Oberlandesgericht Düsseldorf:
Beschluss vom 21. März 2011
Aktenzeichen: I-20 W 146/10

(OLG Düsseldorf: Beschluss v. 21.03.2011, Az.: I-20 W 146/10)

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin wird der Beschluss der 8. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf vom 28. Oktober 2010 abgeändert und der Antrag der Gläubigerin vom 13. April 2010 auf Verhängung eines Ordnungsgeldes gegen die Schuldnerin zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Gläubigerin auferlegt.

Streitwert für das Beschwerdeverfahren: 5.000,00 €.

Gründe

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Schuldnerin gegen den angefochtenen Ordnungsmittelbeschluss hat auch in der Sache Erfolg, denn die Schuldnerin hat nicht gegen die im Urteil des Landgerichts vom 26. März 2010 in Verbindung mit dem Urteil des Senats vom 7. September 2010 titulierte Unterlassungsverpflichtung verstoßen.

Die auf Seite 5 des Schriftsatzes der Gläubigerin vom 13.04.2010 wiedergegebene Werbung verstößt nicht gegen das Verbot, "mit den Aussagen ‘Zahnersatz garantiert 40% günstiger und/oder ‘Bei außervertraglichen Leistungen sparen Sie garantiert 40% gegenüber regulären Angeboten und/oder ‘Wenn Sie eine hochwertige Versorgung mit garantiert 40% reduzierten Zahnersatz-Kosten erhalten möchten […] wenden Sie sich an I. und/oder ‘Zahnersatz 40% günstiger zu werben und/oder werben zu lassen, ohne darüber aufzuklären, auf welchen Grundpreis sich die 40%ige Preisersparnis(garantie) bezieht", wie im Urteilstenor wiedergegeben.

Ob eine Handlung eine Zuwiderhandlung darstellt, bestimmt sich nach der durch Auslegung zu ermittelnden Reichweite des Unterlassungstitels. Dabei ist von der Urteilsformel auszugehen. Zu deren Auslegung können aber auch Tatbestand und Entscheidungsgründe herangezogen werden (Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 29. Aufl., § 12 Rn. 6.4). Der Verbotsumfang ist dabei im Regelfall nicht auf die im Urteil beschriebene konkrete Verletzungsform begrenzt (BGH GRUR 2010, 454 Tz. 12 - Klassenlotterie). Sofern der Titel das Charakteristische, den sogenannten "Kern" der Verletzungsform zweifelsfrei zum Ausdruck bringt, werden nicht nur die mit der verbotenen konkreten Verletzungsform identischen, sondern auch abgewandelte, aber im Kern gleichartige Handlungsformen erfasst (BGH GRUR 2010, 253 Tz 30 - Fischdosendeckel; BGH GRUR 2010, 855 Tz 17 - Folienrollos). Das ist insbesondere dann anzunehmen, wenn neben der in Bezug genommenen konkreten Verletzungshandlung zur Beschreibung abstrakt formulierte Merkmale verwendet werden. Sie haben dann die Funktion, den Kreis der Varianten näher zu bestimmen, die von dem Verbot als kerngleiche Handlungen erfasst sein sollen (BGH GRUR 2010, 855 Tz 17 - Folienrollos). Eine weiter gehende Titelauslegung ist dagegen schon auf Grund des strafähnlichen Charakters der Ordnungsmittel des § 890 ZPO unstatthaft (BGH WRP 1989, 572, 574 - Bioäquivalenz-Werbung). Zweifel gehen zu Lasten des Titelinhabers, da er durch entsprechende Antragsformulierung die notwendige Verallgemeinerung des Verbots herbeiführen kann und das Vollstreckungsverfahren nicht mit Ungewissheiten belastet werden soll, die besser im Erkenntnisverfahren geklärt werden (Köhler a.a.O.).

Bereits nach seinem Wortlaut erfasst das Verbot die Werbeaussage mit einem garantiert günstigeren Preis nur dann, wenn diese erfolgt "ohne darüber aufzuklären, auf welchen Grundpreis sich die 40%ige Preisersparnis(garantie) bezieht". Das Verbot beruht gerade darauf, dass die seinerzeitige Werbung überhaupt nicht erkennen ließ, mit welchem Preis hier ein Vergleich angestellt wurde. Dies ist bei der nunmehr angegriffenen Werbung aber gerade nicht der Fall. Vielmehr ist an der Angabe "40%" ein deutlich sichtbarer Sternchenhinweis angebracht, der den Leser zu dem Hinweis führt "vergleichend Einheitspreisliste BEL II/Nordrhein. Stand 5.2009". Ferner findet sich auf der Werbung eine Tabelle mit Preisbeispielen.

Es kann dahin stehen, ob diese Preisgegenüberstellung für sich genommen irreführend ist, denn jedenfalls erfolgt die Werbung mit einer Angabe, auf welchen Grundpreis sich die beworbene 40%ige Preisersparnis bezieht. Eine Zuwiderhandlung gegen die titulierte Unterlassungspflicht kann damit nicht festgestellt werden, denn charakteristisch für diese war das völlige Fehlen der Angabe des Vergleichspreises.

Auch die Pressemitteilung auf dem Portal "o…" sowie die drei Werbungen von Krankenkassen, welche die Gläubigerin mit Schriftsatz vom 16.04.2010 zum Gegenstand des Ordnungsmittelverfahrens gemacht hat, verstoßen nach den vorgenannten Grundsätzen nicht gegen die titulierte Unterlassungsverpflichtung.

Nach dem Titel ist der Schuldnerin verboten, "mit der Aussage: ‘Hier erhalten Sie als Versicherter einer unserer Partner-Krankenkassen […] ihren Zahnersatz ohne Zuzahlung‘ zu werben und/oder werben zu lassen, wenn Versicherte den Zahnersatz nicht in jedem Falle ohne Zuzahlung erhalten können", wie im Urteilstenor wiedergegeben". Dabei wies die danach beanstandete Werbung als Erläuterung der Voraussetzungen lediglich einen Sternchenhinweis mit dem Text "Bei Regelleistung der GKV plus 30% Bonus" auf. Dieser Hinweis war nach Ansicht des Landgerichts und auch des Senats nicht ausreichend, um die angesprochenen Verkehrskreise auf die Bedingungen hinzuweisen, unter denen Zahnersatz ohne Zuzahlung gewährt würde.

Es kann dahin stehen, ob die Schuldnerin für die nunmehr beanstandete Werbung verantwortlich ist, denn die nunmehr beanstandete Werbung ist mit der nach dem Titel verbotenen Werbung jedenfalls nicht kerngleich. Sowohl die Pressemitteilung, als auch insbesondere die beanstandeten Werbeseiten der Krankenkassen enthalten nämlich weitere Erläuterungen, insbesondere zu der Frage des "Bonuserfordernisses". So heißt es in der Pressemitteilung "Für Zahnersatz-Regelleistungen ohne Zuzahlungen müsse aber das Bonusheft für die letzten zehn Kalenderjahre vor Behandlungsbeginn vollständig geführt sein". Damit wird zunächst einmal deutlich, dass es sich nicht etwa um einen von der Schuldnerin gewährten Bonus handelt, sondern dass die Voraussetzung die Führung des von den Krankenkassen herausgegebenen Bonusheftes ist. Noch deutlicher wird die Werbung der BKK S. Dort heißt es unter "Voraussetzungen": "Wenn Sie in den letzten 10 Jahren mindestens 1x im Kalenderjahr zur zahnärztlichen Vorsorgeuntersuchung waren und dies im Bonusheft quittiert wurde, erhalten Sie eine kostenlose Regelversorgung mit Zahnersatz." Die Werbung der BKK P. enthält einen fast wortlautgleichen Hinweis und auch die E. BKK weist deutlich auf diese Voraussetzung hin.

Ob diese Hinweise nunmehr ausreichen, um eine Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise zu vermeiden, kann nicht im Vollstreckungsverfahren geklärt werden. Die Werbung weicht jedenfalls in einem Maße von der den Gegenstand des Verbots bildenden Verletzungshandlung ab, dass sie sich als anders darstellt.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 891, 91 Abs. 1 ZPO.






OLG Düsseldorf:
Beschluss v. 21.03.2011
Az: I-20 W 146/10


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