Bundespatentgericht:
Beschluss vom 17. Februar 2006
Aktenzeichen: 25 W (pat) 193/99

(BPatG: Beschluss v. 17.02.2006, Az.: 25 W (pat) 193/99)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Bundespatentgericht hat in seinem Beschluss vom 17. Februar 2006 (Aktenzeichen 25 W (pat) 193/99) eine Beschwerde gegen die Zurückweisung einer Markenanmeldung abgelehnt. In der Markenanmeldung ging es um ein farbiges dreidimensionales Zeichen für verschiedene Reinigungsmittel, darunter Arzneimittel, Desinfektionsmittel etc. Die Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamts hatte die Anmeldung zunächst wegen fehlender Unterscheidungskraft abgelehnt, da die Form und Farbgebung der angefragten Ware üblich seien. Die Beschwerde wurde ebenfalls zurückgewiesen, da das vorgelegte Material nicht ausreichte, um eine Verkehrsdurchsetzung zu belegen. Das Gericht entschied, dass die angemeldete Marke keinerlei Unterscheidungskraft besitzt und somit nicht eingetragen werden kann.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 17.02.2006, Az: 25 W (pat) 193/99


Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Am 11. Dezember 1997 ist das farbige dreidimensionale Zeichenfarbiges dreidimensionales Zeichenfür die Waren

"Arzneimittel, Desinfektionsmittel, Wasserenthärtungsmittel, Reinigungsmittel, insbesondere Geschirrspülmittel und Waschmittel"

zur Eintragung in das Markenregister angemeldet worden.

Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung mit Beschluss vom 20. Juli 1998 durch eine Prüferin des gehobenen Dienstes wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen, da der Verbraucher auf dem vorliegenden Warengebiet an Zwei-Phasen-Tabletten gewöhnt sei und das Kenntlichmachen von zwei Wirkstoffen oder Schichten durch unterschiedliche Farbgebungen sowie die Form eines Quaders und die abgeschrägten Kanten üblich seien.

Die gegen diesen Beschluss eingelegte Erinnerung wurde mit Beschluss vom 25. März 1999 durch einen Prüfer des höheren Dienstes zurückgewiesen. Die angemeldete Marke, deren Markenfähigkeit nach § 3 Abs. 1 und 2 MarkenG trotz Bedenken unterstellt werden könne, entbehre jeglicher Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, und der Eintragung stehe auch ein Schutzhindernis im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen. Der Verkehr sei bei "Wasch- und Entkalkungs- und Spülmaschinenmittel" inzwischen an die Darreichungsart in Form von "Tabs", auch in der hier beanspruchten Gestaltung, gewöhnt. Die Aufteilung in zwei farblich unterschiedliche Schichten sei für so genannte Zwei-Phasen-Tabs charakteristisch und diene unabhängig von ihrer technischen Notwendigkeit dazu, die stofflich abweichende Zusammensetzung zu veranschaulichen. Auch die konkrete Farbkombination rechtfertige keine andere Betrachtung, weil die Kombination der Farben weiß und blau lediglich als gefällige Gestaltungsvariante aufgefasst werde, die aber nicht als ein von der Ware gedanklich verschiedenes, eigenartiges Zeichen begriffen werde. Davon sei jedenfalls im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung auszugehen. Auch im Bereich der Desinfektions- und Arzneimittel sei der Verkehr an Tabs und verschiedene Tablettenformen in unterschiedlichen Farbzusammenstellungen gewöhnt. Nachdem die Marke lediglich die beanspruchte Ware selbst darstelle und sich die Ware in einer etablierten Gestaltung erschöpfe, sei auch ein Freihaltungsbedürfnis zu bejahen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde der Anmelderin mit dem Antrag (sinngemäß), die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 20. Juli 1998 und vom 25. März 1999 aufzuheben.

Die angemeldete Tablettenform weise in ihrer konkreten Ausgestaltung in Form eines Quaders mit abgeschrägten Kanten, strukturierter Oberfläche und insbesondere zwei Lagen mit einer blauen und einer weißen Schicht über die rein technisch bedingte Gestaltung hinausreichende ästhetische Merkmale auf und sei insgesamt von herkunftshinweisender Originalität. Diese Voraussetzungen hätten jedenfalls im Zeitpunkt der Anmeldung vorgelegen. Die Anmelderin habe als erster Anbieter ein Geschirrspülmittel in der beanspruchten Form in der Farbkombination blau/weiß auf den Markt gebracht. Mitbewerber, die mittlerweile ebenfalls Tabs vertrieben, benutzten hierfür andere Farbkombinationen. Es könne nicht sein, dass ein Anmelder Nachfolgeprodukte gegen sich gelten lassen müsse. Zumindest sei aber die angemeldete Marke gemäß § 8 Abs. 3 MarkenG einzutragen, da sie sich im Verkehr durchgesetzt habe. Bei der Beurteilung der Verkehrsdurchsetzung seien nicht nur ausschließlich Umfragewerte, sondern sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Dazu gehörten insbesondere Marktanteile und Werbeaufwendungen. Zum Zeitpunkt der Anmeldung sei der Marktanteil sehr hoch gewesen; er habe im Oktober 1997 bei Geschirrreinigern 47,9 % erreicht. Auch die Werbeaufwendungen seien außerordentlich hoch gewesen. Sie hätten für Printmedien, TV und Radio in den Jahren 1994 bis 1999 im Schnitt 98 Millionen DM betragen, was sich aus dem vorgelegten umfangreichen Werbematerial und der Aufstellung der Werbeausgaben ergebe. Bei der bundesweiten Werbung sei die Fokussierung immer auf den blauweißen Tab erfolgt. Unschädlich sei, wenn hierbei auch die Wortmarke mitverwendet worden sei, da die Formmarke, die wettbewerbliche Eigenart aufweise, hierzu in einem Verhältnis wie Erst- und Zweitmarke stehe. Die Gestaltung der Tabs stehe im Vordergrund und sei unübersehbar. Sie stellten zum damaligen Zeitpunkt ein Novum dar. Auch das Gutachten von Infratest Burke vom April 1998 zeige, dass sich die Marke durchgesetzt habe. 57 % der Befragten hätten angegeben, dass sie die Tabs kennen, und weiteren 32 % kämen sie bekannt vor. 38 % sähen darin einen Hinweis auf einen ganz bestimmten Hersteller oder eine Marke.

Der Senat hatte die Entscheidung im Einverständnis mit der Anmelderin, die gegebenenfalls auch das Verkehrsdurchsetzungsverfahren weiterverfolgen wollte, im Hinblick auf EuGH-Verfahren zu Waschmitteltabs zunächst zurückgestellt und war ins schriftliche Verfahren übergegangen. Nachdem die Anmelderin mit der Fortführung im schriftlichen Verfahren nicht mehr einverstanden war, wurde die Sache erneut verhandelt.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten und die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 31. Mai 2001 und 27. Oktober 2005 Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Anmelderin ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg, da der angemeldeten Marke jedenfalls jegliche Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG fehlt.

Unterscheidungskraft im Sinne dieser Vorschrift ist nach ständiger Rechtsprechung im Hinblick auf die Hauptfunktion der Marke, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten, die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden (vgl. zur st. Rspr. BGH GRUR 2003, 1050 - Cityservice; EuGH GRUR 2004, 674 - Postkantoor). Die Unterscheidungskraft ist zum einen im Hinblick auf die angemeldeten Waren und zum anderen im Hinblick auf die beteiligten Verkehrskreise zu beurteilen, wobei auf die mutmaßliche Wahrnehmung eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren abzustellen ist.

Die Markenstelle ist zutreffend davon ausgegangen, dass ein Zeichen, das sich aus der dreidimensionalen Form der Ware wie z. B. einer Wasch- oder Geschirrspülmitteltablette und der Farbgebung dieser Tablette zusammensetzt, grundsätzlich eine Marke sein kann. Auch sind die Kriterien für die Beurteilung der Unterscheidungskraft dreidimensionaler Marken, die aus der Form der Ware selbst bestehen, nicht anders als die für die übrigen Markenkategorien geltenden. Eine dreidimensionale Marke, die aus der Form oder den Farben der Ware selbst besteht, wird aber von den maßgeblichen Verkehrskreisen nicht notwendig in gleicher Weise wahrgenommen wie eine Wort- oder Bildmarke, die aus einem Zeichen besteht, das vom Erscheinungsbild der mit der Marke bezeichneten Waren unabhängig ist. Die Durchschnittsverbraucher schließen aus der Form der Waren oder der ihrer Verpackung, wenn grafische oder Wortelemente fehlen, gewöhnlich nicht auf deren Herkunft. Je mehr sich die angemeldete Form derjenigen annähert, in der die betreffende Ware am wahrscheinlichsten in Erscheinung tritt, umso eher ist zu erwarten, dass dieser Form die Unterscheidungskraft fehlt. Nur eine Marke, die erheblich von der Norm oder der Branchenüblichkeit abweicht und deshalb ihre wesentliche herkunftskennzeichnende Funktion erfüllt, besitzt auch Unterscheidungskraft. Nach diesen Grundsätzen hat der EuGH in den Entscheidungen betreffend die Aktenzeichen C-456/01 P und C-457/01 P, C-468/01 P - C-472/01 P und C-473/01 P - C-474/01 P (GRUR Int. 2004, 631 ff.) die Schutzunfähigkeit mehrerer Marken in dreidimensionaler Tablettenform für Wasch- oder Geschirrspülmittel wegen fehlender Unterscheidungskraft bestätigt.

Entsprechend diesen Grundsätzen ist auch die angemeldete Marke nicht schutzfähig. Hinsichtlich der Waren "Reinigungsmittel, insbesondere Geschirrspülmittel und Waschmittel" entbehrt die angemeldete Marke jegliche Unterscheidungskraft, da es sich bei der quadratischen Form mit abgeschrägten Kanten um eine übliche Gestaltungsform handelt und auch der Aufbau in zwei unterschiedlich gefärbten Schichten auf dem vorliegenden Warengebiet üblich ist. Die gewählten Farben begründen ebenfalls keine Unterscheidungskraft, zumal die Farben Blau und Weiß auf dem Warengebiet der Reinigungsmittel beliebt sind. Im Übrigen hat auch bereits der 24. Senat die Schutzfähigkeit einer zweifarbigen Reinigungsmitteltablette verneint (vgl. PAVIS PROMA, Knoll, 24 W (pat) 078/00). Auch hinsichtlich der Waren "Wasserenthärtungsmittel" sieht der Verkehr in dieser üblichen Gestaltungsform keinen Betriebshinweis. Hinsichtlich der Waren "Arzneimittel, Desinfektionsmittel" ist die gewählte Gestaltung der dreidimensionalen Form ebenfalls nicht unterscheidungskräftig, da diese auch in Tablettenform angeboten werden und auch eine Einfärbung mit unterschiedlichen Farben üblich ist (vgl. BGH GRUR 2004, 683 - Farbige Arzneimittelkapsel).

Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin spielt es für die Frage der Unterscheidungskraft keine entscheidende Rolle, ob die Anmelderin als Erste Reinigungsmittel in Tabsform auf den Markt gebracht hat und ob es sich bei den Tabs der Konkurrenz lediglich um Nachfolgeprodukte gehandelt hat. Das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG darf weder im Zeitpunkt der Anmeldung noch im Zeitpunkt der Eintragung vorliegen. In Bezug auf diese Vorschrift muss die Marke in beiden Zeitpunkten schutzfähig sein, wobei allerdings ein solches noch zum Zeitpunkt der Anmeldung bestehendes Schutzhindernis, das im Zeitpunkt der Eintragung nicht mehr besteht, nicht zur Zurückweisung der Anmeldung führt, wenn der Anmelder mit einer entsprechenden Verschiebung des Zeitrangs nach § 37 Abs. 2 MarkenG einverstanden ist (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl., § 8 Rdn. 29).

Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin kann die angemeldete Marke auch nicht im Wege der Verkehrsdurchsetzung gemäß § 8 Abs. 3 MarkenG eingetragen werden.

Zunächst ist zu berücksichtigen, dass die Beschwerdeführerin ohnehin nur für einen kleinen Warenbereich Unterlagen eingereicht hat und daher eine Verkehrsdurchsetzung hinsichtlich der Waren "Arzneimittel, Desinfektionsmittel" schon von vorneherein ausscheidet, weil zu diesen Waren in den Unterlagen nichts enthalten ist. Auch hinsichtlich des angemeldeten Oberbegriffs "Reinigungsmittel, insbesondere Geschirrspülmittel und Waschmittel" und der Waren "Wasserenthärtungsmittel" hat sie lediglich für einen Teilbereich Material eingereicht, so dass eine Verkehrsdurchsetzung für die angemeldeten Oberbegriffe bereits aus diesem Grunde nicht vorliegt und eine Eintragung wegen Verkehrsdurchsetzung schon deshalb nicht möglich erscheint. Es bedarf aber keiner Erörterung, ob diesem - bereits in der mündlichen Verhandlung angesprochenen - Gesichtspunkt durch eine Beschränkung des Warenverzeichnisses Rechnung getragen werden könnte. Denn auch hinsichtlich der speziellen Waren, für die Verwendungsnachweise vorliegen (Wasserenthärtungsmittel und Geschirrspülmittel für Geschirrspülautomaten), reichen diese nicht aus, um eine Verkehrsdurchsetzung der angemeldeten Marke zu belegen.

Als beteiligte Verkehrskreise, in denen die Marke durchgesetzt sein muss, sind alle Kreise zu berücksichtigen, in denen die Marke Verwendung finden oder Auswirkungen zeitigen kann (Ströbele/Hacker Markengesetz, 7. Aufl. § 8 Rdn. 485). Zu den beteiligten Verkehrskreisen zählen hier in erster Linie die Abnehmer der Waren. Die vorliegenden Waren (Wasserenthärtungsmittel und Geschirrspülmittel) können von praktisch jedermann erworben und verwendet werden, so dass die allgemeinen Verkehrskreise als Abnehmer zu berücksichtigen sind. Ob ein Zeichen von den beteiligten Verkehrskreisen als markenmäßiger Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen aufgefasst wird, kann von verschiedenen Umständen abhängen. Hierbei sind z. B. der jeweilige Marktanteil, die Intensität, die geographische Verbreitung und Dauer der Markenverwendung, die aufgewendeten Werbemittel und die dadurch erreichte Bekanntheit in den angesprochenen Verkehrskreisen von Bedeutung, wobei die erforderlichen Feststellungen nicht nur auf Grund von generellen und abstrakten Prozentsätzen möglich sind (EuGH GRUR 1999, 723 - Chiemsee). Eine Verkehrsdurchsetzung ist zu verneinen, wenn nach den getroffenen Feststellungen der überwiegende Teil des Verkehrs das Zeichen nicht als unternehmens-, sondern als sachbezogene Angabe bewertet (Ströbele/Hacker Markengesetz 7. Aufl. § 8 Rdn. 506).

Soweit die Anmelderin auf ihre Marktführerschaft und die Werbemaßnahmen hinweist, ist im vorliegenden Fall zu berücksichtigen, dass auf dem Tab selbst noch ein Markenwort ("Calgonit" bei Geschirrspülreinigern bzw. "Calgon" bei Wasserenthärtungsmitteln) steht und nur auf ganz wenigen Unterlagen diese Marken nicht auf dem Tab zu sehen sind. Die Marktführerschaft und die Werbemaßnahmen lassen sich daher nicht ohne weiteres speziell auf die hier angemeldete Marke beziehen. Grundsätzlich ist vielmehr davon auszugehen, dass es im Falle der Kombination einer üblich gestalteten Ware mit einem kennzeichnungskräftigen Wort nahe liegt, nur das Wort als Marke aufzufassen, nicht dagegen die Gestaltung der Ware. Im vorliegenden Fall bieten daher die Marktführerschaft und die erheblichen Werbemaßnahmen keinen Beleg, dass der Verkehr in dem angemeldeten Zeichen, das sich in der Form und Farbgebung der Ware erschöpft, eine Marke der Beschwerdeführerin sieht. Auch soweit in den Werbeunterlagen der Aufbau der Tabs mit den zwei unterschiedlich gefärbten Schichten herausgestellt wird, ist dies kein hinreichender Anhaltspunkt für ein Verständnis als Marke, da insoweit die sachbezogene Angabe im Vordergrund steht, denn es wird die Reinigung in zwei Phasen erklärt, nämlich die weiße Phase, die gründlich reinige, und die blaue Phase, die Kalkbeläge verhindere.

Im Übrigen bestätigen die vorgelegten Umfrageergebnisse, dass eine Marktführerschaft und hohe Werbeaufwendungen nicht zwingend dazu führen, dass der Verkehr in einer Warenform die Marke sieht.

Auf die eingereichten Gutachten der Beschwerdeführerin zur Bekanntheit der angemeldeten Marke mit Umfrageergebnissen aus dem Jahre 1998 kann eine Schutzfähigkeit aufgrund Verkehrsdurchsetzung nicht gegründet werden. Auch wenn die Feststellung der Verkehrsdurchsetzung bei einem überwiegenden Teil des Verkehrs nicht zwingend eine demoskopische Befragung voraussetzt, darf in Fällen, in denen die Verkehrsbekanntheit des fraglichen Zeichens als Marke in Prozentzahlen ermittelt worden ist, die untere Grenze für die Annahme einer Verkehrsdurchsetzung nicht unterhalb von 50 % der beteiligten Verkehrskreise angesetzt werden (BGH GRUR 2001, 1042 - REICH UND SCHÖN); Ströbele/Hacker MarkenGesetz 7. Aufl. § 8 Rdn. 506, vgl. auch Ingerl/Rohnke Markengesetz, 2. Aufl. § 8 Rdn. 336; a. A. Fezer Markenrecht 3. Aufl. § 8 Rdn. 463c). Beide Umfragen betreffen lediglich Geschirrspülmittel-Tabs. Doch auch hierfür reichen die Unterlagen zur Bejahung einer Verkehrsdurchsetzung nicht aus. Die beiden Umfragen vom Januar bzw April 1998 liegen zwar erst nach dem Anmeldezeitpunkt im November 1997, jedoch ist der zeitliche Rahmen hinreichend eng, so dass von daher keine Bedenken bestehen, die Umfrageergebnisse für den Zeitpunkt der Anmeldung heranzuziehen. Allerdings fehlen Umfrageergebnisse zu einem aktuellen Zeitraum, so dass für den Entscheidungszeitpunkt relevante Umfrageergebnisse nicht vorliegen.

Fraglich ist auch, ob in den vorgelegten Umfragen die einschlägigen Verkehrkreise richtig gewählt sind. Es wurden im Januar Geschirrspülmaschinenbesitzer befragt, die selbst die Geschirrspülmittel einkaufen, bzw. im April 1998 die Bediener von Geschirrspülmaschinen. Da alle potenziellen Kunden zu den berücksichtigenden Verkehrskreisen gehören, hätten auch solche in die Befragung aufgenommen werden müssen, welche die Waren lediglich kaufen, ohne selbst Besitzer oder Bediener von Geschirrspülautomaten zu sein. Doch auch die bei den befragten Verkehrskreisen erzielten Umfrageergebnisse reichen für die Annahme einer Verkehrsdurchsetzung nicht aus.

Von den im Januar befragten Verkehrkreisen kennen 81 % den vorgelegten Reinigungs-Tab Blau-Weiß (ohne Aufschrift) für die Geschirrspülmaschine. Von diesen wiederum ordnen 40 % ihn einem bestimmten Hersteller zu. Bezogen auf die nach der Umfrage zu berücksichtigten Verkehrskreise sind das dann lediglich 32,4 %. Auch bei der Umfrage im April 1998 reicht der Durchsetzungsgrad nicht aus. 57 % der Befragten kennen den Tab, und weiteren 32 % kommt er bekannt vor. Zusammen sind dies 89 %, wobei bereits fraglich ist, ob diejenigen Verkehrskreise, denen der Tab lediglich bekannt vorkommt, überhaupt positiv für die Anmelderin gerechnet werden dürften. Von den genannten 89 % der befragten Verkehrskreise halten 38 % die Aufmachung als Hinweis auf einen ganz bestimmten Hersteller. Auf die befragten Verkehrskreise bezogen sind dies 33,8 %. Selbst bei diesen eingeschränkten Verkehrskreisen sehen nur etwa ein Drittel die angemeldete dreidimensionale Gestaltung als Marke an, sofern man weitere Bedenken zurückstellt. So kann im Hinblick auf das ENIGMA-Gutachten zweifelhaft sein, ob die Antworten der Befragten wirklich auf ein Verständnis der Tab-Gestaltung als eigenständige Marke schließen lassen oder ob sie nicht auch eine bloße Produktidentifizierung bedeuten können (siehe die Frage auf Seite 2 "Was glauben Sie: von welcher Marke ist dieses Tab hier€"). Denn bei vielen Produkten wie zB auch bei einer erheblichen Anzahl von Arzneimitteln ermöglicht die äußere Produktgestaltung eine Identifizierung, ohne dass der Verkehr darin eine Marke sieht. Dementsprechend haben laut Gutachten von Infratest Burke, das auf die Ermittlung von Verkehrsgeltung und Verwechslungsgefahr abzielte, zu Frage 5 nur 38 % der Befragten in der Tab-Aufmachung einen Hinweis auf "ganz bestimmten Hersteller oder Marke" gesehen. Nach der Fragestellung lässt sich kaum ausschließen, dass auch die Antworten solcher Teilnehmer positiv gewertet wurden, die wissen, dass die Tabs der Marke Calgonit so aussehen, ohne dass sie die Gestaltung selbst (auch) als Marke auffassen. Damit stünde auch in Einklang, dass auf Frage 9 den beiden farbigen Schichten eine Reihe funktionaler Bedeutungen beigemessen wurden, die Farbigkeit aber nur von 20 % bezüglich des blau/weißen Tabs (gegenüber 16 % allgemein) als für den Kauf wichtig bezeichnet wurde. Auch der Kommentar zum Gutachten (Seiten 3-5) lässt keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer damaligen Verkehrsdurchsetzung erkennen.

Die eingereichten Umfrageergebnisse sind daher nicht als Beleg einer Verkehrsdurchsetzung der angemeldeten Marke im Zeitpunkt der Anmeldung und noch weniger als Beleg einer Verkehrsdurchsetzung im aktuellen Zeitraum geeignet.

Die Beschwerde konnte somit keinen Erfolg haben.






BPatG:
Beschluss v. 17.02.2006
Az: 25 W (pat) 193/99


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