Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 25. März 2014
Aktenzeichen: 4 U 160/13

(OLG Hamm: Urteil v. 25.03.2014, Az.: 4 U 160/13)

Warnung eines Lebensversicherers vor dem "Verkauf" einer Lebensversicherung am "Zweitmarkt"

Tenor

Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 29. Oktober 2013 verkündete Urteil der 6. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bielefeld wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Antragsgegnerin.

Gründe

A.

Die Antragstellerin befasst sich gewerblich mit dem "Aufkauf" von Lebensversicherungs-, Rentenversicherungs-, Bauspar- und Unfallversicherungsverträgen von Versicherungsnehmern bzw. Bausparern.

Die Antragsgegnerin schließt als Versicherungsunternehmen u.a. Lebensversicherungsverträge mit ihren Kunden ab.

Manche Versicherungsnehmer benötigen während der Laufzeit ihres Lebensversicherungsvertrages liquide finanzielle Mittel, die sie durch den "Verkauf" ihres Lebensversicherungsvertrages zu erhalten suchen. Für diesen Kundenkreis existiert ein "Zweitmarkt" für Lebensversicherungen. Gewerbliche "Aufkäufer" von Lebensversicherungsverträgen zahlen an den Versicherungsnehmer als Gegenleistung für den "Verkauf" des Lebensversicherungsvertrages und die Abtretung der hieraus erwachsenen Ansprüche gegen den Versicherer in der Regel einen am aktuellen Rückkaufswert der Lebensversicherung orientierten Kaufpreis. Neben Unternehmen, die die so "aufgekaufte" Lebensversicherung bis zum Laufzeitende selbst weiterführen und am Ende der Laufzeit die Versicherungssumme einschließlich der Schlussüberschussanteile vereinnahmen, woraus sie ihren Gewinn schöpfen, gibt es Unternehmen, die die "aufgekaufte" Versicherung nicht weiterführen, sondern sie sofort kündigen. Einige dieser Unternehmen zahlen den mit dem Versicherungsnehmer vereinbarten Kaufpreis nicht sofort in voller Höhe an den Versicherungsnehmer aus, stattdessen kommt es zu einer anderweitigen - häufig längerfristigen - Anlage des Kaufpreisbetrages oder eines Teilbetrages, so dass die Kunden Zahlungen - wenn überhaupt - erst längere Zeit nach dem "Verkauf" ihres Lebensversicherungsvertrages erhalten.

In den vergangenen Jahren warnten sowohl die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) als auch der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) öffentlich vor unseriösen "Aufkäufern" von Lebensversicherungen, die keine Gewähr dafür böten, dass sie ihre Zahlungsversprechen gegenüber den Versicherungsnehmern auch erfüllen könnten. Auch in den Medien wurde bereits über den Zweitmarkt für Lebensversicherungen und mögliche Risiken für "verkaufswillige" Versicherungsnehmer berichtet.

Jedenfalls bis 2011 kooperierte die Antragstellerin mit den ebenfalls auf dem Zweitmarkt für Lebensversicherungen tätigen Unternehmen "C Q GmbH" und "T F GmbH", die im Verdacht stehen, zu den unseriösen Marktteilnehmern zu gehören.

Unter dem 15.08.2013 unterzeichnete die in Gütersloh wohnhafte T, die durch einen privaten Rentenversicherungsvertrag mit der Antragsgegnerin verbunden war, von der Antragstellerin bereitgestellte Formulare über den Verkauf ihres Versicherungsvertrages und die Abtretung der hieraus erwachsenen Ansprüche an die Antragstellerin (Anlage K2). Nach § 2 der "Bedingungen für den Abschluss eines Kaufvertrages über einen Lebensversicherungsvertrag oder einen Bausparvertrag" der Antragstellerin (Anlage K2) sollte der Kaufpreis dem aktuellen Rückkaufswert der Versicherung abzüglich etwaiger Quellensteuern und abzüglich eines "einmaligen Betrages" zwischen 5,5% und 7,5% des Rückkaufswertes (je nach Höhe des Rückkaufswertes) entsprechen. Nach § 4 der vorbezeichneten Bedingungen sollte der Kaufpreis eine Woche nach der Mitteilung des aktuellen Rückkaufswertes durch die Versicherungsgesellschaft und der Bestätigung des Versicherers, dass an dem Vertrag keine Rechte Dritter bestehen, fällig werden. In das Formularfeld "Auszahlungsanweisung" trug Frau T ihre persönliche Bankverbindung als Zahlungsweg für die Auszahlung des Kaufpreises ein.

Mit Schreiben vom 21.08.2013 (Anlage K3) erklärte die unter dem Stichwort "Bearbeiter" bzw. "Sachbearbeitung" zeichnende T1 namens der Antragstellerin gegenüber Frau T die Annahme des Vertragsangebotes. Mit Schreiben vom gleichen Tage (Anlage K4) zeigte die Antragstellerin der Antragsgegnerin die Abtretung der Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag der Frau T an und bat die Antragsgegnerin um Berechnung und Mitteilung des aktuellen Rückkaufswertes der Versicherung.

Die Antragsgegnerin übersandte daraufhin unter dem 10.09.2013 ein Schreiben (Anlage K5) an die Versicherungsnehmerin T mit folgendem Wortlaut:

"(...) das Unternehmen Q GmbH zeigte uns den Verkauf des Vertrages an. Wir bedauern, dass Sie Ihren Vertrag verkaufen möchten. Im Rahmen unserer Beratungspflicht möchten wir noch einmal nachfragen, ob Sie an dem Verkauf festhalten möchten.

Zusätzlich sehen wir es als kundenorientiertes Versicherungsunternehmen als unsere Pflicht an, Ihnen mitzuteilen, dass nach Erkenntnissen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) Unternehmen verstärkt am Markt tätig sind, die Verbrauchern zum Zweck der Geldanlage anbieten, ihnen ihre Vermögensanlagen,

insbesondere ihre Lebens- oder private Rentenversicherung, abzukaufen. Hierbei wird inzwischen in vielen Fällen ein besonderer Focus darauf gelegt, dass der Kaufpreis von dem Unternehmen - jedenfalls zu einem Teil - einbehalten und erst zu einem späteren Zeitpunkt, regelmäßig verzinst und in Raten, ausgezahlt werden soll. Je nach Geschäftsmodell soll der einbehaltene Betrag auch für den Verbraucher angelegt werden. In vielen Fällen werden die als Käufer auftretenden Unternehmen nicht von der BaFin beaufsichtigt.

Die BaFin weist darauf hin, dass solche Unternehmen, im Gegensatz zu Versicherungsunternehmen, die einem gesetzlichen Sicherungsfonds angehören, keiner Aufsicht zur Sicherstellung der dauernden Erfüllbarkeit der mit den Kunden geschlossenen Verträge unterliegen. Es besteht somit für Sie als Verkäufer das Risiko eines Totalausfalls (Fettdruck auch im Original des Schreibens). Auch verschiedene Medien warnen inzwischen vor solchen Aufkäufern (vgl. Plusminus - Sendung in der ARD vom 17.8.2010).

Wir können nicht beurteilen, ob es sich bei dem vorliegenden Aufkäufer um ein solches Unternehmen handelt. Nähere Informationen kann Ihnen die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Banken- und Versicherungsaufsicht, Graurheindorfer T-Str., 53117 Bonn, Tel. 0228-4108 7777) geben. Vor diesem Hintergrund bitten wir Sie zu prüfen, ob Sie an dem Verkauf festhalten möchten.

Haben Sie noch Fragen € Wir helfen Ihnen gerne weiter. (...)"

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 23.09.2013 (Anlage K7) mahnte die Antragstellerin die Antragsgegnerin ab. Das Schreiben der Antragsgegnerin vom 10.09.2013 stelle eine unlautere gezielte Behinderung im Sinne des § 4 Nr. 10 UWG dar. Die Antragsgegnerin lehnte die Abgabe einer entsprechenden Unterwerfungserklärung ab.

Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 02.10.2013, beim Landgericht eingegangen am 04.10.2013, den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt. Sie hat behauptet, sie verspreche ihren Kunden keine Zahlungen, die nur in Raten oder über einen sehr langen Zeitraum erfolgen sollten. Sie kaufe Versicherungsverträge an und lasse sich die Ansprüche aus diesen Verträgen abtreten. Auf der Grundlage der Abtretungserklärung und einer hierbei vom Versicherungsnehmer erteilten Vollmacht erfrage sie bei dem jeweiligen Versicherungsunternehmen den aktuellen Rückkaufswert. Sobald dieser mitgeteilt und bestätigt werde, dass an dem Vertrag keine Rechte Dritter bestünden, zahle sie den vereinbarten Kaufpreis (Rückkaufswert abzüglich der vereinbarten Bearbeitungsgebühr) an den Versicherungsnehmer aus. Die

Auszahlung erfolge in der Regel sogar, bevor sie, die Antragstellerin, selbst den Rückkaufswert erhalte. Dieses Geschäftsmodell ergebe sich aus den mit der Versicherungsnehmerin T getroffenen vertraglichen Vereinbarungen (Anlage K2). Die BaFin habe ihr, der Antragstellerin, darüber hinaus mit Schreiben vom 24.08.2011 (Anlage K6) bestätigt, dass dieses Geschäftsmodell keiner aufsichtsbehördlichen Erlaubnis durch die BaFin bedürfe. Mit den Unternehmen "C Q GmbH" und "T F GmbH" arbeite sie, die Antragstellerin, bereits seit dem 01.07.2011 nicht mehr zusammen. Zu ihrem Tätigkeitsfeld gehörten keine Geschäfte, bei denen der Kunde den Kaufpreis in einer anderen Anlageform anlege. Dies sei dem Kunden zwar unbenommen, sie, die Antragstellerin, nehme hierauf jedoch keinen Einfluss.

Das Schreiben der Antragsgegnerin an die Versicherungsnehmerin T, dass die Versicherungsnehmerin ihr, der Antragstellerin, am 16.09.2013 zur Verfügung gestellt habe, stelle in mehrfacher Hinsicht eine unlautere geschäftliche Handlung dar. Es handele sich um eine unlautere Herabsetzung (§ 4 Nr. 7 UWG), eine unlautere Anschwärzung (§ 4 Nr. 8 UWG) sowie eine gezielte Behinderung (§ 4 Nr. 10 UWG). Sie, die Antragstellerin, werde durch das Schreiben in die Nähe unseriöser oder sogar verbotener Geschäftspraktiken gerückt. Es gehe der Antragsgegnerin nicht darum, ihre Kunden vor möglicherweise risikobehafteten Geldanlagen zu warnen, sondern darum, den Vertrag zwischen der Versicherungsnehmerin und ihr, der Antragstellerin, zunichte zu machen. Der Versicherungsnehmer wisse nicht, warum der Versicherer ihn mit derartigen Verdachtshinweisen informiere. Der Versicherungsnehmer sei nicht in der Lage, die Solidität und Bonität der Antragstellerin zu überprüfen. Das Anschreiben des Versicherers verunsichere den Versicherungsnehmer und wecke Zweifel an seiner Entscheidung, einen Kaufvertrag mit der Antragstellerin abzuschließen. Die Antragsgegnerin versuche schon seit längerer Zeit, ihre, der Antragstellerin, Geschäftsbeziehungen zu Versicherungsnehmern zu stören, obwohl ihr das Geschäftsmodell schon seit langem bekannt sei. So habe es bereits im Jahre 2012 ein Verfahren mit vergleichbarem Inhalt zwischen ihr, der Antragstellerin, und einer Tochtergesellschaft der Antragsgegnerin, der D AG, gegeben, das mit einem rechtskräftigen Urteil des Landgerichts Hamburg zu ihren, der Antragstellerin, Gunsten geendet habe (vgl. Anlagen K14, K15 und K16). Überdies sei es für die Antragsgegnerin problemlos möglich, sich im Internet umfassend über das von ihr, der Antragstellerin, praktizierte Geschäftsmodell zu informieren. Über das Internetportal "www...-...de" könne jedermann die von ihr, der Antragstellerin, verwendeten Kaufvertragsformulare herunterladen (vgl. Anlage K21). Überdies versende sie, die Antragstellerin, seit 2011 zusammen mit den Abtretungsanzeigen an die Versicherer auch ein Merkblatt (Anlage K20), in welchem sie ihr Geschäftsmodell erläutere.

Die Antragstellerin hat zwei eidesstattliche Versicherungen ihres Geschäftsführers vom 09.09.2013 (Anlage K24 = Blatt 47 der Gerichtsakte) und vom 16.10.2013 (Anlage K23 = Blatt 46 der Gerichtsakte) vorgelegt.

Die Antragstellerin hat (zuletzt) beantragt,

der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken ihren Versicherungsnehmern, die Rechte und Ansprüche aus ihren Versicherungsverträgen an die Antragstellerin abgetreten haben, mitzuteilen:

Nach Erkenntnissen der BaFin seien Unternehmen verstärkt am Markt tätig, die Verbrauchern zum Zweck der Geldanlage anbieten, ihnen ihre Vermögensanlagen, insbesondere ihre Lebens- oder private Rentenversicherung, abzukaufen. Hierbei wird inzwischen in vielen Fällen ein besonderer Fokus darauf gelegt, dass der Kaufpreis von dem Unternehmen - jedenfalls zu einem Teil - einbehalten und erst zu einem späteren Zeitpunkt, regelmäßig verzinst und in Raten, ausgezahlt werden soll. Je nach Geschäftsmodell soll der einbehaltene Betrag auch für den Verbraucher angelegt werden. In vielen Fällen werden die als Käufer auftretenden Unternehmen nicht von der BaFin beaufsichtigt. Die BaFin weist darauf hin, dass solche Unternehmen, im Gegensatz zu Versicherungsunternehmen, die einem gesetzlichen Sicherungsfonds angehören, keiner Aufsicht zur Sicherstellung der dauernden Erfüllbarkeit der mit den Kunden geschlossenen Verträge unterliegen. Es besteht somit für den Verkäufer das Risiko eines Totalausfalls. Auch verschiedene Medien warnen inzwischen vor solchen Aufkäufern (vgl. Plus-Minus-Sendung in der ARD vom 17.08.2010). Wir können nicht beurteilen, ob es sich bei dem vorliegenden Aufkäufer um ein solches Unternehmen handelt;

wenn dies geschieht wie in Anlage K5.

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin hat behauptet, das Geschäftsmodell der Antragstellerin bestehe nicht allein darin, den Kaufpreis für die Versicherung schnellstmöglich an den Kun

den auszuzahlen. So werbe die Antragstellerin in ihrem Internetauftritt (Anlage AG8) unter der Überschrift "Kundenvorteile" mit der Möglichkeit eines "schnellen Wechsels in renditestärkere Anlageformen". Unter der Überschrift "Vorteile für Finanzdienstleister" werbe sie mit der Aussage "Auf Wunsch direkte Auszahlung in Neuanlage". Es sei mithin offensichtlich, dass zum Tätigkeitsfeld der Antragstellerin nicht nur Geschäfte gehörten, bei denen der Kaufpreis sofort an den Versicherungsnehmer ausgezahlt werde, sondern auch Geschäfte, bei denen der Kunde die Kaufpreissumme in eine andere Anlageform umschichten könne. Dies belege auch das Vertragsformular der Antragstellerin, namentlich das Formularfeld "Auszahlungsanweisung". Daraus gehe hervor, dass der Versicherungsnehmer auch eine Auszahlung an Dritte, z.B. an andere Finanzdienstleister, vornehmen lassen könne. Es sei insbesondere nicht auszuschließen, dass auf diese Weise Finanzdienstleister einbezogen würden, deren Solidität und Bonität keiner Aufsicht und Prüfung unterliege. Das von der Antragstellerin geschilderte Geschäftsmodell stelle im Übrigen ein erlaubnispflichtiges Einlagengeschäft dar. Über eine entsprechende Erlaubnis der BaFin verfüge die Antragstellerin indes nicht.

Das beanstandete Schreiben an die Versicherungsnehmerin T sei unter keinem denkbaren Gesichtspunkt unlauter. Sie, die Antragsgegnerin, habe darin keine konkreten Tatsachenbehauptungen über die Antragstellerin aufgestellt. Sie habe lediglich im Rahmen ihrer Beratungspflicht die Hinweise der BaFin zum Verkauf "gebrauchter" Lebensversicherungen weitergegeben. Diese Hinweise seien zutreffend und daher nicht zu beanstanden. Sie, die Antragsgegnerin, habe diese Hinweise darüber hinaus noch durch den deutlichen eigenen Hinweis vervollständigt, sie könne nicht beurteilen, ob die Antragstellerin zum Kreis der unseriösen Marktteilnehmer gehöre.

Mit dem angefochtenen, am 29.10.2013 verkündeten Urteil hat die 6. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bielefeld der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt,

im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken ihren Versicherungsnehmern, die Rechte und Ansprüche aus ihren Versicherungsverträgen an die Antragstellerin abgetreten haben, mitzuteilen:

Zusätzlich sehen wir es als kundenorientiertes Versicherungsunternehmen als unsere Pflicht an, Ihnen mitzuteilen, dass nach Erkenntnissen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) Unternehmen verstärkt am Markt tätig sind, die Verbrauchern zum Zwecke der Geldanlage anbieten, ihnen ihre Vermögensanlagen, insbesondere ihre Lebens- oder private Renten

versicherung, abzukaufen. Hierbei wird inzwischen in vielen Fällen ein besonderer Focus darauf gelegt, dass der Kaufpreis von dem Unternehmen - jedenfalls zu einem Teil - einbehalten und erst zu einem späteren Zeitpunkt, regelmäßig verzinst und in Raten, ausgezahlt werden soll. Je nach Geschäftsmodell soll der einbehaltene Betrag auch für den Verbraucher angelegt werden. In vielen Fällen werden die als Käufer auftretenden Unternehmen nicht von der BaFin beaufsichtigt.

Die BaFin weist darauf hin, dass solche Unternehmen, im Gegensatz zu Versicherungsunternehmen, die einem gesetzlichen Sicherungsfonds angehören, keiner Aufsicht zur Sicherstellung der dauernden Erfüllbarkeit der mit den Kunden geschlossenen Verträge unterliegen. Es besteht somit für Sie als Verkäufer das Risiko eines Totalausfalls. Auch verschiedene Medien warnen inzwischen vor solchen Aufkäufern (vgl. Plus-Minus-Sendung in der ARD vom 17.08.2010).

Wir können nicht beurteilen, ob es sich bei dem vorliegenden Aufkäufer um ein solches Unternehmen handelt;

wenn dies geschieht wie in Anlage K5.

Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Landgericht ausgeführt, das beanstandete Schreiben der Antragsgegnerin sei unlauter nach § 4 Nr. 7 UWG. Zwischen den Parteien bestehe ein konkretes Wettbewerbsverhältnis. Die jeweils angebotenen Leistungen seien zwar nicht austauschbar. Es bestehe aber ein konkretes Wettbewerbsverhältnis unter dem Gesichtspunkt des Behinderungswettbewerbs. Die Handlung der Antragsgegnerin sei geeignet und auch darauf gerichtet, den Absatz der Antragsgegnerin zum Nachteil der Antragstellerin zu fördern. Das beanstandete Schreiben beinhalte eine unlautere Herabsetzung der Antragstellerin. Es suggeriere dem Empfänger die Möglichkeit, die Antragstellerin gehöre zu dem Kreis derjenigen Unternehmen, die ein dubioses Geschäftsmodell betrieben. Schon allein die Erörterung dieser Möglichkeit sei geeignet, das geschäftliche Ansehen der Antragstellerin erheblich zu beeinträchtigen. Die durch das Schreiben hergestellte Verbindung zu möglichen dubiosen Praktiken werde durch die Äußerung, die Antragsgegnerin könne nicht beurteilen, ob es sich bei der Antragstellerin um ein derartiges (dubioses) Unternehmen handele, nicht beseitigt. Die Antragsgegnerin verfüge indes tatsächlich über keine zureichenden Anhaltspunkte dafür, dass sich die Antragstellerin jedenfalls aktuell in der Nähe zu solchen Praktiken bewege. Selbst wenn in Rechnung gestellt werde, dass dem angesprochenen Kunden das Vertragswerk der Antragstellerin bekannt sei und dieser daher selbst Schlüsse ziehen könne, ob das Geschäftsmodell der Antragstellerin zu den dubiosen Praktiken gehöre, liege noch eine unlautere Herabsetzung vor. Die Antragsgegnerin setze die Leistungen der Antragstellerin

pauschal herab, ohne konkrete Umstände mitzuteilen, auf die sich die abwertenden Äußerungen bezögen.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer Berufung. Sie führt aus, das beanstandete Schreiben enthalte keine Herabsetzung der Antragstellerin. Die Versicherungsnehmerin T habe anhand des ihr vorliegenden Vertragswerkes erkennen können und müssen, dass der mit ihr abgeschlossene Kaufvertrag, der eine vollständige Auszahlung des vereinbarten Kaufpreises vorgesehen habe, nicht den von der BaFin-Werbung betroffenen dubiosen Geschäftspraktiken zuzurechnen gewesen sei. Darüber hinaus habe sie, die Antragsgegnerin, ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie nicht beurteilen könne, ob es sich bei der Antragstellerin um ein Unternehmen mit einem bedenklichen Geschäftsmodell handele. Aus Sicht der angesprochenen Versicherungsnehmerin habe das Schreiben also lediglich als allgemein gefasster Hinweis ohne abschließende Überprüfung verstanden werden können. Selbst wenn das streitgegenständliche Schreiben tatsächlich als herabsetzend zu verstehen sein sollte, erweise es sich im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung als nicht unlauter. Die herabsetzende Wirkung sei allenfalls gering. Das Schreiben enthalte überdies überaus nützliche Informationen für den Versicherungsnehmer. Ihr, der Antragsgegnerin, sei es zum Zeitpunkt der Abfassung des beanstandeten Schreibens mangels Kenntnis des kompletten Kaufvertrages auch nicht möglich gewesen, das Geschäftsmodell auf seine Seriosität zu überprüfen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 02.10.2013 zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen.

B.

Das - zulässige - Rechtsmittel der Antragsgegnerin hat in der Sache keinen Erfolg. Denn der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig und begründet.

I. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig. Die Antragstellerin ist insbesondere antragsbefugt nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG. Sie und die Antragsgegnerin sind Mitbewerber im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG. Das Landgericht hat in der angefochtenen Entscheidung zutreffend auf die Grundsätze über das Bestehen eines Wettbewerbsverhältnisses beim sogenannten Behinderungswettbewerb hingewiesen (vgl. hierzu Köhler/Bornkamm/Köhler, UWG, 32. Aufl. [2014], § 2 Rdnrn. 102, 108 ff). Darüber hinaus dürften die Parteien aber auch im Substitutionswettbewerb zueinander stehen. Sie sind auf demselben sachlich, räumlich und zeitlich relevanten Markt tätig. Da grundsätzlich im Interesse eines wirksamen lauterkeitsrechtlichen Individualschutzes an das Bestehen eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses keine hohen Anforderungen zu stellen sind (vgl. Köhler/Bornkamm/Köhler, a.a.O., Rdnr. 95), kann nicht entscheidend sein, dass die Parteien in rechtstechnischer Hinsicht keine vergleichbaren Produkte anbieten. Die Antragsgegnerin schließt Versicherungsverträge ab, die Antragstellerin vereinbart Kaufverträge über die Ansprüche aus bereits früher abgeschlossenen Versicherungsverträgen. Entscheidend kann nur sein, ob die Parteien bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise - diese Betrachtungsweise ist nämlich für den potentiellen Kunden an erster Stelle von Bedeutung - ein vergleichbares (austauschbares) Produkt anbieten. Dies tun die Parteien. Beide wenden sich an Kunden, die grundsätzlich an einer Geldanlage durch den Abschluss von Lebens- oder privaten Rentenversicherungen interessiert sind. Die Antragstellerin wendet sich dabei speziell an Kunden, die bereits bei einem anderen Unternehmen einen entsprechenden Versicherungsvertrag abgeschlossen haben. Sie bietet diesen Kunden der Sache nach - bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise - ein gegenüber dem ursprünglich abgeschlossenen Vertrag insoweit modifiziertes "Austausch-Produkt" an, als der Versicherungskunde im Ergebnis schneller (wenn auch unter Inkaufnahme von Abzügen) an das angesparte Kapital kommen kann.

II. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist auch begründet.

1. Die Dringlichkeitsvermutung nach § 12 Abs. 2 UWG ist nicht widerlegt.

2. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch findet seine Grundlage in §§ 8 Abs. 1 Satz 1, 3 Abs. 1, 4 Nr. 7 UWG.

a) Das beanstandete Schreiben vom 10.09.2013 stellt eine geschäftliche Handlung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG dar.

b) Die Antragsgegnerin hat mit diesem Schreiben die Antragstellerin und deren Dienstleistungen bzw. Tätigkeiten im Sinne des § 4 Nr. 7 UWG herabgesetzt.

aa) Ob eine Herabsetzung vorliegt, beurteilt sich nach dem Eindruck der angesprochenen Verkehrskreise. Dabei ist eine Gesamtwürdigung vorzunehmen, bei der die Umstände des Einzelfalles, insbesondere Inhalt und Form der Äußerung, ihr Anlass und der gesamte Sachzusammenhang sowie die Verständnismöglichkeiten der angesprochenen Verkehrskreise zu berücksichtigen sind. Maßgeblich ist die Sichtweise des durchschnittlich informierten und verständigen Adressaten der Äußerung (BGH, GRUR 2012, 74 [Coaching-Newsletter]; Köhler/Bornkamm/Köhler, a.a.O., § 4 Rdnr. 7.13 m.w.N.).

Hiernach ist der Inhalt des streitgegenständlichen Schreibens als herabsetzend anzusehen. Dabei mag es sein, dass die Äußerungen in dem Schreiben, jeweils für sich betrachtet, inhaltlich zutreffend und nicht als herabsetzend anzusehen sind. Hierauf kommt es indes nicht an. Entscheidend ist der Gesamteindruck, den das Schreiben beim Adressaten erweckt. Das Schreiben enthält bei einer Gesamtwürdigung seines Inhaltes die - herabsetzende - Aussage, es bestehe der Verdacht, dass die Antragstellerin zu einer Gruppe von unseriösen Anbietern auf dem Zweitmarkt für Versicherungsverträge gehöre, die vereinbarte Kaufpreiszahlungen über gegebenenfalls längere Zeiträume zurückhalte und ihre Kunden hierdurch dem Risiko eines Totalverlustes ihrer Ansprüche aussetze. Dieses Verständnis des streitgegenständlichen Schreibens beruht auf folgenden Erwägungen:

Das Schreiben enthält ausschließlich negative Informationen über die am Zweitmarkt für Lebensversicherungen tätigen Unternehmen. Es werden lediglich unseriöse und für den Versicherungsnehmer risikobehaftete Geschäftsmodelle beschrieben. Ob es auch seriöse Zweitmarktanbieter und seriöse Geschäftsmodelle gibt, wird in dem Schreiben nicht erörtert. Die Formulierung im zweiten Absatz des Schreibens, "nach Erkenntnissen der BaFin seien verstärkt Unternehmen am Markt tätig, die Verbrauchern anböten, ihnen ihre Versicherungen abzukaufen", suggeriert durch ihre Anlehnung an Formulierungen aus Berichten z.B. über strafrechtliche Ermittlungen ("nach Erkenntnissen der Polizei/der Staatsanwaltschaft"), dass es sich bei dem Zweitmarkt für Lebensversicherungen um einen Markt handelt, der sich prinzipiell in einer Art "rechtlicher Grauzone" bewegt.

Die angedeutete prinzipielle Gefährlichkeit des Zweitmarktes wird noch unterstrichen durch den Vergleich im dritten Absatz des Schreibens zwischen "solchen Unternehmen" (gemeint sind unseriöse Zweitmarktteilnehmer) und den durch den Hinweis auf gesetzlich vorgeschriebene Sicherungseinrichtungen als besonders vertrauenswürdig herausgestellten Versicherungsunternehmen.

Verstärkt wird der Eindruck schließlich noch durch den Fettdruck des Hinweises auf einen möglichen Totalausfall sowie die zweimalige Frage - am Anfang und am Ende des Schreibens -, ob die Versicherungsnehmerin denn (wirklich) an dem Verkauf ihrer Versicherung festhalten wolle.

Hierdurch wird auch die zu Beginn des Schreibens ausdrücklich genannte Antragstellerin in die Nähe unseriöser Marktteilnehmer gerückt. Der Hinweis der Antragsgegnerin, sie könne nicht beurteilen, ob es sich bei der Antragstellerin um ein "solches Unternehmen" handele, kann diesen Aussagegehalt nicht beseitigen. Im Gegenteil: vor dem Hintergrund des gesamten Inhaltes des Schreibens wohnt dem Hinweis vielmehr eine zusätzliche Warnung vor der Antragstellerin inne, sinngemäß etwa mit dem Inhalt, die Antragstellerin sei ein unbekanntes Unternehmen, bei dem besondere Vorsicht geboten sei.

bb) Die herabsetzende Wirkung dieses Schreibens wird auch nicht dadurch neutralisiert, dass der Empfänger durch einen Blick in die ihm von der Antragstellerin zur Verfügung gestellten Vertragsunterlagen feststellen kann, dass die Antragstellerin jedenfalls nach ihren Geschäftsbedingungen nicht zu denjenigen Unternehmen gehört, die Kaufpreiszahlungen nicht schnellstmöglich erbringen, sondern diese gegebenenfalls über einen längeren Zeitraum einbehalten. Der durch das Schreiben der Antragsgegnerin beunruhigte Kunde wird vielmehr den Verdacht hegen, dass die tatsächliche Auszahlungspraxis der Antragstellerin nicht mit ihren schriftlichen Bekundungen übereinstimmt, es sich bei den Vertragsbestimmungen mithin nur um das sprichwörtlich "geduldig bedruckte" Papier handelt.

cc) Die herabsetzende Äußerung der Antragsgegnerin, also der von ihr in dem streitgegenständlichen Schreiben geäußerte Verdacht gegen die Antragstellerin, ist - ungeachtet der Frage, ob die Äußerung als Tatsachenbehauptung oder als Werturteil anzusehen ist - lauterkeitsrechtlich schon allein deshalb unzulässig, weil es keine Anhaltspunkte gibt, die geeignet wären, eine Grundlage für den geäußerten Verdacht darzustellen. Es handelt sich letztlich um eine "ins Blaue hinein" ausgesprochene Verdächtigung.

(1) Unerheblich ist zunächst der Einwand der Antragsgegnerin, sie habe zum Zeitpunkt der Abfassung des streitgegenständlichen Schreibens nicht über ausreichende Informationen verfügt, um das Geschäftsmodell der Antragstellerin auf seine Seriosität zu überprüfen. Hiermit wendet die Antragsgegnerin der Sache nach ein, sie habe

hinsichtlich der Unzulässigkeit ihrer Äußerungen nicht schuldhaft gehandelt. Die subjektive Tatseite ist indes für den Unterlassungsanspruch ohne Bedeutung und

spielt lediglich bei einem etwaigen Schadensersatzanspruch eine Rolle (Köhler/Bornkamm/Köhler, a.a.O., § 4 Rdnr. 7.13).

Nur der Vollständigkeit halber weist der Senat insoweit allerdings auf Folgendes hin: die Antragsgegnerin hat das Vorbringen der Antragstellerin, es habe die Möglichkeit bestanden, sich z.B. im Internet umfassend über das Geschäftsmodell der Antragstellerin zu informieren, im Ergebnis nicht bestritten. Vor diesem Hintergrund dürfte die Antragsgegnerin auch schuldhaft gehandelt haben. Wer Verdächtigungen über einen Mitbewerber äußert, dürfte gehalten sein, sich zuvor - soweit möglich und zumutbar - darüber zu informieren, ob es für diese Verdächtigungen überhaupt eine Grundlage gibt.

(2) Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin mit dem in dem streitgegenständlichen Schreiben geschilderten risikobehafteten Geschäftsmodell in Verbindung zu bringen ist, existieren nicht. Das Vorbringen der Antragsgegnerin geht über vage Andeutungen und Spekulationen "ins Blaue hinein" nicht hinaus. Sie weist zwar zutreffend darauf hin, dass sich die Antragstellerin in ihrem Internetauftritt ausdrücklich auch an "Finanzdienstleister" wendet. Ob und inwieweit die Antragstellerin indes tatsächlich an etwaigen Neuanlagen des von ihr auszuzahlenden Kaufpreises in andere Finanzprodukte mitwirkt, ist nicht ersichtlich. Der Geschäftsführer der Antragstellerin hat eine solche Mitwirkung in seiner eidesstattlichen Versicherung vom 09.09.2013 (Blatt 47 der Gerichtsakte) jedenfalls ausdrücklich in Abrede gestellt. Bei den Ausführungen der Antragstellerin in ihrem Internetauftritt zu den "Vorteilen für Finanzdienstleister" mag es sich überdies auch nur um einen allgemeinen Hinweis darauf handeln, dass das Geschäftsmodell der Antragstellerin es einem Anleger selbstverständlich nicht nur ermöglicht, das bislang in einem Lebensversicherungsvertrag "gebundene" Anlagekapital zu Konsumzwecken zu nutzen, sondern auch die Möglichkeit bietet, dieses Kapital in eine andere Anlageform umzuschichten, und dass jeder Anlageberater - z.B. auch ein mit der Anlageberatung befasster Mitarbeiter einer Bank oder Sparkasse - diese Möglichkeit im Rahmen einer umfassenden Beratung seiner Kunden mitberücksichtigen sollte. Dass die Antragstellerin tatsächlich mit anderen Finanzdienstleistungsunternehmen kooperiert, ist mit dem Verweis auf deren Internetauftritt jedenfalls nicht glaubhaft gemacht.

c) Umstände, die geeignet sind, die aufgrund des Verstoßes grundsätzlich anzunehmende Wiederholungsgefahr auszuschließen, sind nicht ersichtlich.

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.






OLG Hamm:
Urteil v. 25.03.2014
Az: 4 U 160/13


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