Bundespatentgericht:
Beschluss vom 16. Mai 2007
Aktenzeichen: 20 W (pat) 343/03

(BPatG: Beschluss v. 16.05.2007, Az.: 20 W (pat) 343/03)

Tenor

Das Patent wird widerrufen.

Gründe

I.

Die Einsprechende ist der Ansicht, dem Gegenstand des Patentanspruchs 1 fehle die Patentfähigkeit. Außerdem sei er ursprünglich nicht offenbart. Sie stützt ihren Einspruch u. a. auf folgende Druckschriften:

(3) DE 35 13 671 C3

(4) DE 36 27 972 A1

(5) DE 43 11 691 A1

(7) DE 34 06 066 A1.

Die Einsprechende beantragt, das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt, das Patent mit Patentanspruch 1 gemäß Schriftsatz vom 12. Oktober 2006 (dort als Hilfsantrag bezeichnet) aufrechtzuerhalten, hilfsweise mit den Patentansprüchen 1 bis 6 und angepasster Beschreibung sowie Figuren, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung.

Der Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet:

"Optoelektronische Vorrichtung zum Erfassen von Objekten in einem Überwachungsbereichmit einem Sendelichtstrahlen (3) emittierendem Sender (4) undeinem Empfangslichtstrahlen (5) empfangenden Empfänger (6), wobei die Sendelichtstrahlen (3) und die Empfangslichtstrahlen (5) innerhalb des Überwachungsbereichs einen gemeinsamen Pfad durchlaufen, die Sendelichtstrahlen (3), die innerhalb eines vorgegebenen Winkelbereichs auf die zumindest teilweise spiegelnde Oberfläche eines Objekts (2) im Überwachungsbereich auftreffen, vom Objekt (2) zu einem retroreflektierenden Reflektor (12) reflektiert werden und als Empfangslichtstrahlen (5) über das Objekt (2) entlang des Pfades zum Empfänger (6) zurückreflektiert werden, undwobei bei freiem Strahlengang die Sendelichtstrahlen (3) am Reflektor (12) vorbeigeführt sind, undwobei zur Objektdetektion das am Ausgang des Empfängers (6) anstehende Empfangssignal in einer Auswerteeinheit mit einem Schwellwert bewertet wird und eine Objektmeldung ausgegeben wird, sobald das Empfangssignal den Schwellwert überschreitet, wobei die Höhe des Schwellwerts so gewählt ist, dass die Empfangssignale nur dann oberhalb des Schwellwerts liegen, wenn die Empfangslichtstrahlen (5) spiegelnd vom Objekt (2) zum Empfänger (6) reflektiert werden, nicht jedoch bei einer diffusen Reflexion an Objekten (2)."

Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag unterscheidet sich vom Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag durch die Aufnahme der Merkmale der erteilten Patentansprüche 3 und 5. Er hat demnach folgende Fassung:

"Optoelektronische Vorrichtung zum Erfassen von Objekten in einem Überwachungsbereichmit einem Sendelichtstrahlen (3) emittierenden Sender (4) undeinem Empfangslichtstrahlen (5) empfangenden Empfänger (6), wobei die optoelektronische Vorrichtung (1) in einem Gehäuse (11) integriert ist, in dessen Frontwand eine Sende-/Empfangsoptik (10) gelagert ist, durch welche die Sende- (3) und Empfangslichtstrahlen (5) koaxial verlaufend geführt sind, wobei ein retroreflektierender Reflektor (12) auf der Frontwand des Gehäuses (11) neben der Sende-/Empfangsoptik (10) angeordnet ist, wobei die Sendelichtstrahlen (3) und die Empfangslichtstrahlen (5) innerhalb des Überwachungsbereichs einen gemeinsamen Pfad durchlaufen, die Sendelichtstrahlen (3), in innerhalb eines vorgegebenen Winkelbereichs auf die zumindest teilweise spiegelnde Oberfläche eines Objekts (2) im Überwachungsbereich auftreffen, vom Objekt (2) zu dem retroreflektierenden Reflektor (12) reflektiert werden und als Empfangslichtstrahlen (5) über das Objekt (2) entlang des Pfades zum Empfänger (6) zurückreflektiert werden, undwobei bei freiem Strahlengang die Sendelichtstrahlen (3) am Reflektor (12) vorbeigeführt sind, undwobei zur Objektdetektion das am Ausgang des Empfängers (6) anstehende Empfangssignal in einer Auswerteeinheit mit einem Schwellwert bewertet wird und eine Objektmeldung ausgegeben wird, sobald das Empfangssignal den Schwellwert überschreitet, wobei die Höhe des Schwellwerts so gewählt ist, dass die Empfangssignale nur dann oberhalb des Schwellwerts liegen, wenn die Empfangslichtstrahlen (5) spiegelnd vom Objekt (2) zum Empfänger (6) reflektiert werden, nicht jedoch bei einer diffusen Reflexion an Objekten (2)."

Die Einsprechende führt im Wesentlichen aus, der Gegenstand des Patentanspruches 1 beruhe auch in der Fassung gemäß Hilfsantrag nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Die Patentinhaberin ist dagegen der Ansicht, der Gegenstand des Patentanspruches 1 gemäß Hauptantrag und gemäß Hilfsantrag sei patentfähig. Die Druckschrift (7) führe den Fachmann nicht zum Gegenstand des Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag, weil dort kein Hinweis auf die die Auswerteeinheit betreffenden Merkmale zu entnehmen sei. Dies gelte erst recht für den Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag.

II.

1. Der Senat hat keine Zweifel an der Zuständigkeit des Bundespatentgerichts für die Entscheidung über den Einspruch, die sich aus § 147 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 PatG in der bis zum 30. Juni 2006 gültigen Fassung ergibt. Da mit der am 1. Juli 2007 in Kraft getretenen Gesetzesänderung eine anderweitige Zuständigkeit nicht begründet wurde, bleibt nach dem allgemeinen und in allen Verfahrensordnungen geltenden Grundsatz der "perpetuatio fori" die einmal begründete Zuständigkeit bestehen (siehe hierzu auch 23 W (pat) 313/03 und 19 W (pat) 344/04).

2. Der Einspruch führt zum Widerruf des Patents.

Als Fachmann ist ein Diplomphysiker mit Universitätsabschluss anzusehen, der über berufliche Erfahrung in der Entwicklung von optoelektronischen Messvorrichtungen verfügt.

Hauptantrag Der Gegenstand des Patentanspruches 1 gemäß Hauptantrag umfasst den Gegenstand des enger gefassten Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag. Nachdem letzterer - wie die nachfolgenden Ausführungen zum Hilfsantrag zeigen - nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, ist auch der Patentanspruch 1 nach Hauptantrag nicht rechtsbeständig.

Hilfsantrag Aus Druckschrift (7) ist eine optoelektronische Vorrichtung zum Erfassen von Unebenheiten von Oberflächen von Objekten in einem Überwachungsbereich bekannt. Die Vorrichtung weist einen Sendelichtstrahlen emittierenden Sender 1 und einen Empfangslichtstrahlen empfangenden Empfänger 6 auf. Die Sendelichtstrahlen und die Empfangslichtstrahlen durchlaufen innerhalb des Überwachungsbereichs einen gemeinsamen Pfad (Fig. 1). Die Sendelichtstrahlen, die innerhalb eines vorgegebenen Winkelbereichs auf die zumindest teilweise spiegelnde Oberfläche 4 eines Objekts im Überwachungsbereich auftreffen, werden vom Objekt zu einem retroreflektierenden Reflektor 5 reflektiert und als Empfangslichtstrahlen über das Objekt entlang des Pfades zum Empfänger zurückreflektiert. Dass die Objektoberfläche zumindest teilweise spiegelnd ausgebildet ist, ergibt sich aus der Darstellung des Einfallswinkels und des Ausfallswinkels in Figur 1.

Bei freiem Strahlengang sind die Sendelichtstrahlen am Reflektor vorbeigeführt. Dies wird in (7) zwar nicht ausdrücklich beschrieben, der Fachmann entnimmt jedoch ohne Weiteres aus Druckschrift (1), dass die Sendelichtstrahlen bei freiem Strahlengang, d. h. dann, wenn das Objekt und eine eventuell zusätzlich vorgesehene Unterlage fehlen, nicht zum Retroreflektor gelangen kann.

Es liegt im Bereich des routinemäßigen handwerklichen Könnens des Fachmanns, die optoelektronische Vorrichtung in einem Gehäuse zu integrieren. Dabei ergibt sich aus funktionalen Gründen von selbst, dass die Sende/Empfangsoptik in der Frontwand des Gehäuses gelagert ist. Die Anbringung des Retroreflektors auf der Frontwand des Gehäuses liegt ebenfalls im Rahmen des handwerklichen Könnens des Fachmanns. Sie ist besonders bei nahezu senkrechter Lichteinstrahlung auf das Objekt von Vorteil, weil dann mit einer leicht handhabbaren, einteiligen Vorrichtung auch unter kleinen Winkeln reflektiertes Licht erfasst werden kann. Da die Sendelichtstrahlen und die Empfangslichtstrahlen den gleichen Pfad durchlaufen, verlaufen sie koaxial. Ein seitlicher Versatz bei der Reflexion im Retroreflektor ergibt sich nur dann, wenn man einen einzelnen Sendelichtstrahl betrachtet (vgl. die Darstellung in (7), Fig. 3, 4). Tatsächlich treffen jedoch viele Sendelichtstrahlen auf den Retroreflektor, so dass sich der seitliche Versatz einzelner Strahlen, der je nach Auftreffpunkt des Strahls auf das Retroreflektorelement in beide Richtungen (d. h. in den Figuren 3 und 4 nach oben oder nach unten) stattfindet, gegenseitig wieder aufhebt.

In (7) wird zwar erwähnt, dass eine Auswerteeinheit vorhanden ist, es wird aber nicht beschrieben, wie sie im Einzelnen ausgebildet ist. Es gehört jedoch zum üblichen Vorgehen des Fachmanns, die Messsignale optischer Sensoren bei der Auswertung mit Schwellenwerten zu vergleichen, um unerwünschte Signale wie beispielsweise das Rauschen auszufiltern. Als Beleg für dieses Fachwissen wird auf die Druckschriften (3) (Sp. 5 Z. 1-8), (4) (Sp. 5 Z. 33-42) und (5) (Sp. 2 Z. 28-35) hingewiesen. Wenn nur spiegelnde Objekte, aber nicht diffus reflektierende Objekte erfasst werden sollen, liegt es für den Fachmann nahe, den Schwellenwert so zu wählen, dass er über dem relativ niedrigen Empfangssignal bei diffuser Reflexion, aber unter dem höheren Empfangssignal bei spiegelnder Reflexion liegt. Eine Objektmeldung wird dann nur ausgegeben, wenn das Empfangssignal oberhalb des Schwellenwerts liegt, also durch spiegelnde Reflexion entstanden ist. Die Trennung des spiegelnd reflektierten Nutzlichts von gestreutem Störlicht ist eine auf dem Fachgebiet der optoelektronischen Erfassung von Gegenständen allgemein übliche und daher meist nicht ausdrücklich beschriebene Maßnahme. Aus Druckschrift (7) (S. 4 Z. 8-12) ist dennoch eine Andeutung in dieser Richtung zu entnehmen. Dort wird im Zusammenhang mit dem geschilderten Stand der Technik auf den Nachteil hingewiesen, dass der auf spiegelnde Reflexion an einer Oberfläche mit hohem Glanzgrad zurückzuführende Nutzsignalpegel gegenüber dem störenden Streulichtpegel sehr klein werden kann.

Bei dieser Sachlage kann dahinstehen, ob der Gegenstand des Patentanspruchs 1 aus den ursprünglichen Unterlagen entnehmbar ist.






BPatG:
Beschluss v. 16.05.2007
Az: 20 W (pat) 343/03


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