Bundespatentgericht:
Beschluss vom 15. Juli 2004
Aktenzeichen: 34 W (pat) 706/02

(BPatG: Beschluss v. 15.07.2004, Az.: 34 W (pat) 706/02)

Tenor

Das Patent wird widerrufen.

Gründe

I Die Einsprechende ist der Auffassung, der Gegenstand des erteilten Patents 100 29 939 (Streitpatent) sowie der nun noch geltenden Patentansprüche nach Hauptantrag und Hilfsanträgen sei nach den §§ 1-5 PatG nicht patentfähig.

Zur Begründung stützt sie sich unter anderem auf die Druckschriften:

E1 DE 196 41 048 A1 und E3a DE 29 02 352 A1.

Der Einsprechende beantragt, das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin hat mit Schriftsatz vom 7. Juni 2002 den Antrag gestellt, dass der Beschwerdesenat des BPatG über den Einspruch entscheidet. Sie beantragt, das Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten: Patentansprüche 1 bis 12 und Beschreibung Spalten 1 bis 10, eingegangen am 8. Juli 2004, Zeichnung gemäß Patentschrift; hilfsweise mit Patentansprüchen 1 bis 12 und Beschreibung Spalten 1 bis 10 gemäß Hilfsantrag 1, eingegangen am 8. Juli 2004, Zeichnung gemäß Patentschrift; weiter hilfsweise mit Patentansprüchen 1 bis 8 und Beschreibung Spalten 1 bis 10 gemäß Hilfsantrag 2, überreicht in der mündlichen Verhandlung, Zeichnung gemäß Patentschrift; weiter hilfsweise mit Patentansprüchen 1 bis 8 und Beschreibung Spalten 1 bis 10 gemäß Hilfsantrag 3, überreicht in der mündlichen Verhandlung, Zeichnung gemäß Patentschrift.

Die geltenden Patentansprüche 1 nach den gestellten Anträgen lauten:

Hauptantrag:

Fördervorrichtung zum Fördern von Fahrzeugkarosserien (102) durch einen Behandlungsbereich zur Oberflächenbehandlung der Fahrzeugkarosserien (102), umfassend einen Förderer mit mehreren, längs einer Förderrichtung (142) aufeinanderfolgenden Halterungen (176), der die an jeweils einer Halterung (176) gehaltenen Fahrzeugkarosserien (102) in den Behandlungsbereich (114) einbringt, durch den Behandlungsbereich (114) fördert und aus dem Behandlungsbereich (114) wieder ausbringt, wobei der Behandlungsbereich (114) ein Flüssigkeitsbad ist und die Fahrzeugkarosserien (102) vollständig in das Flüssigkeitsbad eingetaucht werden und durch Translationsbewegung der jeweiligen Halterung (176) in horizontaler Richtung durch das Flüssigkeitsbad bewegbar sind, dadurch gekennzeichnet, daß

die Halterungen (176) mittels jeweils eines mit der jeweiligen Halterung (176) mitbewegten Antriebsmotors (150) um eine Drehachse der jeweiligen Halterung (176) drehbar sind, wobei die Drehbewegung jeder Halterung (176) gemäß einem für die jeweilige Halterung (176) in Abhängigkeit von dem Typ der an der jeweiligen Halterung (176) gehaltenen Fahrzeugkarosserie (102) spezifisch vorgegebenen Drehbewegungsablauf steuerbar ist, an jeder Halterung (176) eine Steuereinrichtung mit einem Steuerprozessor angeordnet ist undden Steuerprozessoren Daten von einer nicht mit den Halterungen (176) mitbewegten Drehbewegungsablauf-Vorgabeeinrichtung übermittelt werden.

Hilfsantrag 1:

Fördervorrichtung zum Fördern von Fahrzeugkarosserien (102) durch einen Behandlungsbereich zur Oberflächenbehandlung der Fahrzeugkarosserien (102), umfassend einen Förderer mit mehreren, längs einer Förderrichtung (142) aufeinanderfolgenden Halterungen (176), der die an jeweils einer Halterung (176) gehaltenen Fahrzeugkarosserien (102) in den Behandlungsbereich (114) einbringt, durch den Behandlungsbereich (114) fördert und aus dem Behandlungsbereich (114) wieder ausbringt, wobei der Behandlungsbereich (114) ein Flüssigkeitsbad mit einem Flüssigkeitspegel (116) ist, jede Halterung (176) um eine Drehachse der jeweiligen Halterung (176) drehbar ist und die Fahrzeugkarosserien (102) vollständig in das Flüssigkeitsbad eingetaucht werden und durch Translationsbewegung der jeweiligen Halterung (176) in horizontaler Richtung durch das Flüssigkeitsbad bewegbar sind, wobei die Drehachse bei vollständig eingetauchter Fahrzeugkarosserie oberhalb des Flüssigkeitspegels (116) angeordnet ist, dadurch gekennzeichnet, daß

die Halterungen (176) mittels jeweils eines mit der jeweiligen Halterung (176) mitbewegten Antriebsmotors (150) um eine Drehachse der jeweiligen Halterung (176) drehbar sind, wobei die Drehbewegung jeder Halterung (176) gemäß einem für die jeweilige Halterung (176) in Abhängigkeit von dem Typ der an der jeweiligen Halterung (176) gehaltenen Fahrzeugkarosserie (102) spezifisch vorgegebenen Drehbewegungsablauf steuerbar ist, an jeder Halterung (176) eine Steuereinrichtung mit einem Steuerprozessor angeordnet ist undden Steuerprozessoren Daten von einer nicht mit den Halterungen (176) mitbewegten Drehbewegungsablauf-Vorgabeeinrichtung übermittelt werden.

Hilfsantrag 2:

Fördervorrichtung zum Fördern von Fahrzeugkarosserien (102) durch einen Behandlungsbereich zur Oberflächenbehandlung der Fahrzeugkarosserien (102), umfassend einen Förderer mit mehreren, längs einer Förderrichtung (142) aufeinanderfolgenden Halterungen (176), der die an jeweils einer Halterung (176) gehaltenen Fahrzeugkarosserien (102) in den Behandlungsbereich (114) einbringt, durch den Behandlungsbereich (114) fördert und aus dem Behandlungsbereich (114) wieder ausbringt, wobei der Behandlungsbereich (114) ein Flüssigkeitsbad mit einem Flüssigkeitspegel (116) ist, jede Halterung (176) um eine Drehachse der jeweiligen Halterung (176) drehbar ist, die Fahrzeugkarosserien (102) von einer Standardstellung, in welcher die Fensteröffnungen der Fahrzeugkarosserien oberhalb der Bodengruppe der Fahrzeugkarosserien angeordnet sind, in eine Kopfüberstellung, in welcher die Fensteröffnungen der Fahrzeugkarosserien unterhalb der Bodengruppe der Fahrzeugkarosserien angeordnet sind, überführbar sind und die Fahrzeugkarosserien (102) vollständig in das Flüssigkeitsbad eingetaucht werden und durch Translationsbewegung der jeweiligen Halterung (176) in horizontaler Richtung durch das Flüssigkeitsbad bewegbar sind, wobei die Drehachse bei vollständig eingetauchter Fahrzeugkarosserie oberhalb des Flüssigkeitspegels (116) angeordnet ist, dadurch gekennzeichnet, daß

die Halterungen (176) mittels jeweils eines mit der jeweiligen Halterung (176) mitbewegten Antriebsmotors (150) um eine Drehachse der jeweiligen Halterung (176) drehbar sind, wobei die Drehbewegung jeder Halterung (176) gemäß einem für die jeweilige Halterung (176) in Abhängigkeit von dem Typ der an der jeweiligen Halterung (176) gehaltenen Fahrzeugkarosserie (102) spezifisch vorgegebenen Drehbewegungsablauf steuerbar ist.

Hilfsantrag 3:

Fördervorrichtung zum Fördern von Fahrzeugkarosserien (102) durch einen Behandlungsbereich zur Oberflächenbehandlung der Fahrzeugkarosserien (102), umfassend einen Förderer mit mehreren, längs einer Förderrichtung (142) aufeinanderfolgenden Halterungen (176), der die an jeweils einer Halterung (176) gehaltenen Fahrzeugkarosserien (102) in den Behandlungsbereich (114) einbringt, durch den Behandlungsbereich (114) fördert und aus dem Behandlungsbereich (114) wieder ausbringt, wobei der Behandlungsbereich (114) ein Flüssigkeitsbad mit einem Flüssigkeitspegel (116) ist, jede Halterung (176) um eine Drehachse der jeweiligen Halterung (176) drehbar ist, die Fahrzeugkarosserien (102) von einer Standardstellung, in welcher die Fensteröffnungen der Fahrzeugkarosserien oberhalb der Bodengruppe der Fahrzeugkarosserien angeordnet sind, in eine Kopfüberstellung, in welcher die Fensteröffnungen der Fahrzeugkarosserien unterhalb der Bodengruppe der Fahrzeugkarosserien angeordnet sind, überführbar sind und die Fahrzeugkarosserien (102) vollständig in das Flüssigkeitsbad eingetaucht werden und durch Translationsbewegung der jeweiligen Halterung (176) in horizontaler Richtung durch das Flüssigkeitsbad bewegbar sind, wobei die Drehachse bei vollständig eingetauchter Fahrzeugkarosserie oberhalb des Flüssigkeitspegels (116) angeordnet ist, dadurch gekennzeichnet, daß

die Halterungen (176) mittels jeweils eines mit der jeweiligen Halterung (176) mitbewegten Antriebsmotors (150) um eine Drehachse der jeweiligen Halterung (176) drehbar sind, wobei die Drehbewegung jeder Halterung (176) gemäß einem für die jeweilige Halterung (176) in Abhängigkeit von dem Typ der an der jeweiligen Halterung (176) gehaltenen Fahrzeugkarosserie (102) spezifisch vorgegebenen Drehbewegungsablauf steuerbar ist, an jeder Halterung (176) eine Steuereinrichtung mit einem Steuerprozessor angeordnet ist, den Steuerprozessoren Daten von einer nicht mit den Halterungen (176) mitbewegten Drehbewegungsablauf-Vorgabeeinrichtung übermittelt werden unddie Halterungen (176) bei einem Nothalt des Förderers in eine vorgegebene Sicherungsstellung drehbar sind.

Die Patentinhaberin ist der Auffassung, dass zumindest die nun geltenden Patentansprüche durch den herangezogenen Stand der Technik nicht nahegelegt worden seien.

Wegen der nebengeordneten und der abhängigen Patentansprüche sowie wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II Der zulässige Einspruch hat in der Sache Erfolg. Die Gegenstände der Patentansprüche nach Hauptantrag und Hilfsanträgen sind unbestritten gewerblich anwendbar und auch neu, sie beruhen jedoch nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

A) Anspruch 1 nach Hauptantrag lässt sich in folgende Merkmale gliedern:

1. Fördervorrichtung zum Fördern 1.1. von Fahrzeugkarosserien;

1.2. durch einen Behandlungsbereich zur Oberflächenbehandlung.

2. Die Fördervorrichtung umfaßt einen Förderer, der 2.1. mehrere längs einer Förderrichtung aufeinanderfolgende Halterungen umfaßt;

2.2. die jeweils an einer Halterung gehaltenen Fahrzeugkarosserien 2.2.1. in den Behandlungsbereich einbringt;

2.2.2. durch den Behandlungsbereich fördert;

2.2.3. aus dem Behandlungsbereich wieder ausbringt.

3. Der Behandlungsbereich ist ein Flüssigkeitsbad.

4. Die Fahrzeugkarosserien werden vollständig in das Flüssigkeitsbad eingetaucht.

5. Die Fahrzeugkarosserien sind durch das Flüssigkeitsbad bewegbar, 5.1. durch Translationsbewegung der jeweiligen Halterung in horizontaler Richtung.

- Ende des Oberbegriffes -

6. Die Halterungen sind um eine Drehachse der jeweiligen Halterung drehbar, 6.1. mittels jeweils eines mit der jeweiligen Halterung mitbewegten Antriebsmotors.

7. Die Drehbewegung jeder Halterung ist steuerbar, 7.1. gemäß einem für die jeweilige Halterung in Abhängigkeit von dem Typ der an der jeweiligen Halterung gehaltenen Fahrzeugkarosserie spezifisch vorgegebenen Drehbewegungsablauf.

8. An jeder Halterung ist eine Steuereinrichtung angeordnet, 8.1. mit einem Steuerprozessor.

9. Den Steuerprozessoren werden Daten übermittelt, 9.1. von einer nicht mit den Halterungen mitbewegten Drehbewegungsablauf-Vorgabeeinrichtung.

Von der Patentinhaberin wird zutreffend eingeräumt, dass die aus der DE 196 41 048 A1 (E1) bekannte Vorrichtung zur Oberflächenbehandlung von Werkstücken sämtliche Merkmale 1 bis 5.1 gemäß Oberbegriff des Anspruchs 1 erfüllt. Dies kommt auch in der Beschreibung des angefochtenen Patents zum Ausdruck. Dort ist jedenfalls eine der in E1 offenbarten Funktionsweisen kurz wie folgt beschrieben: "Mittels an dem Haltergestell vorgesehener Hebel mit Rollen, die an ortsfesten Leitschienen abrollen, wird das Haltergestell mit der darauf angeordneten Fahrzeugkarosserie während seiner Translationsbewegung längs der Förderrichtung gedreht" (Sp 1 Z 17-21). Kritisiert wird bei der so erzeugten Drehbewegung der Haltergestelle, dass die dafür erforderliche Drehmechanik aufwendig und störanfällig sei und einem hohen Verschleiß unterliege. Außerdem sei eine Drehbewegung nur bei gleichzeitiger translatorischer Vorwärtsbewegung der Haltergestelle möglich; eine Drehung auf der Stelle, das heißt ohne gleichzeitige Vorwärtsbewegung der Haltergestelle könne nicht realisiert werden (Sp 1 Z 25-33 der geltenden Beschreibung).

Ausgehend von dem so geschilderten Stand der Technik und der Problematik bei den Vorrichtungen zum Fördern nach zwei weiteren einschlägigen Druckschriften wurde der Anmeldung die Aufgabe zugrunde gelegt, eine Fördervorrichtung der genannten Art zu schaffen, welche einfach und wartungsfreundlich aufgebaut ist und hinsichtlich der realisierbaren Bewegungsverläufe der Werkstücke im Behandlungsbereich flexibel ist (Sp 1 Z 48-52 der geltenden Unterlagen).

Die mit Anspruch 1 beanspruchte Lösung dieser Aufgabe lag für den Fachmann - einen Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau, der Erfahrungen im Bau von Fördervorrichtungen zum Fördern von Fahrzeugkarosserien durch einen Behandlungsbereich zur Oberflächenbehandlung der Fahrzeugkarosserien hat und der auch mit Steuerungstechnikern zusammenarbeitet - nahe.

Wie aus dem Vorrichtungs-Hauptanspruch 4 der DE 196 41 048 A1 (E1) ersichtlich ist, sind auch dort, entsprechend dem patentgemäß beanspruchten Merkmal 6 die Halterungen (bzw die Halterungsgestelle 7) um eine Drehachse der jeweiligen Halterung drehbar, nämlich mit "einer Betätigungseinrichtung (22, 23) zum in Drehung versetzen des Halterungsgestells (7) um dessen Drehachse (13, 41, 61), wobei während des Drehvorgangs die Betätigungseinrichtung (22, 23) und das Halterungsgestell (7) ständig miteinander gekoppelt sind, so dass die Drehung jederzeit gesteuert und geführt ist" (Sp 13 Z 26-44). Die Patentinhaberin sieht in der E1 jedoch keine Lehre dahingehend gegeben, dass die Drehung dort auch mittels jeweils eines mit der jeweiligen Halterung mitbewegten Antriebsmotors (Merkmal 6.1) erfolgen kann. Dem kann sich, wie nachfolgend erläutert wird, der beschließende Senat nicht anschließen.

Es trifft zwar zu, dass sämtliche Figuren der E1 und der überwiegende Teil der Beschreibung (ab Sp 4 Z 26) auf "eine mechanisch sehr einfach aufgebaute und wartungsarme Ausführung" gerichtet ist, deren Merkmale im Anspruch 5 und in einer größeren Anzahl von darauf rückbezogenen Unteransprüchen offenbart sind. Diese Ausführung ist in ihrer allgemeinsten Form dadurch charakterisiert, "dass das Halterungsgestell (7) mindestens einen seitlich befestigten Hebel (15) aufweist, der mit einer Führung (22, 23) zusammenwirkt, um die Drehung des Halterungsgestells (7) zu bewirken" (vgl Anspruch 5). Im Rückblick auf die bereits zitierte Stelle im Anspruch 4 erkennt der Fachmann die dort genannte "Betätigungseinrichtung" in der Zusammenwirkung von Hebeln 15 mit Führungen 22, 23.

Weitere zu Anspruch 5 nebengeordnete Ausführungen (dh einzig mit Rückbezug auf den allgemein formulierten Vorrichtungsanspruch 4) finden sich lediglich noch in den Ansprüchen 15 und 16.

Nach Anspruch 16 besteht die Betätigungseinrichtung aus einer im Ein- bzw. Ausgangsbereich eines Behandlungsbads fest angebrachten Zahnstange oder Schraubenspindel, die mit am Halterungsgestell entsprechend ausgebildeten Zahnrädern bzw. Schnecken zusammenwirkt. Das heißt, bei dieser Ausführungsform werden keine Hebel 15 und keine Führungen 22, 23 benötigt, sondern die Derhung des Halterungsgestells 7 erfolgt mittels an ihm ausgebildeten Zahnrädern oder Schnecken, die mit einer im Ein- bzw. Ausgangsbereich eines Behandlungsbads fest angebrachten Zahnstange bzw. Schraubenspindel (bei der kontinuierlichen Translationsbewegung) zusammenwirken.

Anspruch 15 lehrt nun eine dritte Ausführung, bei der "jeweils einem Halterungsgestell 7 eine Betätigungseinrichtung in Form eines Motors zugeordnet ist".

Wurden in den Ansprüchen 5 und 16 neben den mit dem Halterungsgestell mitbewegten Teilen (den Hebeln 15 bzw den Zahnrädern oder Schnecken) ausdrücklich auch stationäre Elemente der Betätigungseinrichtung, nämlich die Führungen 22, 23 bzw eine fest angebrachte Zahnstange oder Schraubenspindel erwähnt, so findet sich bei der Vorrichtung nach Anspruch 15 kein Hinweis auf eine stationäre Komponente der Betätigungseinrichtung, sondern nur, dass diese in Form eines Motors ausgebildet sei. Nach der Überzeugung des Senats erkennt der hier zuständige Durchschnittsfachmann den Gegenstand des Anspruchs 15 so, wie es durch seine Einbindung in den Anspruch 4 ausgedrückt wird, nämlich, dass das zumindest eine Halterungsgestell einen Motor zum in Drehung versetzen des Halterungsgestells um dessen Drehachse aufweist, wobei zumindest während des Drehvorgangs der Motor und das Halterungsgestell ständig miteinander gekoppelt sind, so dass die Drehung jederzeit gesteuert und geführt ist. Mit anderen Worten ausgedrückt bedeutet dies, dass jeweils einem, dh jedem Halterungsgestell ein Motor zugeordnet ist, über den die Drehung jederzeit gesteuert werden kann und die somit auch geführt ist. Dies entspricht dem Merkmal 6.1. des Anspruchs nach Hauptantrag. Der Fachmann hatte nach der Überzeugung des Senats keine Veranlassung, den geschilderten Sachverhalt anders zu erkennen, zumal er in der E1 auch selbstfahrende Halterungsgestelle, die einen eigenen Antrieb, dh einen eigenen Antriebsmotor aufweisen, als Antriebsmittel offenbart sieht (Sp 5 Z 27-32). Aber selbst wenn er Zweifel haben sollte, ob die mit Anspruch 15 offenbarte Betätigungseinrichtung in Form eines Motors jeder Halterung zuzuordnen ist oder vielleicht auch ein oder zwei (quasi stationäre) Motoren am Ein- bzw Ausgangsbereich eines Behandlungsbads gemeint sein könnten, so findet er in der in seinem Blickfeld liegenden DE 29 02 352 A1 (E3a) die Anregung, das Halterungsgestell selbst, das bedeutet bei der Übertragung auf die Halterungsgestelle gemäß der DE 196 41 048 A1 (E1) jedes Halterungsgestell, mit einem Motor für seine Drehung auszurüsten (vgl die Figuren iVm dem von S 12 auf 13 überleitenden Absatz der E3a). Das Vorsehen jeweils eines mit der jeweiligen Halterung mitbewegten Antriebsmotors, ist somit für den Fachmann auf jeden Fall naheliegend.

Zu den weiteren kennzeichnenden Merkmalen des Anspruchs 1 nach Hauptantrag:

Dass die Drehbewegung jeder Halterung steuerbar ist (Merkmal 7), ist auch bei den Halterungen nach der E1 DE 196 41 048 A1 der Fall, denn auch dort wird "die Drehung jederzeit gesteuert" (Sp 13 Z 43f). Dies muss natürlich auch für die mittels Motor bewirkte Drehung nach Anspruch 15 gelten. Es liegt dann aber im Bereich des fachmännischen Vorgehens, dass die Steuerung des Motors jeder Halterung in Abhängigkeit von der gewünschten Bewegungskurve des Werkstücks, so wie in der E1 ganz allgemein beschrieben (Sp 3 Z 54-59) vorgenommen wird, was Merkmal 7.1 entspricht.

Nach der Druckschrift E3a erfolgt die Steuerung der Drehbewegung über eine Steuereinheit in der jeweils gewünschten Weise (vgl Abs von S 12 auf 13 überleitend). Damit ist es naheliegend, wie in der Druckschrift E3a an jeder Halterung eine Steuereinrichtung anzuordnen; dies entspricht Merkmal 8.

Seit der Offenlegung der Druckschrift E3a, am 24. Juli 1980, bis zum Anmeldetag des Streitpatents, am 17. Juni 2000, sind 20 Jahre vergangen, in denen die Steuerung von Produktionsanlagen ständig verbessert wurde. Der Einbau von Steuerprozessoren, denen von außen über eine Vorgabeeinrichtung Daten übermittelt werden, gehörte zum Anmeldezeitpunkt bereits zur Standardausrüstung entsprechender Anlagen. Diese Steuerprozessoren werden allgemein auch als "mitfahrende Intelligenz" bezeichnet. Die Einsprechende hat hierzu auf Beispiele in von ihr ab 1989 beworbenen Förderanlagen hingewiesen. Der Senat sieht es nicht als erforderlich an, auf diese Sachverhalte detailliert einzugehen, denn errechnet dies aus eigener Kenntnis dem Fachwissen des hier zu berücksichtigenden Durchschnittsfachmannes am Anmeldezeitpunkt zu. Für diesen Durchschnittsfachmann liegen Ausgestaltungen der in Rede stehenden Fördervorrichtungen mit Steuerprozessoren (Merkmal 8.1), denen von einer nicht mit den Halterungen mitbewegten Drehbewegungsablauf-Vorgabeeinrichtung Daten übermittelt werden (entsprechend den Merkmalen 9 und 9.1), auf der Hand.

Damit hat Anspruch 1 nach dem Hauptantrag mangels erfinderischer Tätigkeit keinen Bestand.

B) Zum Hilfsantrag 1 wird nachfolgend der Anspruch 1 in gegliederter Form wiedergegeben, wobei Merkmale, die gegenüber dem Hauptantrag zusätzlich aufgenommen wurden, unterstrichen sind.

1. Fördervorrichtung zum Fördern 1.1. von Fahrzeugkarosserien;

1.2. durch einen Behandlungsbereich zur Oberflächenbehandlung.

2. Die Fördervorrichtung umfaßt einen Förderer, der 2.1. mehrere längs einer Förderrichtung aufeinanderfolgende Halterungen umfaßt;

2.2. die jeweils an einer Halterung gehaltenen Fahrzeugkarosserien 2.2.1. in den Behandlungsbereich einbringt;

2.2.2. durch den Behandlungsbereich fördert;

2.2.3. aus dem Behandlungsbereich wieder ausbringt.

3. Der Behandlungsbereich ist ein Flüssigkeitsbad mit einem Flüssigkeitspegel.

4. Jede Halterung ist um eine Drehachse der jeweiligen Halterung drehbar.

5. Die Fahrzeugkarosserien werden vollständig in das Flüssigkeitsbad eingetaucht.

6. Die Fahrzeugkarosserien sind durch das Flüssigkeitsbad bewegbar, 6.1. durch Translationsbewegung der jeweiligen Halterung in horizontaler Richtung.

7. Die Drehachse ist bei vollständig eingetauchter Fahrzeugkarosserie oberhalb des Flüssigkeitspegels angeordnet.

- Ende des Oberbegriffes -

8. Die Halterungen sind mittels jeweils eines mit der jeweiligen Halterung mitbewegten Antriebsmotors um eine Drehachse drehbar.

9. Die Drehbewegung jeder Halterung ist steuerbar, 9.1. gemäß einem für die jeweilige Halterung in Abhängigkeit von dem Typ der an der jeweiligen Halterung gehaltenen Fahrzeugkarosserie spezifisch vorgegebenen Drehbewegungsablauf.

10. An jeder Halterung ist eine Steuereinrichtung angeordnet, 10.1. mit einem Steuerprozessor.

11. Den Steuerprozessoren werden Daten übermittelt, 11.1. von einer nicht mit den Halterungen mitbewegten Drehbewegungsablauf-Vorgabeeinrichtung.

Die Ergänzung im Merkmal 3, wonach das Flüssigkeitsbad im Behandlungsbereich einen Flüssigkeitspegel aufweist, ist banal. Das neu hinzugekommene Merkmal 7 wurde zu Recht in den Oberbegriff aufgenommen, denn auch bei der nächstkommenden Druckschrift, DE 196 41 048 A1 (E1), ist die Drehachse bei vollständig eingetauchter Fahrzeugkarosserie oberhalb des Flüssigkeitspegels angeordnet (vgl zB Fig 5). Damit weist der Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 gegenüber der nächstliegenden Entgegenhaltung E1 keine neuen, möglicherweise erfindungsbegründenden Merkmale auf. Dieser Anspruch hat somit aus den gleichen Gründen, wie sie bereits zum Hauptantrag dargelegt wurden, keinen Bestand.

C) Nachfolgend wird der Anspruch 1 nach Hilfsantrag 2 in gegliederter Form wiedergegeben:

1. Fördervorrichtung zum Fördern 1.1. von Fahrzeugkarosserien;

1.2. durch einen Behandlungsbereich zur Oberflächenbehandlung.

2. Die Fördervorrichtung umfaßt einen Förderer, der 2.1. mehrere längs einer Förderrichtung aufeinanderfolgende Halterungen umfaßt;

2.2. die jeweils an einer Halterung gehaltenen Fahrzeugkarosserien 2.2.1. in den Behandlungsbereich einbringt;

2.2.2. durch den Behandlungsbereich fördert;

2.2.3. aus dem Behandlungsbereich wieder ausbringt.

3. Der Behandlungsbereich ist ein Flüssigkeitsbad mit einem Flüssigkeitspegel.

4. Jede Halterung ist um eine Drehachse der jeweiligen Halterung drehbar.

5. Die Fahrzeugkarosserien sind von einer Standardstellung, in welcher die Fensteröffnungen der Fahrzeugkarosserien oberhalb der Bodengruppe der Fahrzeugkarosserien angeordnet sind, in eine Kopfüberstellung, in welcher die Fensteröffnungen der Fahrzeugkarosserien unterhalb der Bodengruppe der Fahrzeugkarosserien angeordnet sind, überführbar.

6. Die Fahrzeugkarosserien werden vollständig in das Flüssigkeitsbad eingetaucht.

7. Die Fahrzeugkarosserien sind durch das Flüssigkeitsbad bewegbar, 7.1. durch Translationsbewegung der jeweiligen Halterung in horizontaler Richtung.

8. Die Drehachse ist bei vollständig eingetauchter Fahrzeugkarosserie oberhalb des Flüssigkeitspegels angeordnet.

- Ende des Oberbegriffes -

9. Die Halterungen sind mittels jeweils eines mit der jeweiligen Halterung mitbewegten Antriebsmotors um eine Drehachse drehbar.

10. Die Drehbewegung jeder Halterung ist steuerbar, 10.1. gemäß einem für die jeweilige Halterung in Abhängigkeit von dem Typ der an der jeweiligen Halterung gehaltenen Fahrzeugkarosserie spezifisch vorgegebenen Drehbewegungsablauf.

Dieser Anspruch entspricht in wesentlichen Bereichen dem Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1. Neu hinzugekommen ist das Merkmal 5. Dadurch wurden die Merkmale 5. bis 9.1. (nach Hilfsantrag 1) nun (inhaltlich unverändert) in die Merkmale 6. bis 10.1. umbenannt. Die Merkmale 10. bis 11.1. des Hilfsantrages 1 sind im Anspruch 1 nach Hilfsantrag 2 nicht mehr enthalten.

Das zusätzlich aufgenommene Merkmal 5 steht zu Recht wiederum im Oberbegriff des Anspruchs, denn auch beim nächstkommenden Stand der Technik nach der DE 196 41 048 A1 (E1) sind, wie zB Figur 1 zeigt, die Fahrzeugkarosserien von einer Standardstellung, in welcher die Fensteröffnungen der Fahrzeugkarosserien oberhalb der Bodengruppe der Fahrzeugkarosserien angeordnet sind, in eine Kopfüberstellung, in welcher die Fensteröffnungen der Fahrzeugkarosserien unterhalb der Bodengruppe der Fahrzeugkarosserien angeordnet sind, überführbar. Dieses Merkmal vermag somit keine erfinderische Tätigkeit zu begründen. Durch das Weglassen der im Hilfsantrag 1 mit 10. bis 11.1. sowie im Hauptantrag mit 8. bis 9.1. bezeichneten Merkmale ("mitfahrende Intelligenz") wird zugleich deutlich, dass die Patentinhaberin selbst in diesen Merkmalen offensichtlich keinen erfinderischen Gehalt erkennt.

Zur weiteren Begründung hinsichtlich der noch verbliebenen Merkmale wird auf die Ausführungen unter A) und B) verwiesen.

Damit hat Anspruch 1 nach Hilfsantrag 2 ebenfalls keinen Bestand.

D) Schließlich lässt sich Anspruch 1 nach Hilfsantrag 3 wie folgt gliedern:

1. Fördervorrichtung zum Fördern 1.1. von Fahrzeugkarosserien;

1.2. durch einen Behandlungsbereich zur Oberflächenbehandlung.

2. Die Fördervorrichtung umfaßt einen Förderer, der 2.1. mehrere längs einer Förderrichtung aufeinanderfolgende Halterungen umfaßt;

2.2. die jeweils an einer Halterung gehaltenen Fahrzeugkarosserien 2.2.1. in den Behandlungsbereich einbringt;

2.2.2. durch den Behandlungsbereich fördert;

2.2.3. aus dem Behandlungsbereich wieder ausbringt.

3. Der Behandlungsbereich ist ein Flüssigkeitsbad mit einem Flüssigkeitspegel.

4. Jede Halterung ist um eine Drehachse der jeweiligen Halterung drehbar.

5. Die Fahrzeugkarosserien sind von einer Standardstellung, in welcher die Fensteröffnungen der Fahrzeugkarosserien oberhalb der Bodengruppe der Fahrzeugkarosserien angeordnet sind, in eine Kopfüberstellung, in welcher die Fensteröffnungen der Fahrzeugkarosserien unterhalb der Bodengruppe der Fahrzeugkarosserien angeordnet sind, überführbar.

6. Die Fahrzeugkarosserien werden vollständig in das Flüssigkeitsbad eingetaucht.

7. Die Fahrzeugkarosserien sind durch das Flüssigkeitsbad bewegbar, 7.1. durch Translationsbewegung der jeweiligen Halterung in horizontaler Richtung.

8. Die Drehachse ist bei vollständig eingetauchter Fahrzeugkarosserie oberhalb des Flüssigkeitspegels angeordnet.

- Ende des Oberbegriffes -

9. Die Halterungen sind mittels jeweils eines mit der jeweiligen Halterung mitbewegten Antriebsmotors um eine Drehachse drehbar.

10. Die Drehbewegung jeder Halterung ist steuerbar, 10.1. gemäß einem für die jeweilige Halterung in Abhängigkeit von dem Typ der an der jeweiligen Halterung gehaltenen Fahrzeugkarosserie spezifisch vorgegebenen Drehbewegungsablauf.

11. An jeder Halterung ist eine Steuereinrichtung angeordnet, 11.1. mit einem Steuerprozessor.

12. Den Steuerprozessoren werden Daten übermittelt, 12.1. von einer nicht mit den Halterungen mitbewegten Drehbewegungsablauf-Vorgabeeinrichtung.

13. Die Halterungen sind bei einem Nothalt des Förderers in eine vorgegebene Sicherungsstellung drehbar.

Als zusätzliches Merkmal zu den bisher schon vorhandenen und in den vorangegangenen Abschnitten A) bis C) auch schon bewerteten Merkmalen ist nun noch das Merkmal 13. hinzugekommen.

Da die Halterungen (gemäß Merkmal 9.) mittels jeweils eines mit der jeweiligen Halterung mitbewegten Antriebsmotors um eine Drehachse drehbar sind und die Drehbewegung jeder Halterung entsprechend dem Merkmal 10. auch steuerbar ist, wobei an jeder Halterung eine Steuereinrichtung mit einem Steuerprozessor angeordnet ist (vgl Merkmale 11. und 11.1.) liegt es im Bereich des fachmännischen Handelns, Maßnahmen für Notfälle, wie zB einen Nothalt des Förderers, einzuplanen, die den durch den Nothalt zu erwartenden Schaden verhindern oder jedenfalls vermindern. Das bedeutet für den Fachmann, die Fahrzeugkarosserien, zB bei einem Nothalt während der Eintauchphase im Flüssigkeitsbad, aus diesem wieder herauszudrehen. Dies könnte bereits in den jeweiligen Steuerprozessoren vorgesehen werden, die bei einem Nothalt in kritischen Zonen entsprechende Daten automatisch übermittelt bekommen, oder die entsprechenden Daten könnten von dem Überwachungspersonal im Notfall über die Drehbewegungsablauf-Vorgabeeinrichtung übermittelt werden (vgl Merkmale 12. und 12.1.). In jedem Fall besteht die Möglichkeit, da die Halterungen über die mitbewegten Antriebsmotoren steuerbar drehbar sind (Merkmale 9. und 10.), dass die Halterungen dann bei einem Nothalt des Förderers auch in eine Sicherungsstellung drehbar sind. Die Sicherungsstellung vorzugeben ist eine Sache des fachmännischen Handelns.

Damit ist auch die Ergänzung durch das Merkmal 13. nicht geeignet in einer Zusammenschau mit den anderen anspruchsgemäßen Merkmalen erfinderische Tätigkeit zu begründen.

Somit hat auch Anspruch 1 nach Hilfsantrag 3 keinen Bestand.

D) Bei dieser Sachlage brauchte, da jeder Antrag nur insgesamt zu beurteilen ist, auf die jeweiligen nebengeordneten und untergeordneten Patentansprüche nicht weiter eingegangen zu werden.

Ipfelkofer Hövelmann Barton Frowein Pü






BPatG:
Beschluss v. 15.07.2004
Az: 34 W (pat) 706/02


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