.






BPatG:
Beschluss v. 16.05.2006
Az: 17 W (pat) 30/04


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