Oberlandesgericht Köln:
Beschluss vom 7. August 1996
Aktenzeichen: 17 W 219/96

(OLG Köln: Beschluss v. 07.08.1996, Az.: 17 W 219/96)

Tenor

In Abänderung des angefochtenen Beschlusses wird der genannte Gerichtskostenansatz dahin geändert, daß nur 764,00 DM in die für die Beteiligte zu 1) bestimmte Kostenrechnung einzustellen sind.

Gründe

Die Beschwerde der Antragsgegnerin hat in vollem Umfang

Erfolg.

1.

Die Beteiligte zu 1) haftet der Landeskasse nur für eine

1,0-Gebühr nach Nr. 1310 KV GKG.

a)

Richtig ist allerdings, daß eine gemäß Nr. 1311 KV GKG auf 3,0

erhöhte Gebühr zur Entstehung gelangt ist. In dem dieser

Kostensache zugrunde liegenden Verfahren der einstweiligen

Verfügung hat eine mündliche Verhandlung im Sinne von Nr. 1311 KV

GKG stattgefunden.

Der Begriff der "mündlichen Verhandlung" wird im Kostenrecht

nicht einheitlich gebraucht (OLG München, OLGR 1995, 240 = MDR

1995, 1172). Der in Nr. 1311 KV GKG verwendete Begriff der

mündlichen Verhandlung ist nicht identisch mit dem gleichlautenden

Begriff, wie er etwa in § 137 Abs. 1 ZPO und in Anlehnung daran in

§ 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO mit dem Verständnis einer mit der

Antragstellung beginnenden mündlichen Erörterung des Sach- und

Streitstandes gebraucht wird. Er ist vielmehr in einem weiteren

Sinne zu verstehen; gemeint ist die Tätigkeit des Gerichts und der

Parteien in einem zur mündlichen Verhandlung bestimmten Termin, die

auch die außerhalb der eigentlichen streitigen Verhandlung

erfolgende verfahrensmäßige Einleitung und Durchführung des zur

mündlichen Verhandlung bestimmten Termins erfaßt. In diesem Sinne

wird der Begriff der "mündlichen Verhandlung" teilweise auch in der

ZPO gebraucht (vgl. z.B. §§ 136 Abs. 1, 159 Abs. 1 Satz 1 i.V. mit

§ 160 Abs. 1 ZPO; vgl. hierzu auch Rosenberg/Schwab/Gottwald,

Zivilprozeßrecht, 15. Aufl., § 81 I - S. 442 -;

Riedel/Sußbauer/Keller, BRAGO, 7. Aufl., § 31 Rn. 44).

Daß der Begriff der mündlichen Verhandlung in Nr. 1311 KV GKG im

zuletzt genannten Sinne auszulegen ist, erschließt sich aus einer

Gesamtbetrachtung der Regelungstatbestände von Nrn. 1310, 1311 KV

GKG, denen ersichtlich vor allem der Gedanke zugrunde liegt, daß

ein zur mündlichen Verhandlung bestimmter Termin eine besondere

zusätzliche richterliche Mühewaltung erfordert. Diese entsteht aber

nicht erst mit einem mündlichen Verhandeln im Sinne von § 137 ZPO,

sondern verwirklicht sich bereits in der richterlichen Tätigkeit,

die die verfahrensmäßige Einleitung und Durchführung des zur

mündlichen Verhandlung bestimmten Termins betrifft. Diese Tätigkeit

setzt in der Vorbereitung und Ausführung eine richterlicher

Befassung mit der einstweiligen Verfügungssache bzw. der

Arrestsache voraus. Ein derartiges Verständnis des eine Erhöhung

der Gebühr auf 3,0 auslösenden "Stattfindens" einer "mündlichen

Verhandlung" entspricht auch dem vom Gesetzgeber mit dem

Kostenrechtsänderungsgesetz vom 24. Juni 1994 (BGBl I, 1325)

verfolgten Ziel, den Verwaltungsaufwand bei der Berechnung und

Einziehung der Gerichtskosten mittels einfach zu bestimmender

Pauschalgebühren herabzusetzen (BT-Drucks. 12/6962, S. 51 ff.).

Indem man das "Stattfinden" der "mündlichen Verhandlung" mit dem

Terminsbeginn ansetzt, der gemäß § 220 Abs. 1 ZPO mit dem Aufruf

der Sache durch den Vorsitzenden des Gerichts erfolgt, ist eine

klare, einfach handhabbare Abgrenzung der Gebührentatbestände der

Nrn. 1310 und 1311 KV GKG gegeben.

Im hier zu entscheidenden Fall hat am 22. November 1994 ein

Termin zur mündlichen Verhandlung stattgefunden, der nach

Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung anberaumt worden war.

Der Termin hat ausweislich des Protokolls, dem insoweit gemäß § 165

ZPO Beweiskraft zukommt, mit dem Aufruf der Sache und der

Feststellung der erschienenen Geschäftsführer der Parteien sowie

der anwaltlichen Vertreter der Parteien begonnen und ist

schließlich im Einverständnis mit den Prozeßbevollmächtigten

vertagt worden. Daß ein Termin in dieser Sache stattgefunden hat,

ergibt sich auch aus den von den Parteien nach dem Termin vom 22.

November 1994 unter Angabe des hier betreffenden Kurzrubrums und

Aktenzeichens eingereichten Schriftsätzen, worin auf eine im Termin

gegebene Anregung des Vorsitzenden, außergerichtliche

Vergleichsverhandlungen zu führen, Bezug genommen wird.

b)

Wenngleich somit eine auf 3,0 erhöhte Gebühr gemäß Nr. 1311 KV

GKG entstanden ist, haftet die Beteiligte zu 1) nur für eine

1,0-Gebühr als Entscheidungsschuldnerin nach § 54 Nr. 1 GKG.

Durch die im Beschlußwege erlassene einstweilige Verfügung vom

26. September 1994 sind der Beteiligten zu 1) als Antragsgegnerin

die Kosten des Verfahrens auferlegt worden. Die Haftung der

Beteiligten zu 1) umfaßt nur die ihr auferlegten Kosten. Die

Kostenentscheidung einer Beschlußverfügung erfaßt nur diejenigen

Kosten, die in dem durch den Beschluß abgeschlossenen

Verfahrensabschnitt entstanden sind. Darunter fällt nur die

1,0-Gebühr nach Nr. 1310 KVGKG. Eine weitere Kostenentscheidung ist

bisher nicht ergangen; das Verfahren ruht.

Eine Haftung der Beteiligten zu 1) gemäß § 49 GKG ist nicht

gegeben. Antragsteller des Arrestverfahrens und des Verfahrens der

einstweiligen Verfügung ist auch für das Rechtfertigungsverfahren

(§§ 924, 936 ZPO) derjenige, der den Arrest bzw. die einstweilige

Verfügung beantragt. Der Widerspruch gegen den Arrest bzw. die

einstweilige Verfügung begründet - anders als der Antrag auf

Durchführung des streitigen Verfahrens gemäß § 696 ZPO, der zu

einer Beendigung des Mahnverfahrens führt - verfahrensrechtlich und

kostenrechtlich keine neue Instanz (Hartmann, Kostengesetze, 26.

Aufl., § 49 GKG Rn. 15; Markl, GKG, 2. Aufl., § 49 Rn. 9). Aus der

seit dem 1. Juli 1994 geltenden Gebührenregelung Nr. 1311 KV GKG

läßt sich nicht herleiten, daß der Widerspruch gegen einen Arrest

bzw. eine einstweilige Verfügung eine neue vom Antragsgegner

veranlaßte kostenrechtliche Instanz begründet. Zwar ist aufgrund

eines Widerspruchs gegen einen Arrest bzw. eine einstweilige

Verfügung eine mündliche Verhandlung anzuberaumen (§ 924 Abs. 2

Satz 2 ZPO), die, wenn sie stattfindet, eine auf 3,0 erhöhte Gebühr

nach Nr. 1311 KV GKG auslöst. Indessen entsteht diese Gebühr nicht

nur im Falle einer durch einen Widerspruch ausgelösten mündlichen

Verhandlung, sondern auch dann, wenn das Gericht zur Entscheidung

über den Antrag auf Erlaß eines Arrests bzw. einer einstweiligen

Verfügung eine mündliche Verhandlung amberaumt und diese

"stattfindet" im Sinne von Nr. 1311 KVGKG.

Die nach einem Streitwert von 100.000,00 DM zu berechnende

1,0-Gebühr gemäß Nr. 1310 KV GKG beläuft sich auf 955,00 DM.

2.

Diese Gebühr ist um 20 % auf 764,00 DM herabzusetzen, weil die

Kostenschuldnerin ihren Sitz im Beitrittsgebiet hat.

Nach dem Einigungsvertragsgesetz vom 23. September 1990 (BGBl

II, 885) in Verbindung mit Art. 8 des Einigungsvertrages vom 31.

August 1990 (BGBl. II, 889) und Anl. I Kap. III Sachgeb. A Abschn.

III Nr. 19 a zu diesem Vertrag findet das GKG im Beitrittsgebiet

mit der Maßgabe Anwendung, daß die Gebühren um 20 % zu ermäßigen

sind, "wenn der Kostenschuldner seinen allgemeinen Gerichtsstand in

dem in Artikel 3 des Vertrages genannten Gebiet hat". Weitere

Voraussetzungen müssen für die Gewährung der Gebührenermäßigung

nicht erfüllt sein. Insbesondere muß der betreffende Rechtsstreit

nicht vor einem Gericht im Beitrittsgebiet anhängig sein. Der Senat

folgt der wohl überwiegenden obergerichtlichen Auffassung (BGH, MDR

1996, 205; OLG Düsseldorf DtZ 1995, 295; OLG Köln - 19. ZS -, DtZ

1995, 212), die die teilweise in der Rechtsprechung vertretene

Gegenmeinung (OLG München, JurBüro 1995, 147; OLG Stuttgart,

JurBüro 1996, 201) unter Hinweis darauf ablehnt, daß die klare

gesetzliche Regelung nicht den territorialen Geltungsbereich

sondern den Kreis der Normadressaten der Gebührenermäßigung

begrenzt.

3.

Das Verfahren über die Erinnerung und die Beschwerde der

Antragsgegnerin ist gemäß § 5 Abs. 6 GKG gebührenfrei. Kosten

werden nach Satz 2 dieser Vorschrift nicht erstattet.






OLG Köln:
Beschluss v. 07.08.1996
Az: 17 W 219/96


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