Bundespatentgericht:
Beschluss vom 25. April 2002
Aktenzeichen: 25 W (pat) 120/01

(BPatG: Beschluss v. 25.04.2002, Az.: 25 W (pat) 120/01)

Tenor

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Bezeichnung Las Estrellas del Caribeist am 10. Dezember 1998 ua für

"Biere; Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; andere Präparate für die Zubereitung von Getränken; Tabakwaren, nämlich Zigarren, Zigaretten, ... Zigarettenpapier, Zigarettenhülsen, ... Pfeifentaschen, ...; Verpflegung; Beherbergung von Gästen; ..."

in das Markenregister eingetragen worden.

Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der älteren, am 10. Juni 1998 ua für

"Biere; Mineralwässer und andere alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken; ...; Beherbergung und Verpflegung von Gästen; ... Zigarren- und Zigarettenetuis; Zigarren- und Zigarettenspitzen; ..."

eingetragenen Marke 397 34 286 ESTRELLA.

Die Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss vom 6. Juli 2000 durch einen Beamten des höheren Dienstes die Verwechslungsgefahr zwischen der angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarke verneint und den Widerspruch zurückgewiesen. Auch bei durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sowie möglicher Warenidentität und damit erhöhten Anforderungen an den Markenabstand bestehe keine Verwechslungsgefahr. Der Bestandteil "Estrellas" in der jüngeren Marke sei wegen der gleichgewichtigen kennzeichnenden Bedeutung (Die Sterne der Karibik) sämtlicher, einen einheitlichen Gesamtbegriff bildenden Bestandteile nicht allein kollisionsbegründend. Bei Gegenüberstellung der jüngeren Marke in ihrer Gesamtheit bestehe jedoch keine hinreichende verwechslungsbegründende Ähnlichkeit der Zeichen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden mit dem Antrag, den Beschluss der Markenstelle vom 6. Juli 2000 aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

Sie regt an, die Rechtsbeschwerde zuzulassen.

Die sich gegenüberstehenden Zeichen wiesen sowohl in klanglicher als auch in schriftbildlicher Hinsicht eine verwechslungsbegründende Ähnlichkeit auf. Entgegen der Ansicht der Markenstelle präge der Bestandteil "Estrellas" den Gesamteindruck der jüngeren Marke, da es sich bei den weiteren Bestandteilen nur um geografische bzw Füllwörter mit beschreibendem Charakter handele, deren Sinngehalt der Verkehr ohne weiteres erfasse und für die betriebliche Herkunft als bedeutungslos ansehen werde. Hingegen handele es sich bei dem Wort "Estrella" bzw bei "ESTRELLAS" um nicht ohne weiteres im Inland bekannte und keine sprachliche Nähe zum Deutschen aufweisende Bezeichnungen. Diese seien aber nahezu identisch, so dass eine Verwechslungsgefahr bestehe, zumal für einen Teil der Waren und Dienstleistungen nach der Registerlage Identität bzw hohe Ähnlichkeit bestehe und deshalb lediglich geringfügige Zeichenunterschiede nicht ausreichten, eine Verwechslungsgefahr auszuschließen.

Der in der mündlichen Verhandlung nicht erschienene bzw vertretene Inhaber der angegriffenen Marke beantragt schriftsätzlich, die Beschwerde zurückzuweisen.

Zur Begründung des Antrags verweist er auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Der nach § 42 Abs 2 Nr 1 MarkenG erhobene Widerspruch ist von der Markenstelle zu Recht gemäß § 43 Abs 2 Satz 2 MarkenG zurückgewiesen worden. Es besteht auch nach Auffassung des Senats keine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.

Nach der hier maßgeblichen Registerlage können die Marken hinsichtlich der jeweiligen Getränke und Zubereitungen für Getränke auf identischen Waren und im Bereich "Beherbergung und Verpflegung von Gästen" für die gleichen Dienstleistungen verwendet werden. Zwischen den Tabakwaren und Raucherartikeln der angegriffenen Marke und den "Zigarren- und Zigarettenetuis; Zigarren- und Zigarettenspitzen" der Widerspruchsmarke ist ebenfalls Warengleichheit oder zumindest eine hochgradige Ähnlichkeit gegeben. Die Waren und Dienstleistungen richten sich uneingeschränkt auch an die allgemeinen Verkehrskreise, wobei allerdings auch insoweit zu berücksichtigen ist, dass grundsätzlich nicht auf einen sich nur flüchtig mit der Ware befassenden, sondern auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher abzustellen ist, dessen Aufmerksamkeit je nach Art der Ware oder Dienstleistung unterschiedlich hoch sein kann (vgl BGH MarkenR 2000, 140, 144 ATTACHÉ / TISSERAND; BGH GRUR 1998, 942, 943 li Spalte - ALKA-SELTZER; EuGH MarkenR 1999, 236, 239 unter 24. - Lloyd / Loints).

Bei seiner Entscheidung geht der Senat von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und damit einem normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke aus, da entgegenstehende Anhaltspunkte nicht ersichtlich sind.

Auch wenn unter Berücksichtigung der dargelegten Umstände strenge Anforderungen an den erforderlichen Markenabstand zu stellen sind, reichen die Abweichungen der Marken aus, um die Gefahr von Verwechslungen im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG, und zwar auch im Bereich gleicher Waren und Dienstleistungen, in jeder Hinsicht hinreichend sicher auszuschließen.

In ihrer Gesamtheit unterscheiden sich die aus vier Wörtern bestehende angegriffene Marke "Las Estrellas del Caribe" (spanisch: Die Sterne der Karibik) und die ältere Einwortmarke "ESTRELLA" (spanisch: Stern) schon aufgrund der Länge der Bezeichnungen deutlich.

Grundsätzlich ist zur Beurteilung der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr auf den Gesamteindruck der Marke in ihrer registrierten Form abzustellen ist (vgl BGH MarkenR 2002, 49, 51 "ASTRA/ESTRA-PUREN"), wobei selbst kennzeichnungsschwache oder schutzunfähige Elemente zur Prägung des Gesamteindrucks beitragen oder gar entscheidendes Gewicht erlangen können und dann nicht unberücksichtigt bleiben dürfen (vgl Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl, § 9 Rdn 152, 160 mwN). Dabei entspricht es der allgemeinen Lebenserfahrung, dass der Verkehr eine Marke in ihrer Gesamtheit aufnimmt, in der sie ihm entgegentritt, ohne eine analysierende Betrachtung vorzunehmen.

Dieser Grundsatz schließt zwar die Erkenntnis ein, dass auch einzelnen Zeichenbestandteilen unter Umständen eine besondere, das gesamte Zeichen prägende Kennzeichnungskraft zukommen kann und dass dann bei einer Übereinstimmung von Zeichen in dem prägenden Bestandteil die Gefahr einer Verwechslung der beiden Gesamtzeichen zu bejahen ist (ständige Rspr des BGH, vgl BGH MarkenR 2000, 20, 21 - RAUSCH / ELFI RAUCH mwN). Vorliegend kommt eine Verwechslungsgefahr - was auch zwischen den Beteiligten unstreitig ist - danach jedoch nur dann in Betracht, wenn man in der angegriffenen Wortkombination dem Wort "Estrellas" eine selbständig kollisionsbegründende Bedeutung beimisst und für den Markenvergleich nur dieses Wort der Widerspruchsmarke "ESTRELLA" gegenüberstellt, was nach Auffassung des Senats jedoch nicht gerechtfertigt ist.

Es ist davon auszugehen, dass ein erheblicher Teil der hier uneingeschränkt zu berücksichtigenden allgemeinen Verkehrskreise über nahezu keine Kenntnisse der spanischen Sprache verfügen. Diese Personengruppe hat damit mangels einschlägiger Sprachkenntnisse von vornherein keinen Anlass, gerade in dem Wort "Estrellas" den kennzeichnenden Schwerpunkt der angegriffenen Wortfolge zu sehen und die weiteren Wörter bei der Markenerfassung und -wiedergabe zu vernachlässigen.

Diejenigen Endverbraucher, die über ein geringes Maß an Kenntnissen der spanischen Sprache und auch über eine ungefähre Vorstellung über die Bedeutung der einzelnen Wörter der angegriffenen Marke verfügen, werden die Bezeichnung "Las Estrellas del Caribe" als einen aus dem spanischen Sprachraum stammenden phantasievollen Gesamtbegriff verstehen, ohne möglicherweise den genauen deutschen Sinngehalt zu erfassen. Zwar mögen dabei die Wörter "Las" und "del" als Artikel oder bloße "Füllwörter" noch erkannt werden. Bei den Substantiven "Estrellas" und "Caribe" handelt es sich - wie die Markenstelle bereits zutreffend ausgeführt hat - jedoch nicht um solche spanischen Wörter, die - wie etwa "gracias", "buenos dias" etc - von diesen inländischen Verkehrkreisen ohne weiteres verstanden werden.

Soweit die angesprochenen Verkehrskreise gute oder fortgeschrittene Kenntnisse der spanischen Sprache haben, wird ihnen auch die deutsche Bedeutung "Sterne" des Wortes "Estrellas" bekannt sein. In diesem Fall besteht ebenfalls kein Grund für die Annahme, der markenmäßig kennzeichnende Schwerpunkt der Wortfolge würde gerade und allein in "Estrellas" gesehen, zumal die Wiedergabe bzw Darstellung von "Sternen" in der Werbung häufig und in verschiedenen Formen und Gestaltungen als graphisches Element verwendet wird. Unter diesen Umständen spricht vielmehr auch insoweit einiges dafür, dass die angegriffene Wortfolge als einheitlicher Gesamtbegriff aufgefasst wird.

Ist danach für die Beurteilung der markenrechtlichen Kollisionsgefahr die angegriffene Marke in ihrer Gesamtheit mit der Widerspruchsmarke zu vergleichen, sind schon aufgrund der markant verschiedenen Längen der Marken klangliche und schriftbildliche Verwechslungen offensichtlich nicht zu befürchten. Im Hinblick auf den verschieden und jeweils eigenständigen Aussagegehalt der Gesamtbezeichnung "Die Sterne der Karibik" einerseits und des Begriffs "Stern" in Alleinstellung andererseits ist auch eine begriffliche Verwechslungsgefahr ausgeschlossen. Andere Arten der Verwechslungsgefahr sind weder ersichtlich noch dargelegt.

Nach alledem war die Beschwerde der Widersprechenden zurückzuweisen.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlass, § 71 Abs 1 MarkenG.

Der Senat hat auch keinen Anlass gesehen, die von der Widersprechenden angeregte Rechtsbeschwerde zuzulassen. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist hier weder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten, noch aus Gründen der Rechtsfortbildung angezeigt (§ 83 Abs 2 MarkenG), da die vorliegende Kollisionsentscheidung keine klärungsbedürftigen grundsätzlichen Rechtsfragen aufwirft.

Kliems Engels Brandt Pü






BPatG:
Beschluss v. 25.04.2002
Az: 25 W (pat) 120/01


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