Oberlandesgericht Karlsruhe:
Urteil vom 9. Juli 2014
Aktenzeichen: 6 U 29/11

(OLG Karlsruhe: Urteil v. 09.07.2014, Az.: 6 U 29/11)

1. Vorgänge im Erteilungsverfahren, die der Patenterteilung vorausgegangen sind, können grundsätzlich nicht zur Bestimmung des Schutzbereichs im Patentverletzungsprozess herangezogen werden (vgl. BGHZ 150, 161 = GRUR 2002, 511 juris-Rn. 33 - Kunststoffrohrteil; BGH GRUR 2010, 602 Rn. 33 - Gelenkanordnung; BGHZ 189, 330 = GRUR 2011, 701 Rn. 25 - Okklusionsvorrichtung; OLG Düsseldorf GRUR-RR 2014, 185, 196 - WC-Sitzgelenk).

2. Ist das Klagepatent im Rahmen eines nicht rechtskräftig abgeschlossenen Einspruchsverfahrens geändert worden und macht der Kläger im Verletzungsprozess diese geänderte Fassung des Patents geltend, kann bei der Frage, welche Bedeutung eine schon in der erteilten Fassung des Patents enthaltene Beschreibungsstelle für die Auslegung des Patentanspruchs hat, auf die erteilte Fassung des Klagepatents zurückgegriffen werden.

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 18.02.2011 (Az. 7 O 100/10) wird zurückgewiesen.

2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 18.02.2011 (Az. 7 O 100/10) im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits sind wie folgt zu tragen:

Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt die Beklagte zu 1 1/10, die Klägerin 9/10. Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1 trägt die Klägerin 9/10, im Übrigen trägt die Beklagte zu 1 ihre außergerichtlichen Kosten selbst. Die Klägerin trägt die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckung kann gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, wenn nicht die jeweilige Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.

5. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin, eine Patentverwertungsgesellschaft, nimmt die Beklagten wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents 1 841 268 B1 (Klagepatent) in Anspruch.

Die Klägerin ist originäre und eingetragene Inhaberin des Klagepatents. Sie erwarb im Mai 2007 ein umfangreiches Patentportfolio von der Robert Bosch GmbH. Zu dem Patentportfolio zählte auch das europäische Patent EP 1 186 189. Die dem Klagepatent zugrundeliegende Anmeldung 07009265.5 ist eine Teilanmeldung zu der Anmeldung 00916749.5, aus der der Robert Bosch GmbH das europäische Patent 1 186 189 erteilt worden ist. Dieses Stammpatent wurde im Zuge des Portfolioerwerbs von der Robert Bosch GmbH auf die Klägerin übertragen.

Das Klagepatent betrifft den Zugriff einer Mobilstation auf einen wahlfreien Zugriffskanal in Abhängigkeit ihrer Nutzerklasse und nimmt eine Unionspriorität vom 08.03.1999 in Anspruch. Die Bundesrepublik Deutschland ist als Vertragsstaat benannt, die Erteilung des am 15.02.2000 angemeldeten Patents wurde am 17.03.2010 veröffentlicht, wobei die Anmeldung am 03.10.2007 veröffentlicht worden war. Der erteilte und dem erstinstanzlichen Verletzungsverfahren zugrundeliegende Anspruch 1 des Klagepatents hatte in der Verfahrenssprache folgenden Wortlaut:

Mobilstation (5, 10, 15, 20) zum Betrieb in einem UMTS Mobilfunknetz, in dem mehrere Nutzerklassen (35, 40) unterschieden werden, dadurch gekennzeichnet, dass die Mobilstation (5, 10, 15, 20) dazu eingerichtet ist,

- eine Nutzerklasse (35, 40) von einer SIM-Karte (75) zu lesen,

- über einen Broadcast Control Channel (25) Zugriffsschwellwertbits (S3, S2, S1, S0) und Zugriffsklasseninformationen (Z0, Z1, Z2, Z3) zu empfangen

- aus den Zugriffsschwellwertbits (S3, S2, S1, S0) einen Zugriffsschwellwert (S) zu ermitteln,

- anhand der für die Nutzerklasse (35, 40) relevanten Zugriffsklasseninformationen (Z0, Z1, Z2, Z3) zu ermitteln, ob die Mobilstation (5, 10, 15, 20) unabhängig von den empfangenen Zugriffsschwellwertbits (S3, S2, S1, S0) auf einen wahlfreien Zugriffskanal, zum Beispiel RACH, zugreifen darf,

oder ob die Zugriffsberechtigung auf den wahlfreien Zugriffskanal zum Beispiel RACH, in Abhängigkeit einer Zugriffsschwellwertauswertung ermittelt wird.

Gegen das Klagepatent haben die Beklagte zu 1 (Anlagenkonvolut B 9), die H (Anlage B 116), die T (Anlage B 116a) und die TD (Anlage ROKH 1) Einspruch eingelegt. Der Einspruch führte zum Widerruf des Klagepatents wegen unzulässiger Erweiterung (Anlage B 163). Dagegen legte die Klägerin Beschwerde ein. In der mündlichen Verhandlung über die Beschwerde zog die Klägerin alle bisherigen Ansprüche zurück und reichte einen neuen, nunmehr einzigen Anspruch 1 ein. Dieser wurde unter den von der Technischen Beschwerdekammer geprüften Gesichtspunkten (Art. 123 Abs. 2, 3 EPÜ, Art. 84 EPÜ) als gewährbar erachtet; die Entscheidung der Einspruchsabteilung aufgehoben und die Angelegenheit zur weiteren Prüfung auf der Grundlage des neuen Hauptantrags zurückverwiesen. Die Entscheidung der Technischen Beschwerdekammer vom 07.03.2013 liegt als Anlage K 71 vor. In der erneuten Einspruchsverhandlung vom 22.01.2014 wurde das Klagepatent von der Einspruchsabteilung unverändert aufrechterhalten (Anlage K 75). Gegen diese Entscheidung hat u.a. die Beklagte zu 1 Beschwerde eingereicht.

Der nunmehr einzige Patentanspruch, auf den die Klage in der Berufungsinstanz gestützt ist, lautet:

€Mobilstation (5, 10, 15, 20) zum Betrieb in einem UMTS Mobilfunknetz, in dem mehrere Nutzerklassen (35, 40) unterschieden werden, in dem Informationssignale mit Zugriffsberechtigungsdaten an die Mobilstation übertragen werden, wobei die Zugriffsberechtigungsdaten als ein Bitmuster übertragen werden,

dadurch gekennzeichnet, dass

die Mobilstation (5, 10, 15, 20) dazu eingerichtet ist,

- eine Nutzerklasse (35, 40) von einer SIM-Karte (75) zu lesen,

- über einen Broadcast Control Channel (25) die Zugriffsberechtigungsdaten, welche Zugriffsschwellwertbits (S3, S2, S1, S0) und Zugriffsklassenbits (Z0, Z1, Z2, Z3) aufweisen, zu empfangen,

- aus den Zugriffsschwellwertbits (S3, S2, S1, S0) einen Zugriffsschwellwert (S) zu ermitteln, sofern die Zugriffsberechtigung auf den wahlfreien Zugriffskanal in Abhängigkeit einer Zugriffsschwellwertauswertung ermittelt wird,

- anhand des für die Nutzerklasse (35, 40) relevanten Zugriffsklassenbits (Z0, Z1, Z2, Z3) zu ermitteln,

ob die Mobilstation (5, 10, 15, 20) unabhängig von den empfangenen Zugriffsschwellwertbits (S3, S2, S1, S0) auf einen wahlfreien Zugriffskanal, zum Beispiel RACH, zugreifen darf,

oder ob die Zugriffsberechtigung auf den wahlfreien Zugriffskanal, zum Beispiel RACH, in Abhängigkeit einer Zugriffsschwellwertauswertung zu ermitteln ist,

- und dazu eingerichtet ist, als Zugriffsschwellwertauswertung den Zugriffsschwellwert (S) mit einer Zufallszahl oder einer Pseudozufallszahl (R) zu vergleichen,

- und dazu eingerichtet ist, auf den wahlfreien Zugriffskanal in Abhängigkeit der Ermittlung anhand des Zugriffsklassenbits entweder unabhängig von den empfangenen Zugriffsschwellwertbits (S3, S2, S1, S0) oder in Abhängigkeit des Vergleichsergebnisses zuzugreifen.€

Die Beklagte zu 1 ist eine namhafte ehemalige Herstellerin von Mobiltelefonen mit Sitz in Finnland, die Beklagte zu 2 war als Tochtergesellschaft der Beklagten zu 1 am Vertrieb dieser Mobiltelefone in Deutschland bis zum 25. April 2014 beteiligt. Seit dem 25. April 2014 ist sie eine Tochtergesellschaft der M und führt ihre Vertriebstätigkeit seitdem für diese fort. Die Klage richtet sich gegen den Vertrieb sämtlicher UMTS-fähiger Mobiltelefone (angegriffene Ausführungsformen) durch die Beklagten im Inland.

UMTS (Universal Mobile Telecommunications System) beruht auf Mobilfunkstandards des 3rd-Generation-Partnership-Projects (3GPP), die in einzelnen Dokumenten des European Telecommunications Standards Institute (ETSI) niedergelegt sind.

Im standardrelevanten Dokument mit der Bezeichnung ETSI TS 125 321, Version 6.14.0 (Anlage K 9) wird in Abschnitt 11.2 (Control of RACH Transmissions) ein Zugriffskontrollverfahren auf den wahlfreien Zugriffskanal RACH (Random Access Channel) beschrieben, über den Mobilstationen auf Dienste des Netzwerks zugreifen. Die physikalischen Ressourcen des RACH können zwischen verschiedenen €Access Service Classes€ (ASC) aufgeteilt werden, um so verschiedene Nutzungsprioritäten einzuräumen (Anlage K 9, Abschnitt 11.2.1, 1. Abs.). Zu diesem Zweck sind im Standard acht Access Service Classes von ASC 0 bis ASC 7 vorgesehen, wobei ASC 0 die höchste Zugriffspriorität aufweist, ASC 7 die niedrigste (Anlage K 9, Abschnitt 11.2.1, 2. Abs.). Der Zugriff der jeweiligen Mobilstation auf den RACH hängt nach dem in Figur 11.2.2.1 grafisch dargestellten Verfahrensablauf von einem Vergleich eines in der Mobilstation berechneten und unter Umständen (vgl. Anlage K 10, TS 125.331, Abschnitt 8.5.12, 5. Absatz: €Scaling factors si are provided optionally€€ [Hervorhebung diesseits]) skalierten Persistenzwertes Pi mit einer in der Mobilstation generierten Zufallszahl R (0 € R R ist, und erst nach einer Wartezeit erfolgen darf, wenn Pi € R ist, und dazu eingerichtet ist, auf den wahlfreien Zugriffskanal in Abhängigkeit der Ermittlung anhand des Zugriffsklassenbits entweder unabhängig von den empfangenen Zugriffsschwellwertbits oder in Abhängigkeit des Vergleichsergebnisses zuzugreifen,

(Ausführungsform nach Anlage B 133, wortsinngemäße Verletzung)

hilfsweise:

im Geltungsbereich des deutschen Teils des europäischen Patentes EP 1 841 268

Mobilstationen zum Betrieb in einem UMTS Mobilfunknetz, in dem mehrere Nutzerklassen unterschieden werden und in dem Informationssignale mit Zugriffsberechtigungsdaten an die Mobilstation übertragen werden, wobei die Zugriffsberechtigungsdaten als ein Bitmuster übertragen werden,

anzubieten, in den Verkehr zu bringen, zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,

dadurch gekennzeichnet, dass die Mobilstation dazu eingerichtet ist, eine Nutzerklasse von einer SIM-Karte zu lesen, über einen Broadcast Control Channel die Zugriffsberechtigungsdaten, welche Zugriffsschwellwertbits und Zugriffsklassenbits aufweisen, zu empfangen, aus den Zugriffsschwellwertbits N einen Zugriffsschwellwert Pi zu ermitteln, sofern die Zugriffsberechtigung auf den wahlfreien Zugriffskanal in Abhängigkeit einer Zugriffsschwellwertauswertung ermittelt wird, anhand des für die Nutzerklasse relevanten und mit drei Bits kodierten Zugriffsklassenbits zu ermitteln, ob die Mobilstation unabhängig von den empfangenen Zugriffsschwellwertbits auf einen wahlfreien Zugriffskanal, zum Beispiel RACH, zugreifen darf, oder ob die Zugriffsberechtigung auf den wahlfreien Zugriffskanal, zum Beispiel RACH, in Abhängigkeit einer Zugriffsschwellwertauswertung zu ermitteln ist, indem für diesen Fall der Zugriffsschwellwertauswertung die Ermittlung der Zugriffsberechtigung auf der Basis des Verhältnisses von Pi zu einer in der Mobilstation generierten Zufallszahl R vorgenommen wird, und indem für den Fall, dass die Mobilstation unabhängig von N auf den RACH zugreifen darf, P auf einen Wert gesetzt wird, der nicht von N abgeleitet ist, und dazu eingerichtet ist, als Zugriffsschwellwertauswertung den Zugriffsschwellwert mit einer Zufallszahl oder einer Pseudozufallszahl dergestalt zu vergleichen, dass der Zugriff ohne Wartezeit erfolgen darf, wenn Pi > R ist, und erst nach einer Wartezeit erfolgen darf, wenn Pi € R ist, und dazu eingerichtet ist, auf den wahlfreien Zugriffskanal in Abhängigkeit der Ermittlung anhand des Zugriffsklassenbits entweder unabhängig von den empfangenen Zugriffsschwellwertbits oder in Abhängigkeit des Vergleichsergebnisses zuzugreifen,

(Ausführungsform nach Anlage B 133, äquivalente Verletzung)

b) der Klägerin Rechnung zu legen, in welchem Umfange sie die zu 1. bezeichneten Handlungen seit dem 3. November 2007 begangen haben, und zwar unter Angabe

aa) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer sowie für die Zeit seit dem 01.09.2008 der bezahlten Preise,

bb) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen (und gegebenenfalls Typenbezeichnungen) sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer einschließlich der Verkaufsstellen für welche die Erzeugnisse bestimmt waren,

cc) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen (und gegebenenfalls Typenbezeichnungen) sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

dd) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

ee) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

- wobei die Beklagten zum Nachweis der Angaben zu aa) und bb) entsprechende Belege (Rechnungen und Lieferscheine) in Kopie vorzulegen haben,

- wobei von den Beklagten die Angaben zu ee) erst seit dem 17. April 2010 zu machen sind,

- und wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden und ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkretes Befragen mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist.

c) die unter a) bezeichneten Erzeugnisse, die sich im Besitz Dritter befinden, die nicht Endabnehmer sind, aus den Vertriebswegen zurückzurufen und endgültig zu entfernen;

d) die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder Eigentum befindlichen oder aufgrund der unter 3. geltend gemachten Ansprüche in ihren Besitz gelangten und gelangenden, unter 1. bezeichneten Erzeugnisse zu vernichten oder nach ihrer Wahl an einen von ihr zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf ihre - der Beklagten - Kosten herauszugeben.

2. Es wird festgestellt,

a) dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin für die in Ziffer 1. a) bezeichneten, in der Zeit vom 3. November 2007 bis zum 17. April 2010 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen;

b) dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der der Klägerin durch die zu Ziffer 1. a) bezeichneten Handlungen ab dem 18. April 2010 entstanden ist und noch entstehen wird.

III. Der Klägerin wird darüber hinaus gestattet, Urteilskopf, Urteilstenor und Auszüge aus den Entscheidungsgründen auf Kosten der Beklagten durch eine in drei aufeinander folgenden Ausgaben der Zeitung €Handelsblatt€ erscheinende halbseitige Anzeige öffentlich bekannt zu machen.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 28.05.2014 haben die Parteien den Rechtsstreit hinsichtlich der Unterlassungsanträge übereinstimmend für erledigt erklärt und mitgeteilt, insoweit sei vereinbart, dass die Kostenentscheidung der übrigen Hauptsache folgen solle.

Die Klägerin bestreitet, dass die Beklagten nach dem 17.02.2010 in Deutschland nur noch die Ausführungsform A2 und nach dem 17.02.2011 nur noch die Ausführungsformen C2 und B1 vertrieben hätten und dass diese Ausführungsformen nicht mehr (auch) gemäß den zwingenden Vorgaben des Abschnitts 8.5.12 der TS 125 331 (Anlage K 10) ausgestaltet seien. Der zur Ausführungsform A2 gehaltene Vortrag sei ohnehin präkludiert.

Unabhängig davon sei die Klage jedenfalls wegen der Ausführungsformen begründet, die vor dem 17.02.2011 vertrieben worden seien. Auch die Ausführungsform A2 mache von der Lehre des Klagepatents wortsinngemäßen Gebrauch. Der Vortrag der Beklagten mache jedoch den von ihnen erhobenen Kartellrechtseinwand unbegründet.

Das Anspruchsmerkmal, wonach die Zugriffsberechtigungsdaten als ein Bitmuster übertragen würden, setze lediglich eine Bitsequenz mit einer bestimmten Länge voraus, bei dem den Bitstellen Informationskomponenten so zugeordnet seien, dass der Empfänger die Informationen auslesen könne. Weitere Einschränkungen € gemeinsame und gleichzeitige Übertragung in einem einzigen Bitmuster ohne andere Daten € seien dem Patent nicht zu entnehmen; sie ergäben sich auch nicht aus der Begründung der Technischen Beschwerdekammer (Anlage K 71) oder aus dem Verlauf der mündlichen Verhandlung vor der Technischen Beschwerdekammer. Aus den gleichen Gründen seien die Einwände unbegründet, die die Beklagten gegen die Verwirklichung des Erfordernisses erhoben hätten, wonach die Mobilstation dazu eingerichtet sei, über einen Broadcast Control Channel die Zugriffsberechtigungsdaten, welche Zugriffsschwellwertbits und Zugriffsklassenbits aufwiesen, zu empfangen.

Ferner ermittelten die angegriffenen Ausführungsformen auch anhand des für die Nutzerklasse relevanten Zugriffsklassenbits, ob der Zugriff auf den RACH unabhängig von den empfangenen Zugriffsschwellwertbits oder in Abhängigkeit einer Zugriffsschwellwertauswertung erfolgen dürfe. Der Begriff des Zugriffsklassenbits werde vom Fachmann funktional verstanden. Es handele sich um ein dienendes Informationselement, welches das Netzwerk benutze, um der Mobilstation anhand ihrer Nutzerklasse einen der beiden erfinderischen, anspruchsgemäßen Zugriffswege zuzuweisen. Wie die vom Netzwerk signalisierte Information genau codiert sei, spiele für die anspruchsgemäße Erfindung keine Rolle. Das Klagepatent verlange an keiner Stelle, dass das Netzwerk auf eine Codierung mittels eines einzigen physikalischen Bits beschränkt sei.

Der Begriff des Zugriffsklassenbits werde vom Fachmann nicht auf seinen zweiten Wortbestandteil beschränkt. Jedenfalls aber könne ein Bit je nach Kontext

- eine Maßeinheit für den Informationsgehalt (inhaltliche Größe, €logisches Bit€),

- eine Maßeinheit für die Datenmenge digital repräsentierter Daten (physikalische Größe, €physikalisches Bit€) oder

- eine Stelle einer Binärzahl bzw. eine bestimmte Stelle aus einer Gruppe binärer Stellen

bedeuten (vgl. Anlage K 77). Nach dem Anspruch, der keine Definition des Zugriffsklassenbits enthalte, sei dieses allein funktional dadurch charakterisiert, dass es vom Netzwerk zu empfangen und einer Nutzerklasse zuzuordnen sei und dieser Nutzerklasse einen der beiden genannten Zugriffswege zuweise. Damit handele es sich um eine Maßeinheit für den Informationsgehalt, also um ein €logisches€ im Gegensatz zum €physikalischen€ Bit. Vorgaben für die Umsetzung bzw. Codierung dieses logischen Bits enthalte der Anspruch nicht. Beschreibung und Ausführungsbeispiele stützten dieses funktionale Verständnis, das durch Abschnitt [0036] explizit bestätigt werde. Auch der in der Beschreibung zitierte Stand der Technik gehe von diesem Verständnis aus. Weder der Verlauf des Einspruchsverfahrens noch die Ausführungen der Technischen Beschwerdekammer (Anlage K 71) noch diejenigen der Einspruchsabteilung vom 11.02.2014 (Anlage K 75) deuteten darauf hin, dass es sich um ein (einziges) Bit im €physikalischen€ Sinne handeln müsse. Mit der Bezugnahme auf €Zugriffsklassenbits€ im neu gefassten Patentanspruch habe die Klägerin lediglich dem Bedenken Rechnung getragen, dass der erteilte Anspruch durch den Gebrauch des Begriffs €Zugriffsklasseninformationen€ auch analoge Informationssignale umfasse. Ausführungen des DPMA zum Patent DE 199 10 239 (Anlage K 72) seien für das vorliegende Verfahren irrelevant; im Übrigen bestätigten sie bei richtigem Verständnis die Sichtweise der Klägerin.

Die Klägerin trägt weiter vor, das soeben erörterte Merkmal sei selbst dann verwirklicht, wenn es erfordere, dass ein einziges €physikalisches€ Bit für die Entscheidung der Mobilstation zwischen schwellwertunabhängigem und schwellwertabhängigem Zugriff relevant sei. UMTS-fähige Mobilstationen seien dazu eingerichtet, in einem UMTS-Mobilfunknetzwerk zu arbeiten, das lediglich die ASC 0 und die ASC 1 verwende. Dass das Netzwerk nur zwischen diesen beiden ASCs unterscheide, teile es den angegriffenen Ausführungsformen mit, indem es den Parameter €NumASC€ entsprechend einstelle, wie sich aus Anlage K 10, Abschnitt 8.5.12, Abs. 5 ergebe. In diesem Fall seien die Folgen für die Zuordnung der Nutzerklasse durch das AC-to-ASC-mapping jeweils nur für die Zuordnung zu einer dieser beiden ASCs spezifiziert, wie sich aus Anlage K 10, Abschnitt 8.5.13, Abs. 2 ergebe. In einem solchen Mobilfunknetz könnten die Mobilstationen aufgrund der €NumASC€-Limitierung also nur die ASC 0 und die ASC 1 verstehen. Damit gebe es, wie im Patentanspruch gefordert, exakt nur zwei Zugriffswege, einen zugriffsschwellwertabhängigen, weil P(N) verwendet werden müsse, und einen zugriffsschwellwertunabhängigen, weil 1 verwendet werden müsse. In dieser Konstellation komme die Situation, dass auch andere ASCs als 0 und 1 verwendet werden könnten, nicht vor; die Mobilstation wisse, dass sie einzig und allein ASC 0 und ASC 1 unterscheiden müsse. Das Informationselement für die Zuordnung zur ASC 0 sei standardgemäß binär mit [0 0 0] kodiert; das Informationselement für die Zuordnung zur ASC 1 sei standardgemäß binär mit [0 0 1] kodiert. Damit sei genau ein Bit relevant dafür, welcher Zugriffsweg eingeschlagen werde. Die beiden weiteren Bitstellen seien insoweit redundant und erklärten sich allein dadurch, dass nach dem UMTS-Standard innerhalb des Zugriffsschwellwertweges eine weitere Differenzierung nach Zugriffsklassen mittels eines optionalen Skalierungsfaktors bei den ASC 2€7 möglich sein solle. Wegen der Signalisierung über NumASC sei in dem genannten Fall aber klar, dass diese ASCs nicht verwendet würden, so dass die weiteren Bitstellen niemals relevant würden. Dass sie ausgelesen würden, mache sie nicht zu €relevanten Zugriffsklassenbits€.

Falls eine wortsinngemäße Patentverletzung verneint werde, liege jedenfalls eine Verletzung mit äquivalenten Mitteln vor. Das Auslesen von drei Bits statt einem einzigen sei ein gleichwirkendes Austauschmittel; die geringfügige Erhöhung der zu übertragenden Datenmenge sei angesichts der Daten, die die Mobilstation ohnehin ständig zu verarbeiten habe, unerheblich. Das Austauschmittel sei auch auffindbar; es handele sich zudem um einen Lehrbuchfall einer Orientierung an den im Patentanspruch unter Schutz gestellten technischen Lehre. Technisch gesehen liege mit der Signalisierung mit drei Bits bei Aufrechterhaltung der Zweiteilung keinerlei Änderung gegenüber dem patentgemäß gewollten Geschehen vor.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.II.

Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg. Die ebenfalls zulässige Berufung der Beklagten führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage. Die technische Lehre des nunmehr geltend gemachten einzigen Klagepatentanspruchs wird durch die angegriffenen Mobiltelefone nicht benutzt.

A. Prozessuale Fragen

1. Das Landgericht hat seine örtliche Zuständigkeit insgesamt, also auch für den geltend gemachten Entschädigungsanspruch nach § 33 PatG, bejaht. Dies ist in der Berufungsinstanz nicht zu überprüfen, vgl. § 513 Abs. 2 ZPO. Gegen die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte bestehen keine Bedenken.

2. Die Frage der Aussetzung des Verfahrens nach Artt. 27 Abs. 1, 30 Nr. 1 EuGVVO mit Blick auf die von den Beklagten beim Tribunale di Milano erhobene negative Feststellungsklage stellt sich nicht mehr, nachdem diese mittlerweile unstreitig durch Vergleich erledigt ist.

B. Das Klagepatent

1. Die Erfindung hat eine Mobilstation zum Betrieb in einem UMTS-Mobilfunknetz zum Gegenstand. Sie betrifft die Frage, wie einer Vielzahl von Mobilstationen Berechtigungen zum Zugriff auf einen wahlfreien Zugriffskanal (auch als RACH = Random Access Channel bezeichnet) erteilt werden können.

Nach der Beschreibung war aus einer nicht vorveröffentlichten Patentanmeldung mit dem Aktenzeichen 19838832.2 ein Verfahren zur Kontrolle des Zugriffs mindestens einer Teilnehmerstation auf einen Telekommunikationskanal eines Telekommunikationsnetzes bekannt, bei dem an die Teilnehmerstation Informationssignale übertragen wurden. Aus US 4,707,832 sei ferner ein local area network (LAN) bekannt, das einen gemeinsamen Steuerkanal benutze, über den Steuermeldungen zwischen Modems für jeden Benutzerknoten eines verteilten Netzwerks ausgetauscht würden. Für die Benutzung eines gemeinsamen Steuerkanals werde ein Zugangsschema verwendet, bei dem jeder anfordernde Knoten zuerst eine akkumulierte Aktivitätsmessung mit einer (ständig an die aktuelle Situation angepassten) Verkehrsdichteschwelle vergleichen müsse; solange die akkumulierte Messung geringer sei als die Schwelle, werde dem anfordernden Knoten der Zugang verweigert. Aus WO 97/19525 sei ein drahtloses Kommunikationssystem bekannt, bei dem die Basisstation die Zahl der Zugriffsversuche ermittele und Werte für die Zugriffswahrscheinlichkeiten an die einzelnen Teilnehmerstationen über einen gemeinsamen broadcast channel oder Steuerkanal übertrage, wobei die zugriffswillige Teilnehmerstation aus den empfangenen Zugriffswahrscheinlichkeitswerten einen ihrer Prioritätsklasse entsprechenden auswähle und diesen mit einer Zufallszahl vergleiche, um festzustellen, ob der Zugriff auf einen Kommunikationskanal zulässig sei. WO 98/23109 offenbare eine Steuerung des Überlastungsschutzes in einem zellularen Netzwerk mittels einer zweistufigen Adaption der Persistenz einer Mobilstation durch die von der Basisstation zur Mobilstation gerichtete Übertragung von Persistenzregeln für die Langzeitadaptation und durch die Übertragung von lastbezogenen Variablen für die kurzzeitige Adaptation. Eine weitere Zugriffsmethode sei in EP 0765096 offenbart. In Tdoc SMG2 UMTS-L23 535/98 werde ein Algorithmus mit dynamischer Persistenz zwecks Interferenzverwaltung und Minimierung der Verzögerung durch die Kontrolle des Zugriffs auf den RACH-Kanal des Systems vorgeschlagen. Das System verbreite über einen gemeinsamen Downlink-Kanal einen Persistenzwert p, der vom geschätzten Backlog der Benutzer im System abhängig sei. Das User Equipment übertrage des ausgelesenen Persistenzwert auf den nächst verfügbaren RACH-Slot mit einer Wahrscheinlichkeit p. Im Falle eines Staus auf dem RACH werde der Persistenzwert reduziert, was die Anzahl der aktiven Benutzer auf dem RACH reduziere; bei inaktiven Zeitabschnitten werde umgekehrt der Persistenzwert erhöht und damit die Zugriffsverzögerung reduziert.

2. Gegenüber diesem Stand der Technik soll die erfindungsgemäße Mobilstation den Vorteil haben, dass sich eine zufällige Verteilung der Zugriffsberechtigung zum Telekommunikationskanal für eine oder mehrere Teilnehmerstationen realisieren lässt. Diese Zugriffskontrolle nehme ein Minimum an Übertragungskapazität für die Übertragung der Informationssignale in Anspruch, da sie lediglich durch die Übertragung des Zugriffsschwellwerts bewirkt werde. "Besonders vorteilhaft" sei es, wenn in der Auswerteeinheit der Teilnehmerstation geprüft werde, ob die Zugriffsberechtigungsdaten Zugriffsberechtigungsinformationen mit Zugriffsklasseninformationen für mindestens eine vorgegebene Nutzerklasse umfassten, wobei in diesem Fall und unter der Voraussetzung, dass die Teilnehmerstation der genannten Nutzerklasse zugeordnet sei, der Zugriff auf den Telekommunikationskanal in Abhängigkeit von der Zugriffsklasseninformation für diese Nutzerklasse erteilt werde. Auf diese Weise könnten Teilnehmerstationen einer vorgegebenen Nutzerklasse selbst dann zur Nutzung des Telekommunikationskanals zugelassen werden, wenn sie aufgrund der zufälligen Verteilung mittels Zugriffsschwellwert nicht zum Zugriff auf diesen Telekommunikationskanal berechtigt wären. So könnten beispielsweise Teilnehmerstationen von Notdiensten wie der Polizei oder der Feuerwehr einer solchen Nutzerklasse zugeordnet sein, die dann unabhängig von der zufälligen Verteilung durch die Zugriffsschwellwertinformationen priorisiert auf den Telekommunikationskanal zugreifen könnten.

Diese Vorteile sollen mit einer Mobilstation erreicht werden, welche die Merkmale des (neu gefassten) Anspruch 1 aufweist. Diese lassen sich wie folgt gliedern:

1. Mobilstation zum Betrieb in einem UMTS Mobilfunknetz;

a. in dem Mobilfunknetz werden mehrere Nutzerklassen unterschieden;

b. in dem Mobilfunknetz werden Informationssignale mit Zugriffsberechtigungsdaten an die Mobilstation übertragen;

c. die Zugriffsberechtigungsdaten werden als ein Bitmuster übertragen;

d. die Zugriffsberechtigungsdaten weisen Zugriffsschwellwertbits und Zugriffsklassenbits auf;

2. die Mobilstation ist dazu eingerichtet,

a. eine Nutzerklasse von einer SIM-Karte zu lesen;

b. über einen Broadcast Control Channel die Zugriffsberechtigungsdaten zu empfangen;

c. aus den Zugriffsschwellwertbits einen Zugriffsschwellwert zu ermitteln, sofern die Zugriffsberechtigung auf den wahlfreien Zugriffskanal in Abhängigkeit einer Zugriffsschwellwertauswertung ermittelt wird;

d. anhand des für die Nutzerklasse relevanten Zugriffsklassenbits zu ermitteln,

d1. ob die Mobilstation unabhängig von den empfangenen Zugriffsschwellwertbits auf einen wahlfreien Zugriffskanal, zum Beispiel RACH, zugreifen darf,

d2. oder ob die Zugriffsberechtigung auf den wahlfreien Zugriffskanal, zum Beispiel RACH, in Abhängigkeit einer Zugriffsschwellwertauswertung zu ermitteln ist.

e. als Zugriffsschwellwertauswertung den Zugriffsschwellwert mit einer Zufallszahl oder einer Pseudozufallszahl zu vergleichen,

f. auf den wahlfreien Zugriffskanal in Abhängigkeit der Ermittlung anhand des Zugriffsklassenbits entweder unabhängig von den empfangenen Zugriffsschwellwertbits oder in Abhängigkeit des Vergleichsergebnisses zuzugreifen.

3. Die beanspruchte Mobilstation ist danach zur Ausführung eines Verfahrens eingerichtet, mit dem bestimmt wird, wie in einem UMTS-Mobilfunknetz nach Merkmal 1 die Berechtigung zum Zugriff auf einen wahlfreien Zugriffskanal (RACH) so zugeteilt wird, dass bei gleichzeitigen Zugriffsanforderungen mehrerer Mobilstationen eine Überlastung des RACH (vgl. [0019] bis [0021]) vermieden werden kann, zugleich aber eine sachgerechte Verteilung der Zugriffsberechtigungen gewährleistet bleibt. Erreicht wird dies durch die Kombination zweier Mechanismen:

- die Erteilung von Zugriffsrechten nach Maßgabe der Auswertung eines Zugriffsschwellwerts (S; Merkmal 2.d.d2), bei der der Zugriffsschwellwert mit einer Zufallszahl oder einer Pseudozufallszahl verglichen wird (Merkmal 2.e; sog. €Lotterie€), und

- die vom Zugriffsschwellwert unabhängige Erteilung von Zugriffsrechten an solche Mobilstationen, die einer von mehreren Nutzerklassen angehören (Merkmale 2.d.d1 und 2.f; €Vorrang€).

In dem UMTS-Mobilfunknetz werden also mehrere Nutzerklassen unterschieden (Merkmal 1.a). Welcher Nutzerklasse die jeweilige Mobilstation angehört, liest diese von einer SIM-Karte (Merkmal 2.a); die Zugehörigkeit zu einer Nutzerklasse liegt also fest. Da sich die Belastung des RACH aber fortwährend ändern kann, soll eine dynamische Anpassung der Zugriffsberechtigung ermöglicht werden. Die Erteilung von Zugriffsrechten nach Maßgabe der Auswertung eines Zugriffsschwellwerts (€Lotterie€) kann dadurch beeinflusst werden, dass der Zugriffsschwellwert S, also die "Hürde" für die Erlangung des Zugriffsrechts, herauf- oder herabgesetzt wird. Die Erteilung von Zugriffsrechten an €privilegierte€ Mobilstationen kann beeinflusst werden, indem mehr oder weniger Nutzerklassen der schwellwertunabhängige Zugriff erlaubt wird.

Um diese Anpassungen vornehmen zu können, werden im Mobilfunknetz, und zwar über einen Broadcast Control Channel (Merkmal 2.b), Informationssignale mit Zugriffsberechtigungsdaten an jede Mobilstation übertragen (Merkmal 1.b), und zwar als ein Bitmuster (Merkmal 1.c). Die Zugriffsberechtigungsdaten enthalten nach Merkmal 1.d

- Zugriffsschwellwertbits, aus denen im Fall eines schwellwertabhängigen Zugriffs der Zugriffsschwellwert ermittelt wird (Merkmal 2.c), und

- Zugriffsklassenbits.

Den Zugriffsklassenbits kommt nach Merkmal 2.d zentrale Bedeutung zu: Anhand des für die Nutzerklasse der jeweiligen Mobilstation relevanten Zugriffsklassenbits ermittelt die Mobilstation, welche der beiden Varianten der Zugriffsberechtigung für sie einschlägig ist: der vorrangige, schwellwertunabhängige Zugriff (Merkmale 2.d.d1 und 2.f) oder das schwellwertabhängige €Lotterieverfahren€ (Merkmale 2.d.d2 und 2.e). In dem in der Beschreibung dargestellten, die anspruchsgemäße Gestaltung betreffenden Ausführungsbeispiel ([0034]) ist jeder Nutzerklasse ein Zugriffsklassenbit zugeordnet. Ist dieses Zugriffsklassenbit auf 0 gesetzt, darf die zugehörige Nutzerklasse unabhängig vom Schwellwert und seiner Auswertung auf den RACH zugreifen. Ist das Zugriffsklassenbit dagegen auf 1 gesetzt, können Mobilstationen der zugehörigen Nutzerklasse nur dann auf den RACH zugreifen, wenn sie den Schwellwerttest bestehen.

C. Keine Verletzung des Klagepatents durch standardkonforme UMTS-Mobiltelefone

Im Folgenden wird geprüft, ob UMTS-Mobiltelefone, die den Vorgaben des Standards entsprechen, von der technischen Lehre des Klagepatents in der geltend gemachten Fassung Gebrauch machen. Es wird also auf der Schlüssigkeitsebene unterstellt, dass die Beklagten entsprechend dem Vortrag der Klägerin zu irgendeinem unter die Klageanträge fallenden Zeitpunkt Mobiltelefone vertrieben haben, die entsprechend den Vorgaben des Standards ausgestaltet sind.

1. Die angegriffenen Ausführungsformen machen von Merkmal 1 Gebrauch. Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts, dass die Eignung der Mobilstation €zum Betrieb in einem UMTS Mobilfunknetz€ nicht bedeutet, dass es sich um ein UMTS-Mobilfunknetz nach dem zum Prioritätszeitpunkt bestehenden Stand handeln muss. Zu Recht weist das Landgericht darauf hin, dass das Merkmal eine Zweck- und Funktionsangabe enthält und dass die Eigenschaften eines UMTS-Netzes nicht näher spezifiziert werden. Mit der Bezugnahme auf €ein€ (nicht: €das€) UMTS-Netz geht das Klagepatent daher von einem €fachnotorischen€ Begriff des UMTS-Mobilfunknetzes aus: Solange ein Mobilfunknetz vom Fachmann als €UMTS-Mobilfunknetz€ bezeichnet wird, können Mobilstationen, die in einem solchen UMTS-Mobilfunknetz betrieben werden können, unter das Klagepatent fallen. Entgegen der Auffassung der Beklagten wird mit einer solchen Betrachtungsweise das Klagepatent nicht unzulässig weit und in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden Weise ausgelegt. Das Klagepatent betrifft einen konkreten Funktionsabschnitt innerhalb eines UMTS-Netzes, nämlich die Verteilung der knappen Ressource €Zugriff auf den wahlfreien Zugriffskanal (RACH)€ unter einer Vielzahl von Mobilstationen. Die sonstige Funktionsweise des UMTS-Netzes ist für die technische Lehre des Klagepatents nicht von Bedeutung, so dass es auf die Frage, ob Mobilstationen in einem Netz nach dem UMTS-Standard im Prioritätszeitpunkt funktionieren würden, nicht ankommt. Ausreichend ist, wenn sie in €einem€ UMTS-Netz, beispielsweise nach dem heutigen Stand, betrieben werden können. Das ist unstreitig der Fall.

2. Zutreffend geht das Landgericht ferner davon aus, dass es für die Eignung zum Betrieb in einem UMTS-Netz, in dem nach Merkmal 1.a €mehrere Nutzerklassen unterschieden€ werden, ausreichend ist, wenn die im Netz arbeitenden Mobilstationen nach abstrakten Kriterien mit Blick auf ihre Berechtigung zum Zugriff auf den RACH vorgegebenen Gruppen zugeordnet werden können. Die von den Beklagten hiergegen erhobenen Bedenken teilt der Senat nicht.

Im UMTS-Standard ist vorgesehen, dass sämtliche Mobilstationen einer von mehreren €Access Classes€ (ACs) zugeordnet werden, die in einer noch näher zu erörternden Weise auf der SIM/USIM-Karte abgelegt sind und von dort ausgelesen werden können. Bei der Einordnung in Access Classes kann auch berücksichtigt werden, dass es sich bei dem jeweiligen Karteninhaber um einen €high priority user€ handelt (vgl. Anlage K 11 Abschn. 4.2: €All UEs are members of one out of ten randomly allocated mobile populations, defined as Access Classes 0 to 9. The population is stored in the SIM/USIM. In addition, mobiles may be members of one or more out of 5 special categories (Access Classes 11 to 15), also held in the SIM/USIM. These are allocated to specific high priority users as follows. €€). Die Access Classes werden in der nachfolgend darzustellenden Weise den Access Service Classes (ASCs) zugeordnet, die wiederum in Bezug auf ihre Berechtigung, auf den RACH zuzugreifen, unterschiedlich behandelt werden. Daher können die Access Classes als Nutzerklassen im Sinne des Klagepatents angesehen werden.

Dass die angegriffenen Mobiltelefone dazu geeignet sind, in einem solchen Netz zu funktionieren, haben die Beklagten nicht mit Substanz bestritten. Ob die gegenwärtig in Deutschland betriebenen UMTS-Netze tatsächlich zwischen mehreren ASCs unterschieden, ist für die Verwirklichung der Funktionsangabe in Merkmal 1.b ebensowenig von Bedeutung wie die im Standard zusätzlich erwähnte Möglichkeit, dass eine Mobilstation auch mehreren ACs angehören kann. Die in der Beschreibung des Klagepatents erwähnte Möglichkeit, dass die Mobilstation überhaupt keiner Nutzerklasse angehört, hat keinen Niederschlag im Patentanspruch gefunden; die anspruchsgemäße Lösung befasst sich mit dieser Möglichkeit nicht.

3. a) Nach dem neu eingefügten Merkmal 1.b werden in dem Mobilfunknetz, in dem die geschützte Mobilstation betrieben werden soll, €Informationssignale mit Zugriffsberechtigungsdaten an die Mobilstation übertragen€. Die vom Netzbetreiber über den Broadcast Control Channel (Merkmal 2.b) an die Mobilstationen übermittelten Informationssignale dienen nach der Beschreibung ([0022]) dazu, der jeweiligen Mobilstation mitzuteilen, €welche Rechte für das Senden auf dem RACH der entsprechenden Mobilstation € zugeteilt sind€. Merkmal 1.b bringt diese Funktion der Informationssignale durch die Angabe zum Ausdruck, dass die Informationssignale Zugriffsberechtigungsdaten enthalten. Damit wird bereits an dieser Stelle des Anspruchs darauf hingewiesen, dass die gesamte vom Klagepatent betrachtete Informationsübermittlung und -verarbeitung der Bestimmung von Zugriffsberechtigungen der Mobilstationen dient.

Unstreitig ist im UMTS-Standard ein BCCH vorgesehen, über den an alle teilnehmenden Mobilstationen Informationen gesendet werden. Im sogenannten System Information Block 7 (SIB 7) wird das dynamische Persistenzniveau N übertragen, das 8 verschiedene Werte annehmen kann (Anlage K 10, Abschn. 8.5.12). Im System Information Block 5 oder 5bis (SIB 5/5bis) wird der Parameter "AC-to-ASC Mapping" übertragen, der drei Bitstellen umfasst und somit ebenfalls 8 Werte (von 0 bis 7) annehmen kann (Anlage K 10, Abschn. 8.5.13). Diese beiden Informationen entscheiden nach dem im Standard vorgesehenen Verfahren über die Zugriffsgewährung auf den RACH; Einzelheiten werden nachfolgend dargestellt. Es handelt sich also um Zugriffsberechtigungsdaten im Sinne des Klagepatents.

b) Die Zugriffsberechtigungsdaten werden im Merkmal 1.d näher dahin beschrieben, dass sie Zugriffsschwellwertbits und Zugriffsklassenbits aufweisen. Das Verständnis dieser Begriffe wird aus der in der Merkmalsgruppe 2 beschriebenen Funktionalität deutlich: Zugriffsschwellwertbits erlauben der Mobilstation, einen Zugriffsschwellwert zu ermitteln, wenn dieser (genauer: sein Vergleich mit einer [Pseudo-] Zufallszahl) für die Zugriffsberechtigung maßgeblich ist (Merkmale 2.c, 2.d.d2, 2.e). Zugriffsklassenbits teilen der Mobilstation mit, ob dieser Schwellwerttest für die Zugriffsberechtigung maßgeblich ist oder ob ein schwellwertunabhängiger Zugriff möglich ist (Merkmale 2.d.d1, 2.f).

Bei der Prüfung, ob ein UMTS-Mobilgerät (unmittelbar) auf den RACH zugreifen darf, wird nach dem Standard zunächst geprüft, welcher Access Service Class (ASC) das jeweilige Gerät zugeordnet wird. Die Access Service Classes sind von den Access Classes (AC, den patentgemäßen Nutzerklassen) zu unterscheiden; sie werden aber durch den erwähnten Parameter "AC-to-ASC Mapping" mit diesen in Beziehung gesetzt: Jeder AC wird nach Maßgabe der folgenden Tabelle eine ASC zugeordnet:

Dabei stehen die 7 Informationselemente "IE" für Access Service Classes mit einer Nummer zwischen 0 und 7.

Jeder ASC wird ein Persistenzwert Pi zugeordnet. Die Zuordnung ergibt sich aus der nachfolgenden Tabelle:

Für die ASC 0 ist der Persistenzwert Pi also stets auf 1 gesetzt; er hängt nicht von dem über den BCCH gesendeten Persistenzniveau N ab. Mobilstationen, die mit ihrer Access Class den ASC 1 bis 7 zugeordnet sind, berechnen Pi unter Auswertung des Persistenzniveaus N nach der feststehenden Beziehung

Das führt dazu, dass für höhere Werte von N der Persistenzwert kleiner wird. Der in der Tabelle zusätzlich enthaltene, ebenfalls im SIB 5 oder 5bis übermittelte Skalierungsfaktor si ermöglicht eine weitere Differenzierung innerhalb der ASC 1 bis 7.

Im Anschluss an die Zuweisung der ASC und die Ermittlung des Persistenzwerts Pi wird im UMTS-Mobilgerät eine Zufallszahl R zwischen 0 und 1 gezogen (0 € R < 1). Diese Zufallszahl R wird mit dem Persistenzwert Pi verglichen. Das Vergleichsergebnis entscheidet sodann über die Berechtigung zum sofortigen Zugriff auf den RACH: Nur wenn R € Pi, wird die €L1 PRACH transmission procedure€ eingeleitet. Ist sie größer als Pi, muss das dargestellte Verfahren nach einer Wartezeit noch einmal von vorn durchlaufen werden. Da für die ASC 0 der Persistenzwert Pi stets auf 1 gesetzt und die Zufallszahl stets kleiner 1 ist, können Mobilgeräte aller Access Classes, denen die ASC 0 zugeordnet ist, sofort auf den RACH zugreifen, weil die Bedingung R € Pi stets erfüllt ist.

Dieser Ablauf ergibt sich aus Abschnitten 11.2.1 und 11.2.2 der Anlage K 9 sowie aus der dortigen Figur 11.2.2.1:

Damit können diejenigen Bits in SIB 7, mit denen das Persistenzniveau N übertragen wird, als Zugriffsschwellwertbits im Sinne des Klagepatents angesehen werden; aus dem Persistenzniveau N wird der Persistenzwert Pi ermittelt, der mit der Zufallszahl R verglichen wird (Zugriffsschwellwertauswertung; vgl. Merkmale 2.c, 2.d.d2, 2.e). Ob die AC der Mobilstation einer ASC von 1 bis 7 zugeordnet wird und damit nur in Abhängigkeit des Schwellwerttests auf den RACH zugreifen darf oder ob sie der ASC 0 zugeordnet wird und damit stets auf den RACH zugreifen darf, entscheidet sich nach dem im SIB 5/5bis übertragenen Parameter "AC-to-ASC Mapping". Somit entscheidet der Parameter €AC-to-ASC Mapping€ darüber, ob die jeweilige AC (= Nutzerklasse)

€unabhängig von Pi und damit schwellwertunabhängig (bei Zuordnung zu ASC 0) oder

€in Abhängigkeit des Vergleichsergebnisses (R € Pi€) und damit schwellwertabhängig (bei Zuordnung zu ASC 1 € 7)

zum Zugriff auf den RACH berechtigt ist (s. auch sogleich 4.).

Mit dem Parameter "AC-to-ASC Mapping" werden somit Zugriffsklassenbits an die Mobilstation übertragen.

4. Als Zwischenergebnis lässt sich daher festhalten, dass Mobiltelefone, welche die genannten Vorgaben des Standards in der dort vorgesehenen Weise umsetzen können, auch von den Merkmalen 1.b, 1.d und 2.b Gebrauch machen.

Sieht man zunächst von den Merkmalen

€1.c (€ein Bitmuster€),

€2.d (€anhand des für die Nutzerklasse relevanten Zugriffsklassenbits€) und

€2.f (€anhand des Zugriffsklassenbits€)

ab, verwirklichen solche Mobiltelefone auch die weiteren Anspruchsmerkmale. Die von den Beklagten hiergegen erhobenen Einwände hält der Senat € unter der genannten Prämisse € nicht für durchgreifend:

a) UMTS-konforme Mobiltelefone lesen ihre Nutzerklasse von einer SIM-Karte im Sinne des Merkmals 2.a. Sie ermitteln die Nutzerklasse unter Rückgriff auf die dem Nutzer zugeordnete Speicherkarte. Mehr verlangt das Merkmal nicht; auf die Frage, ob es sich um eine SIM-Karte im Sinne des GSM-Standards oder um eine USIM-Karte im Sinne des UMTS-Standards handelt, kommt es nach der Lehre des Klagepatents nicht an.

b) Das dargestellte standardkonforme Verfahren entscheidet allerdings nur darüber, ob eine Mobilstation im jeweiligen Zeitpunkt der Zugriffsprüfung auf den RACH zugreifen darf oder ob sie noch €warten€ muss. Das steht der Annahme einer Benutzung der geschützten Lehre jedoch ebensowenig entgegen wie der Umstand, dass die Grundentscheidung, ob eine Mobilstation überhaupt zum Zugriff berechtigt ist, bereits vor der Durchführung des genannten Verfahrens im Rahmen des sog. UMTS Access Class Barring getroffen worden ist. Eine solche vorgeschaltete Prüfung, ob einer bestimmten Nutzerklasse der Zugriff gänzlich verwehrt wird, schließt der für den Schutzbereich des Klagepatents maßgebliche Anspruchswortlaut (vgl. nur BGHZ 189, 330 Rn. 23 € Okklusionsvorrichtung; BGHZ 160, 204, 209 = GRUR 2004, 1023 - bodenseitige Vereinzelungseinrichtung) auch bei der gebotenen Auslegung im Lichte der Beschreibung nicht aus. Die Möglichkeit einer Wiederholung des Programmablaufs nach Durchlaufen einer Warteschleife wird in der Beschreibung explizit angesprochen (Abschn. [0037], Sp. 14 Z. 11-16), was ebenfalls deutlich macht, dass es bei der patentgemäßen Prüfung nur um die Zugriffsberechtigung im jeweiligen Prüfungszeitpunkt geht.

c) Wie das Landgericht bereits zum Klagepatent in seiner erteilten Fassung zutreffend ausgeführt hat, führt der Umstand, dass der Standard mit dem Skalierungsfaktor si eine weitere Differenzierung innerhalb der ASC 1 bis 7 ermöglicht, nicht aus dem Schutzbereich des Klagepatents heraus.

d) Bei einer schematischen Subsumtion könnte allerdings fraglich erscheinen, ob die Alternativität, die die Merkmale 2.c bis 2.f beschreiben, bei der Ermittlung der Zugriffsberechtigung nach dem Standard verwirklicht ist. In den Merkmalen 2.c, 2.d und 2.f werden durchgängig zwei Alternativen gegenübergestellt: Der Zugriff erfolgt (1) unabhängig von den empfangenen Zugriffsschwellwertbits oder (2) abhängig von einer Zugriffsschwellwertauswertung (nicht etwa: abhängig von den empfangenen und ausgewerteten Zugriffsschwellwertbits). Als Zugriffsschwellwertauswertung wird in Merkmal 2.e der Vergleich des (aus den Zugriffsschwellwertbits ermittelten, Merkmal 2.c) Zugriffsschwellwerts mit einer (Pseudo-) Zufallszahl definiert.

Die Klägerin betrachtet das in SIB 7 übertragene Persistenzniveau N als Zugriffsschwellwertbits und den Persistenzwert Pi als Zugriffsschwellwert im Sinne des Klagepatents. Der Persistenzwert Pi wird nach dem Standard allerdings immer (auch für ASC 0) mit einer Zufallszahl R verglichen, und das Vergleichsergebnis entscheidet auch immer über die Berechtigung der Mobilstation zum Zugriff auf den RACH; im Fall der ASC 0 ist lediglich sichergestellt, dass der Vergleich stets zugunsten der Zugriffsberechtigung ausgeht.

Bei formaler Betrachtung (N = Zugriffsschwellwertbits; Pi = Zugriffsschwellwert; Vergleich von Pi und R = Zugriffsschwellwertauswertung) könnte also die Verwirklichung der Merkmale 2.c, 2.d.d2 und 2.f bezweifelt werden:

€Die Zugriffsberechtigung auf den RACH wird stets in Abhängigkeit des Vergleichsergebnisses und damit der (formal verstandenen) Zugriffsschwellwertauswertung ermittelt; der (formal verstandene) Zugriffsschwellwert Pi wird aber nicht stets, sondern nur für ASC 1 bis 7 aus den Zugriffsschwellwertbits N ermittelt (vgl. aber Merkmal 2.b).

€Die Zugriffsberechtigung auf den RACH wird stets in Abhängigkeit des Vergleichsergebnisses und damit der (formal verstandenen) Zugriffsschwellwertauswertung ermittelt; deshalb wird nicht anhand des für die Nutzerklasse relevanten Zugriffsklassenbits ermittelt, ob die Zugriffsberechtigung in Abhängigkeit dieser (formal verstandenen) Zugriffsschwellwertauswertung zu ermitteln ist (vgl. aber Merkmale 2.d.d2 und 2.f).

Bei dieser schematischen Subsumtion würde aber der technische Zusammenhang der Merkmale verkannt. Der Zugriffsschwellwert ist aus den Zugriffsschwellwertbits zu ermitteln (Merkmal 2.c). Als Zugriffsschwellwertbits ist das Persistenzniveau N anzusehen. Im Falle der ASC 0 wird Pi aber gerade nicht aus N errechnet, sondern auf den Wert 1 gesetzt, um sicherzustellen, dass der Vergleich mit R zugunsten des Zugriffs ausgeht. Das bedeutet aber, dass es sich im Fall der ASC 0 bei Pi eben nicht um einen Zugriffsschwellwert im Sinne der Merkmale 2.c und 2.e handelt; dementsprechend stellt der Vergleich zwischen Pi und R im Fall der ASC 0 auch keine Zugriffsschwellwertauswertung im Sinne der Merkmale 2.d.d2 und 2.e dar. Das €Vergleichsergebnis€ im Sinne des Merkmals 2.f nimmt Bezug auf den in Merkmal 2.e genannten Vergleich. Im Fall der ASC 0 hängt die Zugriffsberechtigung der Mobilstation allein vom Parameter €AC-to-ASC Mapping€ und nicht von einem Vergleich des Zugriffsschwellwerts (den es in diesem Fall nicht gibt) mit einer Zufallszahl ab. Wegen der von den Zugriffsschwellwertbits (N) unabhängigen Festsetzung von Pi=1 im Fall der ASC 0 und wegen des dadurch bedingten Fehlens einer Zugriffsschwellwertauswertung besteht auch die in Merkmal 2.c verlangte Korrelation zwischen Ermittlung des Zugriffsschwellwerts und Schwellwerttest-abhängiger Zugriffsberechtigung (vgl. dazu auch Entscheidung der Technischen Beschwerdekammer vom 07.03.2013, Anlage K 71, S. 12, 2. Absatz).

5. Durch die Merkmale 1.c, 2.d und 2.f unterscheidet sich der nunmehr geltend gemachte Patentanspruch ebenfalls von der erteilten Fassung. Merkmal 1.c verlangt, dass die Zugriffsberechtigungsdaten (die nach Merkmal 1.d Zugriffsschwellwertbits und Zugriffsklassenbits aufweisen) €als ein Bitmuster übertragen€ werden. Nach den Merkmalen 2.d und 2.f wird die Entscheidung zwischen €Vorrang€ und €Lotterie€ €anhand des (für die Nutzerklasse relevanten) Zugriffsklassenbits€ getroffen.

Auch hier ist zur Bestimmung des Schutzbereichs eine isolierte Betrachtung der Merkmale nicht angängig; vielmehr ist der Patentanspruch im Gesamtzusammenhang in den Blick zu nehmen. Feststellungen zum Inhalt einzelner Merkmale können nur dazu dienen, schrittweise den allein maßgeblichen Wortsinn des Patentanspruchs als einer Einheit zu ermitteln (BGH GRUR 2004, 845, 846 - Drehzahlermittlung). Im Rahmen der Auslegung sind der Sinngehalt des Patentanspruchs in seiner Gesamtheit und der Beitrag, den die einzelnen Merkmale zum Leistungsergebnis der Erfindung liefern, zu bestimmen. Die Bestimmung des Sinngehalts eines einzelnen Merkmals muss stets in diesem Kontext erfolgen, aus dem sich ergeben kann, dass dem Merkmal eine andere Bedeutung zukommt als einem entsprechenden Merkmal in einer zum Stand der Technik gehörenden Entgegenhaltung. Denn für das Verständnis entscheidend ist zumindest im Zweifel die Funktion, die das einzelne technische Merkmal für sich und im Zusammenwirken mit den übrigen Merkmalen des Patentanspruchs bei der Herbeiführung des erfindungsgemäßen Erfolgs hat. Dabei sind Beschreibung und Zeichnungen heranzuziehen, die die technische Lehre des Patentanspruchs erläutern und veranschaulichen und daher nach ständiger Rechtsprechung für die Bestimmung des Schutzbereichs (Art. 69 Abs. 1 EPÜ) und für die Auslegung des Patentanspruchs heranzuziehen sind (vgl. BGHZ 194, 107 = GRUR 2012, 1124 Rn. 27 € Polymerschaum).

Diese Auslegung des Patentanspruchs in seiner Gesamtheit zeigt, dass die technische Lehre des Klagepatents € entgegen der Darstellung der Klägerin € weit über die abstrakte Alternative €Zugriffsschwellwertauswertung € Privilegierung von Nutzerklassen€ hinausgeht. Sie enthält vielmehr detaillierte Anweisungen darüber, wie die Entscheidung zwischen beiden Varianten der Zugriffsberechtigungsbestimmung signalisiert und dementsprechend von der Mobilstation verarbeitet werden soll. Dabei werden, wie schon aus den vorangehenden Ausführungen ersichtlich ist, einige der verwendeten technischen Begriffe im Anspruch selbst definiert und zueinander in Beziehung gesetzt, so dass abstrakte Begriffe € teilweise in mehreren Stufen € ausgefüllt und konkretisiert werden.

a) Merkmal 1.c € Übertragung der Zugriffsberechtigungsdaten als ein Bitmuster

(1) Der Begriff des €Bitmusters€ nach Merkmal 1.c wird im Anspruch selbst allerdings nicht näher erläutert. Mit dem Erfordernis, dass die Zugriffsberechtigungsdaten als ein Bitmuster übertragen werden sollen, stützt sich der Patentanspruch auf das Ausführungsbeispiel, das in den Abschnitten [0034] ff. dargestellt ist (vgl. Entscheidung der Technischen Beschwerdekammer vom 07.03.2013, Anlage K 71, S. 7, unter 4.2). Auch dort wird der Begriff des Bitmusters indessen nicht definiert, sondern als bekannt vorausgesetzt. Die Fig. 3c, auf die sich die genannte Beschreibungsstelle bezieht, zeigt die Zugriffsschwellwertbits (S3, S2, S1, S0) und die Zugriffsklassenbits (Z3, Z2, Z1, Z0) in einer ununterbrochenen Bitfolge, die noch weitere (Telekommunikations- und Prioritäts-) Bits enthält:

Auch sonst wird der Begriff des Bitmusters in der Patentschrift für eine zusammenhängende Bitfolge mit definierten Bitstellen gebraucht, die der Übermittlung bestimmter (für die Zugriffsberechtigung relevanter) Informationen dienen: Anhand der definierten Bitstellen lassen sich € jedenfalls in den dargestellten Ausführungsbeispielen € einzelne Bits auffinden, z.B. ein für eine Nutzerklasse relevantes Zugriffsklassenbit (vgl. Fig. 3a, 3b mit Abschn. [0025] ff., insbes. [0034] ff.).

Hieraus entnehmen die Parteien übereinstimmend und zutreffend, dass der Begriff des Bitmusters (mindestens) eine Bitsequenz mit einer bestimmten Länge erfordert, bei der den Bitstellen Informationskomponenten so zugeordnet sind, dass der Empfänger (die Mobilstation) die Informationen auslesen kann. Die Parteien streiten darüber, ob der Begriff aufgrund weiterer Erfordernisse enger zu fassen ist.

Nach Auffassung der Technischen Beschwerdekammer, die als gewichtige sachkundige Äußerung vom Verletzungsgericht zur Kenntnis zu nehmen und bei der Auslegung zu würdigen ist (BGH GRUR 1998, 895 € Regenbecken), hat der Begriff des €Bitmusters€ nach dem Verständnis des Fachmanns im Prioritätszeitpunkt die Bedeutung einer Bitsequenz mit bestimmter Länge, im Einklang mit den im Klagepatent genannten Ausführungsbeispielen (vgl. Anlage K 71, S. 14, unter 4.4).

Nach Auffassung des Senats können dem Begriff des Bitmusters als solchem bei der gebotenen Auslegung im Lichte der Beschreibung und der Ausführungsbeispiele keine weiteren, einengenden Merkmale entnommen werden. Insbesondere besteht keine hinreichende Grundlage für die Annahme, die Bitsequenz müsse stets dieselbe unveränderliche Länge haben. Dementsprechend besteht auch keine Beschränkung auf Bitsequenzen, bei denen die einer bestimmten Information zugeordneten Bits allein aufgrund der Bitstelle, d.h. ohne die Auswertung weiterer Informationen (z.B. Header-Informationen), auffindbar wären. So sehen die beiden ersten Ausführungsbeispiele (die allerdings eine andere als die anspruchsgemäße Lösung betreffen) ein vorangestelltes Auswertebit S4 vor, dessen Inhalt darüber entscheidet, ob es sich bei bestimmten Bits um Schwellwertbits oder um Zugriffsklassenbits handelt (vgl. insbes. [0027] und [0037]). Auch lässt sich weder dem Anspruch noch der Beschreibung entnehmen, dass das Bitmuster neben Zugriffsschwellwertbits und Zugriffsklassenbits keine weiteren Informationen enthalten darf.

Zu beachten ist jedoch der technische Zusammenhang zwischen den Merkmalen 1.b, 1.c und 1.d. Im Mobilfunknetz werden an die Mobilstationen Informationssignale mit Zugriffsberechtigungsdaten übertragen, und zwar als ein Bitmuster, wobei die Zugriffsberechtigungsdaten Zugriffsschwellwertbits und Zugriffsklassenbits enthalten. Das erfordert nach Auffassung des Senats, dass die Zugriffsschwellwertbits und die Zugriffsklassenbits Teil einer einheitlichen Bitsequenz sind, in der sie für die Mobilstation an bestimmten Bitstellen auffindbar sind. Bei einer separaten und unkorrelierten Übertragung in verschiedenen €Datenpaketen€ würden Zugriffsschwellwertbits und Zugriffsklassebits (und damit die für das Klagepatent relevanten Zugriffsberechtigungsdaten) nicht €als ein Bitmuster€ übertragen.

Der Auffassung der Klägerin, der Begriff des Bitmuster werde auf einer hohen Abstraktionsebene verwendet, nämlich der logischen (inhaltlichen) Ebene, vermag der Senat nicht zu folgen. Für eine solche Annahme finden sich in der Patentschrift keine zureichenden Anhaltspunkte. Gegen sie spricht entscheidend die dargestellte strenge Systematik des Patentanspruchs, nach der das Merkmal 1.b (€Übertragung von Informationssignalen mit Zugriffsberechtigungsdaten an die Mobilstation€) sowohl hinsichtlich seines Inhalts (Zugriffsschwellwertbits und Zugriffsklassenbits) als auch hinsichtlich der Signalisierung (Übertragung als ein Bitmuster, Zugriffsschwellwertbits, Zugriffsklassenbits) konkretisiert wird. Gerade bei der Anweisung, die Zugriffsberechtigungsdaten €als ein Bitmuster€ zu übertragen, vermag der Senat einen Zusammenhang mit einer (ausschließlich) inhaltlich-logischen Ebene der Informationsübertragung nicht zu erkennen. Es mag sein, dass ein €Bit€ in der allgemeinen Fachsprache der Datenübermittlung auch auf einer logischen Ebene, also im Sinne einer €binären Entscheidung€ verstanden werden kann. Was aber die Anweisung des Patentanspruchs, Zugriffsberechtigungsdaten €als ein Bitmuster€ zu übertragen, mit dieser inhaltlich-logischen Ebene zu tun haben soll, erschließt sich nicht. Es geht gerade bei diesem Merkmal eben nicht um den Informationsinhalt (der, wie dargestellt, anderweitig klargestellt wird), sondern € ausdrücklich € um das €Wie€ der Übertragung. Dass mit Merkmal 1.c € wie die Klägerin vorträgt € allein der Ausschluss einer Übertragung analoger Informationssignale gemeint ist, schließt der Senat aus. Einer solchen Klarstellung hätte es angesichts des sonstigen Inhalts des Patentanspruchs (UMTS-Mobilfunknetz, Zugriffsberechtigungsdaten, Zugriffsschwellwert- und Zugriffsklassenbits) nicht bedurft. Dabei verkennt der Senat nicht, dass bei der Auslegung eines Patentanspruchs nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden kann, in ihm enthaltenen Angaben sei eine über Selbstverständlichkeiten hinausgehende Bedeutung beizumessen (BGHZ 160, 204 = GRUR 2004, 1023 - bodenseitige Vereinzelungseinrichtung). Bei der hier befürworteten Auslegung des Patentanspruchs geht es indessen nicht um den Ausschluss platter Selbstverständlichkeiten, sondern um die Ermittlung des Bedeutungsgehalts eines Merkmals unter Berücksichtigung seines technisch-funktionalen Zusammenhangs mit anderen Merkmalen und des sonstigen Patentinhalts.

Dabei vermag auch die Bezugnahme auf Merkmal 2.b (Empfang der Zugriffsberechtigungsdaten über einen Broadcast Control Channel) keine andere Auslegung des Merkmals 1.c zu rechtfertigen. Das Argument der Klägerin, der BCCH sei € wie der Fachmann wisse € ein logischer und kein physikalischer Kanal, führt in diesem Zusammenhang nicht weiter. In der Tat stellt Merkmal 2.b klar, dass sich die technische Lehre des Klagepatents auf die Signalisierungsebene des BCCH bezieht. Unter einem BCCH versteht das Klagepatent einen als Punkt-zu-Mehrpunkt-Kanal ausgebildeten Signalisierungskanal, über den die genannten Zugriffsberechtigungsdaten an alle betroffenen Mobilstationen übertragen werden können (vgl. Abschn. [0023]), und zwar nach Merkmal 1.c €als ein Bitmuster€ im soeben dargestellten Sinne. Auch im Zusammenhang mit dem BCCH wird aber mehrfach von formellen Bitfolgen gesprochen, die über diesen Kanal gesendet werden (vgl. insbes. [0033]: €Bei diesem Bespiel wird die Bitfolge 'auf 0 1000 011 01' an die Mobilstationen 5, 10, 15, 20 von der Basisstation 100 über den BCCH 25 gesendet.€ und [0037]: €Bei einem Programmpunkt 200 prüft die Auswerteeinheit 60, ob die über den BCCH 25 empfangenen Informationssignale ein Bitmuster der Bitlänge von 10 Bit umfassen.€). Das angegriffene Zugriffskontrollverfahren umfasst, wie dargestellt, Zugriffsberechtigungsdaten, die über einen BCCH im Sinne des Merkmals 2.b übertragen werden; es betrifft also dieselbe Signalisierungsebene wie das Klagepatent. Und auch bei den standardgemäßen, über den BCCH übertragenen Zugriffsberechtigungsdaten gibt es identifizierbare Bitfolgen wie etwa den Parameter €AC-to-ASC Mapping€, der unstreitig drei Bits umfasst. Wie diese Bits auf der €Transportebene€ codiert sind, ist für die Verletzungsfrage unerheblich.

Soweit die Technische Beschwerdekammer in der Entscheidung vom 07.03.2013 ausführt, die in Fig. 3c vorgesehene Bitlänge von 13 Bit sei nicht zwingend (Anlage K 71, S. 7, Abschn. 4.2), lässt sich daraus für die hier vorliegende Frage nichts herleiten. Soweit die Technische Beschwerdekammer ausführt,

€Die Kammer stellt jedoch fest, dass der vorliegende Anspruch nunmehr auf eine Zugriffsberechtigung abstellt, in der die als ein Bitmuster empfangenen Zugriffsberechtigungsdaten sowohl Zugriffsschwellwertbits als auch Zugriffsklassenbits aufweisen€, (Anlage K 71, S. 9)

steht dies vielmehr im Einklang mit dem hier vertretenen Anspruchsverständnis (vgl. auch Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 11.02.2014, Anlage K 75, S. 16, unter b) (1) im Wortlaut wiedergegeben).

Gegen die Annahme, die Zugriffsschwellwertbits und die Zugriffsklassenbits müssten nach der neuen Anspruchsfassung in einer zusammengehörigen Bitsequenz übertragen werden, spricht entgegen der Darstellung der Klägerin auch nicht die (erste) Entscheidung der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts vom 18.05.2012 (Anlage K 61). An der von der Klägerin in Bezug genommenen Stelle (a.a.O. S. 14-15) behandelt die Einspruchsabteilung nämlich die Frage, ob der Patentanspruch in seiner ursprünglich erteilten Fassung durch die Verwendung des Begriffs der €Zugriffsklasseninformation€ unzulässig erweitert sei. Dies wird unter Verweis auf die noch allgemeinere Formulierung des in der Patentanmeldung enthaltenen Anspruchs (€Informationssignale€) verneint; vor diesem Hintergrund wird darauf verwiesen, dass die (in der Beschreibung enthaltenen) €exemplarischen Bitmuster€ keinen ausreichenden Hinweis €auf eine zwangsweise Zusammenführung der einzelnen Informationen€ darstelle.

Zusammenfassend setzen also die Merkmale 1.c und 1.d voraus, dass die Zugriffsschwellwertbits und die Zugriffsklassenbits in einer (einheitlichen, zusammengehörigen) Bitsequenz bestimmter Länge dergestalt übertragen werden, dass die Mobilstation diese Bits auffinden und ihren Informationsgehalt für die Zugriffsschwellwertermittlung und für die Ermittlung der Zugriffsberechtigung der Nutzerklasse auswerten kann.

(2) Die Klägerin nimmt als Zugriffsschwellwertbits die im Standard vorgesehene Information über das Persistenzniveau N und als Zugriffsklassenbits den Parameter €AC-to-ASC Mapping€ in Anspruch. Das Persistenzniveau N wird im System Information Block (SIB) 7, der Parameter €AC-to-ASC Mapping€ im SIB 5 oder 5bis übertragen. Dass die Adressierung der in beiden Blöcken enthaltenen Systeminformationen über einen €Master Information Block€ erfolgt (vgl. Anlage K 73), steht für sich genommen der Verwirklichung des Merkmals 1.c nicht entgegen (s. oben (1)).

Unstreitig wird der SIB 7 und damit das Persistenzniveau N in kurzer Folge immer wieder aufs Neue übertragen; der SIB 5/5bis mit dem Parameter €AC-to-ASC Mapping€ wird dagegen wesentlich seltener übertragen. In der großen Mehrzahl der Fälle wird also nur der SIB 7, nicht aber der SIB 5 übertragen. Das allein schließt die Verwirklichung des Merkmals aber nicht aus. Nach dem Patentanspruch kommt es nur darauf an, dass die Mobilstation dazu eingerichtet ist, eine Übertragung der Zugriffsberechtigungsdaten €als ein Bitmuster€ auszulesen und auszuwerten.

Es spricht vieles dafür, die in ETSI TS 125 331 (Anlage K 73) näher beschriebene €system information€, zu der u.a. die SIB 5/5bis und 7 gehören, in ihrer Gesamtheit als €ein (komplexes) Bitmuster€ im Sinne der Merkmale 1.c, 1.d anzusehen. Im erreichten Sach- und Streitstand € insbesondere auch nach den Stellungnahmen der Parteien in der mündlichen Verhandlung € ist davon auszugehen, dass es nicht ausgeschlossen ist, dass SIB 5/5bis und SIB 7 zusammen als Teil der 4096 frames umfassenden €system information€ an die Mobilstation übertragen werden. Dass in der €system information€ € auch zwischen SIB 5 und SIB 7 € weitere Systeminformationen übertragen werden, schließt die Verwirklichung des Merkmals nach dem Ausgeführten nicht aus.

Einer abschließenden Entscheidung hierüber bedarf es indessen nicht. Denn die Beklagte hat nicht erheblich bestritten, dass der UMTS-Standard zusätzlich die Möglichkeit der sog. Konkatenierung (Verkettung) verschiedener SIBs zulässt (vgl. Anlage K 73, Abschn. 8.1.1.1.3). Dabei werden mehrere SIBs zu einem einzigen Signal zusammengefasst und zeitgleich und gemeinsam übertragen. Unstreitig ist dies auch für SIB 5 und SIB 7 möglich. Dies reicht für die Verwirklichung des Merkmals aus. Dass eine solche gemeinsame Übertragung aufgrund einer Verkettung den Ausnahmefall darstellt, steht der Verwirklichung des Merkmals € wie bereits ausgeführt € nicht entgegen. Die Funktionsfähigkeit der angegriffenen Mobiltelefone im Fall der Übertragung verketteter SIBs ist nicht streitig.

b) Merkmale 2.d, 2.f € Ermittlung anhand des (für die Nutzerklasse relevanten) Zugriffsklassenbits

(1) Nach dem Wortlaut des neu formulierten Merkmals 2.d trifft die Mobilstation die Entscheidung, ob ein schwellwertunabhängiger Zugriff erfolgen kann, anhand des Inhalts eines einzigen Bits, nämlich €anhand des für die Nutzerklasse [der Mobilstation, vgl. Merkmal 2.a] relevanten Zugriffsklassenbits€ (Merkmal 2.d). Der Singular €des Zugriffsklassenbits€ wird in Merkmal 2.f noch einmal aufgegriffen; er steht damit im erkennbaren Kontrast zum Plural €Zugriffsschwellwertbits€, der in den Merkmalen 1.d, 1.c und 1.f gebraucht wird. Der Patentanspruch, der auch in diesem Punkt durch sprachliche und logische Konsequenz gekennzeichnet ist, trägt damit dem Umstand Rechnung, dass für die Zugriffsschwellwertbits in aller Regel mehr als zwei Werte (0 oder 1) vorgesehen werden müssen, während die Entscheidung, ob die für die Mobilstation geltende Nutzerklasse schwellwertunabhängig auf den RACH zugreifen darf oder nicht, ihrer Natur nach €binär€ ist. Diese Entscheidung kann daher durch die kleinste Informationseinheit, also durch ein Bit determiniert werden, welches die Werte 0 oder 1 annehmen kann.

Der Auffassung der Klägerin, die Merkmale 2.d und 2.f seien auch an dieser Stelle funktional in dem Sinne zu verstehen, dass es sich um €ein Bit im inhaltlichen bzw. logischen Sinne€ handeln müsse, kann wiederum nicht gefolgt werden. Die dieser Auffassung zugrundeliegende Annahme, das Klagepatent befasse sich nicht mit Fragen der Signalisierung, trifft aus den bereits unter a) dargestellten Gründen nicht zu. Gegen die Auffassung der Klägerin spricht wiederum entscheidend die Würdigung des Anspruchsmerkmals im Kontext des gesamten Anspruchs. Es wurde bereits erwähnt, dass die Frage €Ist 'meiner' Nutzerklasse ein schwellwertunabhängiger Zugriff erlaubt€€ ihrer Natur nach €binär€ ist, weil sie im gegebenen Kontext nur die Antworten €ja€ oder €nein€ zulässt. Wenn der Fachmann zusätzlich zu dieser aus den Merkmalen 2.d.d1 und 2.d.d2 und 2.f deutlich hervorgehenden Alternativität die Anweisung erhält, dass die Entscheidung €anhand des für die Nutzerklasse relevanten Zugriffsklassenbits€ zu treffen ist, wenn er den Gegensatz zwischen dem Plural €Zugriffsschwellwertbits€ und dem Singular €Zugriffsklassenbit€ würdigt und wenn er weiter erkennt, dass das Klagepatent sich auch an anderer Stelle mit dem €Wie€ der Übertragung der beschriebenen Informationen befasst (insbes. Merkmal 1.c), dann lässt dieser Befund nur die Deutung zu, dass der Patentanspruch auch in den Merkmalen 2.d und 2.f klarstellen will, auf welche Weise der Mobilstation die Entscheidung über die Zulässigkeit des schwellwertunabhängigen Zugriffs signalisiert wird, nämlich durch die Übertragung eines formellen Bits für jede Nutzerklasse. Auch hier schließt der Senat nicht etwa von vornherein aus, dass in den Merkmalen eine Selbstverständlichkeit wiederholt wird (vgl. BGH a.a.O. € Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung). Entscheidend ist vielmehr, dass sich die Merkmale 2.d und 2.f in das Gesamtbild einer technischen Lehre fügen, die sowohl das abstrakte Lösungskonzept (Schwellwertauswertung und Möglichkeit der Privilegierung) als auch dessen konkrete Signalisierung (auf der Signalisierungsebene des BCCH) in den Blick nimmt.

Für diese Auslegung spricht auch der Inhalt der Beschreibung und die Ausführungsbeispiele. Der Darstellung der €Vorteile der Erfindung€ ist zu entnehmen, dass die Zugriffskontrolle nur ein Minimum an Übertragungskapazität in Anspruch nehmen soll (Abschn. [0009]). Dementsprechend werden die Zugriffsklassenbits in den Ausführungsbeispielen durchgängig als einzelne Bits innerhalb des jeweiligen Bitmusters dargestellt (vgl. Abschn. [0027] ff. und Fig. 3b sowie Abschn. [0034] ff. und Fig. 3c).

In dieser Würdigung sieht sich der Senat durch die Entscheidungen der Technischen Beschwerdekammer (Anlage K 71) und der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts (Anlage K 75) bestätigt. Beide Entscheidungen gehen erkennbar davon aus, dass es sich bei dem Teilmerkmal €anhand des (für die Nutzerklasse relevanten) Zugriffsklassenbits€ nicht um eine an sich überflüssige Klarstellung des logischen Verhältnisses der beiden Zugriffsberechtigungsalternativen, sondern um eine Anweisung mit eigenem technischen Gehalt handelt, und zwar zur Signalisierung des Kriteriums für die Entscheidung, ob die Nutzerklasse zum privilegierten, schwellwertunabhängigen Zugriff berechtigt ist. Beispielhaft seien die Ausführungen der Technischen Beschwerdekammer in Abschnitt 4.3 wiedergegeben:

€Artikel 123 (3) EPÜ

Im Vergleich zu Anspruch 1 in der erteilten Fassung wurde der beanspruchte Gegenstand dahingehend geändert, dass die Mobilstation nunmehr dazu eingerichtet ist, Informationssignale mit Zugriffsberechtigungsdaten, welche Zugriffsschwellwertbits und Zugriffsklassenbits aufweisen, als ein Bitmuster zu empfangen. Des weiteren wurde €anhand der für die Nutzerklasse (35, 40) relevanten Zugriffsklasseninformationen€ durch €anhand des für die Nutzerklasse (35, 40) relevanten Zugriffsklassenbits€ ersetzt. Somit wurde der Begriff €Zugriffsklasseninformationen€ durch €Zugriffsklassenbits€ bzw. ein €Zugriffsklassenbit€ näher spezifiziert. Diese Änderungen führen demzufolge nicht zu einer Erweiterung des Schutzbereichs des Patents, sondern zu dessen Einschränkung.€ (Anlage K 71; Hervorhebungen im Original)

In der (zweiten) Entscheidung der Einspruchsabteilung (Anlage K 75) wird beispielsweise ausgeführt:

€Selbst wenn man D4 so verstehen würde, lässt D4 völlig offen, wie der Kanalzugriff in diesem Fall zu steuern wäre.

Sollte der Fachmann auch die Realisierung mittels Zugriffsklassenbits, die für die Nutzerklassen stehen, vorsehen, gibt es in D4/D5 keinen Hinweis diese Zugriffsklassenbits als Teil der Zugriffsberechtigungsdaten vorzusehen, die bereits den nicht nutzerklassenspezifischen Schwellwert beinhalten. D4 vermag dem Fachmann eine Anregung geben, dass spezielle Nutzerklassen mittels Informationssignale angezeigt werden können; eine konkrete Lösung wie diese Anzeige implementiert werden soll ist jedoch durch D4/D5 nicht offenbart und hätte vom Fachmann nicht ohne zusätzliche Überlegungen zur Signalisierung realisiert werden können.

Die Merkmale 4 und 6, gemäß denen die Zugriffsberechtigungsdaten Zugriffsklassenbits enthalten und das anhand des Zugriffsklassenbits der entsprechenden Nutzerklasse geprüft wird, ob die Mobilstation unabhängig von den Zugriffsschwellwertbits auf den RACH zugreifen darf, sind durch die Dokumente D4/D5 nicht nahegelegt.€ (Anlage K 75, S. 16. Hervorhebung im Original)

Der Abschnitt [0036], auf den sich die Klägerin beruft, kann ein anderes Auslegungsergebnis nicht rechtfertigen. Angesichts der Deutlichkeit, mit der sich der Patentanspruch für die Entscheidung zwischen schwellwertabhängiger und schwellwertunabhängiger Zugriffsberechtigung auf die Lösung €pro Nutzerklasse ein maßgebliches Zugriffsklassenbit€ festgelegt hat, gilt der Grundsatz, dass bei Widersprüchen zwischen Anspruch und Beschreibung der Anspruchsinhalt vorrangig ist. Nach der Vorgabe in Art. 69 Abs. 1 S. 1 EPÜ wird der Schutzbereich eines Patents durch die Patentansprüche bestimmt. Damit diese Bestimmung so erfolgen kann, dass die Ziele des Artikels 1 des Auslegungsprotokolls erreicht werden, ist zunächst unter Berücksichtigung von Beschreibung und Zeichnungen der technische Sinngehalt zu ermitteln, der dem Wortlaut des Patentanspruchs aus fachmännischer Sicht beizumessen ist. Zwar ist ein buchstäbliches Verständnis der Patentansprüche nicht zur Erfassung des geschützten Gegenstands geeignet, andererseits darf der Schutzgegenstand aber auch nicht durch Verallgemeinerung konkreter, im Anspruch angegebener Lösungsmittel erweitert werden. Insbesondere darf ein engerer Patentanspruch nicht nach Maßgabe einer weiter gefassten Beschreibung interpretiert werden. Der Patentanspruch hat vielmehr Vorrang gegenüber der Beschreibung. Was in den Patentansprüchen keinen Niederschlag gefunden hat, kann nicht unter den Schutz des Patents fallen. Die Beschreibung und die Zeichnungen sind zwar nach Art. 69 Abs. 1 S. 2 EPÜ zur Auslegung der Patentansprüche heranzuziehen, da diese der Erläuterung der Patentansprüche dienen. Beschreibung und Zeichnungen sind mithin heranzuziehen, um den Sinngehalt des Patentanspruchs zu ermitteln. Ihre Heranziehung darf aber weder zu einer inhaltlichen Erweiterung noch zu einer sachlichen Einengung des durch den Wortsinn des Patentanspruchs festgelegten Gegenstands führen (BGH a.a.O. juris-Rn. 26 € Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung). Lassen sich die technische Lehre der Beschreibung und die technische Lehre des Patentanspruchs nicht in Einklang bringen, ist der Patentanspruch maßgeblich. Bei Widersprüchen zwischen Patentansprüchen und Beschreibung sind solche Bestandteile der Beschreibung, die in den Patentansprüchen keinen Niederschlag gefunden haben, grundsätzlich nicht in den Patentschutz einbezogen. Die Beschreibung darf somit nur insoweit berücksichtigt werden, als sie sich als Erläuterung des Gegenstands des Patentanspruchs lesen lässt. (BGHZ 189, 330 = GRUR 2011, 701 Rn. 23 m.w.N. - Okklusionsvorrichtung).

Auch die Überlegung, dass die Fachwelt grundsätzlich bestrebt ist, die Patentschrift in einem sinnvollen Zusammenhang zu lesen und ihren Gesamtinhalt im Zweifel so zu verstehen, dass sich Widersprüche nicht ergeben, führt im Streitfall nicht zu einem anderen Ergebnis. Dieser Grundsatz wird nämlich durch den Vorrang des Patentanspruchs eingegrenzt. Kann, wie hier, der Wortlaut des Patentanspruchs mit einer Beschreibungsstelle nicht in Einklang gebracht werden, kann die Beschreibung nicht zur "Korrektur" des Patentanspruchs herangezogen werden; andernfalls würde gegen den Grundsatz des Vorrangs des Patentanspruchs verstoßen (vgl. BGH a.a.O. Rn. 24 € Okklusionsvorrichtung). Das gilt umso mehr, als jedenfalls der sonstige Inhalt der Patentschrift das aus Wortlaut, Systematik und technischem Zusammenhang der Anspruchsmerkmale herzuleitende Verständnis stützt, wonach es auf eine Entscheidung anhand eines einzelnen Zugriffsklassenbits ankommt.

Dass Abschnitt [0036] der Beschreibung eine weitere Auslegung der Merkmale 2.d. und 2.f nicht rechtfertigen kann, ergibt sich zudem aus der € nach Auffassung des Senats zulässigen € Würdigung des Klagepatents in seiner erteilten Fassung. Die Merkmale des ursprünglichen Patentanspruchs 1, dessen Wortlaut unter I. wiedergegeben ist, lassen sich wie folgt gliedern:

1. Mobilstation zum Betrieb in einem UMTS Mobilfunknetz;

a. in dem Mobilfunknetz werden mehrere Nutzerklassen unterschieden;

2. die Mobilstation ist dazu eingerichtet,

a. eine Nutzerklasse von einer SIM-Karte zu lesen;

b. über einen Broadcast Control Channel Zugriffsschwellwertbits und Zugriffsklasseninformationen zu empfangen,

c. aus den Zugsschwellwertbits einen Zugriffsschwellwert zu ermitteln,

d. anhand der für die Nutzerklasse relevanten Zugriffsklasseninformationen zu ermitteln,

d1. ob die Mobilstation unabhängig von den empfangenen Zugriffsschwellwertbits auf einen wahlfreien Zugriffskanal, zum Beispiel RACH, zugreifen darf, oder

d2. ob die Zugriffsberechtigung auf den wahlfreien Zugriffskanal zum Beispiel RACH, in Abhängigkeit von einer Zugriffsschwellwertauswertung ermittelt wird.

(Hervorhebung hinzugefügt)

Anders als in der nunmehr eingeführten Anspruchsfassung soll die Mobilstation nach dem ursprünglichen Anspruch 1 (und auch nach dem ursprünglich enthaltenen Verfahrensanspruch 2) die Entscheidung zwischen €Lotterie€ und €Vorrang€ nicht €anhand des für die Nutzerklasse relevanten Zugriffsklassenbits€, sondern €anhand der für die Nutzerklasse relevanten Zugriffsklasseninformationen€ treffen. Wie umfangreich diese Zugriffsklasseninformationen sind, überlässt der Wortlaut des erteilten Anspruchs 1 dem Fachmann. In der Beschreibung des Klagepatents werden aber ausschließlich Ausführungsbeispiele erörtert, bei denen jeder Nutzerklasse nur ein einzelnes Zugriffsklassenbit zugeordnet wird (vgl. z.B. [0034] Z. 38-40). Legt man das Klagepatent in seiner erteilten Fassung nach den anerkannten Grundsätzen aus, kommt diesen Ausführungsbeispielen € trotz der Betonung einer Minimierung der Übertragungskapazität ([0009]) € keine den Schutzbereich beschränkende Bedeutung zu, wie jedenfalls in Abschnitt [0036] durch den Verweis auf die Möglichkeit einer €umfangreicheren Signalisierung€ klargestellt wird.

Im Gefüge des erteilten Klagepatents ist also Abschnitt [0036] mit seinem Verweis auf die Möglichkeit einer umfangreicheren Signalisierung ohne weiteres verständlich; er macht klar, dass die Ausführungsbeispiele mit ihren einzelnen Zugriffsklassenbits nur die exemplarischen €Minimalfälle€ darstellen und gegenüber dem weiteren Anspruchswortlaut, der auf die €für die Nutzerklasse relevanten Zugriffsklasseninformationen€ abstellt, keine Beschränkung bewirken sollen.

Bei einem Vergleich mit dem neu eingereichten Patentanspruch wird deutlich, dass sich das Gefüge der Patentschrift völlig verändert hat. Wie dargestellt, enthält der Patentanspruch in seiner nunmehr geltend gemachten Fassung konkretere, begrifflich präzise gefasste Anweisungen zur Signalisierung der €Zugriffsberechtigungsdaten€; die (wiederholte) Verwendung des Singulars €Zugriffsklassenbit€ macht im Rahmen der Anspruchssystematik deutlich, dass die Entscheidung zwischen €Vorrang€ und €Lotterie€ in der Tat € wie in den Ausführungsbeispielen € durch ein einzelnes, der jeweiligen Nutzerklasse zugeordnetes Bit getroffen werden soll. Würde man € wie es die Klägerin befürwortet € aus Abschnitt [0036] weiterhin entnehmen, dass die Entscheidung auch anhand einer Folge mehrerer Bits getroffen werden kann, so käme diesem Abschnitt nicht mehr € wie in der erteilten Fassung € eine den (ursprünglich weiteren) Anspruchswortlaut bestätigende, sondern eine den (nunmehr engeren) Anspruchswortlaut und die Anspruchssystematik korrigierende Bedeutung zu.

Die Heranziehung der ursprünglichen Fassung des Klagepatents zeigt dem Fachmann somit, dass Abschnitt [0036], der sich in der ursprünglichen Fassung zwanglos mit dem fraglichen Merkmal vereinbaren ließ, trotz der gerade auch beim fraglichen Merkmal erfolgten Änderung des Anspruchswortlauts €stehengeblieben€ ist. Dies ist ein weiterer gewichtiger Anhaltspunkt dafür, dass auf die Erwähnung einer umfangreicheren Signalisierung in Abschnitt [0036] ein rein funktionales Verständnis des Zugriffsklassenbits im Sinne der Merkmale 2.d (neu) und 2.f (neu) nicht gestützt werden kann.

Ob und inwieweit die €Erteilungshistorie€ des Klagepatents bei dessen Auslegung berücksichtigt werden kann, ist allerdings nicht abschließend geklärt. Für die Schutzbereichsbestimmung sind nach Art. 69 Abs. 1 EPÜ die Patentansprüche maßgeblich, zu deren Auslegung die Beschreibung und die Zeichnungen heranzuziehen sind. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der der Senat in ständiger Praxis folgt, kommt es daher nicht auf Vorgänge im Erteilungsverfahren an, die der Patenterteilung vorausgegangen sind. Es besteht auch kein praktisches Bedürfnis dafür, Vorgängen im Erteilungs- wie im Einspruchsverfahren als solchen, die in der Patentschrift oder in der geänderten Patentschrift keinen Niederschlag gefunden haben, für sich schutzbegrenzende Wirkungen zuzuerkennen. Soweit sie, insbesondere durch beschränkte Aufrechterhaltung, in der Patentschrift ihren Niederschlag gefunden haben, ergibt sich ihre Beachtlichkeit unmittelbar aus der Regelung in Art. 69 EPÜ (BGHZ 150, 161 = GRUR 2002, 511 juris-Rn. 33 m.w.N. € Kunststoffrohrteil; vgl. auch Kraßer, Patentrecht, 6. Aufl., § 32 III.4.; Ann Mitt. 2000, 181; je m.w.N., sowie die nachstehend angeführte Literatur). Weitergehend wird auch die Beachtlichkeit von Änderungen des Streitpatents, die aus den entsprechenden Veröffentlichungen des Schutzrechts oder seiner Anmeldung ersichtlich sind, überwiegend verneint (vgl. ausführlich Benkard/Scharen, EPÜ, 2. Aufl., Art. 69 Rn. 27 ff.; Schulte/Rinken/Kühnen, Patentgesetz mit EPÜ, 9. Aufl., § 14 Rn. 45; Kühnen GRUR 2012, 664 ff.; kritisch, aber letztlich offenlassend OLG Düsseldorf GRUR-RR 2014, 185, 196 € WC-Sitzgelenk [zum Rekurs auf die offengelegte Anmeldung]; offen Busse/Keukenschrijver, Patentgesetz, 7. Aufl., § 14 Rn. 48 f.; Fitzner/Lutz/Bodewig/Ahrens, Patentrechtskommentar, 4. Aufl., Art. 69 EPÜ Rn. 78 ff.; Rogge, Festschrift König (2003), 451, 461 ff.; alle m.w.N.). Der Bundesgerichtshof hat diese Frage in jüngerer Zeit wiederholt offengelassen (BGHZ 189, 330 = GRUR 2011, 701 Rn. 25 € Okklusionsvorrichtung; BGH GRUR 2010, 602 Rn. 33 € Gelenkanordnung).

Nach Auffassung des Senats kann jedenfalls in einer Konstellation wie der vorliegenden zur Behebung etwaiger Zweifel hinsichtlich der Auslegung des geänderten Patentanspruchs auf die ursprüngliche Fassung des Klagepatents zurückgegriffen werden. Ein Verstoß gegen Art. 69 Abs. 1 EPÜ liegt darin nicht. Die erteilte Fassung des Klagepatents ist € da das Einspruchsverfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen ist € die derzeit rechtlich maßgebende und derzeit allein veröffentlichte Fassung des Schutzrechts. Es geht also nicht um die Heranziehung der Erteilungsakten oder sonstiger patentfremder Unterlagen, sondern um die Klärung der Frage, welche Bedeutung eine bestimmte Beschreibungsstelle für die Auslegung des geänderten, zulässigerweise im Verletzungsverfahren geltend gemachten Patentanspruchs hat. Bedenken unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit können in dieser Konstellation nicht bestehen. Der Senat verkennt nicht, dass sich Fälle wie der vorliegende, in denen nach einer Änderung des Schutzrechts Teile der Beschreibung €stehengeblieben€ sind, unter Rückgriff auf die in der Entscheidung €Okklusionsvorrichtung€ wiedergegebenen Grundsätze zutreffend lösen lassen (so Scharen Rn. 27 a.a.O.); das ergibt sich bereits aus den obigen Ausführungen. Die Erkenntnis, dass es sich um einen solchen Fall handelt, lässt sich aber zumindest zuverlässiger gewinnen, wenn die erteilte Fassung des Patents berücksichtigt wird. Vielfach ist in solchen Fällen nicht leicht zu entscheiden, ob eine Beschreibungsstelle im Widerspruch zum Anspruchsinhalt steht (so dass die Grundsätze der Entscheidung €Okklusionsvorrichtung€ anzuwenden sind) oder ob sie erst den Weg zum maßgeblichen €patenteigenen€ Verständnis der Anspruchsmerkmale weist (vgl. BGH GRUR 1999, 909 € Spannschraube). Gegen die Heranziehung der veröffentlichten erteilten Fassung des Klageschutzrechts als Auslegungshilfsmittel bestehen aus Sicht des Senats in diesen Fällen keine durchgreifenden Bedenken.

(2) Der Parameter €AC-to-ASC Mapping€, auf den sich die Klägerin als Zugriffsklassentbit(s) beruft und der nach dem Standard darüber entscheidet, ob eine bestimmte Nutzerklasse der stets zugriffsberechtigten ASC 0 zugeordnet wird, umfasst unstreitig 3 Bits, weil er eine Zuordnung zu insgesamt 8 ASCs (ASC 0 bis ASC 7) ermöglichen soll. Nach dem Ausgeführten ist er somit als solcher zur Verwirklichung der Merkmale 2.d und 2.f nicht geeignet.

Soweit die Klägerin auch hier auf die Unterscheidung zwischen €physikalischen Bits€ und €logischen Bits€ sowie darauf verweist, dass die Übertragung von Zugriffsberechtigungsdaten über einen BCCH eine höhere Abstraktionsebene betrifft, ist insoweit ein Unterschied zwischen dem Standard und der geschützten Lehre des Klagepatents nicht ersichtlich. Sowohl das Klagepatent als auch der Standard sehen vor, dass die Zugriffsberechtigungsdaten bzw. die SIBs 5 und 7 über einen Broadcast Control Channel übermittelt werden. Selbst wenn man also annähme € wozu sich die Patentschrift nicht verhält €, dass die Übertragung eines €Bits€ auf der vom Klagepatent angesprochenen Kommunikationsebene durch die Übertragung mehrerer €physikalischer Bits€ einer niedrigeren Kommunikationsebene geschehen könne, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die 3 Bits des Parameters €AC-to-ASC Mapping€ auf einer solchen €niedrigeren€ Kommunikationsebene übertragen werden. Die 3 Bits des Parameters €AC-to-ASC Mapping€ sollen eine Entscheidung zwischen 8 verschiedenen ASCs ermöglichen; es handelt sich also jedenfalls im Ausgangspunkt gerade nicht um eine bloße €umfangreichere Signalisierung€ einer binären Entscheidung.

Die Klägerin beruft sich darauf, dass der Standard € insoweit unstreitig € es auch zulässt, dass den Access Classes nur zwei Access Service Classes zugeordnet werden, nämlich die ASC 0 und die ASC 1. Auch dieser Umstand vermag indessen € für sich genommen € die Benutzung der Merkmale 2.d und 2.f nicht zu begründen. Zwar unterscheidet sich der Parameter €AC-to-ASC Mapping€ für die ASC 0 und die ASC 1 nur in einem einzigen Bit (0 0 0 vs. 0 0 1). Da aber nach dem Standard insgesamt 8 ASCs (ASC 0 bis ASC 7) bestehen können, muss die Mobilstation € zumindest in Ermangelung sonstiger €Erkenntnisquellen€ € alle drei Bitstellen auswerten, um zu ermitteln, ob sie der privilegierten ASC 0 zugeordnet wird oder nicht.

Mit Schriftsatz vom 25.04.2014 hat die Klägerin ergänzend die Möglichkeit vorgetragen, dass den Mobilstationen im UMTS-Netzwerk über den Parameter €NumASC€ mitgeteilt wird, dass nur zwischen den beiden ASCs 0 und 1 unterschieden werde. In einem solchen Mobilfunknetz könnten die Mobilstationen aufgrund der €NumASC€-Limitierung also nur die ASC 0 und die ASC 1 verstehen. In dieser Konstellation wisse die Mobilstation, dass sie einzig und allein ASC 0 und ASC 1 unterscheiden müsse. Damit sei genau ein Bit relevant dafür, welcher Zugriffsweg eingeschlagen werde; die beiden weiteren Bitstellen seien insoweit redundant.

Die Klägerin bestreitet allerdings ausdrücklich nicht, dass auch in dem von ihr gebildeten Szenario die ersten beiden Bitstellen des Parameters €AC-to-ASC Mapping€ ausgelesen werden. Sie ist aber der Auffassung, dieser Umstand mache die beiden weiteren Bits nicht zu €relevanten Zugriffsklassenbits€; der Anspruch schließe nicht aus, dass die Mobilstation weitere Bits auslese, die mit der Entscheidung über das Beschreiten des einen oder des anderen Zugriffsweges nichts zu tun hätten.

Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Bei der Ermittlung, ob die Mobilstation der ASC 0 zugeordnet wird, werden alle drei Bitstellen nicht nur ausgelesen (insoweit unstreitig), sondern auch ausgewertet. Es ist nichts dafür vorgetragen oder ersichtlich, dass sich die Auswertung des Parameters €AC-to-ASC Mapping€ für das von der Klägerin dargestellte Szenario ändert; der Punkt wurde in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angesprochen. Letztlich läuft der Vortrag der Klägerin daher darauf hinaus, dass in dem von ihr genannten Szenario auf die Auswertung der beiden ersten Bitstellen auch verzichtet werden könnte; es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass auf die Auswertung in diesem Fall verzichtet wird. Damit ist die Mobilstation auch in dem von der Klägerin dargestellten Szenario nicht dazu eingerichtet, (nur) anhand eines einzigen für die Nutzerklasse relevanten Zugriffsklassenbits über den schwellwertunabhängigen Zugriff zu entscheiden. Da die Mobilstation so eingerichtet ist, dass sie immer alle drei Bits des Parameters €AC-to-ASC Mapping€ ausliest und (auch) für die Entscheidung zwischen ASC 0 und ASC 1 auswertet (obwohl es in dem von der Klägerin vorgetragenen Szenario auf die ersten beiden Bits nicht ankommt), reicht der bloße Umstand, dass die Auswertung der ersten beiden Bits überflüssig ist, für die Verwirklichung der Merkmale 2.d und 2.f nicht aus.

Auch das Argument der Klägerin, in diesem Fall gebe es nur ein für die Nutzerklasse relevantes Zugriffsklassenbit im Sinne des Merkmals 2.d, vermag nicht zu überzeugen. Denn es geht im Merkmal 2.d nicht um die Relevanz des Zugriffsklassenbits für die Entscheidung €Vorrang oder Lotterie€, sondern um die Relevanz für die (jeweilige) Nutzerklasse. Das Merkmal besagt, dass jeder Nutzerklasse genau ein Bit zugeordnet ist und dass anhand dieses für die Nutzerklasse relevanten Zugriffsklassenbits ermittelt wird, ob dieser Nutzerklasse ein schwellwertunabhängiger Zugriff erlaubt ist oder nicht. Mit dem Parameter €AC-to-ASC Mapping€ sind der Nutzerklasse AC aber nicht ein, sondern drei Bit zugeordnet, anhand derer die Berechtigung der jeweiligen AC zum schwellwertunabhängigen Zugriff ermittelt wird.

Im Ergebnis fehlt es daher an einer wortsinngemäßen Verwirklichung der Merkmale 2.d und 2.f in der von der Klägerin geltend gemachten Anspruchsfassung durch den Standard.

6. Auch eine Patentverletzung mit äquivalenten Mitteln liegt nicht vor.

Damit eine vom Wortsinn des Patentanspruchs abweichende Ausführung in dessen Schutzbereich fällt, muss regelmäßig dreierlei erfüllt sein. Die Ausführung muss erstens das der Erfindung zugrunde liegende Problem mit (zwar abgewandelten, aber) objektiv gleichwirkenden Mitteln lösen. Zweitens müssen seine Fachkenntnisse den Fachmann befähigen, die abgewandelte Ausführung mit ihren abweichenden Mitteln als gleichwirkend aufzufinden. Die Überlegungen, die der Fachmann hierzu anstellen muss, müssen schließlich drittens am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten Lehre orientiert sein. Sind diese Voraussetzungen der Gleichwirkung, der Auffindbarkeit und der Orientierung am Patentanspruch erfüllt, ist die abweichende Ausführung mit ihren abgewandelten Mitteln aus fachmännischer Sicht als der wortsinngemäßen Lösung gleichwertige (äquivalente) Lösung in Betracht zu ziehen und damit nach dem Gebot des Artikels 2 des Protokolls über die Auslegung des Art. 69 EPÜ bei der Bestimmung des Schutzbereichs des Patents zu berücksichtigen (vgl. BGHZ 150, 149, 154 € Schneidmesser I; BGH GRUR 2007, 58 Rn. 24 € Pumpeinrichtung). Der Schutzbereich des Patents wird auf diese Weise nach Maßgabe dessen bestimmt, was der Fachmann auf der Grundlage der erfindungsgemäßen Lehre als äquivalent zu erkennen vermag, und damit an dem Gebot des Art. 1 des Auslegungsprotokolls ausgerichtet, bei der Bestimmung des Schutzbereichs einen angemessenen Schutz für den Patentinhaber mit ausreichender Rechtssicherheit für Dritte zu verbinden (BGH GRUR 2011, 313 Rn. 35 € Crimpwerkzeug IV).

Im Streitfall kann unterstellt werden, dass eine Signalisierung der schwellwertunabhängigen Zugriffsberechtigung der jeweiligen Nutzerklasse mit drei Bits zur Lösung des der Erfindung zugrunde liegenden Problems (noch) gleichwirkend und für den Fachmann aufgrund seiner Fachkenntnisse im Prioritätszeitpunkt auffindbar war. Es fehlt jedenfalls an dem Erfordernis, dass die Überlegungen, die der Fachmann anstellen muss, um die abgewandelte Ausführung aufzufinden, am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten technischen Lehre orientiert sind. Die Beurteilung der sog. Gleichwertigkeit des abweichenden Mittels ist eine Rechtsfrage (BGHZ 189, 330 = GRUR 2011, 701 Rn. 31 € Okklusionsvorrichtung).

Orientierung am Patentanspruch setzt voraus, dass der Patentanspruch in allen seinen Merkmalen nicht nur den Ausgangspunkt, sondern die maßgebliche Grundlage für die Überlegungen des Fachmanns bildet. Trifft der Patentanspruch eine Auswahlentscheidung zwischen verschiedenen Möglichkeiten, eine technische Wirkung zu erzielen, müssen die fachmännischen Überlegungen zu möglichen Abwandlungen gerade auch mit dieser Auswahlentscheidung in Einklang stehen (BGH a.a.O. Rn. 35 € Okklusionsvorrichtung). Wenn das Patent bei objektiver Betrachtung hinter dem weiter gehenden technischen Gehalt der Erfindung zurückbleibt, ist der Schutz auf das zu beschränken, was noch mit dem Sinngehalt seiner Patentansprüche in Beziehung zu setzen ist. Eine Ausführungsform ist aus dem Schutzbereich des Patents ausgeschlossen, wenn sie zwar offenbart oder für den Fachmann jedenfalls auffindbar ist, der Leser der Patentschrift aber annehmen muss, dass sie € aus welchen Gründen auch immer € nicht unter Schutz gestellt werden sollte. Eine Patentverletzung mit äquivalenten Mitteln ist also in der Regel zu verneinen, wenn die Beschreibung mehrere Möglichkeiten offenbart, wie eine bestimmte technische Wirkung erzielt werden kann, jedoch nur eine dieser Möglichkeiten in den Patentanspruch aufgenommen worden ist (BGH GRUR 2012, 45 Rn. 44 € Diglycidverbindung).

So liegt der Fall hier. Die Frage, wie viele Bits zur Signalisierung des Zugriffsschwellwerts und der Zugriffsklasseninformation verwendet werden, wird in der Beschreibung in Abschnitt [0036] ausdrücklich angesprochen. Dort wird ausgeführt, dass die Anzahlen der Bits, die im ersten, zweiten und dritten Bitmuster 45, 50, 55 für u.a. diese Informationen verwendet werden, nur beispielhaft zu verstehen seien und € €beispielsweise zum umfangreicheren Signalisieren€ € erhöht und zur Bandbreitenreduktion verringert werden könnten mit der Folge, dass sich die Gesamtlänge des Bitmusters ändere. Trotz dieser ausdrücklichen Erwähnung einer Erhöhung der Bitzahl zur umfangreicheren Signalisierung hat sich aber der Patentanspruch mit großer Deutlichkeit auf die €Ein-Bit-Lösung€ festgelegt. Das belegt wiederum der € auch hier zulässige € Vergleich mit der erteilten Fassung des Klagepatents, aber auch die oben wiedergegebene Argumentation der Technischen Beschwerdekammer. Der Patentanspruch in seiner nunmehr geltend gemachten Fassung folgt (auch) insoweit der in den Ausführungsbeispielen genannten Lösung (vgl. Anlage K 71, S. 7, Abschn. 4.2, und S. 12, Abschn. 4.3). Der Fall liegt damit anders als der vom Oberlandesgericht Düsseldorf entschiedene, in dem eine Auswahlentscheidung des Patentanspruchs verneint wurde (OLG Düsseldorf GRUR-RR 2014, 185, 193 ff. € WC-Sitzgelenk).

Unter Berücksichtigung des Gesichtspunkts der Rechtssicherheit, der gleichwertig neben den Aspekt eines angemessenen Schutzes der erfinderischen Leistung tritt (BGHZ 150, 149 = GRUR 2002, 515 juris-Rn. 30 € Schneidmesser I), scheidet hiernach eine Auslegung aus, die die Fokussierung des Patentanspruchs auf die €Ein-Bit-Lösung€ wieder aufhebt und andere, umfangreichere Signalisierungen in den Schutzbereich einbezieht. Der Fachmann entnimmt dem für den Schutzbereich maßgeblichen Patentanspruch, dass das Klagepatent konkrete Vorgaben über das €Wie€ der Informationsübertragung macht und dass für die binäre Entscheidung zwischen schwellwertabhängigem und schwellwertunabhängigem Zugriff nur ein einziges, für die jeweilige Nutzerklasse relevantes Zugriffsklassenbit maßgeblich sein soll.

Standardkonforme Ausführungsformen machen also von der technischen Lehre des geltend gemachten Klagepatentanspruchs keinen Gebrauch. Im Hinblick auf die nicht benutzten Merkmale 2.d und 2.f bestehen für die von den Beklagten vorgetragenen abgewandelten Ausführungen keine Unterschiede, so dass es eines gesonderten Eingehens auf diese Abwandlungen nicht bedarf. Da das Klagepatent in der geltend gemachten Fassung nicht verletzt ist, hat die Berufung der Beklagten Erfolg, während die Berufung der Klägerin zurückzuweisen ist.

D. Nebenentscheidungen

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 91a, 269 Abs. 3 S. 2, 92 Abs. 1 ZPO; die Beklagte zu 1 trägt die Kosten, soweit sie auf die von ihr (unbedingt) erhobene und im Senatstermin zurückgenommenen Widerklageanträge entfallen. Bei der Bildung der (gerundeten) Quoten hat der Senat einerseits die plausible und nicht beanstandete Streitwertfestsetzung des Landgerichts (Beschluss vom 18.02.2011: 30 Mio. Euro für das Gesamtverfahren einschließlich der Widerklage), andererseits die ebenfalls unbeanstandete Angabe der Beklagten zu 1 zum Streitwert der Widerklage (Schriftsatz vom 02.12.2010: 2,436 Mio. Euro) zugrundegelegt. Einer Entscheidung über die Kosten der ehemaligen Streithelferin der Beklagten (Telekom Deutschland GmbH) nach § 101 Abs. 1 ZPO bedarf es nicht. Die Streithelferin hat mit Schriftsatz vom 24.06.2011 (AS II 1145) die Rücknahme ihres Beitritts erklärt. Damit ist sie so zu behandeln, als wäre der Beitritt nie erfolgt (§ 269 Abs. 3 S. 1 ZPO analog).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision war wegen der Relevanz der Entscheidung für eine Vielzahl paralleler Verfahren mit erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung zuzulassen, § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.






OLG Karlsruhe:
Urteil v. 09.07.2014
Az: 6 U 29/11


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/d1101ec99e20/OLG-Karlsruhe_Urteil_vom_9-Juli-2014_Az_6-U-29-11




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