Bundespatentgericht:
Beschluss vom 24. November 2003
Aktenzeichen: 11 W (pat) 327/02

(BPatG: Beschluss v. 24.11.2003, Az.: 11 W (pat) 327/02)

Tenor

Auf den Einspruch wird das Patent 41 40 388 in vollem Umfang widerrufen.

Gründe

I Auf die am 7. Dezember 1991 eingereichte und am 9. Juni 1993 offengelegte Anmeldung mit der Bezeichnung "Rohrmühle" ist nach Prüfung durch das Patentamt ein Patent erteilt und die Erteilung am 18. April 2002 veröffentlicht worden.

Gegen das Patent ist am 16. Juli 2002 Einspruch erhoben worden. Der Einspruch ist mit Gründen versehen und auf die Behauptung gestützt, der Gegenstand des Patents sei nach §§ 3 und 4 PatG nicht patentfähig.

Die Einsprechende beantragt, das angegriffene Patent in vollem Umfang zu widerrufen.

Die Patentinhaberin hat in allen Punkten widersprochen und beantragt, das Patent aufrechtzuerhalten.

Der erteilte und verteidigte Patentanspruch 1 lautet wie folgt:

1. Rohrmühle mit einer Trommel (1), die auf zwei diese umgebenden Laufringen (4) jeweils über einen radialen Steg (5) abgestützt ist und die an den beiden Stirnseiten durch je eine einen Mühlenhals (3) aufweisende konische Stirnwand (2) geschlossen ist, dadurch gekennzeichnet, dass der radiale Steg (5) an den Laufring (4) angeformt ist und in die konische Stirnwand (2) einläuft und dass jeweils ein Laufring (4) und eine Stirnwand (2) aus einem eine transportfähige Einheit bildenden Stück gefertigt sind.

Wegen der Unteransprüche 2 bis 5 und weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II Über den Einspruch ist gemäß § 147 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 PatG durch den Beschwerdesenat des Bundespatentgerichts zu entscheiden.

Der frist- und formgerecht erhobene Einspruch ist gem. § 59 Abs. 1 PatG hinreichend substantiiert und auch im übrigen zulässig.

Er hat aus den nachfolgend dargelegten Gründen Erfolg und führt zum Widerruf des Patents.

Die Erfindung betrifft eine Rohrmühle mit einer Trommel, die auf zwei Laufringen jeweils über einen radialen Steg abgestützt ist und die an den beiden Stirnseiten durch je eine einen Mühlenhals aufweisende konische Stirnwand geschlossen ist.

Der Erfindung liegt das technische Problem (die Aufgabe) zugrunde, bei einer Rohrmühle den Aufwand an Material, Arbeitszeit und Kosten für den Laufring zu verringern und die Einleitung der auftretenden Kräfte zu verbessern.

Die Lösung dieser Aufgabe wird in einer Rohrmühle nach Anspruch 1 gesehen, welcher nach einem Vorschlag der Einsprechenden wie folgt gegliedert sein kann:

a) Rohrmühle mit einer Trommel, die auf zwei diese umgebenden Laufringen jeweils über einen radialen Steg (5) abgestützt istb) die Trommel ist an beiden Stirnseiten durch je eine Stirnwand geschlossen, die einen Mühlenhals aufweistc) der radiale Steg ist an den Laufring angeformt und er läuft in die Stirnwand eind) die Stirnwand ist konische) jeweils ein Laufring und eine Stirnwand sind aus einem eine transportfähige Einheit bildenden Stück gefertigt.

Dieser Anspruch 1 und die darauf zurückbezogenen Ansprüche 2 bis 5 sind zulässig. Im erteilten und verteidigten Anspruch 1 ist die ursprüngliche Formulierung "...dass der Laufring (4) mit einem radialen Steg (5) versehen ist..." ersetzt worden, durch eine der auf S. 1, 5. Abs., 1. Zeile der ursprünglichen Beschreibung zu findenden Textstelle entsprechende Formulierung "...dass der radiale Steg (5) an den Laufring (4) angeformt ist...". Die geltenden Ansprüche 2 bis 5 entsprechen den ursprünglichen Ansprüchen 3 bis 6.

Es kann dahinstehen, ob die gewerblich anwendbare Rohrmühle des geltenden Anspruchs 1 die erforderliche Neuheit aufweist, da sie für den Fachmann, hier einen Diplom-Ingenieur mit wenigstens Fachhochschulabschluss im allgemeinen Maschinenbau und mit Berufserfahrung im Mühlenbau, in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik hervorgeht und somit jedenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

Der Fachmann findet nämlich in der Fig. 1 der DE 39 13 118 C1 [D1] eine Rohrmühle dargestellt, die eine Trommel besitzt, die auf zwei diese umgebenden Laufringen jeweils über einen radialen Steg abgestützt ist und die an den beiden Stirnseiten durch je eine einen Mühlenhals aufweisende konische Stirnwand geschlossen ist. Diese zeichnerische Darstellung vermittelt ihm darüber hinaus den Eindruck, der radiale Steg ist an den Laufring angeformt und läuft in die konische Stirnwand ein und jeweils ein Laufring und eine Stirnwand sind aus einem eine transportfähige Einheit bildenden Stück gefertigt. In der zugehörigen Beschreibung findet er dazu die Erläuterung, dass der Mantel mit den Stirnwänden verbunden und an der Verbindungsstelle ein Laufring vorgesehen ist (Spalte 1, Z. 48 bis 52). Ob die Verbindung durch einstückige Bauweise, durch Stoffschluss (Schweißen), durch Verschrauben oder durch eine beliebige Kombination dieser Maßnahmen erfolgt, wird ihm zwar nicht weiter erläutert. Doch die Darstellung gemäß Fig. 1 veranlasst ihn dazu, die von der Beschreibung umfasste und prinzipiell dargestellte einteilige Ausbildung in erster Linie wahrzunehmen. Dass die eine Schnittdarstellung üblicher Weise kennzeichnende Schraffur fehlt, hält ihn davon nicht ab. Zeichnungen in Patenten brauchen, wie er weiß, keine technischen Zeichnungen zu sein, weshalb Darstellungsmittel, die in technischen Zeichnungen unerlässlich wären, in Patentzeichnungen fehlen können. Auch die Abbildung des Mühlenhalses 3 und der Stirnwand 2 als separate Bauteile in Figur 2 von D1 hindert ihn nicht daran, die mögliche Einteiligkeit von Stirnwand, Steg und Laufring anzunehmen, denn die Figur 1 ist im Bereich des Steges und Laufrings doch so groß und deutlich ausgeführt, dass eine zeichnerische Darstellung der Mehrteiligkeit zu erwarten wäre, käme es darauf an. Mögen auch die Erfinder der D1, wie die Patentinhaberin darzustellen versucht, die einstückige Ausbildung der fraglichen Mühlenteile gar nicht in Betracht gezogen haben und mag auch die Rohrmühle der D1 in der Praxis seinerzeit nicht so gefertigt worden sein, dass jeweils ein Laufring und eine Stirnwand eine transportfähige Einheit bilden, so ist dies unbeachtlich und beeinträchtigt den Offenbarungsgehalt der E1 nicht. Für den Offenbarungsgehalt einer Druckschrift ist es nämlich nicht erforderlich, dass alle Zeichnungsteile ihren Niederschlag in der Beschreibung und in den Ansprüchen einer Anmeldung finden (vgl. u.a. BGH Walzgutkühlbett GRUR 1985, 214). Vielmehr sind für die Offenbarung das objektive und sachgerechte Verständnis des Fachmannes sowie sein Können und Wissen zum Zeitpunkt der Anmeldung des zu beurteilenden Patents heranzuziehen. Auch können die zur D1 vorgebrachten Argumente der Patentinhaberin, sie würde nichts anmelden, was aus einer anderen eigenen Anmeldung bereits bekannt sei, nicht greifen. Ebenso wenig zieht der Einwand der Patentinhaberin, der Fachmann werde aufgrund der Größe der Mühlenteile, deren einstückige Fertigung vor dem Anmeldezeitpunkt des Streitpatents noch als sehr schwierig und aufwendig gegolten habe, daran gehindert, in D1 die einstückige Ausgestaltung zu sehen. Die Größe der Mühle ist nicht Inhalt des Patents. Doch selbst wenn die übliche Größe solcher Mühlen berücksichtigt wird, ist in der europäischen Patentschrift 0 184 326 (D2), die etwa sechs Jahre vor dem Streitpatent angemeldet worden ist, die einstückige Fertigung von Laufring, Steg und Stirnwand als Alternative zur Herstellung aus mehreren Teilen dargestellt und beschrieben. Beispielsweise wird dort das Schaffen eines eine transportable Einheit bildenden Stücks (auch) durch Schweißen (Sp. 3, Z. 47) erreicht, was auch von der patengemäßen Lehre nach Anspruch 1 umfasst ist. Weil für den Fachmann die aus der D2 bekannte Rohrmühle erkennbar in den selben Größenbereich fällt wie die Mühle der D1, besteht für ihn keine Veranlassung, in der D1 etwas anderes als das zeichnerisch Dargestellte zu suchen. Vielmehr kann ihm die D2 als Beleg dafür dienen, dass in der D1 ebenfalls eine Rohrmühle zu finden ist, die wie bei der D2 ein eine transportable Einheit bildendes Stück aufweist, das wenigstens den Laufring, den Steg und die Stirnwand umfasst.

Ohne Kenntnis der Erfindung erhält der Fachmann deshalb aus der Fig. 1 der D1 die Ausgestaltung einer Rohrmühle, bei der Laufring, Steg und konische Stirnwand als ein, eine transportable Einheit bildendes Stück gefertigt sind, das er in naheliegender Weise als solches für beide Seiten der Rohrmühle vorsieht, wie dies in Anspruch 1 des Streitpatentes angegeben ist, und gelangt auf diese Weise ohne weiteres zur streitpatentgemäßen Lösung. Erfinderischer Tätigkeit bedarf es dazu nicht.

Der verteidigte Anspruch 1 kann deshalb keinen Bestand haben.

Die Ansprüche 2 bis 5 teilen das Schicksal des Anspruchs 1, auf den sie rückbezogen sind.

Selbst wenn das Patent hilfsweise im Umfang eines Hauptanspruches, gebildet aus Anspruch 2 oder 3 verteidigt worden wäre, was von der Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung in Erwägung gezogen worden ist, hätte dies keine andere Beurteilung des Sachverhaltes zur Folge gehabt.

Für das direkte Anflanschen der Trommel an den radialen Steg nach den Merkmalen des geltenden Anspruchs 2 findet der Fachmann nämlich in der Figur 3 der D2, für den an den Steg des Laufringes angeformten zylindrischen Abschnitt in der Figur 1 der D1 jeweils das unmittelbare Vorbild. Diese rein konstruktiven Maßnahmen sind somit schon im Stand zu finden und der Fachmann kennt ihre Eigenschaften. Weil er auf dieser Grundlage den Erfolg, der beim Anwenden dieser Maßnahmen eintritt, vorhersehen kann, bedarf auch deren Aufgreifen und ggf. Kombination keiner erfinderischer Tätigkeit. Auch unter Berücksichtigung dessen, kann es nicht zu einer anderen Entscheidung kommen.

Mithin war das Patent 41 40 388 in vollem Umfang zu widerrufen.

Dellingerv. Zglinitzki Skribanowitz Schmitz Ko






BPatG:
Beschluss v. 24.11.2003
Az: 11 W (pat) 327/02


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