Bundespatentgericht:
Beschluss vom 11. April 2001
Aktenzeichen: 32 W (pat) 17/00

(BPatG: Beschluss v. 11.04.2001, Az.: 32 W (pat) 17/00)

Tenor

Die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markeamtes - Markenstelle für Klasse 41 - vom 19. Juli 1999 und 4. Oktober 1999 werden aufgehoben, soweit die Anmeldung für die Waren und Dienstleistungen: "Belichtete Filme und bespielte Videobänder, Videospielkassetten, Compact Discs (CD, CD-ROM); Programme für die Datenverarbeitung; Schreib- und Papierwaren, insbesondere Schreibgarnituren, Schreibgeräte, Schreibmaterialien und Schreibunterlagen; Spielkarten; Werbung für Dritte in gedruckter oder elektronischer Form, betriebswirtschaftliche und politische Beratung von Unternehmen; Öffentlichkeitsarbeit (Public ralations); Herausgabe von Werbetexten; Verpflegung von Gästen in Restaurants"

zurückgewiesen wurde.

Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I.

Beim Deutschen Patent- und Markenamt ist die Bezeichnung Boulevard Berlinfür Belichtete Filme und bespielte Videobänder, Videospielkassetten, Compact Discs (CD, CD-ROM); Programme für die Datenverarbeitung; Druckereierzeugnisse aller Art (Zeitungen, Zeitschriften, Bücher, Handzettel, Plakate); Schriften (Veröffentlichungen); Schreib- und Papierwaren, insbesondere Schreibgarnituren, Schreibgeräte, Schreibmaterialien und Schreibunterlagen; Spielkarten; Werbung für Dritte in gedruckter oder elektronischer Form, betriebswirtschaftliche und politische Beratung von Unternehmen; Öffentlichkeitsarbeit (Public Relations); Herausgabe von Werbetexten; Telekommunikation, Kommunikation durch faseroptische Netze; Nachrichten- und Bildübermittlung, insbesondere mittels Computer; Herstellung und Verbreitung von Rundfunk- und Fernsehsendungen; Ausstrahlung von Kabelfernseh- und Rundfunksendungen Sammeln und Liefern von Nachrichten; Organisation und Durchführung von Veranstaltungen zur Unterhaltung; Herausgabe von Texten (Verlagswesen); Verpflegung von Gästen in Restaurantszur Eintragung als Wortmarke angemeldet worden. Die Markenstelle für Klasse 41 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat die Anmeldung in zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, zurückgewiesen, weil der angemeldeten Wortmarke jegliche Unterscheidungskraft fehle und sie freihaltebedürftig sei.

Hiergegen haben die Anmelder Beschwerde eingelegt.

Die Anmelder beantragen, die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamtes, Markenstelle für Klasse 41, vom 19. Juli 1999 und 4. Oktober 1999 aufzuheben.

Zur Begründung führen sie aus, "Boulevard Berlin" beschreibe nicht unmittelbar die angemeldeten Waren und Dienstleistungen, sei mithin unterscheidungskräftig und auch nicht für Mitbewerber freizuhalten.

II.

Die zulässige Beschwerde ist teilweise begründet.

Der begehrten Eintragung von "Boulevard Berlin" in das Markenregister steht für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen Belichtete Filme und bespielte Videobänder, Videospielkassetten, Compact Discs (CD, CD-ROM); Programme für die Datenverarbeitung; Schreib- und Papierwaren, insbesondere Schreibgarnituren, Schreibgeräte, Schreibmaterialien und Schreibunterlagen; Spielkarten; Werbung für Dritte in gedruckter oder elektronischer Form, betriebswirtschaftliche und politische Beratung von Unternehmen; Öffentlichkeitsarbeit (Public ralations); Herausgabe von Werbetexten; Verpflegung von Gästen in Restaurantsweder das Eintragungshindernis der fehlenden Unterscheidungskraft (§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG) noch das eines bestehenden Freihaltebedürfnisses (§ 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG) entgegen.

Nach § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, denen für die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft fehlt. Danach ist Unterscheidungskraft die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfaßten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefaßt zu werden. Dabei ist grundsätzlich von einem großzügigen Maßstab auszugehen, so daß jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft ausreicht, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drucksache 12/6581, S 70 = BlPMZ 1994, Sonderheft, S 64). Kann einer Wortmarke kein für die fraglichen Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden und handelt es sich auch sonst nicht um ein gebräuchliches Wort der deutschen Sprache oder einer bekannten Fremdsprache, das vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, fehlt es nicht an der erforderlichen Unterscheidungseignung (BGH GRUR 2000, 722, 723 "LOGO").

In Anwendung dieser Grundsätze ist der Wortfolge "Boulevard Berlin" für die vorgenannten Waren Belichtete Filme und bespielte Videobänder, Videospielkassetten, Compact Discs (CD, CD-ROM); Programme für die Datenverarbeitung; Schreib- und Papierwaren, insbesondere Schreibgarnituren, Schreibgeräte, Schreibmaterialien und Schreibunterlagen, Spielkarten;

kein beschreibender Begriffsinhalt, der auf bestimmte Eigenschaften der Waren hinweist, zu entnehmen.

Das aus dem Französischen stammende und in die deutsche Sprache eingegangene Wort "Boulevard" bedeutet in Alleinstellung "breite Ringstraße" (Duden, Deutsche Rechtschreibung, 20. Auflage S 169). Die Bezeichnung hat ausweislich der vom Senat eingeholten und den Anmeldern übersandten Internetrecherche (vgl Internetrecherche vom 31.01.2001, MetaGer) zudem die Bedeutung von "Übersicht, Überblick, über aktuelle, allgemein interessierende Themen" (vgl Internetrecherche vom 31.01.2001, MetaGer: Nr 1 Wuppertal-Bouelavard, regionales Branchenbuch von Wuppertal; Nr 3 Boulevard Baden, aktueller, umfassender Überblick über die Region Baden; Nr 4 Boulevard Ditzenbach, allgemeiner Überblick über Ditzenbach, was macht wer in Ditzenbach; Nr 19 Fränkischer Tag Bamberg-Boulevard, Überblick; Nr 23 Arbeitsrechtlicher Boulevard, umfassende Infos zum Arbeitsrecht; Nr 30, dpa-Boulevard; aktuelle Übersicht über allgemeine Ereignisse; Nr 35 Markt-Lippe Boulevard, umfassende Infos aus dieser Region; Nr 54 ARD-Brisant/Boulevard Magazin, Übersicht interessanter Themen).

Der Verkehr nimmt ein als Marke verwendetes Zeichen aber in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so auf, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer zergliedernden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl BGH MarkenR 2000, 420, 421 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION). Auszugehen ist deshalb von der Wortfolge "Boulevard Berlin".

Im Zusammenhang mit den vorgenannten Waren hat "Boulevard Berlin" keinen rein beschreibenden Begriffsinhalt, sondern wirkt unzweifelhaft wie ein Unternehmenskennzeichen.

Gleiches gilt für die Dienstleistungen Werbung für Dritte in gedruckter oder elektronischer Form, betriebswirtschaftliche und politische Beratung von Unternehmen; Öffentlichkeitsarbeit (Public ralations); Herausgabe von Werbetexten; Verpflegung von Gästen in Restaurants.

Die Bezeichnung "Boulevard Berlin" ist für die im Tenor genannten Waren und Dienstleistungen auch keine freihaltungsbedüftige Sachangabe.

Nach der Vorschrift des § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG sind von der Eintragung solche Marken ausgeschlossen, die nur aus Angaben bestehen, die im Verkehr (ua) zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können. Dabei ist auch ein aktuell noch nicht bestehendes, jedoch aufgrund konkreter Tatsachen mit hinreichender Sicherheit prognostizierbares zukünftiges Freihaltbedürfnis zu beachten. Die Wortfolge ist auch hier in ihrer Gesamtheit der Beurteilung zugrunde zu legen und keine zergliedernde Analyse vorzunehmen (vgl BGH MarkenR 2000, 420, 421 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION). Für das gesamte Zeichen konnte in Bezug auf die im Tenor genannten Waren und Dienstleistungen ein beschreibender Inhalt nicht festgestellt werden. Konkrete Anhaltspunkte für ein sich in der Zukunft abzeichnendes Freihaltebedürfnis fehlen für die vorgenannten Waren und Dienstleistungen ebenfalls.

Die Wortfolge "Boulevard Berlin" stellt hingegen die Waren Druckereierzeugnisse aller Art (Zeitungen, Zeitschriften, Bücher, Handzettel, Plakate); Schriften (Veröffentlichungen);

und für die Dienstleistungen Telekommunikation, Kommunikation durch faseroptische Netze; Nachrichten- und Bildübermittlung, insbesondere mittels Computer; Herstellung und Verbreitung von Rundfunk- und Fernsehsendungen; Ausstrahlung von Kabelfernseh- und Rundfunksendungen, Sammeln und Liefern von Nachrichten; Organisation und Durchführung von Veranstaltungen zur Unterhaltung; Herausgabe von Texten (Verlagswesen)

eine den Mitbewerbern gemäß § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG freizuhaltende Inhalts- bzw Bestimmungsangabe dar.

Wie oben bereits ausgeführt, wird der Begriff "Boulevard" in Verbindung mit einer Ortsangabe als Synonym für "Übersicht, Überblick über allgemein interessierende, populäre Themen" des betreffenden Ortes verwandt.

In Bezug auf die Waren Druckereierzeugnisse aller Art (Zeitungen, Zeitschriften, Bücher, Handzettel, Plakate); Schriften (Veröffentlichungen)

beschreibt "Boulevard Berlin" den Inhalt. "Druckereierzeugnisse aller Art" und "Schriften" können einen "Überblick oder eine Übersicht über allgemein interessierende, populäre Themen aus Berlin oder Berlin betreffend" zum Inhalt haben. Ausweislich der vom Senat eingeholten Internetrecherche bestehen zudem konkrete Anhaltspunkte für ein sich in Zukunft abzeichnendes Freihaltebedürfnis. Branchenführer, Stadtführer, Städteguides, Internetzeitschriften, Texte und Bücher werden mit "Boulevard" beschrieben. Auch Mitbewerbern der Anmelder muß es unbenommen blieben, vorgenannte Waren, die sich auf die Bundeshauptstadt beziehen, mit dem Begriff "Boulevard" zu bezeichnen.

Gleiches gilt für die Dienstleistungen Telekommunikation, Kommunikation durch faseroptische Netze; Nachrichten- und Bildübermittlung, insbesondere mittels Computer; Herstellung und Verbreitung von Rundfunk- und Fernsehsendungen; Ausstrahlung von Kabelfernseh- und Rundfunksendungen, Sammeln und Liefern von Nachrichten; Organisation und Durchführung von Veranstaltungen zur Unterhaltung; Herausgabe von Texten (Verlagswesen).

Auch hier konnte der Senat aufgrund seiner vorgenannten Internetrecherche feststellen, dass Internetzeitungen, TV-Sendungen (Nr 54 ARD-Brisant/Boulevard Magazin); Nachrichtenagenturen (Nr 30 dpa-Boulevard, aktuelle Übersicht über Ereignisse), ihre Dienstleistungen mit dem Begriff "Boulevard" bezeichnen und auch die Dienstleistung "Organisation und Durchführung von Veranstaltungen zur Unterhaltung" entsprechend benannt wird. Letzteres wird sogar von den Anmeldern zugestanden.

Winkler Sekretaruk Klante Hu






BPatG:
Beschluss v. 11.04.2001
Az: 32 W (pat) 17/00


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