Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 19. Januar 2012
Aktenzeichen: I-2 U 114/10

(OLG Düsseldorf: Urteil v. 19.01.2012, Az.: I-2 U 114/10)

Tenor

I.

Die Berufung der Klägerin und die Berufung der Beklagten gegen das am 31.08.2010 verkündete Urteil der 4b. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf werden zurückgewiesen.

II.

Die Feststellungswiderklage der Beklagten wird abgewiesen.

III.

Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin zu 2/3 und die Beklagten zu 1/3 zu tragen.

IV.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten wegen ihrer Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Den Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 167.000,- € abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

V.

Die Revision wird nicht zugelassen.

VI.

Der Streitwert wird für beide Instanzen auf 500.000,- € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des in der Bundesrepublik Deutschland in Kraft stehenden europäischen Patents (Klagepatent, Anlage K 1b), das eine Entlüftungsvorrichtung für einen Kartuschenkolben zum Gegenstand hat. Es nimmt eine deutsche Priorität vom 09.06.2000 in Anspruch, wurde am 21.03.2001 in deutscher Verfahrenssprache angemeldet und am 13.12.2001 als internationale Anmeldung (WO ) veröffentlicht. Der Hinweis auf seine Erteilung wurde am 29.12.2004 veröffentlicht. Nach der eingeschränkten Aufrechterhaltung des Klagepatents durch die Entscheidung der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamtes vom 05.01.2007 (Anlage K 2b) lautet der allein streitgegenständliche Anspruch 1 des Klagepatents wie folgt:

"Entlüftungsvorrichtung bei einem Kolben für eine Kartusche mit einem ersten Kolbenteil (1), das abdichtend gegen die Kartuschenwand anliegt, und mit einem zweiten Kolbenteil (4, 24), das mit dem ersten Kolbenteil (1) ein Ventil (9, 10) bildet, das sich öffnet, wenn ein Druck auf die Kolbenrückseite ausgeübt wird, damit die zwischen der Füllmasse und dem Kolben eingeschlossene Luft entweichen kann, wobei im Strömungsweg der Luft durch das Ventil (9, 10) gesehen vor dem Ventil (9, 10) zwischen den beiden Kolbenteilen (1, 4, 24) eine Filterstrecke (14) gebildet wird, die mindestens einen engen Kanal aufweist, der eine Durchtrittsbarriere für die Füllmasse bildet,

dadurch gekennzeichnet, dass

der Außenumfang des zweiten Kolbenteils (4) über ein kreiszylindrisches Wandungsteil (5) in einer kreiszylindrischen Vertiefung (3) des ersten Kolbenteils (1) verrastet ist, die Verrastung durch einen Luftkanal (13) unterbrochen ist und an die Verrastung (6) sich die Filterstrecke (14) anschließt."

Im Übrigen wird auf die am 04.07.2004 veröffentlichte Neue europäische Patentschrift über das Klagepatent (Anlage K 3b) Bezug genommen. Die nachfolgend verkleinert eingeblendeten Figuren der Klagepatentschrift erläutern den Gegenstand der Erfindung anhand bevorzugter Ausführungsbeispiele, Figur 1 als Schnitt durch eine erste Ausführungsform eines Kolbens, Figur 2 als Schnitt durch einen Ringkolben mit der Entlüftungsvorrichtung nach Figur 1, Figur 3 als Schnitt durch eine zweite Ausführungsform eines Kolbens bei geschlossener Entlüftungsvorrichtung, Figur 4 als Schnitt durch den Kolben der Figur 3 bei geöffneter Entlüftungsvorrichtung:

Abbildung

Abbildungen

Die Beklagten zu 2) und 3) sind Geschäftsführer der Beklagten zu 1), welche in der Bundesrepublik Deutschland Kartuschenkolben herstellt und vertreibt. Dabei handelt es sich u.a. um sog. K.-2-Komponenten-Kartuschen (angegriffene Ausführungsform 1), S.-b.-S.-Dental-Kartuschen (angegriffene Ausführungsform 2) und Kartuschenkolben mit der Bezeichnung "C. A. Außenkolben " (angegriffene Ausführungsform 3).

Die angegriffene Ausführungsform 1, von der ein Muster als Anlage K 7a zur Gerichtsakte gereicht ist, wird von der Beklagten zu 1) in ihrem Prospekt "-K.-Kartuschen" (Anlage K 5b) beworben. Die nachstehend eingeblendeten CAD-Zeichnungen (Anlage K 7b) geben die angegriffene Ausführungsform 1 jedenfalls im Hinblick auf die in der Zeichnung rot als Strömungsverlauf der Luft eingezeichneten Kanäle zutreffend wieder:

Abbildungen

Die angegriffene Ausführungsform 2 (Muster in Anlage K 8a) wird von der Beklagten zu 1) in ihrem Prospekt "D. C." (Anlage K 6a) beworben und ist in den nachfolgend wiedergegebenen CAD-Zeichnungen (Anlage 8b) abgebildet:

Abbildungen

Die angegriffene Ausführungsform 3 (Muster in Anlage 13b) ist Gegenstand des nachfolgend verkleinert eingeblendeten Skizzenblattes, das dem Schriftsatz der Beklagten vom 23.12.2009 (Seite 3, Bl. 49 GA) entnommen ist:

Abbildungen

Die Klägerin ist der Ansicht, alle drei angegriffenen Ausführungsformen machten von der technischen Lehre des Klagepatents wortsinngemäßen Gebrauch. Sie hat die Beklagte zu 1) daher mit rechts- und patentanwaltlichem Schreiben vom 23.03.2009 wegen Verletzung des Klagepatents sowie eines weiteren, anderweitig geltend gemachten Schutzrechts bezogen auf die angegriffenen Ausführungsformen 1 und 2 abgemahnt. Die u.a. geforderte Unterlassung lehnte die Beklagte zu 1) mit Schreiben vom 31.03.2009 endgültig ab. Die entstandenen vorprozessualen Kosten werden vorliegend wechselseitig geltend gemacht.

Die Klägerin hat in erster Instanz die Auffassung vertreten, alle angegriffenen Ausführungsformen verfügten über erfindungsgemäße Filterstrecken, da hierzu lediglich das Vorhandensein enger, gewundener Kanäle erforderlich sei, die zwar den Durchtritt von Luft, nicht aber den von Füllmasse ermöglichen. Die klagepatentgemäße Vorgabe "kreiszylindrisch" sei nicht im streng geometrischen Sinn zu verstehen, was sich aus den Figuren des Klagepatents und dem technischen Zweck der entsprechenden Ausformung ergebe.

Die Beklagten haben eine Verletzung des Klagepatents in Abrede gestellt und die Auffassung vertreten, den angegriffenen Ausführungsformen 1 und 3 fehle es an einer erfindungsgemäßen Filterstrecke, den angegriffenen Ausführungsformen 2 und 3 an einem kreiszylindrischen Wandungsteil bzw. einer eben solchen Vertiefung. Klagepatentgemäß setze das Vorhandensein einer Filterstrecke umlaufende Kanäle an der Innenwand des Wandungsteils voraus, die bei den angegriffenen Ausführungsformen 1 und 3 nicht vorhanden seien. Eine kegelförmige Ausformung von Wandungsteil und Vertiefung wie bei den angegriffenen Ausführungsformen 2 und 3 sei nicht kreiszylindrisch.

Das Landgericht hat die Klage und die von der Beklagten zu 1) im Hinblick auf ihre vorprozessualen Kosten erhobene Widerklage wie folgt beschieden:

I. Die Beklagten werden verurteilt,

1. es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,-- Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle mehrfacher Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft hinsichtlich der Beklagten zu 1) an deren jeweiligem gesetzlichen Vertreter zu vollziehen ist, zu unterlassen,

Kolben mit einer Entlüftungsvorrichtung für eine Kartusche mit einem ersten Kolbenteil, das abdichtend gegen die Kartuschenwand anliegt, und mit einem zweiten Kolbenteil, das mit dem ersten Kolbenteil ein Ventil bildet, das sich öffnet, wenn ein Druck auf die Kolbenrückseite ausgeübt wird, damit die zwischen der Füllmasse und dem Kolben eingeschlossene Luft entweichen kann, wobei im Strömungsweg der Luft durch das Ventil gesehen vor dem Ventil zwischen den beiden Kolbenteilen eine Filterstrecke gebildet wird, die mindestens einen engen Kanal aufweist, der eine Durchtrittsbarriere für die Füllmasse bildet,

herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannte Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen,

bei denen der Außenumfang des zweiten Kolbenteils über ein kreiszylindrisches Wandungsteil in einer kreiszylindrischen Vertiefung des ersten Kolbenteils verrastet ist, die Verrastung durch einen Luftkanal unterbrochen ist und an die Verrastung sich die Filterstrecke anschließt;

2. der Klägerin unter Vorlage eines einheitlichen, geordneten Verzeichnisses vollständig darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 13. Januar 2002 begangen hat, und zwar unter Angabe

a) der Herstellungsmengen und -zeiten,

b) der einzelnen Lieferungen und Bestellungen, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Liefer- und Bestellmengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer, wobei die Beklagten der Klägerin die Rechnungen zu den Lieferungen in Kopie vorzulegen haben,

c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Angebotsmengen, -zeiten und -preisen, sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,

d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Herstellungs- und Verbreitungsauflage, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei die Beklagten zu 2) und 3) alle Angaben und die Beklagte zu 1) die Angaben zu lit. e) nur für die Zeit seit dem 29. Januar 2005 zu machen haben,

wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer nichtgewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, dieser gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten und in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten die durch dessen Einschaltung entstehenden Kosten übernehmen und ihn ermächtigen, der Klägerin auf Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter nichtgewerblicher Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Rechnungslegung enthalten ist;

3. die unter Ziffer I.1. beschriebenen, im Besitz gewerblicher Abnehmer befindlichen Erzeugnisse zurückzurufen, indem diejenigen gewerblichen Abnehmer, die sich im Besitz dieser Erzeugnisse befinden, darüber schriftlich informiert werden, dass die Kammer mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des Klagepatents EP in Deutschland erkannt hat, ihnen ein Angebot zur Rücknahme dieser Erzeugnisse durch die Beklagten unterbreitet wird und den gewerblichen Abnehmer für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Erstattung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises sowie die Übernahme der Verpackungs- und Transport- bzw. Versendungskosten für die Rückgabe zugesagt wird, und die Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen;

4. die Beklagte zu 1) wird verurteilt, die in ihrem unmittelbaren und mittelbaren Besitz oder Eigentum befindlichen unter Ziffer I.1. beschriebenen Erzeugnisse zu vernichten oder nach Wahl der Beklagten zu 1) an einen von der Klägerin zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten zu 1) herauszugeben.

II. Es wird festgestellt,

1. dass die Beklagte zu 1) verpflichtet ist, an die Klägerin für die unter Ziffer I.1. bezeichneten, in der Zeit vom 13. Januar 2002 bis zum 28. Januar 2005 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen,

2. dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die unter Ziffer I.1. bezeichneten, seit dem 29. Januar 2005 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

III. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an die Klägerin 2.757,-- Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3. September 2009 zu zahlen.

IV. Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 1) durch Herstellen, Anbieten und Inverkehrbringen von

Kolben mit einer Entlüftungsvorrichtung für eine Kartusche mit einem ersten Kolbenteil, das abdichtend gegen die Kartuschenwand anliegt, und mit einem zweiten Kolbenteil, das mit dem ersten Kolbenteil ein Ventil bildet, das sich öffnet, wenn ein Druck auf die Kolbenrückseite ausgeübt wird, damit die zwischen der Füllmasse und dem Kolben eingeschlossene Luft entweichen kann, wobei im Strömungsweg der Luft durch das Ventil gesehen vor dem Ventil zwischen den beiden Kolbenteilen eine Filterstrecke gebildet wird, die mindestens einen engen Kanal aufweist, der eine Durchtrittsbarriere für die Füllmasse bildet,

den deutschen Teil des europäischen Patents EP der Klägerin verletzt hat.

Die Klägerin wird verurteilt, an die Beklagte zu 1) 1.128,50 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. Juli 2010 zu zahlen.

Im Übrigen werden die Klage und die Widerklage abgewiesen.

Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, nur die angegriffene Ausführungsform 1 verletze das Klagepatent. Sie weise eine erfindungsgemäße Filterstrecke auf. Eine solche zeichne sich dadurch aus, dass die erfindungsgemäßen Kolbenteile im zusammengesetzten Zustand einen Kanal ausbildeten, der eng genug sei, um das Durchtreten der den Kartuscheninhalt ausmachenden Füllmasse zu verhindern. Hingegen enthalte das Klagepatent keine Vorgabe in Bezug auf eine bestimmte räumliche Anordnung der so verstandenen Filterstrecke innerhalb des Kolbens. Beschrieben seien insofern nur bevorzugte Ausführungsbeispiele. Aus den vorgelegten CAD-Zeichnungen ergebe sich, dass auf der rückwärtigen, dem Kartuscheninhalt abgewandten Seite des zweiten Kolbenteils konzentrisch verlaufende Erhebungen von geringer Höhe ausgebildet seien, die im zusammengebauten Zustand des Kolbens wenige Zehntelmillimeter weite Kanäle ausbildeten. Durch diese könne zwar Luft, aber keine Füllmasse strömen.

Nicht feststellbar sei, dass auch die Ausführungsformen 2 und 3 von der technischen Lehre des Klagepatents in vollem Umfang Gebrauch machten. Zur Verrastung über ein kreiszylindrisches Wandungsteil des ersten und eine kreiszylindrische Vertiefung des zweiten Kolbenteils sei eine Gestaltung von Wandungsteil und Vertiefung dergestalt notwendig, dass beide Teile so aufeinander abgestimmt seien, dass sie miteinander in Eingriff treten könnten, und jedenfalls annähernd kreiszylindrisch verliefen. Zwar sei es nicht erforderlich, dass Wandungsteil und Vertiefung im streng geometrischen Sinn kreiszylindrisch seien. Dies folge aus den Figuren 3 und 4 des Klagepatents, die bevorzugte Ausführungsbeispiele zeigten, bei denen Wandungsteil und Vertiefung kegelmantelförmig konisch zulaufend ausgebildet seien. Die Abweichung von der ideal geometrischen Kreiszylinderform dürfe aber auch nicht beliebig groß sein, weil sonst aus der Sicht des Fachmanns ein Bezug zu dieser geometrischen Form nicht mehr bestehe. Dieser Bezug müsse aus Gründen der Rechtssicherheit gewahrt werden. Die Formgebung von Wandungsteil und Vertiefung der angegriffenen Ausführungsformen 2 und 3 sei aufgrund des etwa 60° betragenden Winkels zwischen der Längsachse der Vorrichtung einerseits und dem Wandungsteil bzw. der Vertiefung anderseits nicht mehr kreiszylindrisch, sondern kegel- oder kegelstumpfförmig.

Von den im vorliegenden Verfahren von der Klägerin hälftig eingeklagten vorprozessualen Kosten sei die Hälfte von der Beklagten zu 1) zu erstatten, weil die Abmahnung im Hinblick auf die angegriffene Ausführungsform 1 zu Recht, hinsichtlich der angegriffenen Ausführungsform 2 hingegen zu Unrecht erfolgt sei. Dementsprechend habe die Klägerin der Beklagten zu 1) die Hälfte der ihr durch die teilweise unberechtigte Abmahnung aus dem Klagepatent entstandenen vorprozessualen Kosten zu erstatten.

Hiergegen wenden sich die Parteien mit jeweils selbständigen Berufungen, mittels derer sie beide ihr ursprüngliches Begehren in vollem Umfang weiter verfolgen.

Die Klägerin macht demgemäß mit ihrem Rechtsmittel geltend, auch die angegriffenen Ausführungsformen 2 und 3 machten von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch. Das Merkmal "kreiszylindrisch" sei dahingehend auszulegen, dass Wandungsteil und Vertiefung lediglich eine kreisförmige Grundform mit flächenmäßiger, axialer Erstreckung aufweisen müssten. Dass erhebliche Abweichungen vom 90°-Winkel noch von der klagepatentgemäßen Lehre umfasst seien, zeigten die Figuren 3 und 4 des Klagepatents. Bei der Figur 3 sei die Außenwand der Vertiefung jeweils in einem Winkel von 75° nach außen geneigt. Der vom Landgericht zugrunde gelegte 90°-Winkel von Wandungsteil/Vertiefung zur (gedachten) Grundfläche ergebe sich auch nicht aus dem geometrischen Begriff des Kreiszylinders, wie durch die nachfolgend eingeblendeten Figuren gezeigt werde. Denn auch ein "schiefer" Kreiszylinder sei ein Kreiszylinder.

Abbildung

Dass Wandungsteil und Vertiefung lediglich eine kreisförmige Grundform mit flächenmäßiger, axialer Erstreckung aufweisen müssten, werde auch durch eine funktionsorientierte Betrachtung bestätigt. Bereits das weitere Erfordernis der Verrastung zeige, dass keine im streng geometrischen Sinn verstandene kreiszylindrische Form beider Elemente vorzusehen sei. Denn dergestalt ausgeformte Elemente könnten nicht miteinander verrastet werden. Der Fachmann erkenne zudem, dass auch nach dem technischen Sinn und Zweck ein kreiszylindrischer Verlauf von Wandungsteil und Vertiefung im geometrischen Sinn nicht notwendig sei. Es komme insoweit nur auf eine Umlenkung des Luftstroms an, die auch bei einer kegelförmigen Ausformung beider Elemente bewirkt werde. Aber selbst bei der vom Landgericht vorgenommenen Auslegung verletzten die angegriffenen Ausführungsformen 2 und 3 das Klagepatent wortsinngemäß. Wie die nachfolgend eingeblendete, zur Verdeutlichung bunt gefärbte Zeichnung der angegriffenen Ausführungsform 3 belege, die der Skizze mittig links auf dem oben eingeblendeten Zeichnungsblatt entspreche, seien dort Wandungsteil (gelb) und Vertiefung (grün) im farblich markierten Bereich in einem Winkel von etwa 90° zur (gedachten) Grundfläche positioniert, also streng kreiszylindrisch ausgeformt:

Abbildung

Die angegriffene Ausführungsform 2, deren diesbezüglicher Winkel anders als in erster Instanz angenommen 75 Grad betrage, entspreche damit im Wesentlichen dem in der Figur 3 des Klagepatents gezeigten bevorzugten Ausführungsbeispiel. Jedenfalls, so meint die Klägerin, machten die angegriffenen Ausführungsformen 2 und 3 in äquivalenter Weise von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch. Eine kegelförmige Ausformung von Wandungsteil und Vertiefung sei gleichwirkend, naheliegend und im Hinblick auf das Klagepatent gleichwertig.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 31.08.2010 (Az.: 4b O 209/09) teilweise abzuändern und die Beklagten auch im Hinblick auf die angegriffenen Ausführungsformen 2 und 3 wie bei der angegriffenen Ausführungsform 1 zu verurteilen, die Beklagte zu 1) zur Zahlung vorprozessualer Kosten in Höhe von 4.514,- € nebst Zinsen zu verurteilen und die Widerklage abzuweisen,

hilfsweise stellt sie die Anträge mit der Maßgabe, dass die Worte "über ein kreiszylindrisches Wandungsteil in einer kreiszylindrischen Vertiefung des ersten Kolbenteils verrastet ist" durch die Worte "über ein kegelstumpfförmiges Wandungsteil in einer kreisförmigen, sich zur Kolbenrückseite hin verjüngenden Vertiefung des ersten Kolbenteils verrastet ist" ersetzt werden.

Die Beklagten beantragen,

I.

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen,

II.

auf ihre Berufung das am 31.08.2010 verkündete Urteil des Landgerichts (Az.: 4b O 209/09) abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen

sowie

im Rahmen der Widerklage die Klägerin und Widerbeklagte zu verurteilen, an die Beklagte zu 1) über den erstinstanzlich zugesprochenen Betrag von 1.128,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz hinaus weitere 1.128,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit dem 15.07.2010 zu zahlen.

Im Wege der in 2. Instanz erhobenen Feststellungswiderklage beantragen die Beklagten,

festzustellen, dass die Klägerin verpflichtet ist, den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt zu erklären;

hilfsweise,

festzustellen, dass die im Urteil des Landgerichts Düsseldorf unter dem Az. 4b O 209/09 vom 31.08.2010 tenorierten Ansprüche seit dem 21.01.2011 nicht mehr bestehen;

höchst hilfsweise,

festzustellen, dass die Klägerin verpflichtet ist, das Ruhen des Verfahrens nach § 251 ZPO zu beantragen, wobei die Beklagten höchsthilfsweise ebenfalls das Ruhen des Verfahrens wegen schwebender Vergleichsverhandlungen beantragen.

Die Beklagten halten die Klage für inzwischen unzulässig und berufen sich in diesem Zusammenhang darauf, mit der S. M. AG am 21. Januar 2011 einen die Klägerin bindenden, u.a. die Beendigung des vorliegenden Rechtsstreits vorsehenden Vergleich abgeschlossen zu haben. Ungeachtet der danach weiter geführten Verhandlungen und Vertragsentwürfe habe man sich, was die Beendigung des hiesigen Rechtsstreits angelange, an diesem Tag verbindlich geeinigt. In der Sache sind die Beklagten der Auffassung, auch die angegriffene Ausführungsform 1 verletze das Klagepatent nicht. Sie wenden ein, bei allen angegriffenen Ausführungsformen könne flüssiger Kartuscheninhalt ungehindert bis zum Ventil vordringen, und sind der Ansicht, eine erfindungsgemäße Filterstrecke vor dem Ventil sei deshalb nicht vorhanden. Hinsichtlich der angegriffenen Ausführungsformen 2 und 3 habe das Landgericht zutreffend das Vorliegen eines kreiszylindrischen Wandungsteils und einer ebensolchen Vertiefung verneint.

Die Klägerin beantragt,

die gegnerische Berufung zurück- und die Feststellungswiderklage abzuweisen.

Sie bestreitet das Zustandekommen eines wirksamen Vergleichs und beruft sich hilfsweise auf die von der S. M. A. erklärte Anfechtung. In der Sache verweist die Klägerin darauf, dass nach der Klagepatentbeschreibung nur visköse Füllmasse am Durchtritt durch die Filterstrecke gehindert werden solle, nicht aber flüssigere Bestandteile. Erfindungsgemäß sei es das Ventil, welches Flüssigkeit am Austritt hindere.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Beide Rechtsmittel sind zulässig, haben in der Sache aber keinen Erfolg. Gleiches gilt für die erstmals in der Berufungsinstanz von den Beklagten erhobene Feststellungswiderklage.

A.

Die Klage ist nach wie vor zulässig; der Inhalt des von den Beklagten als Anlage LR 2 (Bl. 292 GA) vorgelegten Protokolls der Besprechung vom 21. Januar 2011 hat daran nichts geändert. Zwar hat ein außergerichtlicher Vergleich, der hier allein als Ergebnis der Verhandlungen vom 21. Januar 2011 in Betracht kommt, keinen unmittelbaren Einfluss auf den anhängigen Rechtsstreit und beendet ihn insbesondere nicht unmittelbar (BGH NJW 2002, 1503, 1504; Zöller/Stöber ZPO, 29. Aufl., § 794 Rdnr. 17). Hat sich in einem solchen Vergleich der Kläger aber verpflichtet, die Klage zurückzunehmen, ist die dennoch aufrecht erhaltene Klage, wenn eine entsprechende Abrede vor Gericht geltend gemacht wird, trotz deren nur schuldrechtlicher Wirkung als unzulässig abzuweisen; der Beklagte kann dem in solchen Fällen, wenn der Kläger einer solchen Vereinbarung zuwider den Rechtsstreit weiter betreibt, die Einrede der Arglist entgegen setzen (RGZ 102, 217; 159, 186; BGH NJW 1964, 549, 550; Zöller/Greger, a.a.O., § 269 Rdnr. 3; Musielak/Foerste, ZPO, 7. Aufl., § 269 Rdnr. 2). Entgegen der Ansicht der Beklagten ist es jedoch zu einer solchen Vereinbarung nicht gekommen.

1.

Zwar ist in dem Besprechungsprotokoll vom 21. Januar 2011 davon die Rede, dass die Parteien der Verhandlungen - als solche sind in der Urkunde nur die Beklagte zu 1. und die S. M., nicht aber die Klägerin und die übrigen Beklagten bezeichnet - u.a. vereinbaren,

die Rechtstreitigkeiten derart zu beenden, dass beide Berufungsverfahren beendet und die erstinstanzlichen Urteile wirkungslos sind, (was inhaltlich den gesetzlichen Folgen einer Klagerücknahme entspricht; Klammerzusatz vom Senat hinzugefügt),

von der Beklagten zu 1. eine einmalige Zahlung in Höhe von 150.000,-- Euro zu leisten ist,

M. auf Schadenersatzansprüche für den Zeitraum bis zum 30. Juni 2011 verzichtet,

die Beklagte zu 1) den Teilkolben gemäß Anlage 8a des landgerichtlichen Urteils vom Markt nehmen wird und für den Zeitraum vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 2011 für jedes in Deutschland gelieferte Kolben-Kartuschen-Set mit einem Kolben gemäß Anlage 7a des landgerichtlichen Urteils einen Betrag von 0,05 Euro an M. zahlt und

ab dem 1. Januar 2012 keine der im vorangehenden Punkt genannten Kolben innerhalb Deutschlands mehr vertreiben wird.

Ausdrücklich werden diese Regelungen - die im Übrigen noch keine konkreten Abmachungen darüber enthalten, durch welche prozessrechtlichen Erklärungen die anhängigen Gerichtsverfahren beendet werden sollen - sodann aber lediglich als "Eckpunkte" bezeichnet, auf deren Basis eine Vereinbarung zwischen den Parteien erst noch abgeschlossen werden soll. Dass das Sitzungsprotokoll gemäß Anlage LR 2 selbst noch keine bindende Vereinbarung enthielt, hat in der Folgezeit auch die Beklagte zu 1) so gesehen, denn ihr Prozessbevollmächtigter übersandte an Sulzer Mixpac unter dem 16. Februar 2011 einen von ihm gefertigten Entwurf "auf der Basis der vereinbarten Eckpunkte" (Anlage rop 5). Dementsprechend übersandte die Klägerin (nicht Sulzer Mixpac) an die Beklagte zu 1) unter dem 18. März 2011 einen von ihr überarbeiteten Vereinbarungsentwurf (Anlage rop 6) und die Beklagte zu 1. an die Klägerin nochmals einen Entwurf unter dem 18. April 2011 (Anlage rop 7). Unstreitig haben selbst danach noch Verhandlungen stattgefunden. Dementsprechend haben auch die Beklagten nach dem 21. Januar 2011 nicht etwa - wie es im Falle einer schon existierenden dahingehenden verbindlichen Einigung nahe gelegen hätte - aktenkundig gemacht, die Parteien hätten sich verglichen und die Klägerin habe sich verpflichtet, die Klage zurückzunehmen, sondern beide Parteien haben Ende Mai 2011 unter Hinweis auf die noch nicht abgeschlossenen Vergleichsverhandlungen eine Verlängerung der vom Senat gesetzten Erwiderungs- und Replikfristen beantragt, nämlich die Klägerin mit Schriftsatz vom 20. Mai 2011 (Bl. 257 ff. GA) und die Beklagten mit Schriftsatz vom 23. Mai 2011 (Bl. 262 GA). Zu all dem hätte keine Veranlassung bestanden, wenn am 21. Januar 2011 schon eine bindende Regelung zustande gekommen wäre. Soweit die Beklagten sich darauf berufen, beide Seiten seien am 21. Januar 2011 übereinstimmend von einem bindenden Charakter ausgegangen, haben sie das aus den vorgelegten Schriftstücken und den vorstehend dargelegten Umständen sprechende Gegenteil nicht widerlegt, insbesondere keinen Beweis für ihr Vorbringen angetreten.

2.

Darüber hinaus ist das Protokoll gemäß Anlage LR 2 nach § 154 Abs. 1 S. 2 BGB auch deshalb nicht bindend, weil ein Einigungsmangel hinsichtlich der Frage bestand, welche Partei die Kosten der Rechtstreitigkeiten zu tragen hat. In dem Protokoll gemäß Anlage LR 2 wird die Problematik nicht erwähnt. Wie die Beklagten in der Sitzung am 15. Dezember 2011 selber vorgetragen haben, war die Verteilung der Kosten der anhängigen Gerichtsverfahren am 21. Januar 2011 überhaupt kein Diskussionspunkt. In den anschließend beiderseitig vorgelegten Entwürfen waren jeweils unterschiedliche Regelungen vorgesehen. Während der Entwurf der Beklagten vom 16. Februar 2011 (Anlage rop 5) darauf gerichtet war, S. nehme die Klagen zurück, was ohne besondere Regelungen zur Folge gehabt hätte, dass der Klägerin sämtliche Kosten aufzuerlegen wären, sah der Entwurf der Klägerin vom 18. März 2011 (Anlage rop 6) in Ziffer 1 eine Aufhebung der Kosten vor und der zweite Entwurf der Beklagten vom 18. April 2011 (Anlage rop 7) schlug in Ziffer 1 vor, jede Partei solle ihre Anwaltskosten selbst und Sulzer die Gerichtskosten tragen. Aus alledem geht eindeutig hervor, dass die Parteien die Frage, wer die Kosten der geführten Verfahren zu tragen habe, durchaus regeln wollten, wie es auch angesichts der Bedeutung der Kostentragungspflicht für die Vermögensbelastung der Parteien zu erwarten war. Es kann unter diesen Umständen auch nicht angenommen werden, die Parteien hätten eine Kostenregelung nach § 91 a ZPO getroffen und die zwischen den Parteien noch nicht geklärte Frage der Kostentragung kann auch nicht vom Gericht durch eine Regelung nach § 91 a ZPO ersetzt werden. Solange hierüber keine Klarheit erzielt wurde, widerspricht es jeder Lebenserfahrung, dass die Klägerin anstatt ihre gesetzlichen Ansprüche weiterzuverfolgen, sich schon damals auf die hiervon erheblich abweichende und u.a. einen Verzicht für den Zeitraum bis 30. Juni 2011 enthaltende in Aussicht genommene Regelung hätte beschränken lassen, solange nicht gleichzeitig auch geklärt war, wer die Kosten der wegen Verletzung u.a. des Klagepatents eingeleiteten Verfahren zu tragen hat. Dies gilt erst recht, wenn man sich die Größenordnung der am 21. Januar 2011 durch die Rechtsstreitigkeiten bereits angefallenen Kosten vor Augen führt: Beide Rechtsstreitigkeiten waren zum damaligen Zeitpunkt bei einer Streitwertfestsetzung von jeweils bis zu 260.000,- € erstinstanzlich abgeschlossen, wodurch für diese Instanz pro Verfahren nach RVG und GKG rund 17.500,- € angefallen waren. Jede der beiden Berufungen wäre selbst bei Klagerücknahme noch mit rund 9.500,- € zu Buche geschlagen, so dass es um Kosten von rund 54.000,- € ging. Dies macht mehr als 1/3 der im Protokoll vom 21. Januar 2011 niedergelegten Einmalzahlung der Beklagten zu 1. aus. Die damit pauschalierte Schadensersatzsumme hätte sich damit auf unter 100.000,- € reduziert, wenn die Klägerin, den gesetzlichen Folgen einer Klagerücknahme entsprechend, alle Kosten beider Verfahren zu tragen gehabt hätte. Die Verfahrensbeendigung hätte ihrerseits auch Auswirkungen auf die Schadenersatzansprüche gehabt, von deren weiterer gerichtlicher Verfolgung die Klägerin hätte absehen müssen. Auch hier widerspricht es jedweder Lebenserfahrung, dass die Klägerin, anstatt ihre gesetzlichen Ansprüche weiterzuverfolgen, sich schon damals auf die hiervon erheblich abweichende und u.a. einen Verzicht für den Zeitraum bis 30. Juni 2011 enthaltende in Aussicht genommene Regelung hätte beschränken lassen, solange nicht gleichzeitig auch geklärt war, wer die Kosten der wegen Verletzung u.a. des Klagepatentes eingeleiteten Verfahren zu tragen hat.

3.

Auch ein Vorvertrag ist am 21. Januar 2011 nicht zustande gekommen, so dass die Klägerin auch nicht schuldrechtlich zum Abschluss eines Vergleichs auf der Basis der bereits vereinbarten Eckpunkte verpflichtet ist. Der Vorvertrag ist ein schuldrechtlicher Vertrag, der die Verpflichtung zum Abschluss eines späteren Hauptvertrages begründet (BGHZ 102, 384, 388). Eine solche vorzeitige Bindung kommt insbesondere dann in Betracht, wenn dem Abschluss des Hauptvertrages noch tatsächliche oder rechtliche Hindernisse entgegenstehen. Ein Vorvertrag setzt aber voraus, dass in allen wesentlichen Punkten Übereinstimmung erzielt worden und der Inhalt des Hauptvertrages zumindest bestimmbar ist (BGH, NJW 1990, 1234; NJW-RR 1993, 139); lediglich für unwesentlich gehaltene Punkte können einer späteren Einigung vorbehalten bleiben (BGH, NJW 2006, 2843). Da sich die Parteien im Zweifel erst binden wollen, wenn sie sich über alle Einzelheiten endgültig geeinigt haben, ist im Einzelfall sorgfältig zu prüfen, ob wirklich schon eine Bindung gewollt ist oder nur Absichtserklärungen vorliegen (BGH, NJW 1980, 1577; WM 2006, 1499; vgl. z. Ganzen ferner Palandt/Ellenberger, BGB, 70. Auflage, vor § 145 Rdnrn. 19 - 21).

Dafür, dass hier nur letzteres gewollt war, spricht nicht zuletzt der vorstehend dargelegte Einigungsmangel hinsichtlich der wesentlichen Frage, wie die Kosten der noch laufenden Gerichtsverfahren verteilt werden sollen. In Übereinstimmung hiermit hatten auch die Beklagten bisher nicht ernsthaft die Ansicht vertreten, die Klägerin habe sich am 21. Januar 2011 vorvertraglich gebunden. Ein Vorvertrag verpflichtet lediglich zum Abschluss eines Hauptvertrages mit dem vereinbarten Inhalt, aber noch nicht zur Erfüllung von Verpflichtungen, die erst der spätere Hauptvertrag begründen soll (vgl. BGH, NJW 1997, 147; 2001, 1272; 2006, 2843). Ersichtlich sind die Beklagten aber nicht mit dem Verlangen an die Klägerin herangetreten, ein von ihnen kommendes Angebot zum Abschluss eines Hauptvertrages mit dem Inhalt des Eckpunktepapiers vom 21. Januar 2011 anzunehmen. Den Arglisteinwand gegenüber der aufrecht erhaltenen Klage vermag ein Vorvertrag auf der Grundlage der vorstehenden Darlegungen schon deshalb nicht zu tragen, weil eine Verpflichtung zur Klagerücknahme erst Gegenstand des Hauptvertrages hätte sein können, vor deren - hier nicht einmal gegebener - Entstehung deren Erfüllung nicht begehrt werden kann.

Ob die von S. M. erklärte Anfechtung durchgreift, bedarf unter diesen Umständen keiner Entscheidung mehr.

4.

Aus dem zu Ziffern 1. bis 3. Gesagten folgt desweiteren, dass die Feststellungswiderklage der Beklagten sowohl mit dem Hauptantrag als auch mit dem ersten Hilfsantrag unbegründet ist. Lediglich ergänzend sei ausgeführt, dass eine Verpflichtung der Klägerin dahingehend, den vorliegenden Rechtsstreit für erledigt zu erklären, auch dann nicht bestanden hätte, wenn ein Vergleich mit dem von den Beklagten behaupteten Inhalt wirksam zustande gekommen wäre. Erklärt ein Kläger bei Vorliegen eines wirksamen, den streitigen Anspruch vollständig umfassenden Vergleichs das Verfahren gleichwohl nicht für erledigt, muss er die Klageabweisung bei voller Kostenlast hinnehmen. Die Anordnung eines Ruhens des Verfahrens zum Zwecke der Wiederaufnahme der gescheiterten Vergleichsverhandlungen (2. Hilfsantrag) entbehrt jeder Rechtsgrundlage. Weshalb die Klägerin verpflichtet sein sollte, solche Verhandlungen wieder aufzunehmen (und positiv zu beenden!) ist weder ersichtlich noch von den Beklagten erläutert.

B.

Dass die Zwischenfeststellungsklage zulässig ist, hat das Landgericht mit der zutreffenden Begründung anerkannt, das zwischen den Parteien streitig gewordene und gerichtlich feststellungsbedürftige Rechtsverhältnis ergebe sich aus der Verletzung des Klagepatents, über das im vorliegenden Rechtsstreit nicht abschließend entschieden werde, weil die Klägerin nicht sämtliche im Falle einer Patentverletzung möglichen Ansprüche geltend gemacht und insbesondere nicht die Vorlage von Bank-, Finanz- und Handelsunterlagen gemäß § 140 d PatG oder eine Befugnis zur Urteilsveröffentlichung gemäß § 140e PatG verlangt habe. Zu Recht erheben die Beklagten hiergegen auch keine Angriffe.

C.

Zuzustimmen ist dem Landgericht auch darin, dass die angegriffene Ausführungsform 1 das Klagepatent verletzt, die angegriffenen Ausführungsformen 2 und 3 hingegen nicht von der technischen Lehre des streitgegenständlichen Patentanspruchs Gebrauch machen.

1.

Das Klagepatent betrifft eine Entlüftungsvorrichtung bei einem Kolben für eine Kartusche mit den den Oberbegriff seines Patentanspruchs 1 bildenden Merkmalen 1 und 2 der nachstehenden Merkmalsgliederung.

Diese Kartuschen können mit unterschiedlichen Füllmassen gefüllt werden, von denen einige Bestandteile enthalten, die bei Lagerung kriechölartiges Verhalten aufweisen. Im Stand der Technik bekannt war, das Ablassen der zwischen Füllmasse und Kolben eingeschlossenen Luft über einen Mikroporenfilter vorzunehmen, der in eine am Kolben angeformte Tasche eingesetzt ist (D.-G. ). Dieser Filter kann jedoch von kriechölartigen Bestandteilen durchwandert werden, was zu Leckagen führt und vom Klagepatent deshalb als nachteilig angesehen wird (Absatz [0002] der neuen europäischen Klagepatentschrift Anlage K 3b).

Weiterhin bekannt war, die Entlüftung über Ventilzapfen vorzunehmen, die auf einem Teilkreis der Kolbenabdeckung angebracht sind, beim Eindrücken des Kolbens in die Kartusche abgehoben werden und dadurch den Luftauslass ermöglichen (D.-G. ). Hieran erachtet das Klagepatent als nachteilig, dass die entsprechende Vorrichtung nur mit engen Fertigungstoleranzen herstellbar ist und Teile der Füllmasse bis zu den Ventilen durchdringen können, die hierdurch verschmutzt und in ihrer Dichtfunktion beeinträchtigt werden (Absatz [0003] der neuen europäischen Klagepatentschrift Anlage K 3b).

Schließlich entsprach es dem Stand der Technik, einen Kartuschenkolben mit einem gegen die Kartuschenwand abdichtend anliegenden ersten und einem in einer Bohrung des ersten Kolbenteils angeordneten zapfenförmigen zweiten Kolbenteil auszuformen, welche zusammen ein Entlüftungsventil bilden (DE-GM 91 10 529). Zu diesem Zweck wird das zapfenförmige zweite Kolbenteil mit einer Ringwulst und einer ringförmigen Anlageschulter versehen, zwischen denen der Rand der Bohrung des ersten Kolbenteils gehalten ist. Die zwischen Füllmasse und Kolben eingeschlossene Luft entweicht über Luftaustrittskanäle, die an der zur Kolbenwand gewandten Seite der ringförmigen Anlageschulter vorgesehen sind. Zu diesem Zweck drückt ein ringförmiger Setzstößel beim Einsetzen des Kolbens gegen die Außenseite des Kolbens. Auch diese Luftaustrittskanäle können - so das Klagepatent in Absatz [0004] der neuen europäischen Klagepatentschrift Anlage K 3b - nicht verhindern, dass ein in der Kartusche befindliches Material besonders bei längerer Lagerung bis zu dem zwischen der Ringwulst und dem Rand der Bohrung gebildeten Ventil gelangt.

Das Klagepatent hat es sich daher zur Aufgabe gemacht, die zuletzt genannte Entlüftungsvorrichtung so auszubilden, "dass das Ventil trocken und frei von Verschmutzungen bleibt, wobei kriechölartige Bestandteile der Füllmasse vom Ventil am Austreten gehindert werden sollen" (Absatz [0005] der neuen europäischen Klagepatentschrift Anlage K 3b).

Dieses Ziel wird mit der Erfindung dadurch erreicht, dass die bekannte, aus einem ersten und einem zweiten Kolbenteil bestehende Entlüftungsvorrichtung

mit einer Filterstrecke versehen wird, die die Füllmasse daran hindert, zum Ventil durchzudringen,

zweites und erstes Kolbenteil über ein Wandungsteil des einen und eine Vertiefung des anderen Bauteils verrastet werden,

die Verrastung durch einen Luftkanal durchbrochen wird und der Filterstrecke vorgelagert ist.

In seinem Hauptanspruch sieht das Klagepatent demgemäß die Kombination folgender Merkmale vor:

Entlüftungsvorrichtung mit einem Kolben für eine Kartusche mit

einem ersten Kolbenteil (1), das abdichtend gegen die Kartuschenwand anliegt,

und

einem zweiten Kolbenteil (4, 24), das mit dem ersten Kolbenteil (1) ein Ventil (9, 10) bildet.

Das Ventil (9, 10) öffnet sich, wenn ein Druck auf die Kolbenrückseite ausgeübt wird, damit die zwischen der Füllmasse und dem Kolben eingeschlossene Luft entweichen kann.

Im Strömungsweg der Luft durch das Ventil (9, 10) gesehen, wird vor dem Ventil (9, 10) zwischen den beiden Kolbenteilen (1, 4, 24) eine Filterstrecke (14) gebildet, die mindestens einen engen Kanal aufweist, der eine Durchtrittsbarriere für die Füllmasse bildet.

Der Außenumfang des zweiten Kolbenteils (4) ist über ein kreiszylindrisches Wandungsteil (5) in einer kreiszylindrischen Vertiefung (3) des ersten Kolbenteils (1) verrastet.

Die Verrastung ist durch einen Luftkanal (13) unterbrochen.

An die Verrastung (6) schließt sich die Filterstrecke (14) an.

Die dem Stand der Technik entsprechenden Merkmale 1 und 2 bedürfen keiner Diskussion. Gleiches gilt im Ergebnis für die aus sich heraus verständlichen Merkmale 5 und 6.

Zentraler Regelungsinhalt von Merkmal 3 ist die Filterstrecke, zu der der Anspruchswortlaut mehrere Vorgaben enthält. Danach ist die Filterstrecke

durch das Ventil gesehen vor dem Ventil anzuordnen,

mit mindestens einem engen Kanal zu versehen und

dazu vorgesehen, eine Durchtrittsbarriere für die Füllmasse zu bilden.

Entgegen der Ansicht der Beklagten gehören zu der (am Durchtritt zu hindernden) "Füllmasse" nicht die flüssigen Bestandteile des Kartuscheninhalts. Zwar könnte die sich mit dem Stand der Technik beschäftigende Beschreibungsstelle in Spalte 1 Zeilen 12 - 16 des Klagepatents auf erste Sicht dafür sprechen, flüssige Bestandteile zur Füllmasse zu zählen. Denn dort heißt es, dass Bestandteile bestimmter Füllmassen bei der Lagerung der Kartuschen ein kriechölartiges Verhalten aufweisen, woraus sich schließen ließe, dass nach dem Verständnis der Klagepatentschrift die kriechölartigen Elemente, eben weil sie Bestandteil der Füllmasse sind, zur "Füllmasse" im Sinne des Merkmals 3 gehören. Bereits die Aufgabenstellung des Klagepatents (Spalte 1 Zeilen 51 - 52 der neuen europäischen Klagepatentschrift Anlage K 3b) stellt für den Fachmann jedoch eine ganz andere Begriffsbildung klar, indem darauf hingewiesen wird, dass die kriechölartigen Bestandteile der Füllmasse vom Ventil - und eben nicht von der Filterstrecke - am Austreten gehindert werden sollen. Das bedeutet, dass kriechölartige Bestandteile bei einer erfindungsgemäßen Entlüftungsvorrichtung durchaus bis zum Ventil gelangen können, die Filterstrecke also nicht so ausgebildet sein muss, dass sie kriechölartige Bestandteile am Durchtreten hindert. Dieses Verständnis wird durch die Beschreibung der bevorzugten Ausführungsformen ausdrücklich bestätigt, die das Zusammenspiel von Filterstrecke und Ventil im Hinblick auf die verschiedenen Bestandteile des Kartuscheninhalts wie folgt beschreibt:

Spalte 2 Zeilen 45 - 52 der neuen europäischen Klagepatentschrift Anlage K 3b:

"… Wird der Kolben gegen die Füllmasse gedrückt, dann kann diese wohl über den Kanal 13 gelangen, nicht jedoch durch die Filterstrecke 14. Auf diese Weise wird verhindert, dass Füllmasse bis zum Ventil 9, 10 gelangt. Bei Füllmassen, die kriechölartige Bestandteile absondern, ist es wohl möglich, dass diese die Filterstrecke 14 überwinden, jedoch wird ihr Austritt durch das Ventil 9, 10 verhindert."

Spalte 3 Zeilen 27 - 30 der neuen europäischen Klagepatentschrift Anlage K 3b:

"Die Kanäle der Filterstrecke sind nur wenige Zehntel Millimeter dick, so dass Viskosefüllmassen durch diese nicht hindurchtreten können."

Das Klagepatent unterscheidet damit ausdrücklich zwischen - visköser bzw. pastöser - Füllmasse und hiervon abgesonderten kriechölartigen Bestandteilen.

Ob dem Landgericht in seiner weiten Auslegung der Vorgabe "kreiszylindrisch" für Wandungsteil und Vertiefung nach Merkmal 4 gefolgt werden kann, bedarf vorliegend keiner abschließenden Beurteilung. Weiter als das Landgericht den Begriff "kreiszylindrisch" ausgelegt hat, indem es einen annähernd kreiszylindrischen Verlauf von Wandungsteil und Vertiefung hat genügen lassen, kann der Begriff jedenfalls nicht verstanden werden. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch handelt es sich bei einem Kreiszylinder um ein dreidimensionales Objekt, das dadurch entsteht, dass ein Kreis parallel zu einer Geraden durch den Kreismittelpunkt - der Achse, die nicht in der Ebene des Kreises liegt - verschoben wird. Der Kreiszylinder wird damit begrenzt von zwei parallelen Kreisflächen (Grundfläche und Deckfläche) und der sog. Mantelfläche. Veranlassung, von diesem allgemeinen Verständnis, das mithin eine Größenidentität von Grundfläche und Deckfläche voraussetzt, abzuweichen, gibt das Klagepatent nicht. Dieses bildet zwar sein eigenes Lexikon (BGH GRUR 1999, 909 - Spannschraube; GRUR 2005, 754 - werkstoffeinstückig), was bedeutet, dass die Beschreibung und die Figuren der Patentschrift bei der Auslegung des Patentanspruchs heranzuziehen sind. Weder die Beschreibung noch die Figuren veranlassen den Fachmann aber vorliegend, den Begriff "kreiszylindrisch" im Sinne des Klagepatents anders als im allgemeinen Sinn zu definieren. Die Beschreibung des Klagepatents geht darauf, wie ein Wandungsteil bzw. eine Vertiefung konkret ausgestaltet sein sollen, um der Vorgabe "kreiszylindrisch" zu genügen, nicht ein, sondern setzt das Verständnis des Fachmanns von "kreiszylindrisch" voraus. Auch die Figuren geben diesbezüglich keinen Anhaltspunkt. Das gilt auch für die Figuren 3 und 4, die zur Verdeutlichung nachfolgend noch einmal in Originalgröße eingeblendet werden:

Abbildungen

Anhand der dortigen Darstellung ist mit bloßem Auge nicht zu erkennen, dass Wandungsteil und Vertiefung nicht kreiszylindrisch im geometrischen Sinn ausgeformt sind. Solche Zeichnungen stellen grundsätzlich auch keine Konstruktionsskizzen dar, so dass der Fachmann keine Veranlassung hat, wie von der Klägerin in der Anlage K 11b vorgenommen, durch diese Figuren Tangenten zu legen, um Winkel zu vermessen. Dies gilt erst recht angesichts der Beschreibung, die den Fachmann darauf hinweist, dass sich die Ausführungsformen nach den Figuren 3 und 4 von derjenigen nach Figur 1 in erster Linie durch den Übergangsbereich unterscheiden (Spalte 3 Zeile 4 ff der neuen europäischen Klagepatentschrift Anlage K 3b). Von einer anderen Kreiszylinder-Form ist im Text nicht die Rede.

Ob es technisch von Vorteil ist, Wandungsteil und Vertiefung kreiszylindrisch und nicht kegelförmig auszubilden, und ob der Fachmann einen solchen Vorteil ohne weiteres erkennt, bedarf keiner Beurteilung. Das Klagepatent hat sich mit seiner Anspruchsfassung konkret für die Vorgabe, die entsprechenden Bauteile kreiszylindrisch auszuformen, entschieden. Daran orientiert sich der Fachmann, auch wenn sich ihm der Zweck möglicherweise nicht unbedingt erschließen sollte, und allein die geltende Anspruchsfassung - mag sie nun technisch sinnvoll oder technisch unsinnig sein - ist der Maßstab für die Verletzungsprüfung.

Dass, wie die Klägerin geltend macht, bei streng geometrischer Ausformung von Wandungsteil und Vertiefung eine Verrastung beider miteinander - ohne weitere Zusatzmaßnahmen - nicht möglich ist, ist richtig, steht dieser Beurteilung jedoch nicht entgegen. Insoweit hat bereits das Landgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass das Vorsehen weiterer (Rast-)Elemente klagepatentgemäß nicht ausgeschlossen, sondern erforderlich ist, diese dann aber auf der kreiszylindrischen Wandung und der kreiszylindrischen Vertiefung angeordnet sein müssen. Da Merkmal 4 die Grundform von Vertiefung und Wandung ohne die dort vorzusehenden Rastelemente beschreibt, wäre andernfalls eine Verrastung durch kreiszylindrische Formen überhaupt nicht möglich und fielen die bevorzugten Ausführungsformen nach den Figuren 1 bis 4 nicht unter das Patent.

2.

Nur die angegriffene Ausführungsform 1 verwirklicht die patentgemäßen Merkmale in vollem Umfang.

a)

Dass alle drei angegriffenen Ausführungsformen den Merkmalen 1, 2 und 5 genügen, ist - zu Recht - unstreitig.

b)

Alle drei Vorrichtungen machen auch von der technischen Lehre des Merkmals 3 Gebrauch und weisen erfindungsgemäße Filterstrecken auf.

Soweit die Beklagten es in der Berufung "für bedenklich" halten, den tatsächlichen Aufbau der angegriffenen Ausführungsform 1, was die Filterstrecke anbelangt, anhand der CAD-Zeichnungen gemäß Anlage 7b festzustellen, da diese von der Klägerin gefertigt seien, ist dies unerheblich. Die Anlage - gleichgültig, von wem ursprünglich stammend - stellt substantiierten Vortrag der Klägerin zum Aufbau der angegriffenen Ausführungsform 1 dar, den die Klägerin in der Replik vom 27.06.2011 dahingehend konkretisiert hat, dass eine Identität der Zeichnungen nach Anlage 7b mit der angegriffenen Ausführungsform 1 jedenfalls im Hinblick auf die dort rot als Strömungsverlauf der Luft eingezeichneten Kanäle vorliegt. Letzteres wird von den Beklagten nicht bestritten. Das Landgericht hat weiter festgestellt, dass diese Kanäle fein ausgebildet sind, so dass sie pastöse Masse am Durchtritt hindern. Auch das wird von den Beklagten nicht bestritten.

Die Behauptung der Beklagten, dass Flüssigkeit die entsprechenden Kanäle durchdringen könne, steht einer Schutzrechtsverletzung auch dann nicht entgegen, wenn sie im Tatsächlichen zutreffend ist. Denn wie bereits aufgezeigt wurde, schließt das Klagepatent den Durchtritt solcher (kriechölartiger) Bestandteile erfindungsgemäß nicht aus, sondern sieht ausdrücklich vor, dass diese erst durch das Ventil zurückgehalten werden. Dass auch pastöse Masse die Kanäle der angegriffenen Ausführungsformen überwinden kann, behaupten die Beklagten nicht.

c)

Dass die angegriffene Ausführungsform 1 über kreiszylindrisch ausgeformte Wandungsteile und Vertiefungen verfügt, ist unstreitig.

Solche sind bei den angegriffenen Ausführungsformen 2 und 3 hingegen nicht vorhanden.

Dies folgt für die angegriffene Ausführungsform 2 aus dem eigenen Vortrag der Klägerin, die einräumt, dass insofern ein Winkel von 75° ausgebildet ist, und wird durch die nachfolgend nochmals eingeblendete CAD-Zeichnung die angegriffene Ausführungsform 2 betreffend bestätigt.

Abbildung

Sowohl Wandungsteil als auch Vertiefung der angegriffenen Ausführungsform 2 sind, wie in den eingekreisten Bereichen auf erste Sicht erkennbar ist, kegelförmig. Beide entsprechen weder einen geraden noch einem schiefen Kreiszylinder.

Schließlich fehlt es auch bei der angegriffenen Ausführungsform 3 an einem kreiszylindrischen Wandungsteil und einer ebensolchen Vertiefung, wie auch die von der Klägerin eingefärbte Skizze die angegriffene Ausführungsform 3 betreffend zeigt, welche nachfolgend zur Verdeutlichung noch einmal eingeblendet wird:

Abbildung

Für das Wandungsteil und die Vertiefung können nicht - wie die Klägerin dies zur argumentativen Herbeiführung eines Benutzungssachverhaltes tut - rein willkürlich einzelne ununterscheidbare Vorrichtungsteile separiert und zum Gegenstand der rechtlichen Beurteilung gemacht werden. Vielmehr sind die Bauteile in ihrer geometrischen Ausgestaltung so hinzunehmen, wie sie nun einmal vorhanden sind. Beachtet man diesen Ausgangspunkt, ist evident, dass es keine kreiszylindrische Vertiefung und auch kein kreiszylindrisches Wandungsteil gibt. Von Bedeutung ist von vornherein nicht der rechts der Bildmitte aufragende Schenkel des zweiten Kolbenteils. Er ist an der Verrastung der beiden Kolbenteile nicht beteiligt und repräsentiert auch nicht den Außenumfang des zweiten Kolbenteils. Letzterer wird allein durch den nach außen abzweigenden Arm gebildet, der an seinem freien Ende Rasteinrichtungen trägt, die mit korrespondierenden Rasteinrichtungen des ersten Kolbenteils zusammenwirken. Bei der Beurteilung von deren geometrischer Form haben zwar - wie dargelegt - der Rastvorsprung und die Rastmulde als solche außer Betracht zu bleiben. Auch wenn man dies tut, ergeben sich aber immer noch keine (geraden oder schiefen) kreiszylindrischen Formen, wie sie das Klagepatent verlangt.

d)

Von der technischen Lehre des Merkmals 5 machen die angegriffenen Ausführungsformen 2 und 3 auch nicht in äquivalenter Weise Gebrauch. Zwar erstreckt sich der Schutzbereich des Patents auch auf vom Wortsinn abweichende Ausführungen, wenn der Fachmann aufgrund von Überlegungen, die am Sinngehalt der Ansprüche, d.h. an der darin beschriebenen Erfindung anknüpfen, die bei der angegriffenen Ausführungsform eingesetzten abgewandelten Mittel mit Hilfe seiner Fachkenntnisse zur Lösung des der Erfindung zugrunde liegenden Problems als gleichwirkend auffinden konnte (vgl. BGH GRUR 1986, 803 - Formstein; 1988, 896 - Ionenanalyse; 1989, 903 - Batteriekastenschnur; 2002, 511 (512) - Kunststoffrohrteil). Eine äquivalente Benutzung liegt damit aber nur vor, wenn in Bezug auf das Ersatzmittel kumulativ die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

das Austauschmittel muss dieselbe technische Wirkung erzielen, die das im Patentanspruch beschriebene Lösungsmittel nach der Lehre des Klagepatents erreichen soll (Gleichwirkung);

der Durchschnittsfachmann mit dem Kenntnisstand des Prioritätstags muss ohne erfinderische Überlegungen in der Lage gewesen sein, das Austauschmittel als funktionsgleiches Lösungsmittel aufzufinden (Naheliegen);

der Fachmann muss die abweichende Ausführung mit ihren abgewandelten Mitteln als eine Lösung in Betracht gezogen haben, die zu der im Wortsinn des Patenanspruchs liegenden gegenständlichen Ausführungsform gleichwertig ist (Gleichwertigkeit).

Vorliegend fehlt es jedenfalls an der Gleichwertigkeit. Das Klagepatent gibt dem Fachmann nach dem Gesagten keinen Anhaltspunkt dafür, dass dem mit der für das Wandungsteil und die Vertiefung gemachten Vorgabe "kreiszylindrisch" verfolgten Zweck ebenso gut durch eine ganz andere geometrische Form, insbesondere eine kegelförmig konische Ausgestaltung, Genüge getan werden kann.

3.

Dass die Beklagten der Klägerin, weil sie mit der angegriffenen Ausführungsform 1 unberechtigt entgegen § 9 PatG eine patentierte Erfindung benutzt haben, der Klägerin als eingetragener Schutzrechtsinhaberin zur Unterlassung, zur Rechnungslegung, zur Entschädigung, zum Schadenersatz, zum Rückruf der schutzrechtsverletzenden Erzeugnisse und deren Vernichtung verpflichtet sind und die Beklagte zu 1) der Klägerin außerdem die für die Abmahnung aus dem Klagepatent aufgewandten Patent- und Rechtsanwaltskosten anteilsmäßig erstatten muss, hat das Landgericht im angefochtenen Urteil im Einzelnen ausgeführt; auf die dortigen Darlegungen nimmt der Senat zur Vermeidung überflüssiger Wiederholungen Bezug. Wie zu verfahren ist, wenn die Abmahnung wegen eines Anspruchs (angegriffene Ausführungsform 1) berechtigt, wegen eines anderen, gleichzeitig verfolgten Anspruchs (angegriffene Ausführungsform 2) aber unberechtigt ist, ist innerhalb der BGH-Rechtsprechung streitig. Während der VIII. Zivilsenat in einem solchen Fall diejenigen Kosten zuspricht, die sich nach dem RVG unter Zugrundelegung des Streitwerts ergeben, der für den zu Recht abgemahnten Anspruch angemessen ist (vgl. MDR 2008, 351), nimmt der I. Zivilsenat eine anteilige Kürzung der Abmahnkosten nach dem Verhältnis des Gegenstandswertes des berechtigten Teils der Abmahnung zum Gegenstandswert der gesamten Abmahnung vor (vgl. GRUR 2010, 744 - Sondernewsletter; GRUR 2010, 939 - Telefonwerbung nach Unternehmenswechsel). Letzteres ist nach Auffassung des Senats zutreffend (InstGE 13, 199 - Schräg-Raffstore) und führt zu dem vom Landgericht zuerkannten Kostenbetrag.

Aus den vorstehend unter II. A 1. und 2. dargelegten Gründen hat das Eckpunktepapier vom 21. Januar 2011 auch keine Auswirkungen auf die Verpflichtung der Beklagten zum Schadenersatz und zur Leistung einer angemessenen Entschädigung; die gesetzlichen Ansprüche werden durch den Inhalt dieses Protokolls insbesondere nicht auf einen bestimmten Betrag oder bestimmte Benutzungszeiträume beschränkt.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.

Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung, die keine entscheidungserheblichen Rechtsfragen aufwirft, deren Beantwortung durch den Bundesgerichtshof zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich wäre.

Der Streitwert wurde entsprechend den Angaben der Klägerin zur Klage im Schriftsatz vom 21.12.2011 festgesetzt. Die Feststellungwiderklage war nicht streitwerterhöhend zu berücksichtigen, da Klage und Widerklage denselben Streitgegenstand betreffen, § 45 Abs. 1 S. 3 GKG. Das ist immer dann der Fall, wenn die Zuerkennung des einen Anspruchs notwendig die Aberkennung des anderen bedingt (vgl. BGH NJW-RR 1992, 1404). So liegen die Dinge hier.

Dr. T. K. Dr. B. S.






OLG Düsseldorf:
Urteil v. 19.01.2012
Az: I-2 U 114/10


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/da9d72212e0b/OLG-Duesseldorf_Urteil_vom_19-Januar-2012_Az_I-2-U-114-10




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share